Das bedeutet eine (zumindest nominelle) Rückkehr zum guten, alten SPÖ-ÖVP-Tandem, früher bekannt als “Große Koalition”, die Österreich jahrzehntelang alternativlos dominiert hat.
Allerdings ist auch die SPÖ nicht mehr besonders “groß”, und hat – vermutlich dank Babler – ihren bis dato niedrigsten Stimmanteil bei einer Nationalratswahl ausgefaßt (21,14%). Deshalb muß sich Nehammer “zur Absicherung einer breiteren parlamentarischen Mehrheit” noch eine dritte Partei, wahrscheinlich die Neos (9,14%), hinzukratzen (die Grünen werden es wohl nicht mehr sein).
Mit anderen Worten: Es wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Leck im System zu flicken. So kommt es nun, daß trotz des historisch einzigartigen Wahlergebnisses von letztem Monat alles beim alten bleibt, inklusive (und allen Ernstes) Fortsetzung des Bundeskanzleramts Nehammer, eines Mannes, dessen niederträchtige Politik während des Corona-Spuks erheblich zum Erfolg der Blauen beitgetragen hat.
Hinzu kommt, daß die FPÖ auch auf Bundesländer-Ebene der ÖVP bedrohlich auf die Pelle rückt: In der kommenden Landtagswahl in der Steiermark wird ein hoher Stimmenanteil erwartet, in Vorarlberg brachte sie es mit 28% auf den zweiten Platz. Umfragen zufolge ist Kickl nach der Wahl noch populärer als vor der Wahl.
Und nun, blauer Wähler, fühlst du dich nun mal wieder gepflanzt, ausgetrickst und verachtet? Hast du mal wieder den Eindruck, daß du in einer “Demokratiesimulation” lebst, die sich trickreich gegen Alternativen und Veränderungen abgesichert hat, und dich als “undemokratisch” beschimpft, wenn du dagegen aufmuckst und Einspruch erhebst? Bist du demoralisiert, weil man dir schon wieder gezeigt hat, daß deine Stimme nebbich wert bist, und deine Interessen mit allen Mitteln bekämpft werden?
Du primitiver Dummkopf mußt dir die Welt einfach von einer Intelligenzbestie wie dem Falter-Häuptling Florian Klenk erklären lassen:
Für alle FPÖler, die die Einführungsvorlesung Jus nicht bestanden haben: 28 Prozent der Stimmen sind keine parlamentarische Mehrheit. Eine Regierung braucht eine Mehrheit. Demokratie ist die durch die Minderheit und andere Staatsgewalten kontrollierte Herrschaft der Mehrheit.
Dieses höhnisch vorgetragene “legalistische” Argument sagt im Grunde nicht mehr als “Wir machen das, weil wir es können.” Ob dies politisch klug ist oder ob es tatsächlich den in der Wahl zum Ausdruck gekommenen Wählerwillen demokratisch “gerecht” abdeckt, ist Klenk und seinesgleichen (und offenbar auch Van der Bellen und Nehammer) egal. Ihrer Ansicht haben die blauen Wähler keine legitimen Interessen, sondern sind nur ein protofaschistischer Mob, den man leider nicht loswerden, sondern nur in Schach halten kann.
Das übliche Procedere der Nationalratswahl findet man auf der offiziellen Netzseite des österreichischen Parlament so beschrieben (natürlich optisch massakriert von Gender-Interpunktion; übrigens hatten wir noch nie eine “Bundespräsidentin”):
Seit der Verfassungsreform von 1929 kann der Bundespräsident bzw. die Bundespräsidentin die Bundesregierung ernennen. Die Bundesregierung muss sich aber auf eine Mehrheit im Nationalrat stützen können, um ihre Vorhaben leichter durchzubringen und nicht gleich wieder per Misstrauensvotum gestürzt werden zu können.
In der Praxis ist es daher üblich, dass der/die Bundespräsident:in nach einer Nationalratswahl den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende der stimmenstärksten Partei mit der Regierungsbildung beauftragt.
Ich habe mich via Wikipedia kundig gemacht, wann dies in der österreichischen Geschichte nicht der Fall war. Seit 1945 zähle ich drei Fälle (unter insgesamt 27 Nationalratswahlen, die aktuelle ausgenommen). Sehen wir sie uns mal an.
