Auch ihnen sprang die Ironie ins Auge, daß die Bilder von Schmutz, Verfall, Verwahrlosung, Chaos und Zerstörung, die im Zentrum des Films stehen, in unserem Spektrum mit den Folgen genau jener Politik der Masseneinwanderung assoziiert werden, die von den Machern bizarrerweise als Garant für Wohlstand und Lebensqualität ausgegeben wird.
Im Filmchen wird Deutschland zum “shithole country”, sobald (und weil) die Ausländer und Migranten fort sind; in der Realität ist Deutschland insbesondere seit 2015 deutlich chaotischer, häßlicher, gewalttätiger und krimineller geworden.
Kann man sich nun einen Gegenfilm vorstellen, der die Prämissen des Filmchens auf den Kopf stellt und eine Botschaft im einwanderungskritischen Sinne transportiert? Sitzen dann etwa Oma und Enkelin, beide erkennbar “unvermischt” und westeuropid, im Jahr 2060 nach der Flucht aus Troja in Sibirien, Hyperborea, einem per Klimawandel neu ergrünten Grönland oder Patagonien, wo sie ein Nueva Germania aufgebaut haben?
Die Oma, etwa mein Jahrgang, erzählt dann womöglich eine Geschichte, wie schön das Leben in Deutschland in ihrer Kindheit und Jugend in den achtziger und neunziger Jahren war, bevor es “vielfältig” und “bunt” wurde. Die Macher des Originals haben wohlweislich nicht gewagt, zu behaupten, Deutschland sei vor der fiktiven “Remigration” ein Paradies gewesen, und konzentrierten sich lieber auf Horrorvisionen der Apokalypse nach Abwanderung der Goldstücke.
Unser hypothetischer Gegenfilm könnte nun versuchen, zu behaupten, daß Deutschland vor 2015 eine Idylle war, und aufzeigen, daß es erst durch die Masseneinwanderung zum “shithole” wurde. Wir alle wissen, daß die Sache nicht ganz so simpel ablief, aber wir wollen ja einen Propagandafilm machen. Was für Bilder benutzen wir nun, um unsere Story illustrieren?
Beauftragen wir “Wihelm Kachel”, die passenden Illustrationen zu generieren? KI-Bilder von sauberen, idyllischen, ethnisch homogenen Städten mit Fachwerkhäusern, Kathedralen und neogotischen Rathäusern, Landschaften mit grünen Weiden, Bauernhöfen mit niedersächsischen Hallenhäusern, Caspar-David-Friedrich-Schluchten, schneebedeckten Berggipfeln, wogenden Kornfeldern, rauchenden Kernkraftwerken neben Blumenwiesen und meinetwegen auch Autobahnen, über die in der Sonne glänzende Mercedes, Volkswagen und Porsches flitzen.
Vor uns liegt ein weites TalDie Sonne scheint mit Glitzerstrahl…
Und überall tummeln sich schlanke, kräftige, dunkel- bis hellblonde junge Menschen, fruchtbare Mutter und Väter mit mindestens einem halben dutzend glücklichen Kindern, die Frauen anmutig, schmal, vollbusig und feminin, die Männer schneidig maskulin, breitschultrig, mit dicken, aderigen Bizepsen und entschlossenen Gesichtern, perfekte Gestalten wie aus einem modernisierten Blut & Boden-Bilderbuch.
Anschließend brauchen wir Bilder von der Flüchtlingskrise, die dieses deutsche Idylle zerstört. Können wir hier auf die KI verzichten, einfach “echte” Fotos aus der Zeit der Flüchtlingskrise verwenden? Gibt es “echte” Bilder aus Berlin, Frankfurt, Köln, die es mit den KI-Katastrophen aus dem Originalfilm aufnehmen können? Oder müssen wir um des Effektes willen “aufmotzen”, und das KI-Programm anweisen, krassere Darstellungen auszuspucken?
