Ohne Kickl – Regierungsbildung in Österreich

Die Koalitionsverhandlungen in Österreich sind genauso ausgegangen, wie ich es vor drei Wochen vorausgesagt habe (es war kein Kunststück): "Die Verlierer" SPÖ, ÖVP und tutti quanti haben einen cordon sanitaire gegen die FPÖ gebildet, Präsident Van der Bellen hat den amtierenden Bundeskanzler Karl Nehammer, verantwortlich für das gemessen am Stimmenverlust schlechteste Wahlergebnis in der Geschichte der ÖVP, und nicht den Chef der Siegerpartei FPÖ, Herbert Kickl, mit der Regierungsbildung beauftragt.

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Das bedeu­tet eine (zumin­dest nomi­nel­le) Rück­kehr zum guten, alten SPÖ-ÖVP-Tan­dem, frü­her bekannt als “Gro­ße Koali­ti­on”, die Öster­reich jahr­zehn­te­lang alter­na­tiv­los domi­niert hat.

Aller­dings ist auch die SPÖ nicht mehr beson­ders “groß”, und hat – ver­mut­lich dank Babler – ihren bis dato nied­rigs­ten Stimm­an­teil bei einer Natio­nal­rats­wahl aus­ge­faßt (21,14%). Des­halb muß sich Neham­mer “zur Absi­che­rung einer brei­te­ren par­la­men­ta­ri­schen Mehr­heit” noch eine drit­te Par­tei, wahr­schein­lich die Neos (9,14%), hin­zu­krat­zen (die Grü­nen wer­den es wohl nicht mehr sein).

Mit ande­ren Wor­ten: Es wur­den alle Hebel in Bewe­gung gesetzt, um das Leck im Sys­tem zu fli­cken. So kommt es nun, daß trotz des his­to­risch ein­zig­ar­ti­gen Wahl­er­geb­nis­ses von letz­tem Monat alles beim alten bleibt, inklu­si­ve (und allen Erns­tes) Fort­set­zung des Bun­des­kanz­ler­amts Neham­mer, eines Man­nes, des­sen nie­der­träch­ti­ge Poli­tik wäh­rend des Coro­na-Spuks erheb­lich zum Erfolg der Blau­en beit­ge­tra­gen hat.

Hin­zu kommt, daß die FPÖ auch auf Bun­des­län­der-Ebe­ne der ÖVP bedroh­lich auf die Pel­le rückt: In der kom­men­den Land­tags­wahl in der Stei­er­mark wird ein hoher Stim­men­an­teil erwar­tet, in Vor­arl­berg brach­te sie es mit 28% auf den zwei­ten Platz. Umfra­gen zufol­ge ist Kickl nach der Wahl noch popu­lä­rer als vor der Wahl.

Und nun, blau­er Wäh­ler, fühlst du dich nun mal wie­der gepflanzt, aus­ge­trickst und ver­ach­tet? Hast du mal wie­der den Ein­druck, daß du in einer “Demo­kra­tie­si­mu­la­ti­on” lebst, die sich trick­reich gegen Alter­na­ti­ven und Ver­än­de­run­gen abge­si­chert hat, und dich als “unde­mo­kra­tisch” beschimpft, wenn du dage­gen auf­muckst und Ein­spruch erhebst? Bist du demo­ra­li­siert, weil man dir schon wie­der gezeigt hat, daß dei­ne Stim­me neb­bich wert bist, und dei­ne Inter­es­sen mit allen Mit­teln bekämpft werden?

Du pri­mi­ti­ver Dumm­kopf mußt dir die Welt ein­fach von einer Intel­li­genz­bes­tie wie dem Fal­ter-Häupt­ling Flo­ri­an Klenk erklä­ren las­sen:

Für alle FPÖ­ler, die die Ein­füh­rungs­vor­le­sung Jus nicht bestan­den haben: 28 Pro­zent der Stim­men sind kei­ne par­la­men­ta­ri­sche Mehr­heit. Eine Regie­rung braucht eine Mehr­heit. Demo­kra­tie ist die durch die Min­der­heit und ande­re Staats­ge­wal­ten kon­trol­lier­te Herr­schaft der Mehrheit.

Die­ses höh­nisch vor­ge­tra­ge­ne “lega­lis­ti­sche” Argu­ment sagt im Grun­de nicht mehr als “Wir machen das, weil wir es kön­nen.” Ob dies poli­tisch klug ist oder ob es tat­säch­lich den in der Wahl zum Aus­druck gekom­me­nen Wäh­ler­wil­len demo­kra­tisch “gerecht” abdeckt, ist Klenk und sei­nes­glei­chen (und offen­bar auch Van der Bel­len und Neham­mer) egal. Ihrer Ansicht haben die blau­en Wäh­ler kei­ne legi­ti­men Inter­es­sen, son­dern sind nur ein proto­fa­schis­ti­scher Mob, den man lei­der nicht los­wer­den, son­dern nur in Schach hal­ten kann.

Das übli­che Pro­ce­de­re der Natio­nal­rats­wahl fin­det man auf der offi­zi­el­len Netz­sei­te des öster­rei­chi­schen Par­la­ment so beschrie­ben (natür­lich optisch mas­sa­kriert von Gen­der-Inter­punk­ti­on; übri­gens hat­ten wir noch nie eine “Bun­des­prä­si­den­tin”):

Seit der Ver­fas­sungs­re­form von 1929 kann der Bun­des­prä­si­dent bzw. die Bun­des­prä­si­den­tin die Bun­des­re­gie­rung ernen­nen. Die Bun­des­re­gie­rung muss sich aber auf eine Mehr­heit im Natio­nal­rat stüt­zen kön­nen, um ihre Vor­ha­ben leich­ter durch­zu­brin­gen und nicht gleich wie­der per Miss­trau­ens­vo­tum gestürzt wer­den zu können.

In der Pra­xis ist es daher üblich, dass der/die Bundespräsident:in nach einer Natio­nal­rats­wahl den Vor­sit­zen­den bzw. die Vor­sit­zen­de der stim­men­stärks­ten Par­tei mit der Regie­rungs­bil­dung beauftragt.

Ich habe mich via Wiki­pe­dia kun­dig gemacht, wann dies in der öster­rei­chi­schen Geschich­te nicht der Fall war. Seit 1945 zäh­le ich drei Fäl­le (unter ins­ge­samt 27 Natio­nal­rats­wah­len, die aktu­el­le aus­ge­nom­men). Sehen wir sie uns mal an.

