Botho Strauß – Neue Anmerkungen zum Außenseiter

In Spiegel erschien letzte Woche ein Essay von Botho Strauß,...

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

der inhalt­lich naht­los an den legen­dä­ren “Anschwel­len­den Bocks­ge­sang” aus dem Jahr 1993 anknüpft. Die­ser hat, obwohl bereits zwei Jahr­zehn­te alt, nichts von sei­ner Fri­sche ein­ge­büßt (“Aktua­li­tät” könn­te man auch sagen, aber das habe ich aus mei­nem Wort­schatz gestrichen).

Micha­el Klo­novs­ky schrieb anläß­lich einer Wiederlektüre:

Erstaun­lich, wie frisch und hell­sich­tig sich der wei­land so inkri­mi­nier­te Text anlässt, wäh­rend das gan­ze eigen­wert­freie alar­mis­ti­sche Gesin­nungs­gou­ver­nan­ten­ge­schwa­fel wie getrock­ne­ter Unflat von ihm abge­fal­len ist – eine rei­zen­de Illus­tra­ti­on des Unter­schieds zwi­schen Lite­ra­tur und Feuilletonismus.

Nicht zu ver­ges­sen, daß eini­ge der ver­bis­sens­ten “Gou­ver­nan­ten” aus den Rei­hen des Spie­gels selbst kamen, mit dem dama­li­gen Kul­tur­res­sort­lei­ter Hell­muth Kara­sek an der Spit­ze. Umso mehr darf man ange­sichts des Vor­spanns zu dem neu­en Essay “Der Plu­ri­mi-Fak­tor – Anmer­kun­gen zum Außen­sei­ter” die Ohren spit­zen. Strauß sei 1993 “als polit­scher Reak­tio­när abge­straft” wor­den – “dabei war der Autor damals womög­lich nur hell­sich­ti­ger als ande­re.” Na, Kara­sek wird sich hof­fent­lich mäch­tig dar­über gefreut haben. Wei­ter­hin heißt es:

Dies­mal beob­ach­tet er, wie der “intel­lek­tu­el­le Göt­zen­dienst vor dem Popu­lä­ren” eine Anpas­sung nach unten zur Fol­ge hat – und wie das “Brei­te zur Spit­ze” wird, wenn es um Quo­ten, Foren und die Inter­es­sen der meis­ten geht: der “Plu­ri­mi-Fak­tor”. Die weni­gen aber, so Strauß, die sich nicht durch das Inter­net  Gesell­schaft und Über­ein­kunft ver­schaf­fen wol­len, wer­den sich in der Abson­de­rung ein­rich­ten müssen.

Wozu dann auch logi­scher­wei­se die Aus­set­zung der Spie­gel-Lek­tü­re, ins­be­son­de­re sei­ner berüch­tig­ten Online-Ver­si­on zäh­len müß­te. Denn es geht in Strauß’ Essay nicht nur um das Inter­net (neben­bei, Gómez Dávila gibt es jetzt auch auf Twit­ter), son­dern um alle Mas­sen­me­di­en, die dar­an wir­ken, den brei­ten Strom des “kon­sen­tiv Assem­blier­ten” aus­zu­wei­ten, bis kein Fle­cken mehr übrig ist, in dem man anders denkt, schreibt, spricht und, nicht zu ver­ges­sen: lebt.

In Deutsch­land ist es eben vor allem der Spie­gel, der zumin­dest auf der Midd­le­brow-Ebe­ne so ziem­lich alles ver­kör­pert, beför­dert und nach Kräf­ten ein­ze­men­tiert, was Strauß so ver­ab­scheut und vehe­ment kri­ti­siert. Mei­ne beschei­de­ne Mei­nung: Wer nicht min­des­tens all­er­gisch gegen das typi­sche Spie­gel-Deutsch ist, des­sen Gehirn ist bereits in bedenk­li­cher Wei­se von der con­di­ti­on-sal­aud befal­len, von der Strauß spricht.

Zum Erfolg des Blat­tes gehört frei­lich auch eine gewis­se Elas­ti­zi­tät, und wohl­do­sier­te “Kon­tro­ver­sen” hal­ten bekannt­lich das bun­des­deut­sche Feder­vieh auf Trab und in Lohn und Brot. (Ich bin schon vol­ler Vor­freu­de auf Georg Die­zens Kom­men­tar, der uns hof­fent­lich nicht vor­ent­hal­ten wird.)