Was machen wir mit den Geschehnissen, von denen wir keine oder nur wenig aussagekräftige Bilder haben? Beauftragen wir die KI, möglichst drastische, detaillierte Darstellungen von islamistischen Terroranschlägen anzufertigen, von Vergewaltigungsopfern, gemesserten Kindern, totgeschlagenen Teenagern? Zeigen wir Aufmärsche von aufgeregten Levantinern mit haßverzerrten Gesichtern und schwarzen Zauselbärten? Von rabenschwarzen Afrikanern, einer wie der Klon des anderen, die aus überfüllten Booten steigen und italienische Küsten invadieren, pointiert übersteigert, weil uns die “realen” Bilder immer noch nicht schlimm genug sind?
Oder wie wär’s mit einem etwas subtileren Ansatz, der die Welt von Wilhelm Kachel als Utopie versteht, nach der jedes deutsche Herz sich hinzustreben sehnt? Dann könnte die Oma der Enkelin erzählen, daß der “Exodus” der letzten volksbewußten Deutschen, als Deutschland demographisch nicht mehr zu halten, sich am Ende als große Chance erwiesen hat, ein neues germanisches goldenes Zeitalter zu begründen, analog zur Pointe des Originals, in der sich die Kalergi-Menschen eine afrofuturistische Idylle aufgebaut haben.
So einem Film könnte man machen, und er könnte sogar amüsant ausfallen. Aber worin bestünde nun wirklich sein Wert? Wir hätten es mit einer Parodie eines Propagandaprodukts zu tun, das seinerseits schon wie eine unfreiwillige Parodie wirkt (Marc Felix Serrao stimmt zu). Gefakte, übertriebene Bilder antworten auf andere gefakte, übertriebene Bilder, generieren ein bißchen Spaß, den man liken, teilen und auf den sozialen Medien semi-ironisch abfeiern kann.
Nun sollte ich ein paar Worte darüber verlieren, warum KI-generierte Bilder bei mir ganz generell Abscheu und Unbehagen hervorrufen. In einem einzigen Artikel kann ich das Thema gewiß nicht ausschöpfen. Mein persönlicher Geschmack ist dabei wohl ziemlich irrelevant und uninteressant, und ich verstehe auch, daß diese Pandora-Büchse nun offen ist und wie im antiken Mythos nicht mehr zu schließen ist.
Aber was sich aus ihr über die Welt ergossen hat, insbesondere die Welt, die uns aus unseren Computerbildschirmen entgegenblickt und nach unseren Köpfen greift, erscheint mir geradezu dämonisch. Und was wir heute davon zu sehen und hören bekommen, ist erst der tastende Anfang dessen, was wohl schon in wenigen Jahren möglich sein wird.
“Dämonisch” nenne ich es nicht nur, weil die zukünftigen Möglichkeiten der Manipulation und Täuschung schier unbegrenzt erscheinen, und alles übertreffen werden, was Orwell und Ellul (und Heidegger) jemals Alpträume bereitet hat.
Sondern auch deshalb, weil die Imitation der Wirklichkeit mit ihr bereits jetzt einen äußerst verstörenden Grad erreicht hat. Fast könnte man an ein “Gespenst in der Maschine”, an ein unheimliches Eigenleben der Computerprogramme glauben. Es ist ähnlich wie bei den sprachbasierten Formen von KI: Ein Nichts tut so etwas, als ob es Etwas, ein Schatten, als ob er ein lebendiges Wesen wäre.
Hier ein Zitat aus einem noch unveröffentlichten Essay meines schottischen Freundes Millennial Woes, der dieser Technik positivere Aspekte abgewinnen kann als ich, aber ihr trotzdem kritisch gegenüber steht:
Durch KI erstellte fotorealistische Nahaufnahmen [engl. “close-up”, eine “Aufnahme” ist es im eigentlichen Sinne ja nicht. ML] von Menschen finde ich beunruhigend und verstörend. Je realistischer sie sind, desto schlimmer finde ich sie. Ich hasse das Gefühl, mir bewußt zu sein, daß die Person, die ich sehe, nicht real ist. (…) Ich empfand immer eine Art von Beziehung zu der Person auf dem Bildschirm. Natürlich eine völlig einseitige, aber das ist irrelevant. Meine Gefühle wurden nie erwidert, aber das habe ich auch nie erwartet. Ich brauche keine Rückmeldung; ich erwarte nur, daß ich nicht betrogen werde, daß das, was in mir echte Gefühle auslöst, selbst in irgendeiner Weise echt ist. Ein Schauspieler ist eine Person, die sich verstellt, aber es immerhin eine Person.