1953 und 1959 gewann die SPÖ mit knap­pem Stim­men­vor­sprung die Wah­len, den­noch stell­te die ÖVP in bei­den Fäl­len den Bun­des­kanz­ler (bei­de Male Juli­us Raab), da sie auf­grund der Wahl­arith­me­tik ein Man­dat mehr besaß als die Roten. An der Regie­rung waren sie via “gro­ße Koali­ti­on” natür­lich den­noch betei­ligt. Die Prä­si­den­ten die­ser Regie­run­gen, die dies bil­lig­ten, waren jeweils Sozi­al­de­mo­kra­ten, Theo­dor Kör­ner (1951–1957) und Adolf Schärf (1957–1965).

Das geschah zu Zei­ten, als die durch­schnitt­li­che Wahl­be­tei­li­gung noch über 90% lag und sich ÖVP und SPÖ den Wäh­ler­ku­chen nahe­zu zu glei­chen Stü­cken auf­teil­ten, mit den Schwar­zen als sta­bi­le Seni­or­part­ner (ana­log zur Domi­nanz der CDU in West­deutsch­land). Die­se Ära der ÖVP-Vor­herr­schaft (ab 1966 sogar in Form einer Allein­re­gie­rung) dau­er­te bis 1970.

Mit Bun­des­kanz­ler (“Son­nen­kö­nig”) Bru­no Krei­sky, der drei­zehn Jah­re lang regier­te, begann das “gol­de­ne Zeit­al­ter” der SPÖ, mit sage und schrei­be vier Allein­re­gie­run­gen auf­grund der abso­lu­ten Stim­men­mehr­heit. Die SPÖ soll­te bis Ende der neun­zi­ger Jah­re in der domi­nan­ten Posi­ti­on des Seni­or­part­ners blei­ben: 1983–86 in einer rot-blau­en Koali­ti­on unter Fred Sino­watz (zuletzt, für die Dau­er von sechs Mona­ten, unter Vra­nitz­ky), von 1986–97 in einer gro­ßen Koali­ti­on mit der ÖVP unter Franz Vra­nitz­ky resp. von 1997–99 unter Vik­tor Klima.

Am Ende die­ser Ära kam mit Bun­des­kanz­ler Wolf­gang Schüs­sel, der seit 1996 Vize­kanz­ler gewe­sen war. Hier folgt nun das drit­te Bei­spiel in der Geschich­te der Natio­nal­rats­wah­len der 2. Repu­blik, in der die Sie­ger­par­tei nicht mit der Regie­rungs­bil­dung beauf­tragt wurde.

Was war in den neun­zi­ger Jah­ren gesche­hen? Die FPÖ unter Jörg Hai­der hat­te sich zur ernst­haf­ten Stim­men­fres­ser­kon­kur­renz der von ihm so genann­ten “Alt­par­tei­en” ent­wi­ckelt. Sie jag­te ihnen hin­ter­her wie der Wolf Skal­li in der nor­di­schen Mytho­lo­gie der Son­ne. 1999 hat­te er sie ein­ge­holt und biß kräf­tig zu: FPÖ und ÖVP kamen auf jeweils 52 Man­da­te (bei­de 26,91%), mit einem arsch­knap­pen Stim­men­vor­sprung (415) der FPÖ, die somit den zwei­ten Platz erlang­te. Wahl­sie­ger war die SPÖ mit 33,15%, was aller­dings rund fünf Pro­zent weni­ger als 1995 waren.

Nun hät­te es durch­aus zu einer wei­te­ren “Gro­ko” zwi­schen Roten und Schwar­zen kom­men kön­nen. Letz­te­re beharr­ten dar­auf, das Finanz­mi­nis­te­ri­um in die Grif­fel bekom­men, was von der SPÖ strikt abge­lehnt wur­de. Der dama­li­ge Finanz­mi­nis­ter Rudolf Edlin­ger for­mu­lier­te (nach­voll­zieh­ba­rer­wei­se): “I wür­de eher an Hund auf mei Wuascht auf­passn loss’n, als die ÖVP auf’s Göd der Steiazohla.”

Vik­tor Kli­ma, von Bun­des­prä­si­dent Kle­stil (ÖVP) mit “Son­die­rungs­ge­sprä­chen” beauf­tragt, ver­wei­ger­te nach lan­gen, zähen Ver­hand­lun­gen die Unter­schrift unter dem ihm vor­ge­leg­ten Regie­rungs­pakt, und äußer­te den wohl nicht unbe­grün­de­ten Ver­dacht, daß “die ÖVP das gar nicht ernst­haft will”.

Aber ohne die ÖVP (Schüs­sel kün­dig­te gleich nach der Wahl an, daß er auf­grund des drit­ten Plat­zes “in die Oppo­si­ti­on” gehen wer­de) war es unmög­lich, eine Mehr­hei­ten­re­gie­rung zu bil­den, weil die FPÖ als Part­ner indis­ku­ta­bel blieb. Eine Min­der­hei­ten­re­gie­rung mit den Grü­nen (dama­li­ger Chef Van der Bel­len) war vom Wahl­er­geb­nis her (7,4 %) nicht machbar.

Schüs­sel sah in die­ser ver­track­ten Kon­stel­la­ti­on offen­bar eine Rie­sen­chan­ce, die seit 1970 an der Macht kle­ben­de SPÖ zu Fall zu brin­gen. Zu die­sem Zweck war ihm auch ein Pakt mit dem Bären­ta­ler Teu­fel Hai­der recht. Der Zeit­punkt war güns­tig, denn es gab eine weit­ver­brei­te­te, lan­ge auf­ge­stau­te Unzu­frie­den­heit mit dem sta­gnie­ren­den, ewig rot-schwar­zen “Koali­ti­ons­filz”, wie man es damals nann­te.  (Hier gibt es auf­schluß­rei­ches Archiv­ma­te­ri­al des ORF.)