Die Papier­lö­wen des Feuil­le­tons haben also wie­der Fut­ter bekom­men, der Skan­dal ist dies­mal aller­dings, was zu erwar­ten war, aus­ge­blie­ben. Zumal Strauß’ Stil sich wenig dazu eig­net, um knal­li­ge Zita­te her­aus­zu­fi­schen, die man dann mit wohl­fei­len fau­len Eiern bewer­fen kann.

Man muß lei­der die Anstren­gung auf­merk­sa­men und sinn­ent­neh­men­den Lesens auf sich neh­men. Das ist abschre­ckend genug. Und wenn nun schon der Spie­gel selbst ein­räumt, daß Strauß’ Geg­ner heu­te reich­lich alt aus­se­hen wür­den, so wird wohl nie­mand eine zwei­te Bla­ma­ge ris­kie­ren wol­len (Aus­nah­men gibt es immer, aber was wäre der schöns­te Bocks­ge­sang ohne einen Ther­si­tes als Kontrastgezeter).

Dabei strahlt der Essay trotz aller Pole­mik weder Zorn noch Empö­rung aus, son­dern eher die Küh­le der Abkehr und der Ver­ach­tung. Das gilt sogar dann, wenn Strauß dan­tes­ke und durch­aus ange­mes­se­ne Höl­len­stra­fen für die “Schän­der der Land­schafts­see­le”, die Erfin­der und Pro­fi­teu­re der Wind­rä­der, aus­malt. Non ragio­niam di lor, ma guar­da e pas­sa -  “Sprich nicht mit ihnen, son­dern schau hin und geh vor­über”, so der Rat Ver­gils an Dan­te, als die Unter­welt­wan­de­rer die mas­sa dam­na­ta passieren.

Andre­as Rosen­fel­der (Die Welt) “gefällt das”, er geniert sich aber angeb­lich aus Ehr­furcht ein wenig, Strauß vor­be­halts­los zuzustimmen.

Feli­citi­as von Loven­berg (FAZ) meint, hin­ter der Mas­ke des Ent­rück­ten und Ver­geis­tig­ten einen “Hil­fe­ruf” zu vernehmen:

Kon­se­quent wäre es gewe­sen, sol­che Gedan­ken, statt im „Spie­gel“ etwa in den „Schei­de­we­gen“, der „Jah­res­schrift für skep­ti­sches Den­ken“, zu ver­öf­fent­li­chen und sich damit sicht­bar dort­hin zu stel­len, wo er sich selbst ver­or­tet. Doch noch – und das ist womög­lich die eigent­li­che, posi­ti­ve Bot­schaft die­ses ziel­los apo­ka­lyp­ti­schen Essays – hat Botho Strauß die Hoff­nung dar­auf, gehört, viel­leicht sogar ver­stan­den zu wer­den, nicht aufgegeben.

Die Mas­ke der so vor­sich­ti­gen und gesuch­ten For­mu­lie­run­gen ver­birgt aller­dings wohl mehr Spreng­stoff, als ein ober­fläch­li­cher Leser ahnen wür­de.  In einem Absatz stellt sich Strauß der Fra­ge nach der Isla­mi­sie­rung Euro­pas, ohne frei­lich die­ses Schlag­wort zu benut­zen. Dabei beginnt er sei­ne Betrach­tung mit einer Perspektivumkehrung:

 Wir drän­gen den Gläu­bi­gen und Anders­gläu­bi­gen neben uns unent­wegt unse­re Frei­hei­ten auf, den­ken aber nicht dar­an, auch nur das Gerings­te von ihrer sitt­li­chen Frei­heits­be­schrän­kung nach­ah­mens­wert zu fin­den oder auf uns abfär­ben zu las­sen. Das Abfär­ben soll nur ein­sei­tig geschehen.

