Teil 1: Mut zur Provokation
Wie erreicht man Aufmerksamkeit, wenn alle großen Medien einen unsichtbar machen wollen? Diese Frage beschäftigte mich, als ich im Juni 2023 mit Maximilian Krah in einem Vorzimmer nahe Berlin stand und die Handykamera auf ihn hielt. Mit begrenzten Mitteln mußten wir möglichst große Wirkung erzielen, denn Krah war aufgrund einer fraktionsinternen Intrige suspendiert worden und hatte darum keine Gelder zur Verfügung.
Also mußten wir uns etwas Kreatives ausdenken, mit keinem anderen Equipment als einem Handy und einem Ansteckmikrophon.
Welche Themen beschäftigen die Leute, worauf reagieren sie? Ich wußte von meinem eigenen Twitter-Profil, daß man mit provokanten Botschaften zum Thema Beziehungen & Sexualität große Resonanz erzeugen kann. Immer öfter liest man von Studien, die belegen, daß junge Frauen linker werden und junge Männer rechter. Rechten wird daher vorgeworfen, „Incels“ zu sein, also keine Freundin finden zu können. Gewissermaßen wird die Drohung mit Sex- und Liebesentzug somit als Druckmittel gegen rechts verwendet.
Gleichzeitig werfen Rechte den linken Männern vor, schwach zu sein und ihre Männlichkeit verloren zu haben – das Bild vom Sojamilch trinkenden Softie ohne Kampfgeist. Jede Äußerung zu diesem heiklen Thema trifft die Menschen persönlich in ihrem Intimbereich, erregt die Gemüter und Gefühle.
Ich wußte also: Wenn wir in diesen Bereich gehen, erhalten wir Resonanz. Und zwar große Resonanz, die weiter über das Politische hinausgeht. Das hatten wir auch schwer nötig, denn die Medien verfolgten im Vorfeld zur Listenaufstellung eine neue Strategie: Anstatt Krah öffentlich zu dämonisieren, wie sie es mit Höcke und anderen AfD-Spitzenleuten seit Jahren versuchen, gaben sie dem Europaabgeordneten einfach überhaupt keine Bühne. Der Name „Krah“ wurde fast nie genannt, sein Gesicht nicht gezeigt. Es war ein Kartell des Schweigens, das hervorragend mit der fraktionsinternen Intrige zusammen wirkte – geradeso als hätte man sich abgesprochen, Krah mit Nachdruck aus der Öffentlichkeit herauszuhalten.
Man wollte dem intellektuell fähigen und schlagfertigen AfDler keine Bühne geben, also versuchte man, ihn unsichtbar zu machen. Doch mir fiel eine Methode ein: Ich wußte, wie man es schaffen kann, gegen den Willen der „Gatekeeper“ in den Fokus der Aufmerksamkeit zu gelangen. Denn ich hatte es selbst bei anderen beobachtet. Also schlug ich Maximilian Krah einige Sätze vor, die er in die Kamera sagen und dann etwa eine Minute frei dazu sprechen würde. Ich hielt die Kamera hoch und startete die Aufnahme.
Acht Wochen später titelte SPIEGELONLINE: „Maximilian Krah: AfD-Spitzenkandidat gibt Dating-Tipps“. Unser TikTok-Video hatte es auf die Startseiten mehrerer großer deutscher Medien geschafft, inklusive Namen und Bild von Krah.
Die ersten Sätze lauteten:
Jeder dritte junge Mann in Deutschland hatte noch nie eine Freundin. Du gehörst dazu? Schau keine Pornos! Wähl nicht die Grünen. Geh raus an die frische Luft.
Kurz darauf der Knaller:
Echte Männer sind rechts!
Damit hatten wir das erreicht, worum es auf der Plattform geht: Die meist jungen Nutzer scrollen endlos durch ihren „Feed“ und bleiben nur dann hängen, wenn etwas wirklich Interessantes ihre Aufmerksamkeit einfängt. Mit der Kombination aus seriösem Politiker im Anzug, persönlicher Ansprache und provokanter These hatten wir es geschafft, bei über einer Million von ihnen. „Echte Männer sind rechts“ wurde zur ikonischen Aussage von Krah.