Es ist also durch­aus mög­lich, daß der ÖVP-Anspruch auf das Finanz­mi­nis­te­ri­um ein bewußt gepflanz­ter Stol­per­stein war, um Schüs­sel ein Ali­bi dafür zu lie­fern, statt­des­sen mit dem blau­en Gott­sei­bei­uns Ver­hand­lun­gen auf­zu­neh­men. Nach­dem Kli­ma in die Fal­le getappt war, beschlos­sen ÖVP und FPÖ vier Mona­te nach der Wahl kur­zer­hand eine Regie­rungs­ko­ali­ti­on, die Schüs­sel Kle­stil qua­si fix und fer­tig auf dem Tablett servierte.

Kle­stil hät­te nun dazu Nein sagen kön­nen, lief aber in Gefahr, durch will­kür­li­che Ableh­nung einer trag­fä­hi­gen, soli­den par­la­men­ta­ri­schen Mehr­heit (ins­ge­samt 104 Man­da­te) eine ernst­haf­te Staats­kri­se aus­zu­lö­sen. Also biß er in den sau­ren Apfel, schluck­te die Krö­te Hai­der und gelob­te, sicht­bar schlech­ter Lau­ne, Schüs­sel zum Kanz­ler an.

Man könn­te sagen, daß ÖVP und FPÖ sich damals zu einer Art kal­tem Putsch gegen den Wahl­sie­ger SPÖ zusammentaten.

Als Rache mobi­li­sier­te die SPÖ via Gewerk­schaf­ten und ande­re affi­lier­te lin­ke Ver­ei­ne und Grup­pie­run­gen (dar­un­ter auch Anti­fan­ten) wüten­de Demos gegen die “ras­sis­ti­sche” Regie­rung und die “Rechts­extre­mis­ten”, die angeb­lich in ihr saßen. Auf die­se folg­ten die “EU-Sank­tio­nen”, die jedoch bald wie­der ver­puff­ten und von der Regie­rung pro­pa­gan­dis­tisch geschickt genutzt wur­den (in der Tat hat­te die­ser pater­na­lis­ti­sche Ein­griff von außen in die öster­rei­chi­sche Innen­po­li­tik ein äußerst befremd­li­ches Geschmäckle.)

Schüs­sels Kal­kül war indes auf­ge­gan­gen: Zum ers­ten Mal seit 1966 stell­ten die Schwar­zen wie­der einen Kanz­ler, obwohl sie zum ers­ten Mal in ihrer Geschich­te auf Platz drei gerutscht waren. Obwohl auch er (und als Zweit­plat­zier­ter mit grö­ße­rem Recht) Ansprü­che auf das Amt des Kanz­lers hät­te stel­len kön­nen, gab Hai­der klu­ger­wei­se Schüs­sel den Vor­tritt. Somit wur­de er zum “Steig­bü­gel­hal­ter” Schüs­sels und der ÖVP (ein Begriff, den Neham­mer nun ger­ne in Bezug auf Kickl benutzt, um die übli­chen ver­meint­li­chen his­to­ri­schen Par­al­le­len anklin­gen zu lassen).

Die SPÖ hat sich von dem Schlag von 1999/2000 nie mehr rich­tig erholt. Nach Schei­tern des schwarz­blau­en Expe­ri­ments stell­te sie zwar zwi­schen 2006 und 2017 drei Regie­run­gen mit “Gro­ko” (Kanz­ler Gus­en­bau­er und Fay­mann), aber die gol­de­nen Zei­ten der gro­ßen Mehr­hei­ten waren unwi­der­ruf­lich vor­bei. Bei den Natio­nal­rats­wah­len 2008 gab es (wie­der ein­mal) inter­na­tio­na­les Geheu­le, als die “Rechts­extre­mis­ten” FPÖ und deren Able­ger BZÖ zusam­men auf rund 28% der Stim­men kamen (Wahl­sie­ger SPÖ hat­te 29,26%, ÖVP 25,98%).

Die ÖVP gelang­te 2017 wie­der in den Sat­tel, auf dem sie bis heu­te sitzt. Ein zwei­tes Mal hat­te sie sich dazu der FPÖ bedient, die einen knap­pen drit­ten Platz erlang­te (ÖVP 31,47%, SPÖ 26,86%, FPÖ 25,97%): Auf den Affek­ten der Flücht­lings­kri­se rei­tend, prä­sen­tier­te sie sich als eine Art “FPÖ light” (wes­we­gen eine Koali­ti­on mit der SPÖ unglaub­wür­dig gewe­sen wäre) und warf den jun­gen, hip­pen, nun­mehr “tür­ki­sen” Sebas­ti­an Kurz ins Ren­nen, dies­mal mit Stra­che als “Steig­bü­gel­hal­ter”, der via “Ibi­za” nach nur zwei Jah­ren abge­sägt wurde.

Bei den vor­ge­zo­ge­nen Neu­wah­len 2019 sahn­te die Kurz-ÖVP mit 37,46% mäch­tig ab, wäh­rend die (wie bereits 2002)  bla­mier­te FPÖ (16,17%) in den Kel­ler stürz­te. Eine Fort­set­zung der tür­kis-blau­en Koali­ti­on wäre den­noch (wie 2002) theo­re­tisch mög­lich gewe­sen, statt­des­sen wur­den jedoch die Grü­nen als Mehr­heits­füll­sel benutzt, eine Rol­le, die sie zum Ekel (von Tei­len) ihrer Basis auch ziem­lich will­fäh­rig mitspielten.

Dann kam “Coro­na”, und kein Stein ist seit­her auf dem ande­ren geblie­ben. Als Fol­ge die­ser Zeit sind die poli­ti­schen und gesell­schaft­li­chen Grä­ben weit­aus tie­fer, als sie es noch 2019 waren. In vie­ler­lei Hin­sicht steht Kickl noch wei­ter abseits vom poli­ti­schen Estab­lish­ment als Hai­der und Stra­che jemals gestan­den sind. Das spricht für ihn, denn es beweist, daß er ein ernst­haft schmerz­li­cher Dorn im Fleisch des ÖVP-Levia­thans ist.

Zwi­schen Kickl und Neham­mer herrscht seit “Coro­na” ein unver­söhn­li­cher Haß. Die bei­den haben sich nichts geschenkt, und es auch nicht ver­ges­sen. Im Fall von Neham­mer (dem Mann mit dem ste­tig ver­bis­se­nen, das Gebiß zusam­men­bei­ßen­den und dabei ble­cken­den, bor­nier­ten Gesichts­aus­druck, der mich buch­stäb­lich an ein Schwein erin­nert)  ist es offen­sicht­lich auch der Haß des Dum­men, des Fei­gen und des Kon­for­mis­ten auf den Intel­li­gen­ten, den Muti­gen und den Rebel­li­schen – was sich nicht bloß apro­pos der “Coro­na­maß­nah­men” zeigte.

