“Oma, was war nochmal dieses Deutschland?” ist ein dreieinhalbminütiges Filmchen, das komplett mit KI-generierten Bildern arbeitet, produziert von der einschlägig spezialisierten Firma “Ponywurst Productions” (scheußlicher Name). Falls sich noch jemand an das thematisch ähnliche Meisterwerk Aufbruch ins Ungewisse aus dem Jahr 2018 erinnern kann – diese neue Produktion stellt es bei weitem in den Schatten.
Für den Inhalt verantwortlich zeichnen Andreas O. Loff, Christian Suhr und ein gewisser Behzad Karim Khani. Ja, genau der.
In einem aparten und damals vieldiskutierten Text “Integriert euch doch selber”, der an die “lieben Biodeutschen” adressiert ist, schrieb der Exil-Iraner im Januar 2023:
Ich denke, wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir den Dingen in die Augen schauen sollten. Gerne gemeinsam. Gerne nüchtern. Fangen wir dafür doch mit der einfachen Feststellung an, dass wir – Migranten, Ausländer, Menschen mit …, nennen Sie uns, wie Sie wollen – so einfach nicht weggehen werden. Und Sie, liebe Biodeutsche, auch nicht.
Wobei, demografisch gesehen, gehen Sie durchaus weg. Sie sterben weg, und Ihr Land braucht für die kommenden 15 Jahre circa 400.000 neue Arbeitskräfte, das heißt ungefähr eine Million Einwanderer pro Jahr. Wir Migranten werden dieses Land wohl erben. Wir könnten hier also auf Zeit spielen. Auf eine Zeit, die Sie nicht haben.
Moralisch rechtfertigte er dies mit den üblichen Schuld-Argumenten:
Vielleicht sollten wir einsehen, dass, wenn man für die Idee rassischer Reinheit einen Weltkrieg anzettelt, man sich nach dessen Niederlage gezwungen sehen könnte, ein Einwanderungsland zu werden. (…) Was sicher ist: Wir sind hier. Nicht nur für Ihre Rentenkassen, sondern weil wir dafür sorgen, dass der arische Albtraum in diesem Land niemals Realität wird. Dafür, dass diese Realität so weit entfernt liegt, dass selbst Nazis sie offenbar aufgegeben haben, so, wie wir alle die Idee dieses sozialdemokratischen Gesamtschul- und Mittelschicht-Miteinanders aufgegeben haben. Ohne extreme Gewalt, die jene Hitlerdeutschlands in den Schatten stellt, wird jener Albtraum sich nicht erfüllen. Dieser Zahn ist endgültig gezogen.
Khani scheint also nicht einmal selber an die Prämisse seines eigenen Films zu glauben, denn darin wird der “arische Albtraum” Wirklichkeit, indem die “Remigration” aller, wirklich aller Migrationshintergründler gelingt, und das auch ohne “extreme Gewalt” (man sieht nur ein paar fiese Polizisten, und abgeschobene Menschen “of color”, die in Flugzeugen usw. sitzen).
Oder vielleicht hat ihn auch Sellner überzeugt, daß “Remigration” theoretisch auch ohne Neuauflage von “Hitlerdeutschland” ginge. Darum muß er zeigen, daß sie trotzdem in eine Katastrophe führen würde.
Seine Pointe: Wer darunter am meisten leiden wird, sind vor allem die Deutschen selbst. In seinem Szenario wird Deutschland unter AfD-Herrschaft nicht nur ein totalitärer Überwachungsstaat, sondern es verfällt, verarmt und schrumpft demographisch, weil allerorts die fleißigen Migrantenbienchen fehlen, die das Land peuplieren und in Hochbetrieb halten und Ordnung, Sauberkeit und Wohlstand garantieren.
Der Film ist dermaßen bizarr, dermaßen grundirre, daß man ihn für eine Parodie halten könnte, die ein Troll aus unserem eigenen Lager gemacht hat. Die Quasi-Psychose unserer Gegner, die ich hier schon oft behandelt habe, ist jedoch derart weit fortgeschritten, daß ihre Phantasien schlichtweg nicht mehr parodierbar sind. Auch dieses Produkt ist offenbar todernst gemeint, als Warnung davor, was passiert, wenn die AfD “die Macht ergreift”. Wie immer bei Unternehmungen dieser Art, gibt der Film stattdessen tiefe Einblicke ins Oberstübchen der Macher.
Lesen wir ihn also als eine Art Psychogramm.
Er beginnt “im Jahre 2060 in Nordafrika”. In einer menschenleeren Wüstenlandschaft stehen archäo- oder afrofuturistische, eiförmige Holzhäuser mit großen Bullaugeneingängen, die von Abdeckplanen aus einem roten Stoff bedeckt sind (Hitzeschutz?). Auf der Veranda eines dieses Häuser sitzen nun zwei starre, minimal animierte KI-Wesen, eine “Oma” und ihre “Enkelin”.