Wenn ich mir also KI-Filme ansehe, beunruhigt und schmerzt es mich, wenn mir dämmert, daß die Person, die ich da sehe, nicht real ist, nirgendwo existiert, nie gelebt hat, nicht einmal geboren wurde und nie geboren werden wird. Das bedeutet, daß keinerlei Beziehung zu ihr möglich ist. Eine solche wäre das Äquivalent von Empathie zu einem “Fleshlight” [ein Masturbations-Instrument, das eine Vagina imitiert.- ML], was sich niemand vorstellen kann.
Natürlich könnte man sagen, daß Schauspieler immer fiktive Charaktere spielen, und daß ich weder den Schauspieler noch den Charakter, den er darstellt, jemals treffen werde, so daß ich ohnehin nur eine imaginäre “Beziehung” mit der Person auf der Leinwand eingegangen bin. Gewiß, gewiß… Aber es ist nicht dasselbe, und wir alle wissen das. Hier wird ein Rubikon überschritten, und wir alle wissen das.
Ich empfinde dies ganz genauso. Und ein weiteres Problem, das ich noch ausführlicher elaborieren müßte, ist die Automatisierung und damit letztendliche Auslöschung der menschlichen Kreativität, die KI mindestens impliziert. Sie operiert mit bereits Geschaffenem, das in Daten verwandelt wurde, die nun praktisch endlos kombiniert und variiert werden können, nahezu mühelos, auf Zuruf und Knopfdruck. Es entsteht eine Mega-Inflation von Bildern, Worten und Tönen, hinter denen kein Mensch, kein Schöpfer mehr steht. Damit wird die Idee der Kunst selbst entwürdigt und entwertet.
Ich sehe dies auch ganz genau so wie Hayao Miyazaki, der japanische Altmeister des animierten Films, der angeekelt auf einen (zugegebenermaßen noch recht primitiven) KI-animierten Clip reagierte, der ihm vorgeführt wurde:
Wer auch immer dieses Zeug herstellt, er hat keine Ahnung, was Schmerz ist. Ich bin zutiefst angewidert. Wenn ihr wirklich gruselige Sachen machen wollt, könnt ihr das tun, aber ich würde diese Technologie niemals für meine Arbeit verwenden. Ich empfinde das als eine Beleidigung des Lebens selbst. (…) Ich habe das Gefühl, daß wir uns dem Ende der Zeiten nähern. Wir Menschen verlieren den Glauben an uns selbst.
Gewiß werden digitale Tricks schon seit den achtziger Jahren in Filmen verwendet, und sind an und für sich ein Werkzeug, das theoretisch auch echten, ernsthaften Künstlern praktische Dienste leisten kann. Heute profitieren vor allem Low-Budget-Produktionen von avancierter, aber kostensparender Technik, und sie haben meinen Segen. Ein Kubrick oder Hitchcock würde den Einsatz von KI-Technologie kaum verschmähen, und damit auch gewiß Bemerkenswertes schaffen, eben weil er Kubrick oder Hitchcock ist.
Das sind nun die meisten KI-Produzenten allerdings nicht, und bislang habe ich nur sehr wenige Beispiele von KI-generierter Kunst gesehen, die in eine positive Richtung deuten. Sogar die gelungeneren und verblüffenderen Beispiele haben einen schalen Beigeschmack, weil ihnen das Element der Anstrengung, des Leidens, des tatsächlichen Könnens fehlt, weil auch sie errechnete, maschinelle Serienprodukte sind, selbst wenn sie von einem Gestalter individuell modelliert werden.