Des­halb wäre es für Neham­mer auch per­sön­lich eine enor­me Demü­ti­gung gewe­sen, zuguns­ten sei­ner Neme­sis Kickl sei­nen durch Amts­scha­cher erlang­ten Pos­ten räu­men zu müs­sen oder gar als Vize­kanz­ler zum Side­kick sei­nes Erz­fein­des degra­diert zu wer­den. Kick­ls über­ra­gen­der Wahl­sieg zu Las­ten der Par­tei, deren Chef er ist, muß schon ernied­ri­gend genug gewe­sen sein. Schon allein des­we­gen war von Anfang an klar, daß es dies­mal zu kei­ner tür­kis-blau­en Koali­ti­on kom­men würde.

Dabei ist Neham­mer natür­lich eif­rig bemüht, die­ses auch zutiefst per­sön­li­che Pro­blem der Gesichts­wah­rung um jeden Preis mora­lisch zu ver­gol­den, indem er so tut, als befeh­le ihm sein Gewis­sen, einen neu­en “Hit­ler” zu ver­hin­dern. Das ist alles so klein, erbärm­lich und durch­sich­tig, daß man nicht wei­ter dar­über reden muß.

Die letz­ten Tage hat die ÖVP in Minu­ten­takt auf Xit­ter State­ments ver­öf­fent­licht, die erklä­ren sol­len, war­um eine Koali­ti­on mit der FPÖ unter Kickl aus­ge­schlos­sen ist. Allein die Fre­quenz und Beflis­sen­heit die­ser Tweets scheint mir ein schlech­tes Gewis­sen zu signalisieren.

Die “Argu­men­ta­ti­on” basiert auf zwei Din­gen: Kick­ls “pro­ble­ma­ti­sche Nähe zu den rechts­extre­men Iden­ti­tä­ren”, die mal wie­der als Ober-Buh­mann für die bür­ger­li­chen Angst­ha­sen her­hal­ten müs­sen, und die Behaup­tung, er hän­ge “Ver­schwö­rungs­theo­rien” an.

Das eine bedeu­tet “über­setzt”, daß er es ernst meint mit dem Vor­ha­ben, die migra­ti­ons­be­ding­ten Pro­ble­me zu lösen, im Gegen­satz zu Neham­mer, der zwar “kon­se­quen­te Maß­nah­men im Kampf gegen die ille­ga­le Migra­ti­on” ver­spricht, aber garan­tiert nicht ein­mal die­ses Mini­mal­ver­spre­chen hal­ten wird. 

Das ande­re, daß Kickl gegen den Strom geschwom­men ist und die Wahr­heit gesagt hat, zu einem Zeit­punkt, als sich die öster­rei­chi­sche Regie­rung unter Kurz und Neham­mer auf ver­bre­che­ri­sche Wei­se an den Covid-Lügen betei­ligt und gro­ße Tei­le der eige­nen Bevöl­ke­rung ver­un­glimpft, ter­ro­ri­siert, erpreßt, beschimpft, ihrer Grund­rech­te beraubt und an Leib und Leben geschä­digt hat.

Kein Wun­der, daß Neham­mer, der in die­ser Hin­sicht schon in sei­ner Funk­ti­on als Innen­mi­nis­ter eine Men­ge Dreck auf sei­nen krum­men Ste­cken gela­den hat, ver­hin­dern möch­te, daß die zuge­de­ckel­ten Fäs­ser wie­der auf­ge­macht und die Lei­chen im Kel­ler aus­ge­gra­ben werden.

Wir sehen also, daß bei­de Fäl­le in der Geschich­te der 2. Repu­blik, in denen der Wahl­sie­ger der Natio­nal­rats­wah­len nicht an der Regie­rungs­bil­dung betei­ligt wur­de, einen gemein­sa­men Nen­ner haben: die ÖVP, die 1999 die Macht erlan­gen woll­te und die sich 2024 auch noch nach der schlimms­ten Wäh­ler-Ohr­fei­ge seit ihrem Bestehen an ihr fest­klam­mern will, im ers­te­ren Fall mit der FPÖ, im zwei­te­ren gegen die FPÖ.

Bei­des war “legal” mög­lich, gewiß. Im Fall 1999/2000 lief es in einem Rah­men ab, der die 40%  SPÖ- (und Grünen-)Wähler ver­ständ­li­cher­wei­se enorm ver­är­gert hat, aber nicht über das poli­tisch übli­che Gescha­cher hin­aus­ging. Damals hat­te die SPÖ zumin­dest eine Chan­ce auf einen Kom­pro­miß; Schüs­sel streck­te sich machia­vel­lis­tisch nach der FPÖ aus; und die­se hat­te sich ihrer­seits durch einen beträcht­li­chen Wahl­er­folg legi­ti­miert, sich an der Regie­rung zu beteiligen.

2024 sieht das Gan­ze doch etwas anders aus: Es ist ein unver­hoh­le­ner Ver­such des gesam­ten bla­mier­ten Par­tei­en­kar­tells, die ein­zi­ge wahr­haft alter­na­ti­ve Par­tei zu iso­lie­ren und sie nach­träg­lich um ihren Sieg zu brin­gen, den demü­ti­gen­den, seit Hai­der gefürch­te­ten Alp­traum zu ver­hin­dern, daß nun aus­ge­rech­net die ver­fem­te und ver­spot­te­te Dau­er­op­po­si­ti­on Seni­or­part­ner in der Regie­rungs­ko­ali­ti­on wird.

Eng damit ver­bun­den ist eine “erzie­he­ri­sche” Mes­sa­ge: Dem Wäh­ler wird signa­li­siert, daß er bestimm­te Leu­te und Par­tei­en, die bestimm­te The­men und Inter­es­sen ver­tre­ten, nicht wäh­len darf – und wenn er es doch tut, wird es ihm nichts nüt­zen, wer­den sei­ne Erfol­ge vom Appa­rat kur­zer­hand zunich­te gemacht. Es wer­den damit die Gren­zen des Wähl­ba­ren abge­steckt, die Spiel­re­geln zu den eige­nen Guns­ten gedreht.