1953 und 1959 gewann die SPÖ mit knappem Stimmenvorsprung die Wahlen, dennoch stellte die ÖVP in beiden Fällen den Bundeskanzler (beide Male Julius Raab), da sie aufgrund der Wahlarithmetik ein Mandat mehr besaß als die Roten. An der Regierung waren sie via “große Koalition” natürlich dennoch beteiligt. Die Präsidenten dieser Regierungen, die dies billigten, waren jeweils Sozialdemokraten, Theodor Körner (1951–1957) und Adolf Schärf (1957–1965).
Das geschah zu Zeiten, als die durchschnittliche Wahlbeteiligung noch über 90% lag und sich ÖVP und SPÖ den Wählerkuchen nahezu zu gleichen Stücken aufteilten, mit den Schwarzen als stabile Seniorpartner (analog zur Dominanz der CDU in Westdeutschland). Diese Ära der ÖVP-Vorherrschaft (ab 1966 sogar in Form einer Alleinregierung) dauerte bis 1970.
Mit Bundeskanzler (“Sonnenkönig”) Bruno Kreisky, der dreizehn Jahre lang regierte, begann das “goldene Zeitalter” der SPÖ, mit sage und schreibe vier Alleinregierungen aufgrund der absoluten Stimmenmehrheit. Die SPÖ sollte bis Ende der neunziger Jahre in der dominanten Position des Seniorpartners bleiben: 1983–86 in einer rot-blauen Koalition unter Fred Sinowatz (zuletzt, für die Dauer von sechs Monaten, unter Vranitzky), von 1986–97 in einer großen Koalition mit der ÖVP unter Franz Vranitzky resp. von 1997–99 unter Viktor Klima.
Am Ende dieser Ära kam mit Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, der seit 1996 Vizekanzler gewesen war. Hier folgt nun das dritte Beispiel in der Geschichte der Nationalratswahlen der 2. Republik, in der die Siegerpartei nicht mit der Regierungsbildung beauftragt wurde.
Was war in den neunziger Jahren geschehen? Die FPÖ unter Jörg Haider hatte sich zur ernsthaften Stimmenfresserkonkurrenz der von ihm so genannten “Altparteien” entwickelt. Sie jagte ihnen hinterher wie der Wolf Skalli in der nordischen Mythologie der Sonne. 1999 hatte er sie eingeholt und biß kräftig zu: FPÖ und ÖVP kamen auf jeweils 52 Mandate (beide 26,91%), mit einem arschknappen Stimmenvorsprung (415) der FPÖ, die somit den zweiten Platz erlangte. Wahlsieger war die SPÖ mit 33,15%, was allerdings rund fünf Prozent weniger als 1995 waren.
Nun hätte es durchaus zu einer weiteren “Groko” zwischen Roten und Schwarzen kommen können. Letztere beharrten darauf, das Finanzministerium in die Griffel bekommen, was von der SPÖ strikt abgelehnt wurde. Der damalige Finanzminister Rudolf Edlinger formulierte (nachvollziehbarerweise): “I würde eher an Hund auf mei Wuascht aufpassn loss’n, als die ÖVP auf’s Göd der Steiazohla.”
Viktor Klima, von Bundespräsident Klestil (ÖVP) mit “Sondierungsgesprächen” beauftragt, verweigerte nach langen, zähen Verhandlungen die Unterschrift unter dem ihm vorgelegten Regierungspakt, und äußerte den wohl nicht unbegründeten Verdacht, daß “die ÖVP das gar nicht ernsthaft will”.
Aber ohne die ÖVP (Schüssel kündigte gleich nach der Wahl an, daß er aufgrund des dritten Platzes “in die Opposition” gehen werde) war es unmöglich, eine Mehrheitenregierung zu bilden, weil die FPÖ als Partner indiskutabel blieb. Eine Minderheitenregierung mit den Grünen (damaliger Chef Van der Bellen) war vom Wahlergebnis her (7,4 %) nicht machbar.
Schüssel sah in dieser vertrackten Konstellation offenbar eine Riesenchance, die seit 1970 an der Macht klebende SPÖ zu Fall zu bringen. Zu diesem Zweck war ihm auch ein Pakt mit dem Bärentaler Teufel Haider recht. Der Zeitpunkt war günstig, denn es gab eine weitverbreitete, lange aufgestaute Unzufriedenheit mit dem stagnierenden, ewig rot-schwarzen “Koalitionsfilz”, wie man es damals nannte. (Hier gibt es aufschlußreiches Archivmaterial des ORF.)
Es ist also durchaus möglich, daß der ÖVP-Anspruch auf das Finanzministerium ein bewußt gepflanzter Stolperstein war, um Schüssel ein Alibi dafür zu liefern, stattdessen mit dem blauen Gottseibeiuns Verhandlungen aufzunehmen. Nachdem Klima in die Falle getappt war, beschlossen ÖVP und FPÖ vier Monate nach der Wahl kurzerhand eine Regierungskoalition, die Schüssel Klestil quasi fix und fertig auf dem Tablett servierte.