Natürlich taten die Medien uns den Gefallen erst nach Krahs Wahl zum Spitzenkandidat der AfD zur Europawahl 2024. Pünktlich am Tag nach seiner Wahl kamen die Artikel, in denen sie ihn als schlüpfrigen Dating-Coach darstellen wollten. Aber sie hatten das Entscheidende nicht verhindern können: Die Videos, von denen „Echte Männer sind rechts“ nur eines der erfolgreichsten war, hatten in den Wochen zuvor ein Millionenpublikum erreicht, außerhalb der AfD und darum natürlich auch innerhalb.
In den sozialen Medien und auch in den Chatgruppen von Partei und Vorfeld wurden die kontroversen Botschaften rege diskutiert. Diese Reichweite hatte dem Namen Maximilian Krah zusätzliches Gewicht verliehen – undenkbar, dass man ihn weiter hätte ignorieren können.
Und im Zuge der Kontroverse kamen auch die weniger brisanten, klaren politischen Statements zur Wirkung: „Wir wissen, wer Nord Stream gesprengt hat“ oder „Einwanderung löst nicht den Fachkräftemangel“ wurden hunderttausendfach geschaut und stießen auf große Zustimmung.
Wir sehen an diesen Erfolgen, dass die alten Medien ihr Monopol auf die Aufmerksamkeit verloren haben. Wir konnten mit Einfallsreichtum und Mut ihre Übermacht ein Stückweit zurückdrängen und Aufmerksamkeit erreichen, wo sie diese entziehen wollten.
Und wir sind damit nicht alleine: Bereits seit Jahren steigen identitäre Aktivisten auf Dächer, senden rechte Influencer in Streams und YouTube-Videos ihre Botschaften aus, treten AfD-Politiker wie Roger Beckamp mit großem Erfolg und frischen Ideen in eigenen Formaten auf. Unsere TikTok-Offensive stellte den nächsten Schritt in dieser Professionalisierung der rechten Medienarbeit dar.
Der alte Glauben, dass die großen Medienhäuser mit ihren staatlichen Geldern und künstlich aufrechterhaltenen Auflagen entscheidend sind, kann nun überwunden werden. Heute wird man nicht mehr zwangsläufig groß und bekannt, weil man in eine ARD-Talkshow eingeladen wird. Umgekehrt kann man sich mit einfachen Mitteln selbst eine große Reichweite aufbauen, wodurch die Medien irgendwann gezwungen werden, über einen zu berichten.
Aber was ist mit der Zensur in den sozialen Medien? Ist es nicht so, dass rechte Kanäle und Profile gesperrt werden, sobald sie eine gewisse Relevanz erreichen? Daß große Twitter-Konten und YouTube-Kanäle einen „Shadowban“ erhalten, sodaß man sie nicht mehr einfach finden kann?
All dies ist zu einem gewissen Grad wahr, aber die Wirkung der Zensur nimmt stetig ab. Ein Beispiel: Bereits 2022 wurden offizielle AfD-Konten auf TikTok grundlos gesperrt. Doch die schiere Masse an AfD-Fans, die einfach weiterhin Videos veröffentlichten, sowie pro-rechten Influencern und Meme-Künstlern konnte das Momentum problemlos aufrechterhalten.
Die AfD sowie die rechte „Bubble“ blieben die stärkste politische Kraft auf der Plattform. In diesen Resonanzraum konnten wir im Sommer 2023 mit unserer TikTok-Offensive stoßen, und seitdem hat sich das Feld um viele weitere rechte Accounts mit hohen Zuschauerzahlen erweitert. Eine echte Bewegung läßt sich nicht aufhalten; Dämme können einzelne Wellen aufhalten, aber keinen Tsunami.
Bin ich leichtsinnig, weil ich diese Anleitung hier öffentlich beschreibe? Wenn die Methode so gut funktioniert, warum sollten unsere Gegner sie dann nicht auch verwenden? Die Antwort: Sie versuchen es bereits.