Die­je­ni­gen, die sich (aus wel­chen Grün­den auch immer, aber stets in eige­ner Sache) als die ein­zi­gen und wah­ren “Demo­kra­ten” aus­ge­ben, tun also, was sie immer tun, wenn ihnen ein demo­kra­ti­sches Wahl­er­geb­nis nicht ins Geschäft paßt.

Neham­mers “Erklä­rung zum Regie­rungs­bil­dungs­auf­trag” höre sich an, wer imstan­de ist, ein der­art ver­lo­ge­nes “Pla­ti­tü­den­hüp­fen” län­ger als fünf Sekun­den zu ertra­gen, wie Marc Pom­me­re­ning for­mu­lier­te (“Er klingt nach Jelinek.”)

Unfrei­wil­lig komisch wirkt es, wenn sei­ne Par­tei Sät­ze twit­tert à la:

Für Bun­des­kanz­ler @karlnehammer steht fest: So wie bis­her kann es nicht weitergehen.

Wer bit­te­schön war denn “bis­her” an der Macht? Oder klin­gen­de Pro­sa die­ser Art:

Auf­trag nimmt er in aller Red­lich­keit und Ernst­haf­tig­keit an und wird dabei stets sei­ner Poli­tik treu blei­ben: Ver­ant­wor­tung über­neh­men, zu sei­nem Wort ste­hen und das Gemein­sa­me vor das Tren­nen­de stel­len. Für Öster­reich und für eine star­ke Zukunft!

Von “Red­lich­keit” wagen sie zu reden, wäh­rend hier vor unse­rer Nase unver­hoh­len einer der übels­ten Coups an Wäh­ler­be­trug abge­wi­ckelt wur­de, den die öster­rei­chi­sche Geschich­te seit 1945 kennt.

Wie man auf die­se Wei­se “das Gemein­sa­me vor das Tren­nen­de stel­len” und “Ver­trau­en zurück­ge­win­nen” will, weiß der Gei­er. Der Gra­ben ist wie­der ein Stück tie­fer gewor­den. “Sta­bi­li­tät” wird Neham­mer auf die­se Wei­se nicht errei­chen. Vie­le Wäh­ler, die sich nun hin­ter­gan­gen füh­len, wer­den jetzt erst recht dem Staats­ap­pa­rat miß­trau­en und sich hin­ter Kickl stel­len. Das alles bedeu­tet schlech­tes Kar­ma für Neham­mer, für die ÖVP und das gesam­te poli­ti­sche Sys­tem Österreichs.

Die­se Saat wer­den Kickl und die FPÖ womög­lich eines Tages ern­ten. Er selbst scheint damit zu rechnen.

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (20)

Maiordomus

24. Oktober 2024 09:45

@Lichtmesz, zumal auf dem metapolitisch-kulturellem Gebiet für mich die halbe Miete der Beiträger hier, kann es auch mit politischen Kommentaren. Es ist die fast bestmögliche Analyse der österreichischen Wahlen, wobei freilich zugegeben werden muss, dass selbst die als Aufbruch bezeichnete bedeutendste Koalition der weiland SPD, nämlich die sozialliberale vom Oktober 1969, an die ich mich erinnere, als wäre es gestern gewesen, eine Koalition der Verlierer war bei einem CDU-Wahlsieg zwischen 47 - 48%, zu dem Nixon bereits gratuliert hatte. Mit dem Unterschied, dass damals statt "weiter so" tatsächlich eine neue Politik kam, mit den Ostverträgen, der Preisgabe Schlesiens und der Abtreibung, letztere noch gegen die Stimmen von Brandt. der als Unehelicher noch knapp diesem Schicksal entronnen war und dem überzeugten Katholiken Leber. Zu erinnern bleibt, dass 2007 Blocher als CH- Bundesrat einen genau gleich hohen Wahlsieg wie Kickl eingefahren hatte und dafür als einziges nicht quasi durch beliebigen Losentscheid ersetzbares Regierungsmitglied im Dezember 2007 abgewählt wurde, ersetzt durch die Preisgeberin des Bankgeheimnisses, übrigens eine ehem. kurzzeitige Schülerin von mir. Aber klar, 28% wären allenfalls in einem Maiorzsystem wie GB oder FR eine Mehrheit, sonst nicht. Dabei war und bleibt Blocher der einzige europ. Rechtspolitiker mit direkt-demokratisch föderalistischen, leider nur in der Schweiz eingeführten Demokratie-Vorstellungen, wohl auch in BRD nicht praktizierbar.  

MarkusMagnus

24. Oktober 2024 11:46

Apropos Haider: Hier scheint bei mir wieder der Verschwörungspraktiker durch:
Der "Unfall" von Jörg trägt eine ähnliche Handschrift wie der "Unfall" von Diana oder der von Eigendorf oder Martina Pflock.
Deswegen habe ich auch Angst um Herrn Höcke. Sie ist berechtigt. 
Der Mercedes von Lady Di ist ja in Paris auf dem Aservatenplatz  unter Aufsicht der Polizei abgebrannt. Na klar...:)
Im Fall Barschel (gleicher Todestag wie Haider ) ist ja auch einiges aus der Aservatenkammer "verschwunden".
Es gab vorher schon einen Anschlag auf sein Flugzeug im Wahlkampf. Die letzten Worte des Piloten waren "dim the light"...Barschel überlebte damals schwer verletzt als Einziger den "Absturz".
In Fachkreisen nennt man sowas verblitzen.
Die Leute von der FPÖ hatten damals den Braten gleich gerochen und den zerstörten Pheoton von Jörg Haider gekauft und bis heute als Beweismittel sicher eingelagert. 
Mord verjährt nicht! 
Die versuchen Alle gerade nur noch ihre Ärsche zu retten. In naher Zukunft wird Denen das alles auf die Birne fallen und zwar nicht nur tröpfchenweisse sondern wie ein Amboss.
 