Die­ses  “Abfär­ben” hat also nichts mit den Phan­ta­sien lin­ker “Inte­gra­ti­ons”- und “Vielfalts”-Romantiker zu tun:

Dabei täte etwas mehr Fami­lie, etwas väter­li­che Stär­ke einem Erzie­hungs­ver­hal­ten gut, des­sen Schwä­chen allent­hal­ben von staat­lich geför­der­ten Hil­fen kost­spie­lig kom­pen­siert wer­den. Auto­ri­tät zu bezwei­feln gehört jedoch zu den Pflich­ten, die der demo­kra­ti­schen Über­ein­kunft selbst­ver­ständ­lich erschei­nen und die ihr leichtfallen.

Wir befin­den uns hier also mit­ten im Elend der “libe­ra­len Islam­kri­tik” (sie­he etwa hier, hier und hier), die den Islam einer­seits zum Feind “unse­rer Wer­te” erklärt und gleich­zei­tig blind­lings die Vor­aus­set­zun­gen für sei­ne Aus­brei­tung in west­li­chen Län­dern schafft.

Strauß wei­ter:

Aber Ihr Frei­zü­gi­gen! Seid ja geschlos­se­ner ver­han­gen als jede Mus­li­min im Ganz­kör­per­tuch. Eure Bur­ka ist eine fes­te Hül­le aus Sprach­lum­pen, aus Nicht-erschei­nen- und Nicht-bli­cken-Kön­nen. Ihr seht ein­an­der nicht, und was Ihr sagt, bleibt ungesagt.

Nur weni­ge ertra­gen es, die­se Din­ge “in den schärfs­ten Keh­ren der Ambi­va­lenz” zu ertra­gen. Was das bedeu­tet, läßt Strauß nur anklingen:

Die meis­ten wen­den sich bereits mit Empö­rung ab, sobald ihrem gewohn­ten Lebens­stil aus reli­giö­sen Grün­den mit Distanz begeg­net wird. Im Zuge des Bevöl­ke­rungs­wan­dels könn­ten sich ande­re Prio­ri­tä­ten her­aus­bil­den, als sie heu­te gül­tig sind.

Die es nach dem Straf­ge­richt derEnt­bil­de­rung ver­langt, die ihr Leben unter den Buch­sta­ben ihrer Reli­gi­on stel­len, wenn nicht gar in den Dienst einer Rückver­wor­tung der Welt, wer­den unter radi­ka­li­sier­ten Umstän­den frei­lich auch unse­ren Über­fluß an bild­li­chen Kunst­wer­ken nicht verschonen.

Strauß sagt hier im Grun­de nichts ande­res als dies – und noch kein mir bekann­ter Rezen­sent hat es her­vor­ge­ho­ben: soll­te der demo­gra­phi­sche Druck der isla­mi­schen Ein­wan­de­rer­grup­pen (“Bevöl­ke­rungs­wan­del”) wei­ter­hin anstei­gen, dann wer­den sich auch die “Wer­te” der Gesell­schaft grund­le­gend ver­än­dern, um es mil­de aus­zu­drü­cken. Wie der­glei­chen pas­siert, kann man sich über­all dort in Minia­tur anse­hen, wo Mos­lems zur Mehr­heit werden.

Das heißt, es ist kaum zu erwar­ten, daß die­ser Pro­zeß gewalt­frei ablau­fen wird. Soll­te es im Zuge die­ser Ent­wick­lung zu dschi­ha­dis­ti­schen Radi­ka­li­sie­run­gen kom­men, dann darf man nicht erwar­ten, daß ein iko­no­klas­ti­scher Angriff auf die euro­päi­schen Kul­tur­schät­ze aus­blei­ben wird: man erin­ne­re sich an die Bud­dha-Sta­tu­en von Bami­yan.

Ein Wort wie “Straf­ge­richt” impli­ziert Eifer und Fana­tis­mus; frei­lich auch die Apo­ka­lyp­se einer Welt, deren Fre­vel nicht nur aus isla­mis­ti­scher Per­spek­ti­ve offen­bar sind. Nicht umsonst fin­den sich, wie schon im “Bocks­ge­sang”, in vie­len For­mu­lie­run­gen des “Plu­ri­mi-Fak­tors” die Spu­ren von Nico­làs Gómez Dávila, der ein­mal schrieb:

Die moder­ne Welt wird nicht bestraft wer­den. Sie ist die Strafe.