Noch einmal Millennial Woes, ich könnte es kaum besser ausdrücken:
Ich glaube, daß ein wesentlicher Bestandteil der Kunst ein gewisses Maß an Kampf und Anstrengung ist. Ein schöpferischer Akt sollte nicht billig oder schmerzlos sein. Er sollte etwas kosten. Ich weiß nicht genau, warum das so ist. Aber wenn Sie erfahren würden, daß Leonardo da Vinci die Mona Lisa in einer Stunde gemalt hat und es ihm das Endresultat völlig egal war, oder wenn Sie hören würden, daß er einen Roboter oder eine künstliche Intelligenz dazu gebracht hat, es für ihn zu tun… würden Sie sich dann nicht betrogen fühlen? (…)
Kunst sollte die Frucht einer Anstrengung sein. Wenn es keine Anstrengung gibt, ist es keine Kunst. Sie bedarf der Einübung von Fähigkeiten, des Aufspürens und der Pflege von Talenten, der Zeit, der Energie und des Engagements. Ein Teil des Menschseins besteht darin, daß wir Dinge tun, die uns am Herzen liegen; wenn uns die Sache zu leicht von der Hand geht, haben wir nicht unter Beweis gestellt, daß sie uns ernsthaft am Herzen liegt. Wenn sich in der Sache, die wir erschaffen haben, nicht die Zeit und die Sorgfalt spiegeln, die in ihre Erschaffung geflossen sind, ist sie wertlos – zumindest als ein Monument menschlichen Strebens, denn das ist sie dann einfach nicht.
Natürlich gibt es Momente der Inspiration, in denen das Schöpferische auf leichten Füßen kommt, und einen “die Muse küßt”. Ein befreundeter Dichter schilderte mir neulich, wie er eines seiner besten Gedichte in nur wenigen Minuten geschrieben hat. Aber auch solche Momente sind Frucht und gnadenhafte Belohnung einer langen Einübung des Handwerks, von Hingabe und Anstrengung.
Darum ein paar Worte zu “Wilhelm Kachel”, der “Memes von rechts liefert” (Heimatkurier) oder nach Ansicht von info-direkt sogar “ein rechtes Lebensgefühl” stärkt.
Kernbotschaft seiner Mems ist nach Selbstauskunft die persönliche Selbstoptimierung in patriotischen Diensten:
Mach dich fit, mach dich schlau, organisier dich und rette dein Land!
Ich habe erfahren, daß hinter dem Pseudonym ein altgedienter Aktivist steckt, den ich schätze und sympathisch finde. Aber von seinen KI-Produkten kann ich leider nicht dasselbe sagen.
Mein “Lebensgefühl” stärken sie nicht, sondern lösen in mir einen lähmenden, faden Ekel aus. Sollte ich einmal Herrscher eines Ethnostaats in Patagonien werden, wird derartige Optik unter Androhung von Prügelstrafe verboten.
Meinetwegen sind das Geschmacksfragen, aber eben nicht nur. Da ist zunächst ein Aspekt, den ich an KI-Produkten generell unangenehm, beinahe bedrohlich empfinde: Die aufdringliche Überperfektion, die Hyperdetailliertheit, die einen weitaus höheren Arbeitsaufwand suggeriert, als tatsächlich in das Bild eingegangen ist.
Im Fall von “Wilhelm” imitieren die Bilder (nach eigener Aussage bekommt er drei pro Tag hin) die Machart eines Ölgemäldes, und wären dies tatsächlich von Hand geschaffene Gemälde, so würden sie ein zigfaches an Zeit kosten und eine respektgebietende handwerkliche Meisterschaft voraussetzen. Auch hier ist es das maschinelle, serielle Vortäuschen von Meisterschaft, das das schale Gefühl auslöst, von dem Millennial Woes spricht.
Das sagt Wilhelm über seine Vorgehensweise:
An sich beginnt alles mit einer Idee. (…) Dann gibt man der Maschine Futter. Stil, Bildgröße, Setting, Referenzen, Farben, Begriffe. Und dann beginnt an sich schon die Magie der Maschine. Das, was die KI ausspuckt, wird mit Photoshop und Grafiktablet überarbeitet und in eine Form gegossen.
Aber auch wenn sie mit Hand gemalt wären, wären die Ergebnisse schlichtweg nicht mehr als Kitsch, von einer Oberflächenglattheit und Eindimensionalität, die tatsächlich ins Genre der klassischen Propaganda gehört, von der Auftragskunst des Dritten Reichs über den sozialistischen Realismus bis hin zu chinesischer und nordkoreanischer Regimekunst.