 
 
 

Le Chasseur

24. Oktober 2024 11:52

"Für alle FPÖler, die die Einführungsvorlesung Jus nicht bestanden haben: 28 Prozent der Stimmen sind keine parlamentarische Mehrheit. Eine Regierung braucht eine Mehrheit. Demokratie ist die durch die Minderheit und andere Staatsgewalten kontrollierte Herrschaft der Mehrheit."
Der Mann hat völlig recht. Und jetzt mal ganz ehrlich, lieber Martin Lichtmesz: Angenommen, bei der Wahl hätten die Grünen das beste Ergebnis geholt, es würde sich aber eine Koalition aus FPÖ, ÖVP und NEOs bilden, mit Kickl als Kanzler. Würden Sie sich dann darüber echauffieren,dass die Grünen nicht an der Regierung beteiligt sind, obwohl sie die stärkste Fraktion im Parlament stellen? Nein, würden Sie nicht, Sie würden sagen, "Pech gehabt.". Gibt es denn eine Umfrage, aus der hervorgeht, dass sich eine Mehrheit der Österreicher eine Regierungsbeteiligung der FPÖ wünscht? Ich würde mir einen Kanzler Kickl wünschen, und zwar bei einer Alleinregierung der FPÖ, aber wenn die Wähler Kickl keine absolute Mehrheit bescheren, dann müssen die Wähler eben mit den Konsequenzen leben: Reine Araber-Klassen in Wien

Le Chasseur

24. Oktober 2024 14:30

Ergänzend zu "Gibt es denn eine Umfrage, aus der hervorgeht, dass sich eine Mehrheit der Österreicher eine Regierungsbeteiligung der FPÖ wünscht?":
27 Prozent erhoffen sich laut einer Umfrage für den STANDARD eine Regierungsbeteiligung der FPÖ: https://www.derstandard.de/story/3000000237449/stabilitaet-ist-der-wichtigste-wunsch-an-die-naechste-regierung
Umfrage zur bevorzugten Regierungskoalition in Österreich: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/728295/umfrage/bevorzugte-regierungskoalition-in-oesterreich/

das kapital

24. Oktober 2024 15:52

Dass die sich bei Kickl drücken, war schon klar. Vielleicht hätte Hofer als Kanzlerkandidat bessere Chancen gehabt ?

Valjean72

24. Oktober 2024 17:39

daskapital: "Vielleicht hätte Hofer als Kanzlerkandidat bessere Chancen gehabt ?"
---
 
Hofer hätte wohl kaum solch ein Ergebnis eingefahren wie Kickl.
 
Und Ihrer Logik folgend, müsste die AFD Meuthen aus der Versenkung zurückholen und als Kanzlerkandidaten aufstellen, um bessere Chancen auf Regieurungsbeteiligung zu haben.
 
 

Majestyk

24. Oktober 2024 17:53

@ Le Chasseur:
Natürlich bilden sich im Parlament oft andere Mehrheiten, siehe bei uns 7., 8., 9. Deutscher Bundestag. Der entscheidende Punkt ist aber, daß Van der Bellen den Erstplatzierten nicht mit der Regierungsbildung beauftragt hat, wie es in Östereich wohl Brauch ist. Dieses Prozedere gibt es so bei uns nicht. Selbst Sebastian Kurz bezeichnet diesen Traditionsbruch als undemokratisch

Diogenes

24. Oktober 2024 18:20

Von "Falschen Fünfzigern" brauchen "wir" keine Erhebung in den Stand jener Gesellen die in Tradition mit Verrätern/Dolchstößlern stehen. Schauen Sie herüber: https://sezession.de/69731/spaltkeile-nius-reichelt-eine-herausforderung Was bei unseren Volksverwandten unter Oppositionsführer Kickl im Südosten bzw. den Alpen- u. Donau-Gauen von der Gegenseite an Agitprop betrieben wird (Nach: Haltet den Dieb, schreit der Täter!) ist ein und die selbe ehrabschneidende Strategie die auch beim Oppositionsführer Höcke gefahren wird.
 
Hofer tritt übrigens als Landeshauptmannkandidat der FPÖ an und er stand nach Eigenbekunden nie als Gegenkandidat zur Verfügung. 
 
Die "Chancen" die uns der Gegner gewähren will sind nichts anderes als ein langsam wirkendes Gift das am Ende in der Beliebigkeit des Allerlei endet (Merkelismus) und nur noch dem Karusell von Macht und Machterhalt die Partei zweckentfremdet.
 
Übrigens hier die aktuelle Rede von Kickl im Demokratieschauspielhaus: https://www.youtube.com/watch?v=A6lUTEnh6Ac

Le Chasseur

24. Oktober 2024 19:54

@Majestyk"Der entscheidende Punkt ist aber, daß Van der Bellen den Erstplatzierten nicht mit der Regierungsbildung beauftragt hat, wie es in Östereich wohl Brauch ist."
Es ist Brauch, aber eben kein Gesetz. Dieser Brauch stammt vermutlich noch aus der Zeit, als es auch in Österreich noch Volksparteien gab, die Ergebnisse von 40% plus X einfuhren. Tempi passati. Sowohl ÖVP als auch SPÖ haben klar gemacht, dass sie keine Koalition mit Kickl eingehen wollen, also warum sollte van der Bellen Kickl mit der Regierungsbildung beauftragen? Wäre doch nur Zeitverschwendung. Man kann Nehammer und Babler ja nicht zwingen, mit der FPÖ zu koalieren. Und mal angenommen, Kickl würde es mit massiven Zugeständnissen schaffen, ÖVP und SPÖ ins Boot zu holen, was wäre damit gewonnen? Dann lieber in die Opposition und die Kartellparteien weiterwurschteln lassen.
"Selbst Sebastian Kurz bezeichnet diesen Traditionsbruch als undemokratisch."
Na, wenn der Wunderwuzzi das sagt...