Der nächs­te Satz von Strauß scheint mir etwas merkwürdig:

Doch hie­ße, vom west­li­chen Lebens­stil zu las­sen, nicht auch: sich abwen­den von Kubrick und Mark Roth­ko? Die meis­ten könn­ten das, die weni­gen kön­nen es nicht.

Es ist anzu­neh­men, daß Strauß auch hier, wie stets, auf der Sei­te der “Weni­gen” steht. An die­ser Stel­le täte sich eine böse Poin­te auf: die über­wie­gen­de Mehr­heit der Men­schen wür­de sich wohl recht schnell damit abfin­den, wenn ein­mal die Venus von Bot­ti­cel­li zer­schlitzt wird oder die Fres­ken von Michel­an­ge­lo über­malt oder Not­re-Dame leer­ge­räumt und zur Moschee umge­baut wür­de wie die Hagia Sophia.

So wich­tig wird den Luxus­fel­la­chen, die ohne­hin schon kei­ner­lei Vor­stel­lung mehr davon haben, was “Kunst und Kul­tur” oder “Reli­gi­on” eigent­lich bedeu­ten, das Strand­gut des “christ­li­chen Abend­lan­des” dann auch nicht sein, und die Mas­se wird sich wie immer der stär­ke­ren Macht fügen und anpassen.

Strauß nennt nun aber Stan­ley Kubrick und Mark Roth­ko. Ich muß geste­hen, daß mir nicht ganz ein­leuch­tet, war­um gera­de die­se bei­den, die natür­lich ohne Zwei­fel “pars pro toto” ste­hen. Mei­ne Spe­ku­la­ti­on ist die­se: Kubrick und Roth­ko sind eben nicht “christ­li­ches Abend­land”, son­dern Künst­ler, die außer­halb eines moder­nen “west­li­chen Lebens­stils” nicht mög­lich wären.

Kubrick gehört nun unan­ge­foch­ten zu den gro­ßen Meis­tern der Film­kunst.  Fil­me wie “Dr. Stran­gel­ove”, “A Clock­work Oran­ge”, “Full Metal Jacket” oder “Eyes Wide Shut” sind bild­mäch­ti­ge, aller­dings auch über­aus sub­ver­si­ve und zivi­li­sa­ti­ons­kri­ti­sche Wer­ke. Sie wären in isla­mi­schen oder auch nur sehr kon­ser­va­tiv-auto­ri­tä­ren Län­dern unmög­lich gewe­sen, auch nicht im zen­sur­be­stimm­ten Hol­ly­wood vor den Locke­run­gen der Sech­zi­ger Jahre.

Trotz allem Respekt, den er genoß, hat­te Kubrick unter den US-Regis­seu­ren den Ruf eines men­schen­scheu­en “Außen­sei­ters”, des­sen Kom­pro­miß­lo­sig­keit und Per­fek­tio­nis­mus berühmt-berüch­tigt waren. Sein Blick auf die west­li­che Zivi­li­sa­ti­on in sei­nen Fil­men ist in der Tat eine Außen­sei­ter­per­spek­ti­ve: kalt, skep­tisch, distan­ziert, mit­leid- und illusionslos.

Roth­kos Male­rei steht an jener Grenz­schei­de zur äußers­ten Abs­trak­ti­on, an der die Kunst in Gefahr läuft, sich selbst auf­zu­lö­sen. Sie ver­liert ihren Gegen­stand, wird immer mehr zur “Masche”. Man kann nun zwar nur ein­mal ein “wei­ßes Kreuz auf wei­ßem Grund” malen, wie es Male­witsch tat, aber belie­big vie­le Far­ben in der für Roth­ko typi­schen Balan­ce-Anord­nung kom­bi­nie­ren. Aber ist nicht auch dies eine Sackgasse?

Roth­kos Bil­der erzie­len ihre stärks­te Wir­kung, wenn man vor ihnen steht, wäh­rend sie in Repro­duk­tio­nen fast völ­lig ver­lie­ren. Man könn­te nun theo­re­tisch auch eine pro­gres­si­ve Moschee, wenn es so etwas gibt, oder einen Hin­du­tem­pel mit “Roth­ko­far­ben” schmü­cken. Pri­mär west­lich sind aller­dings die Denk­pro­zes­se, die zu einer sol­chen Kunst geführt haben. Ich für mei­nen Teil könn­te leicht auf Roth­ko verzichten.