Klestil hätte nun dazu Nein sagen können, lief aber in Gefahr, durch willkürliche Ablehnung einer tragfähigen, soliden parlamentarischen Mehrheit (insgesamt 104 Mandate) eine ernsthafte Staatskrise auszulösen. Also biß er in den sauren Apfel, schluckte die Kröte Haider und gelobte, sichtbar schlechter Laune, Schüssel zum Kanzler an.
Man könnte sagen, daß ÖVP und FPÖ sich damals zu einer Art kaltem Putsch gegen den Wahlsieger SPÖ zusammentaten.
Als Rache mobilisierte die SPÖ via Gewerkschaften und andere affilierte linke Vereine und Gruppierungen (darunter auch Antifanten) wütende Demos gegen die “rassistische” Regierung und die “Rechtsextremisten”, die angeblich in ihr saßen. Auf diese folgten die “EU-Sanktionen”, die jedoch bald wieder verpufften und von der Regierung propagandistisch geschickt genutzt wurden (in der Tat hatte dieser paternalistische Eingriff von außen in die österreichische Innenpolitik ein äußerst befremdliches Geschmäckle.)
Schüssels Kalkül war indes aufgegangen: Zum ersten Mal seit 1966 stellten die Schwarzen wieder einen Kanzler, obwohl sie zum ersten Mal in ihrer Geschichte auf Platz drei gerutscht waren. Obwohl auch er (und als Zweitplatzierter mit größerem Recht) Ansprüche auf das Amt des Kanzlers hätte stellen können, gab Haider klugerweise Schüssel den Vortritt. Somit wurde er zum “Steigbügelhalter” Schüssels und der ÖVP (ein Begriff, den Nehammer nun gerne in Bezug auf Kickl benutzt, um die üblichen vermeintlichen historischen Parallelen anklingen zu lassen).
Die SPÖ hat sich von dem Schlag von 1999/2000 nie mehr richtig erholt. Nach Scheitern des schwarzblauen Experiments stellte sie zwar zwischen 2006 und 2017 drei Regierungen mit “Groko” (Kanzler Gusenbauer und Faymann), aber die goldenen Zeiten der großen Mehrheiten waren unwiderruflich vorbei. Bei den Nationalratswahlen 2008 gab es (wieder einmal) internationales Geheule, als die “Rechtsextremisten” FPÖ und deren Ableger BZÖ zusammen auf rund 28% der Stimmen kamen (Wahlsieger SPÖ hatte 29,26%, ÖVP 25,98%).
Die ÖVP gelangte 2017 wieder in den Sattel, auf dem sie bis heute sitzt. Ein zweites Mal hatte sie sich dazu der FPÖ bedient, die einen knappen dritten Platz erlangte (ÖVP 31,47%, SPÖ 26,86%, FPÖ 25,97%): Auf den Affekten der Flüchtlingskrise reitend, präsentierte sie sich als eine Art “FPÖ light” (weswegen eine Koalition mit der SPÖ unglaubwürdig gewesen wäre) und warf den jungen, hippen, nunmehr “türkisen” Sebastian Kurz ins Rennen, diesmal mit Strache als “Steigbügelhalter”, der via “Ibiza” nach nur zwei Jahren abgesägt wurde.
Bei den vorgezogenen Neuwahlen 2019 sahnte die Kurz-ÖVP mit 37,46% mächtig ab, während die (wie bereits 2002) blamierte FPÖ (16,17%) in den Keller stürzte. Eine Fortsetzung der türkis-blauen Koalition wäre dennoch (wie 2002) theoretisch möglich gewesen, stattdessen wurden jedoch die Grünen als Mehrheitsfüllsel benutzt, eine Rolle, die sie zum Ekel (von Teilen) ihrer Basis auch ziemlich willfährig mitspielten.
Dann kam “Corona”, und kein Stein ist seither auf dem anderen geblieben. Als Folge dieser Zeit sind die politischen und gesellschaftlichen Gräben weitaus tiefer, als sie es noch 2019 waren. In vielerlei Hinsicht steht Kickl noch weiter abseits vom politischen Establishment als Haider und Strache jemals gestanden sind. Das spricht für ihn, denn es beweist, daß er ein ernsthaft schmerzlicher Dorn im Fleisch des ÖVP-Leviathans ist.