Laurenz

24. Oktober 2024 20:32

Die politische Situation in den südlichen Deutschen Provinzen, die das Österreich bilden, hat uns immerhin einen kurzen, aber umfassenden Überblick über die Nachkriegsgeschichte Österreichs verschafft, eine ehrbare Dienstleistung seitens ML'. Immerhin ist das auch unser aller Geschichte. In der Sache habe ich dem Teilnehmer @Le Chasseur nichts hinzuzufügen, der hier, in meinen Augen, den klarsten Durchblick generiert & das Wesentliche gesagt hat. Als Schlußfolgerung für die nähere Zukunft, kann ich feststellen, daß ÖVP- & SPÖ-Wähler die Verlierer-Koalition wollten, denn es war klar, daß beide koalieren werden. Das läßt mich zu der Aussage hinreißen, daß ähnlich, wie bei uns, es den ÖVP- & SPÖ-Wählern einfach noch zu gut geht, was bedeutet, man muß die Polit-Versager der letzten Jahrzehnte weiter wurschteln lassen. Die Hofer-/Kickl-Debatte ist völlig müßig. Klar will der politische Gegner den politisch schlagkräftigsten Mann aus dem Rennen nehmen. Die AfD oder FPÖ sollte vielleicht dazu übergehen, Koalitionsbereitschaft zu signalisieren, aber mit der Union ohne Söder & Merz, mit dem BSW ohne Wagenknecht, mit der SPD ohne Pistorius, mit der ÖVP ohne Nehammer, mit der SPÖ ohne Babler. Die konservative Rechte ist im Verteilungskampf immer noch viel zu harmlos.

Simplicius Teutsch

24. Oktober 2024 20:34

Die Zeit ist anscheinend (noch) nicht reif für die FPÖ (auch nicht für die AfD in Deutschland). 
Die Parteien im Parlament können nach der Wahl hinsichtlich Koalitionsoptionen ganz demokratisch frei entscheiden und machen, was sie wollen. 
 
Wählerbetrug? Nur für DIE Wähler, die sich betrogen fühlen. Und wenn sich einer betrogen fühlt, dann darf er nicht mutlos werden und aufgeben, sondern müsste beim nächsten Mal ganz einfach anders wählen, - solange es eine Alternative gibt.
 
Als stärkste Partei Regierungsansprüche anmelden, ja, unbedingt. Aber nicht betteln und demokratie-theoretisch herumjammern oder die besten eigenen Leute opfern, um an der Regierung beteiligt zu werden. Das wird am Ende eh nichts und ruft in den Medien nur Hohn und Spott hervor. Soweit ich sehe, machen das Herr Höcke und Herr Kickl schon richtig.
 

das kapital

24. Oktober 2024 20:52

@ Valjean Österreich ist anders als Deutschland. Hofer ist in die Stichwahl gekommen gegen van der Bellen und hat ein gutes Ergebnis erzielt. Er hat in der Mitte und bei den anderen Parteien ein besseres Standing, als Kickl. Mit Hofer hätten sich ÖVP und SPÖ nicht so leicht herausreden können, wie sie es bei Kickl konnten. /// Die Situation, dass eine Koalition mit der FPÖ zerbrochen ist, gab es schon einmal. Als Haider Parteivorsitzender geworden ist, war es vorbei. /// "Als am 13. September 1986 Jörg Haider mit Hilfe des deutschnationalen Flügels der Partei an Stelle des gemäßigten Norbert Steger zum Bundesparteiobmann der FPÖ gewählt wurde , beendete Vranitzky die Koalition am 14. September und der Nationalrat wurde aufgelöst." /// Hofer ist auch noch Teil der FPÖ und Abgeord-neter im Nationalrat. Ein Meuthen hingegen steht jetzt im politischen Abseits. Hofer ist und bleibt ein guter Mann. Er hätte van der Bellen und den möglichen Koalitionspartnern als Kanzler angedient werden sollen statt in der Opposition zu bleiben.

Diogenes

24. Oktober 2024 22:39

"Österreich ist anders als Deutschland. (...)" - das kapital
 
So anders kann es nicht sein wie Sie meinen, weil es das selbe Volk und nur ein anderer Stamm davon ist, so wie die bayerischen Lausbuben auch ihre Eigenheit haben, aber trotzdem selbes Blut, Sprache, Kulturelles, Nationales und Geschichtliches mit uns anderen Volksdeutschen teilen.
 
"Hofer ist in die Stichwahl gekommen gegen van der Bellen und hat ein gutes Ergebnis erzielt." - das kapital
 
Das war noch zu Parteiobmannzeiten der Kopiermaschine (Haiders Wortwahl) und Israelfreundes Strache. Diese Zeiten haben sich seit dem gemeinsamen Schnitzelessen 2016 geändert und die FPÖ wäre ohne Kickl und seine Kampagnen aktuell nicht stärkste Kraft geworden. Als Privatmann über rein-theoretische Luftschlösser spekulieren die überhaupt nie zur Debatte in der FPÖ-Praxis standen steht Ihnen natürlich frei, aber man solle nicht so tun als ob ein "was wäre wenn" überhaupt zur Wahl gestanden wäre. Auch die FPÖ ist kein Wünsch-dir-was-Verein und Altgediente wie jetzt Rosenkranz werden von ihr vorn-an gestellt. 
 
Wie ich schon vor einiger Zeit schrieb: Die FPÖ kann sich zurücklehnen und muss nichts weiter tun als die Hand ausgestreckt zu lassen, genauso wie die AfD in Mitteldeutschland (der Osten des verkrüppelten Besatzerkonstruktes BRD), während unterdessen instabile Regierungsbündnisse eine Generalkritik am System geradezu herausfordern. 

Majestyk

24. Oktober 2024 23:30

@ Le Chasseur:
Mit der Logik kann man jeden Anstandsverlust rechtfertigen. Es gibt auch kein Gesetz, daß man Blumensträuße überreicht, wer aber etwas Respekt vor Spielregeln hat wirft einen solchen niemanden vor die Füße. 
Ob eine Koalitionspartnersuche unter den Bedingungen für die FPÖ sinnvoll ist, das ist eine andere Frage, mich bestätigen die Ereignisse der letzten Wochen in meiner Wahrnehmung,  wie realistisch eine demokratisch herbei geführte Wende tatsächlich ist.
Demokratie in deutschen Ländern bedeutet, Du darfst mitspielen, falls Du keine abweichende Meinung vertrittst, ansonsten darfst Du zuschauen.
So kann man Wahlen auch auf reine Wahlvorgänge reduzieren. Können Sie alle bewerten wie Sie wollen, für mich ist das eine Zombiedemokratie.