Etwa seit dem Herbst 2023 fingen die Altparteien an, genau unsere TikTok-Methode nachzuahmen. Plötzlich tauchten Videos im selben Stil, den Maximilian Krah und ich etablierten, auch von anderen Politikern auf. Friedrich Merz, Robert Habeck, Annalena Baerbock und sogar Karl Lauterbach versuchen offenbar, unsere Methode nachzumachen: Steile Aussage zu Beginn, gute Komposition mit Spannungsbogen und Musik über den Lauf des Videos.
Nur: Diese Politiker können weder steile Aussagen formulieren, die die Aufmerksamkeit einfangen, noch ein interessantes Video komponieren. Die Zuschauerzahlen der Establishment-Figuren lassen sich einfach dadurch erklären, dass sie durch die Reichweite der Massenmedien bereits Bekanntheit haben. Wiedererkennungswert kann eine gewisse Aufmerksamkeit erzeugen, aber „Knaller“ können sie nicht produzieren.
Ein weiterer Einwand ist, daß man durch große Aufmerksamkeit immer auch zu negativen Reaktionen einlädt. Sie sind notwendig, denn tatsächlich ist es so, daß man nur dann relevant werden kann, wenn man auch negative Aufmerksamkeit erfährt. Donald Trump brachte die richtige Haltung im Umgang damit 2019 auf den Punkt, als er auf Twitter schrieb: „I would like to wish everyone, including all haters and losers (of which, sadly, there are many) a truly happy and enjoyable Memorial Day!“ Brachte er sich damit den Spott seiner Gegner ein? Sicher. Aber bis heute erinnern seine Unterstützer und Fans sich an den souveränen Umgang mit der Kritik, während niemand mehr weiß, wie die damaligen „Hater“ überhaupt hießen.
„Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher.“ Mit diesem Satz in einem TikTok-Video lösten wir im September 2023 einen kleinen Medienskandal aus. Ich war mit Maximilian Krah in Berlin-Kreuzberg unterwegs zum Filmen. Nachdem wir auf der Straße erkannt wurden und im Hintergrund Leute anfingen zu schreien „AfD wollen wir hier nicht“, gingen wir für mehr Ruhe auf den Friedhof zwischen Volkspark und Tempelhofer Feld.
Aber die Botschaften zur EU-Wahl, die wir uns ausgedacht hatten, passten dort nicht so recht zur Atmosphäre. Also schlug ich den Satz „Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher“ vor, mit den Grabsteinen im Hintergrund.
Nachdem das Video auf TikTok und Twitter erschien, dauerte es nicht lange bis zum erwarteten Aufschrei. Es war klar, daß diese Botschaft einschlagen würde, denn sie ist provokant – auch wenn sie es eigentlich nicht sein sollte, aber faktisch wird sie als Provokation wahrgenommen.
Besonders wichtig ist jedoch, daß die Provokation nicht irgendwo im Video versteckt war, wir also nicht etwa mit „Wir stehen hier auf dem Friedhof, wo viele Vorfahren liegen“ anfingen. Stattdessen kam die Provokation direkt an den Anfang. Außerdem schrieb ich den Satz als Untertitel komplett in die Bildmitte: Auch wenn man das Video nur irgendwo sieht, ohne es anzuklicken, sieht man den kompletten provokanten Satz.
Technisch handelt es sich hierbei um einen „pattern interrupt“, eine Musterunterbrechung. In jeder Hinsicht: Inhaltlich unterbricht sie das Muster der BRD-Vergangenheitsbewältigung, in der man die eigenen Vorfahren bei jeder Gelegenheit als Verbrecher zu bezeichnen hat.
Wir taten inhaltlich das genaue Gegenteil. Auch formell lag eine Musterunterbrechung vor, denn im Gegensatz zu anderen Politiker-TikToks, die damals noch häufig mit langen Einleitungen oder Intros begannen, kamen wir direkt mit dem ersten Satz auf den Punkt. Beim Scrollen durch einen „Feed“ bleibt der Zuschauer also zwangsläufig hängen, weil er die Provokation direkt sieht.