Zwischen Kickl und Nehammer herrscht seit “Corona” ein unversöhnlicher Haß. Die beiden haben sich nichts geschenkt, und es auch nicht vergessen. Im Fall von Nehammer (dem Mann mit dem stetig verbissenen, das Gebiß zusammenbeißenden und dabei bleckenden, bornierten Gesichtsausdruck, der mich buchstäblich an ein Schwein erinnert) ist es offensichtlich auch der Haß des Dummen, des Feigen und des Konformisten auf den Intelligenten, den Mutigen und den Rebellischen – was sich nicht bloß apropos der “Coronamaßnahmen” zeigte.
Deshalb wäre es für Nehammer auch persönlich eine enorme Demütigung gewesen, zugunsten seiner Nemesis Kickl seinen durch Amtsschacher erlangten Posten räumen zu müssen oder gar als Vizekanzler zum Sidekick seines Erzfeindes degradiert zu werden. Kickls überragender Wahlsieg zu Lasten der Partei, deren Chef er ist, muß schon erniedrigend genug gewesen sein. Schon allein deswegen war von Anfang an klar, daß es diesmal zu keiner türkis-blauen Koalition kommen würde.
Dabei ist Nehammer natürlich eifrig bemüht, dieses auch zutiefst persönliche Problem der Gesichtswahrung um jeden Preis moralisch zu vergolden, indem er so tut, als befehle ihm sein Gewissen, einen neuen “Hitler” zu verhindern. Das ist alles so klein, erbärmlich und durchsichtig, daß man nicht weiter darüber reden muß.
Die letzten Tage hat die ÖVP in Minutentakt auf Xitter Statements veröffentlicht, die erklären sollen, warum eine Koalition mit der FPÖ unter Kickl ausgeschlossen ist. Allein die Frequenz und Beflissenheit dieser Tweets scheint mir ein schlechtes Gewissen zu signalisieren.
Die “Argumentation” basiert auf zwei Dingen: Kickls “problematische Nähe zu den rechtsextremen Identitären”, die mal wieder als Ober-Buhmann für die bürgerlichen Angsthasen herhalten müssen, und die Behauptung, er hänge “Verschwörungstheorien” an.
Das eine bedeutet “übersetzt”, daß er es ernst meint mit dem Vorhaben, die migrationsbedingten Probleme zu lösen, im Gegensatz zu Nehammer, der zwar “konsequente Maßnahmen im Kampf gegen die illegale Migration” verspricht, aber garantiert nicht einmal dieses Minimalversprechen halten wird.
Das andere, daß Kickl gegen den Strom geschwommen ist und die Wahrheit gesagt hat, zu einem Zeitpunkt, als sich die österreichische Regierung unter Kurz und Nehammer auf verbrecherische Weise an den Covid-Lügen beteiligt und große Teile der eigenen Bevölkerung verunglimpft, terrorisiert, erpreßt, beschimpft, ihrer Grundrechte beraubt und an Leib und Leben geschädigt hat.
Kein Wunder, daß Nehammer, der in dieser Hinsicht schon in seiner Funktion als Innenminister eine Menge Dreck auf seinen krummen Stecken geladen hat, verhindern möchte, daß die zugedeckelten Fässer wieder aufgemacht und die Leichen im Keller ausgegraben werden.
Wir sehen also, daß beide Fälle in der Geschichte der 2. Republik, in denen der Wahlsieger der Nationalratswahlen nicht an der Regierungsbildung beteiligt wurde, einen gemeinsamen Nenner haben: die ÖVP, die 1999 die Macht erlangen wollte und die sich 2024 auch noch nach der schlimmsten Wähler-Ohrfeige seit ihrem Bestehen an ihr festklammern will, im ersteren Fall mit der FPÖ, im zweiteren gegen die FPÖ.
Beides war “legal” möglich, gewiß. Im Fall 1999/2000 lief es in einem Rahmen ab, der die 40% SPÖ- (und Grünen-)Wähler verständlicherweise enorm verärgert hat, aber nicht über das politisch übliche Geschacher hinausging. Damals hatte die SPÖ zumindest eine Chance auf einen Kompromiß; Schüssel streckte sich machiavellistisch nach der FPÖ aus; und diese hatte sich ihrerseits durch einen beträchtlichen Wahlerfolg legitimiert, sich an der Regierung zu beteiligen.