Das “rassische” Casting spielt in dem Film eine gewichtige Rolle, und das fängt gleich bei der ersten Szene an. Beide Figuren sind nämlich offenbar absichtlich undefinierbare “Mischrassen”-Menschen (ich kann nix dafür, daß mir auch auffällt, was die Macher in Szene gesetzt haben, Beschwerden über meine rassenkundliche Analyse bitte an diese). Die Oma hat vage asiatische oder austronesische Gesichtszüge, eine rötlich-gelbe Hautfarbe und lange blonde Haare, die zu einem eher mädchenhaften, steil nach oben stehenden Pferdeschwanz hochgesteckt sind, dazu ein gelbes Kleid mit afrikanisch anmutenden Mustern und eine Hose mit Leopardenflecken.
Die Enkelin ist ebenfalls blond, aber mit eher negriden Gesichtszügen und aus irgendeinem mysteriösen Grund mit einer Art weißen Schminke oder einem Ausschlag mit weißen Tupfern im Gesicht, was sie aussehen läßt wie einen Albino. Ihre Anatomie ist reichlich verkorkst (wo sind ihre Hände? Hat sie weiße Strümpfe auf den Armen?). Sie wird von der Oma kitschigerweise mit “mein Licht” angesprochen (das ist ein Musterbeispiel für “cringe”, wie die jungen Leute heute sagen. Oder sagt man das so im Iran?).
Sie fragt nun mit einer Fake-Kinderstimme (Sprecherin Nellie Thalbach, Tochter von Anna, ist Jahrgang 1995): “Oma, was war nochmal dieses Deutschland? Die Kinder in der Schule sagen, das gibt es nicht mehr?” Und diese antwortet mit einer Fake-Oma-Stimme (Sprecherin Anna Thalbach ist Jahrgang 1973): “Doch, mein Licht, Deutschland gibt es noch, es ist nur… anders.”
Nun kommt die Story vom “Exodus”, den man damals “Remigration” nannte, die aber eigentlich eine “Deportation” war, in Form einer Bildergeschichte, in der die KI-Technik (sozusagen) ihre Muskeln spielen läßt: Krasse Ansichten von apokalpytisch entfremdeten deutschen Städten, voller Dreck, Müll, Zerstörung und Chaos, durchziehen als roter Faden den Film.
Deutschland 2060 ist ein kaputtes, abgeschottetes, deindustrialisiertes, wirtschaftlich, politisch, kulturell und sozial heruntergekommenes, “dünn besiedeltes” Nordkorea. Seine diktatorische Regierung ist derart borniert in ihrem Wahn, die Grenzen dichtzumachen, daß sie nicht einmal “Lasterkolonnen” der UNICEF hineinlassen will, die darauf warten, in die dort herrschende “humanitäre Katastrophe” einzugreifen.
Wie kam es dazu? Es fing an, als “die Blauen” gewählt wurden und “an die Macht kamen”. Warum die “Blaumiesen” (wer kennt noch den Beatles-Film Yellow Submarine?) von so vielen Menschen gewählt wurden, erfährt man nicht. Offenbar aus reiner Bosheit, denn zur Illustration sieht man nur eine Gruppe von ungemütlich aussehenden Männern mit Deutschlandfahnen und breiten Schultern, einige davon Glatzköpfe (die wie Gummikorken aussehen).
“Es gab Wahlen in Deutschland??” ruft die ungläubige Enkelin dazwischen. Nach der Machtergreifung hörte Deutschland auf, eine Demokratie zu sein. Die “Blauen” schafften alle anderen Parteien und die “freie Presse” ab. Das Internet wurde zensiert, es gab nur mehr drei Fernsehkanäle und einen Radiosender. Nun wehten überall nur mehr blaue Parteifahnen (kein schwarz-rot-gold).
Kann man sich das überhaupt vorstellen, ein Leben ohne unseren paradiesischen Parteien- und Medienpluralismus, in dem fünf Parteien dieselben Dinge wollen und fünfzig Zeitungen dieselbe Meinung verkünden?
Es wurde eine beinharte Diktatur errichtet und dann mit der “Remigration” (Zungenschlag) begonnen. “Erst wollten sie alle Nicht-Deutschen raus haben”, erzählt die Oma, während man Groß“aufnahmen” von gelben, schwarzen und braunen Menschen sieht, die den Zuschauer ernst und traurig anblicken: ein indisches, ein afrikanisches, ein asiatisches, ein arabisches Gesicht. Bilder dieser Art folgen im Anschluß noch etliche, wobei die gesamte Hautfarben-Palette durchdekliniert wird wie in einer Benetton-Werbung.