Wenn man diese Technik anwendet, erreicht man schnell viel Aufmerksamkeit. Wenn man es richtig macht, ist ein Teil dieser Aufmerksamkeit positiv. Dies muß nicht die Mehrheit sein – im Gegenteil wird sich die Mehrheit bei einer gelungenen Provokation erst einmal gegen den Provokateur stellen (sonst wäre es ja keine Provokation). Aber ein Teil der Aufmerksamkeit muß natürlich positiv sein, denn hier entsteht der Kern der künftigen Anhängerschaft. Die Polarisierung zwischen Gegnern und Anhängern zeigt, daß man mit der Provokation Erfolg hatte.
„Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher“ kam auf TikTok mit 200.000 Views gut an und die Resonanz war hauptsächlich positiv. Das zeigt jedoch, daß wir auf dieser Plattform niemanden provozierten: Das Volk hat mit dieser Aussage kein Problem. Auf Twitter jedoch, wo hauptsächlich Journalisten und Establishment-Vertreter unterwegs sind, wurde das Video schnell zu einem Skandal, sodaß es deutlich höhere Impressionen erreichte (unüblich für ein Video) und von verschiedenen Nachrichtenseiten (NZZ, Zeit, Welt, WAZ) skandalisiert wurde.
Die Provokation, der „pattern interrupt“ wirkte also über verschiedene Medien und Blasen hinweg und bewirkte eine Spaltung in Gegner und Anhänger.
Viele Akteure aus dem rechten Lager beherrschen es bereits, mit eigenen Mitteln Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Zu nennen sind hier neben AfD-Politikern wie Roger Beckamp, Maximilian Krah, Ulrich Siegmund oder Matthias Helferich natürlich auch Aktivisten wie Martin Sellner. YouTuber wie Feroz Khan (jüngst 200.000 Abonnenten auf YouTube erreicht) und natürlich das Antaios-Umfeld haben es bereits geschafft, auf ihre jeweilige Weise im Mainstream Themen zu setzen und beständig Aufmerksamkeit zu binden.
Dabei wissen wir nun, daß es einen „Mainstream“ eigentlich gar nicht mehr gibt, weil die Aufmerksamkeit nicht mehr von Kartellmedien planmäßig zugeteilt und vorenthalten werden kann. Stattdessen schaffen es Einzelpersonen mit kleinen Teams, sie durch die richtige Methode auf sich zu lenken und an sich zu binden. Wer diese Methode lernt und beherrscht, kann auch gegen den Willen der Gatekeeper und ohne große Mittel das kostbare soziale Kapital namens Aufmerksamkeit in seinem Sinne nutzen – ganz egal ob auf YouTube, TikTok, Twitter, als Politiker, Buchautor oder Aktivist.
RMH
Das die TikTok Strategie für Dr. Krah aufegeht, ist auch daran erkennbar, dass der Anbräuner der Nation und Naziinflationist Böhmermann eine ganze Sendung Dr. Krah und TikTok auf seine bekannte, teilweise auch schmierige Art, gewidmet hat. Was mir aber doch sehr an dem Artikel hier aufstößt, ist folgende Erwähnung (die dann auch noch eine Wiederholung findet):
"denn Krah war aufgrund einer fraktionsinternen Intrige suspendiert worden"
Die AfD ist offenbar recht altparteilich geworden und braucht den Gegner nicht einmal mehr selber, um untereinander die bekannten Spielchen von Feind, Todfeind, Parteifreund und Listenkungelei zu spielen (siehe die Diskussionen in Bayern, leider aber auch um die Liste zur EU Wahl). Die AfD scheint mittlerweile ein Intriganten- und Netzwerkstadel zu sein, bei der es keine Seite mehr zu geben scheint, die sich diesebezüglich nicht bekleckert. Das hat aufzuhören. Die Gegenseite spielt aktuell gerade schon diese Karte der innerparteilichen Streitereien, auch wenn vermutlich nichts dran ist, bleibt wie immer was dran kleben, siehe hier:
https://www.bild.de/politik/inland/politik/schweizer-zeitung-spekuliert-weidel-koennte-ueber-privatleben-stolpern-87329730.bild.html