das kapital

25. Oktober 2024 05:19

@ Diogenes Nun von 1938 bis 1945 hatten die Donaudeutschen denselben Pass wie meine Eltern. Das hat die aber nicht davon abgehalten, sich trotz Dollfuss und Ständestaat als erstes Opfer der Nazis darzustellen und so 1955 den Viermächte-status zu beenden. /// Dass es mit dem Volksdeutschen nicht soweit her war, ist mir von einer "reichsdeutschen" Zeitzeugin Jahrgang 1922 berichtet. Sie ist 1944 zur Wehrmacht eingezogen worden und war auf Stellung in Linz Luftabwehr / Scheinwerferbatterie. Es gab eine österreichische Besatzung und eine "reichsdeutsche" mit jeweils 8 Frauen. Die Donaudeutschen haben sehr darauf geachtet, sich separat zu halten und sich nicht mit den Reichsdeutschen anzufreunden. /// Ich behaupte doch nicht, dass Kickl keinen Erfolg beim Wähler organisieren kann. Gerade deshalb aber ist er den anderen nicht als Kanzler zu vermitteln. Das mit dem "Zurücklehnen" ist weder hier noch dort erstrebenswert. Deutschland und Europa entwickeln sich so verheerend, das gehandelt werden muss. /// Biden sprengt Nordstream weg zerstört die Chemieindustrie, erhält einen Orden dafür und AfD und FPÖ "lehnen sich zurück". Es ist jetzt dringend an der Zeit zu handeln und besser zu regieren.

Mitleser2

25. Oktober 2024 08:18

Es ist doch ganz einfach: Für AfD und FPÖ geht es um 2029. Langer Atem ist gefragt. Und nicht spalten lassen. In D kollabieren gerade die Steuerschätzungen bis 2028. Gesundheitskosten explodieren wg. Migration, Rezession naht. Ukraine fällt uns auf die Füße. Läuft.

Licht des Vaterlandes

25. Oktober 2024 09:23

Letztlich ist das alles Schnee von gestern, es interessiert kaum jemanden. Es kommt, was kommen muss. V.d.L. ist ein Spalter, genau wie in Berlin der Walter, und all diese Anständigen mit ihren Brandmauern und Cordons werden schlicht scheitern. In ihrer Zwickmühle müssen sie die dislegitime Machtdosis immer weiter erhöhen und  stärken somit ihren Gegner. Die Steiermark wartet schon, und es kommen Zeiten, in denen wir uns kaputtlachen dürfen. Ich lehne mich derweil zurück und beäuge das tagespolitsche Geschehen nur noch aus dem Augenwinkel, mit einem speziellen hochgetreckten Finger.

Simplicius Teutsch

25. Oktober 2024 12:19

@ Mayestik: „Es gibt auch kein Gesetz, daß man Blumensträuße überreicht, wer aber etwas Respekt vor Spielregeln hat, wirft einen solchen niemanden vor die Füße.“
 
Aber @ Mayestik (@ Le Chasseur), wie „unsere“ Demokratie heutzutage funktioniert, haben wir doch kurz vor Corona, Anfang 2020, ganz anschaulich in einer Fernsehübertragung demonstriert bekommen, als die Linken-Chefin im Thüringer Landtag dem neugewählten Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich den BLUMENSTRAUSS vor die Füße warf. – Aus Wut und Enttäuschung, weil nicht ihr Linker Parteikollege Bodo Ramelow gewählt worden war. 
 
Eigentlich finde ich das Lied blöd, aber unweigerlich kommt mir bei dieser hässlichen Szene im Landtag ein Lied der Neuen Deutschen Welle (1980iger Jahre) in den Sinn: „Hässlich, ich bin so hässlich, so grässlich hässlich: ich bin der Hass! … Es regiert der Herr des Hasses, ha, ha, ha!“ – Und Ramelow regierte dann ja tatsächlich nur zwei oder drei Tage später (nach Intervention von Merkel) mit Unterstützung der CDU bis jetzt im Thüringer Landtag, indem mit Kemmerich kurzer Prozess gemacht worden war.
 
– Mit solchen Feinden(!) haben wir es zu tun! Denen brauchen wir nicht mit dem Vorwurf eines „Anstandsverlusts“ oder dem "Respekt vor Spielregeln" kommen.
 
Die Musikband hieß übrigens DÖF = Deutsch-Österreichisches Feingefühl.

Majestyk

25. Oktober 2024 12:26

@ Diogenes:
"So anders kann es nicht sein wie Sie meinen, weil es das selbe Volk und nur ein anderer Stamm davon ist"
Sind die Deutschschweizer auch. Ein Ethnie bestimmt sich zwar durch Gene, eine Nation aber auch durch Prägung und Kultur. 
Ethnisch sind die Bewohner Taiwans Chinesen, jetzt erkläre denen aber einer mal, daß sie sich gefälligst Rotchina anschließen sollen.
Und ob die erwähnten Bayern wirklich immer so glücklich waren sich den Preußen anpassen zu müssen und so ihre Eigenständigkeit zu verlieren wage ich auch zu bezweifeln. 
Vielleicht wäre ein Bund deutscher Länder mit gemeinsamer Außenpolitik und Währung, aber viel Eigenständigkeit im Innern für die Deutschen auch die bessere Lösung gewesen. Wir deutschen Stämme fremdeln untereinander schon sehr. 

das kapital

25. Oktober 2024 12:28

@ Mitleser 2 "Läuft" Von wegen. Wir haben kein zweites Leben in Reserve. Unser Leben unsere Wirtschaft und unsere Kultur ist seit 1990 so unfassbar zerstört worden, dass niemand noch bis 2029 auf eine Änderung waren kann. /// Die systematischen Teilstrategien zur Zerstörung des Landes laufen schon mindestens seit 1998. Energiewende ins Nichts wirkt schon seit Trittin Fischer Schröder und vernichtet seit 26 Jahren unsere Industrie und unseren Wohlstand. Green Deals, Verbrennerverbot, Flottenverbrauch kommen oben drauf. Die Entmachtung des Volkes und der nationalen Regierungen durch die EU auch. Sie haben sich sicher angesehen, wie schäbig Orban von und in Brüssel als Ratspräsident behandelt worden ist. /// Wie schäbig unsere eigene Regierung ist, konnten sie sich auch letzten Freitag anschauen. Biden erklärt Deutschland für vogelfrei und droht die Vernichtung von Nordstream an. Dann kracht es und die deutsche Industrie wird dadurch vernichtet. Während gleichzeitig die nor-wegisch polnische Pipeline in Betrieb genommen wird. Zur Belohnung erhält Biden dann einen der höchsten Orden des Landes, das irgendwo in Mittel-europa liegt und früher mal Deutschland hieß.