2024 sieht das Ganze doch etwas anders aus: Es ist ein unverhohlener Versuch des gesamten blamierten Parteienkartells, die einzige wahrhaft alternative Partei zu isolieren und sie nachträglich um ihren Sieg zu bringen, den demütigenden, seit Haider gefürchteten Alptraum zu verhindern, daß nun ausgerechnet die verfemte und verspottete Daueropposition Seniorpartner in der Regierungskoalition wird.
Eng damit verbunden ist eine “erzieherische” Message: Dem Wähler wird signalisiert, daß er bestimmte Leute und Parteien, die bestimmte Themen und Interessen vertreten, nicht wählen darf – und wenn er es doch tut, wird es ihm nichts nützen, werden seine Erfolge vom Apparat kurzerhand zunichte gemacht. Es werden damit die Grenzen des Wählbaren abgesteckt, die Spielregeln zu den eigenen Gunsten gedreht.
Diejenigen, die sich (aus welchen Gründen auch immer, aber stets in eigener Sache) als die einzigen und wahren “Demokraten” ausgeben, tun also, was sie immer tun, wenn ihnen ein demokratisches Wahlergebnis nicht ins Geschäft paßt.
Nehammers “Erklärung zum Regierungsbildungsauftrag” höre sich an, wer imstande ist, ein derart verlogenes “Platitüdenhüpfen” länger als fünf Sekunden zu ertragen, wie Marc Pommerening formulierte (“Er klingt nach Jelinek.”)
Unfreiwillig komisch wirkt es, wenn seine Partei Sätze twittert à la:
Für Bundeskanzler @karlnehammer steht fest: So wie bisher kann es nicht weitergehen.
Wer bitteschön war denn “bisher” an der Macht? Oder klingende Prosa dieser Art:
Auftrag nimmt er in aller Redlichkeit und Ernsthaftigkeit an und wird dabei stets seiner Politik treu bleiben: Verantwortung übernehmen, zu seinem Wort stehen und das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Für Österreich und für eine starke Zukunft!
Von “Redlichkeit” wagen sie zu reden, während hier vor unserer Nase unverhohlen einer der übelsten Coups an Wählerbetrug abgewickelt wurde, den die österreichische Geschichte seit 1945 kennt.
Wie man auf diese Weise “das Gemeinsame vor das Trennende stellen” und “Vertrauen zurückgewinnen” will, weiß der Geier. Der Graben ist wieder ein Stück tiefer geworden. “Stabilität” wird Nehammer auf diese Weise nicht erreichen. Viele Wähler, die sich nun hintergangen fühlen, werden jetzt erst recht dem Staatsapparat mißtrauen und sich hinter Kickl stellen. Das alles bedeutet schlechtes Karma für Nehammer, für die ÖVP und das gesamte politische System Österreichs.
Diese Saat werden Kickl und die FPÖ womöglich eines Tages ernten. Er selbst scheint damit zu rechnen.
Maiordomus
@Lichtmesz, zumal auf dem metapolitisch-kulturellem Gebiet für mich die halbe Miete der Beiträger hier, kann es auch mit politischen Kommentaren. Es ist die fast bestmögliche Analyse der österreichischen Wahlen, wobei freilich zugegeben werden muss, dass selbst die als Aufbruch bezeichnete bedeutendste Koalition der weiland SPD, nämlich die sozialliberale vom Oktober 1969, an die ich mich erinnere, als wäre es gestern gewesen, eine Koalition der Verlierer war bei einem CDU-Wahlsieg zwischen 47 - 48%, zu dem Nixon bereits gratuliert hatte. Mit dem Unterschied, dass damals statt "weiter so" tatsächlich eine neue Politik kam, mit den Ostverträgen, der Preisgabe Schlesiens und der Abtreibung, letztere noch gegen die Stimmen von Brandt. der als Unehelicher noch knapp diesem Schicksal entronnen war und dem überzeugten Katholiken Leber. Zu erinnern bleibt, dass 2007 Blocher als CH- Bundesrat einen genau gleich hohen Wahlsieg wie Kickl eingefahren hatte und dafür als einziges nicht quasi durch beliebigen Losentscheid ersetzbares Regierungsmitglied im Dezember 2007 abgewählt wurde, ersetzt durch die Preisgeberin des Bankgeheimnisses, übrigens eine ehem. kurzzeitige Schülerin von mir. Aber klar, 28% wären allenfalls in einem Maiorzsystem wie GB oder FR eine Mehrheit, sonst nicht. Dabei war und bleibt Blocher der einzige europ. Rechtspolitiker mit direkt-demokratisch föderalistischen, leider nur in der Schweiz eingeführten Demokratie-Vorstellungen, wohl auch in BRD nicht praktizierbar.