Die Oma fügt hinzu: “Das war fast die Hälfte der Bevölkerung, daß das nicht ging, verstanden sie selbst, also fingen sie mit denen an, die keinen deutschen Paß hatten.”
Wie bitte?
Halten wir mal kurz inne. Die Oma hat gerade beiläufig einen Unterschied zwischen ethnischen Deutschen und Paßdeutschen festgestellt (was ja heute verfassungsfeindlich ist) und die Realität des Bevölkerungsaustausches bestätigt. Das ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß Co-Autor Khani kein Großer-Austausch-Leugner ist, sondern diesen genüßlich begrüßt und als eine Art Strafe für den Nationalsozialismus ansieht.
Nachdem dann diejenigen draußen waren, die keine Staatsbürger, sondern “nur” Ausländer waren, “brach schon einiges zusammen”. Die Blauen waren aber so perfide, die Mißstände, die durch die Abwesenheit von Ausländern entstanden sind, “den Kindern und Enkeln von Einwanderern in die Schuhe zu schieben”. Nun wurde Deutschland so “dunkel und karg” (man sieht das Innere einer geschändeten Synagoge), “daß man froh war, wenn man gehen konnte”.
“Auch den meisten Deutschen ging es so”, und nun kommen Bilder von blonden, deutschen Familien (inklusive trauriger, blauäugiger Kindergesichter), die beladen mit Gepäck das Land verlassen, sogar in Schlauchbooten über’s Meer.
Und dann hat noch immer keiner gemerkt, “daß es ihnen geschadet hat, euch alle los zu sein?”, fragt die Enkelin.
Die Oma erklärt:
Doch, aber in einer Diktatur wie in Deutschland ist es schwierig zu sagen, was man wirklich denkt! Man wird da sofort eingesperrt!
Na Gottseidank sind wir von solch schrecklichen Zuständen weit entfernt!
Illustration dazu ist ein finster dreinblickender Mann im schwarzen Anzug mit Krawatte, der “Agent Smith” aus Matrix ähnelt und wie weiland Dr. Mabuse vor einer Wand voller Monitore sitzt, vor denen er darüber wacht, daß niemand ein falsches Wort sagt, was ihn offenbar so richtig sauer macht.
Nachdem nun alle Ausländer und Nichtdeutschen “deportiert” worden sind (man sieht sie recht ordentlich in Flugzeugen sitzen, nur hin und wieder guckt einer ganz erschreckt), geht es endgültig bergab mit Deutschland: “Der Müll wurde nicht abgeholt, die Post nicht zugestellt, Felder nicht geerntet, Lebensmittel nicht geliefert, Fabriken geschlossen”, erklärt die Oma.
“Alte Menschen vereinsamten ohne Pfleger” (Bild: traurig dreinschauende, vereinsamte alte Frau), “internationale Beziehungen waren dahin” (Bild: ein kaputtes Flugzeug auf einem verwilderten Feld), Aber auch mit Bildung und Kultur ist es vorbei: “Arztpraxen, Schulen, Universitäten wurden bis auf wenige geschlossen.”
“Es tut mir leid, Dr. Jamil wurde heute… remigriert”, teilt eine biodeutsche KI-Sprechstundenhilfe mit starrem Gesicht einer Gruppe biodeutscher KI-Omis im Warteraum der Arztpraxis mit. Eine dieser Omis blickt (“direkt in die Kamera”, wenn es denn eine gäbe) mit großen, blauen, schreckgeweiteten Augen den Betrachter an. Die KI-Augen blinzeln, der KI-Mund öffnet sich: “Oh nein. Jetzt auch noch der Doktor!”
Nun gibt es offenbar niemanden mehr, der die ganze landesweit anstehende Arbeit erledigen kann und will, geblieben sind offenbar nur mehr zwar arische, aber asoziale und faule Pechmarien, die im Gegensatz zu den arbeitswütigen nichtdeutschen Goldmarien Frau Holles Kissen nicht schütteln wollen und die schönen Apfelbäume und Backöfen verkommen lassen.
Klingt das alles schon meschugge genug? Dabei habe ich das Beste noch nicht einmal erwähnt. Die Nationalmannschaft zum Beispiel, “verlor noch höher” (1:7 gegen Libanon), offenbar, weil sie nur mehr aus blonden Männern besteht, die mit gesenkten Köpfen am Boden hocken.
Im Fernsehen gibt “es nur noch deutsche Filme” (das Wort “deutsch” wird im Film generell immer nur mit einem ironischen Zungenschlag gesprochen), Illustration dazu: ein Bildschirm, auf dem man eine bezopfte Maid mit Dirndl und Blumenstrauß vor einer Berglandschaft sieht, wie in so einem Heimatfilm aus den fünfziger Jahren.