Die perfekten, gestylten, glücklich lächelnden Menschen mit Supermodel-Körpern und ‑gesichtern auf Wilhelms Kacheln sehen tatsächlich genau nach dem aus, was sie sind: Maschinell, seriell erzeugte und beliebig multiplizierbare Reißbrettprodukte, seichte, nach Schema F klischierte Klone, die rechte Werte wie Heimatverbundenheit, Familiensinne, Stärke, Ehre, Mut und so weiter signalisieren sollen.
Aber es schmeckt durch und durch nach Fake, nach Abziehbild. Es ist zu smart und zu perfekt und zu formelhaft. Die Masche hat sich nach etwa einem Dutzend Mems erschöpft und rotiert nur mehr in einer Dauerschleife aus endloser, vorhersehbarer Wiederholung und Variation. Seine Figuren bewegen sich durch ihre comicshafte Überzeichnung hart am Rande zur Selbstparodie oder zur unfreiwilligen Komik. Wer sich von so etwas jenseits von temporärem Amüsement ernsthaft mitreißen oder motivieren läßt, hat mein Mitleid.
Die Wilhelm-Kacheln scheinen die Klischees der Linken über Rechte zu bestätigen, und dies vielleicht teilweise sogar mit einer augenzwinkernden Absicht (die jedoch kein “Zivilist” von außen verstehen wird) und dem Willen, Reflexe zu triggern, ähnlich wie das “Deutsche Familie”-Mem der Jungen Werteunion (mit der WEF-Anspielung “Du wirst eine Familie haben und du wirst glücklich sein), das vor einigen Monaten die Runde machte, eine ausgesuchte Scheußlichkeit, die ebenfalls wie ihre eigene Parodie wirkte.
Ich vermute, der Ursprung dieser Nummer liegt in einem Cover des Wochenmagazins der FAZ vom April 2016, Titel “Wie die AfD leben möchte”, das demonstrieren wollte, wie spießig, bieder und rückwärtsgewandt das Menschenbild der Blauen doch sei. Jan Fleischhauer beschrieb es damals so:
Auf dem Cover präsentierte das Blatt die AfD-Familie als Neuauflage der Familie Trapp: die Kinder in Tracht, die Wangen so rosig, als würden sie den ganzen Tag mit Sanddornsaft gefüttert; die Mutter mit frischgestärkter Schürze und Schokokuchen in der Hand; der Vater als fescher Naturbursche, das Jagdgewehr über der Schulter, den Dackel zu Füßen.
Ich erinnere mich, wie das damals auf Rechtstwitter als episches Eigentor gefeiert wurde: Was sei denn nun schlecht an diesem Bild? Haben sich die Macher nicht selbst entlarvt, indem sie das abgebildete Familien-Ideal als verwerflich und schrecklich hinstellten?
Das funktionierte durch eine semi-ironische, trotzige Aneignung und Affirmation, wie sie im Trump-Jahr 2016 üblich war. Das Cover des FAZ-Magazins wurde nun auf Rechtstwitter als “basiert” gefeiert. Es war Getrolle, (im Kern) aber auch ernst gemeint; es war ernst gemeint, (im Kern) aber auch Getrolle.
Denn trotzdem blieb die Tatsache bestehen, daß das Bild auch wirklich ein bißchen eklig und klebrig war, und absichtlich so gestaltet wurde. Nicht weil trachtentragende Kinder, Schokokuchen, Jagdgewehre oder traditionelle Familien an sich eklig wären, sondern weil Kitsch eklig und verlogen und vor allem auch häßlich ist (wirklich “schön” kann auch nur etwas Wahres sein, denke ich).
Ich würde die Illustration des FAZ-Magazins als die Urmutter der Wilhelm-Kacheln klassifizieren. Der Macher hat die Optik mittels KI aufgemotzt und die Ironie heruntergedimmt, bis sie für Außenstehende kaum mehr wahrnehmbar ist. Und so bietet er uns unironisch perfekte Menschentypen mit blonden, wehenden Haaren in Kornfeldern, Rudel von blonden Kindern, die Deutschlandfahnen schwenken, Höcke mit Schwert und Ritterrüstung, Paare, die aussehen, als wären sie dem Cover eines Johanna-Lindsey-Romantikromans entsprungen und wandelnde Breker-Statuen im Muskel-Shirt, die Plakate kleben und blaue Fahnen schwenken, als ernstgemeintes politisches “Marketing” an, das über unsere Blase hinaus wirken und anziehen soll.