Mein absoluter Favorit ist aber diese Stelle:
Eigentlich funktionierte nur noch die Autobahn, das war den Blauen irgendwie wichtig.
Bilder dazu: Blühende Landschaft mit Autobahn aus der Vogelperspektive, dann Polizeifahrzeuge mit Blaulichtern auf eben dieser (schwarzer Mercedes, wie die Gestapo!).
Ich habe mich vor Lachen fast angewischelt, wie man in Österreich sagt.
Man kann sagen, was man will, das sind Schenkelklopfer allererster Güte. Aber offenbar unfreiwillige. Wenn eine satirische Überspitzung beabsichtigt war, so wird sie durch die bierernste, humorlose Präsentation konterkariert. Sie ist außerdem so weit von der Realität entfernt, daß sie jeglichen Biß verliert. Es sind Karikaturen von antifaschistischen Klischees, die routinemäßig auf die AfD projiziert werden, keine Karikaturen der AfD selbst.
Der Film endet mit der Frage der Enkelin an die Oma, ob sie Deutschland vermisse.
Manchmal schon, mein Licht, aber wäre ich da, würde ich dieses schöne Land, das wir hier gemeinsam aufgebaut haben, noch mehr vermissen.
Zoom zurück, man sieht noch mehr rote Eierhäuser, plus ein paar Palmen und blaugrün schimmerndes Meer.
Die Pointe ist also, daß die “Deportation”, die offenbar relativ “human” ablief und keine Menschenleben gekostet hat (ein “Holocaust” war es nicht gerade), am Ende für die (als nuancenlose Teufel gezeichneten) Deportierer ein Schuß ins Knie war, während die (engelsgleich gezeichneten) Deportierten, diese wahren Goldschätze, diese Atlasse, die Deutschland auf ihren tüchtigen Schultern getragen und lebenswert gemacht haben, am Ende gewonnen und sich in Marokko oder Algerien (oder welches gelobte Land das auch immer sein soll) ein idyllisches Leben aufgebaut haben (was ist eigentlich aus dem Klimawandel geworden?).
Naja. Da könnte man nun fragen, warum sie denn alle überhaupt erst nach Deutschland gekommen sind, und sich nicht gleich in ihren Heimatländern ein Wakanda aufgebaut haben?
Ich sagte, daß man Produkte dieser Art in erster Linie als “Psychogramme” betrachten sollte. Als Propaganda funktioniert das Filmchen denkbar schlecht, nicht unbedingt, weil es so primitiv in seinen Mitteln ist, sondern vor allem, weil ihm nahezu jede Bodenhaftung abgeht, es pure Fiktion ist, ein Fiebertraum, wie das Theaterstück zum Correctiv-Report.
Dieser Eindruck des absolut und fundamental Künstlichen, Unechten, Unwahren, Erlogenen wird noch durch die KI-“Ästhetik” verstärkt, deren Scheußlichkeit kongenial zum Inhalt des Films ist.
Das wirft ganz fundamentale ästhetische Fragen auf. In einer Fortsetzung dieses Artikels werde ich zu begründen versuchen, warum “unsere” Seite meiner Meinung nach schlecht dabei beraten ist, KI zu Propagandazwecken zu nutzen.
Wahnsinnistkeinemeinung
Bzgl. Ihres wunderbaren Vortrags von neulich: Zunächst kann sich, wer noch klar denken kann, nur entsetzt und verärgert abwenden, wenn er dieses dämliche Video zum ersten Mal sieht. Was jedoch positiv zu bemerken bleibt, ist wie folgt: Manches wirkt durchaus durchdacht und real - im ersten Moment, auf den zweiten Gedanken hin folgt die Logik (Logik ist eine menschliche Eigenschaft, eine KI kann Logik höchstens simulieren): Eine gesunde und soziale Gesellschaft, die sich in erster Linie um ihresgleichen kümmert, würde ihre Alten und Kranken selbst versorgen, sie also nicht in die Obhut fremder Menschen geben. Dies gilt natürlich auch für die Jüngsten. Die Ideen der frühen achtziger Jahre fallen einem spontan ein, eine 35 Stunden Woche, weniger Verdichtung der Arbeit, Mütter die nicht auf vierzig Hochzeiten gleichzeitig tanzen möchten, sich stattdessen um ihre Kinder kümmern usw. Was zunächst reaktionär anmutet (die Behauptung bzgl. der Mütter), erweist sich als durchaus gesund. Oder ist diese gesell-schaftliche Realität im Islam etwa anders? Nein, dort ist Frau eine Frau und ein Mann, ein Mann. Dass es natürlich auch andere Möglichkeiten gibt, widerspricht dem Grundgedanken in keiner Weise.