Was dabei herauskommt, ist eine Art Propaganda-Porno. Generell haben KI-Bilder einen essentiell pornographischen Charakter oder “Geist”, ungeachtet ihres Inhalts. Was ich hiermit meine, sind ihre grelle Überperfektion, ihr Hyper- und Super-Realismus im Dienste übertriebener Wunschvorstellungen und extremer Reizeffekte.
Unfreiwillig ironisch sind in diesem Zusammenhang wiederum die zahlreichen Appelle der Wilhelm-Kacheln, sich einem realen, gesunden, naturverbundenen Selbstversorgerleben zuzuwenden. Hier stimmen Form und Inhalt einfach nicht überein. Die Meme präsentieren und propagieren eine pure, übersteigerter Fantasy-Welt, deren maschineller Charakter unverkennbar ist. Damit haben auch sie Teil am allgemeinen Trend zur Auflösung der Wirklichkeit durch digitale Bilder und Reize, die über ubiquitäre Bildschirme praktisch ohne Unterbrechung in die Hirne der Menschen gepumpt werden.
Ich höre immer wieder das Argument, daß KI-Produkte nun unausweichlich die politische Propaganda, die Werbung und das Marketing generell dominieren werden, und die Rechten gar keine andere Wahl hätten, als mitzumachen und diese Werkzeuge kreativ für ihre eigenen Zwecke zu nutzen.
Manche scheinen sich von dieser Technologie das Blaue vom Himmel zu versprechen, als hätte man nun eine Art billige magische Waffe in die Hand bekommen, die uns helfen wird, unsere Ideen weit über unsere Blasen hinaus zu verbreiten. Aber wie bei allen technologischen Innovationen sind Gewöhnung und Banalisierung gleich um die Ecke. Der Kitzel verfliegt bald, und gefüttert wird damit bereits jetzt vor allem die eigene Klientel, die sich durch “Teilen” dieser Bilder die Illusion verschafft, irgendetwas in der wirklichen Welt bewegt oder verändert zu haben.
Trotz meiner persönlichen, tiefsitzenden Abneigung gegen KI-Erzeugnisse, die ich für absolutes Gift für Geist und Seele halte, kann ich rational das Argument nachvollziehen, daß ihre Nutzung tatsächlich zunehmend unumgänglich wird, wenn man nicht aus dem Rennen des Kampfes um die öffentliche Aufmerksamkeit gedrängt werden will.
Aber im Wesen der Technologie selbst sitzt ein zerstörerischer Teufel, der Kreativität ebenso nur imitiert, wie er die Wirklichkeit nur imitiert. Alles, was man mit seiner Hilfe aufbauen will, steht auf einer schiefen Ebene.
Darüber sollte meiner Ansicht nach im rechten Lager gründlicher nachgedacht werden.
Teufel
Es ist schwer, dieses Unbehagen auszudruecken - den Versuchen hier gelingt es nicht. Es ist nicht die Nichtexistenz der Figuren, es sind hauptsaechlich diese subtilsten Fehler (vor allem in der Bewegung), die enthalten sind und dann noch das Wissen, dass es maschinell erstellt wurde.
Woody aus Toy Story existiert auch nicht wirklich, wurde aber von Hand erstellt. Er erzeugt dieses Gefuehl nicht. KI-Kunst dagegen hat etwas unfertiges, etwas entstellendes, aber es ist davon auszugehen, dass das auch bald behoben ist. Und dann muss man sich immer die Frage stellen, ob man es ablehnt, weil man weiss, dass es nicht menschengemacht ist oder weil man es tatsaechlich verstoerend findet. Denn ich moechte behaupten, dass es heute schon etwaige Beispiele gibt, die ohne dieses Zusatzwissen anders aufgenommen wuerden.