Ich möch­te noch zwei wei­te­re Moti­ve des Essays her­vor­he­ben. Jür­gen Amendt, ein über­ra­schend sym­pa­thi­sie­ren­der Rezen­sent des lin­ken Neu­en Deutsch­lands kam zu einem beun­ru­hi­gen­den Schluß:

Wenn Strauß 1993 vor der Selbst­ge­fäl­lig­keit warn­te, mit der die natio­na­lis­ti­schen Strö­mun­gen in Ost­eu­ro­pa »in unse­rer libe­ral-liber­tä­ren Selbst­be­zo­gen­heit für falsch und ver­werf­lich« gehal­ten wer­den, so ist es jetzt die geis­ti­ge Stumpf­heit der sich Freie nen­nen­den gegen­über der Welt außer­halb ihres säku­la­ri­sier­ten Wertesystems. (…)

»Die meis­ten«, kri­ti­siert Strauß, »wen­den sich bereits mit Empö­rung ab, sobald ihrem gewohn­ten Lebens­stil aus reli­giö­sen Grün­den mit Distanz begeg­net wird. Im Zuge des Bevöl­ke­rungs­wan­dels könn­ten sich ande­re Prio­ri­tä­ten her­aus­bil­den, als sie heu­te gül­tig sind.«

In die­sem Sin­ne – und das ist die erschre­cken­de Erkennt­nis, die sich aber als kon­se­quent erwei­sen könn­te – ist der isla­mi­sche Kon­ver­tit, der Außen­sei­ter inmit­ten der säku­la­ri­sier­ten Mas­se, der wahr­haf­ti­ge Visionär.

Das wür­de viel­leicht auf einen Mann wie René Gué­non zutref­fen oder auf exzen­tri­sche radi­ka­le Außen­sei­ter wie David Myatt. Mit eher bana­len Erschei­nun­gen wie Pierre Vogel sieht die Sache aber doch etwas anders aus: der Außen­sei­ter, der am Unbe­ha­gen an der Gesell­schaft lei­det, in die er hin­ein­ge­bo­ren wur­de, wird in dem Moment zum “Insi­der”, in dem er die Kon­ver­si­on vollzieht.

Gera­de der Anschluß an den Islam bedeu­tet die Teil­ha­be an einem tota­len Gemein­schafts­mo­dell par excel­lence, an einer alle Lebens­be­rei­che umfas­sen­den Ein­ge­mein­dung, die jeg­li­chem Außen­sei­ter­tum einen Rie­gel vor­schiebt, und in dem fol­ge­rich­tig auch der Bereich des Pri­va­ten ver­gleichs­wei­se stark redu­ziert wird. Das kann natür­lich auf Men­schen, die unter der libe­ra­len Ato­mi­sie­rung und Unver­bind­lich­keit lei­den, einen gro­ßen Reiz aus­üben und als Befrei­ung erlebt werden.

Zu Beginn sei­nes Essays schreibt sich Strauß dage­gen impli­zit die Rol­le des “idio­tes im anti­ken Wort­sinn” zu, den er so definiert:

Idi­ot: der Unver­bun­de­ne, der ande­ren Unbe­greif­li­ches spricht. Pri­vat­per­son. Gemein­schafts­stüm­per. Idi­os: bei­sei­te, abseits befind­lich; den ein­zel­nen betref­fend, dem ein­zel­nen zuge­hö­rig. Idio­teía: Pri­vat­le­ben, Torheit.

Der eng­li­sche Schrift­stel­ler Colin Wil­son beschrieb in sei­ner 1956 erschie­ne­nen Stu­die “The Out­si­der” (einst ein “Kult­buch”, heu­te weit­ge­hend ver­ges­sen) einen Außen­sei­ter­ty­pus, der mit dem von Botho Strauß ent­wor­fe­nem Bild weit­ge­hend ident ist. Wil­sons “Out­si­der” steht vor einem kom­pli­zier­ten Dilem­ma: er erlebt sein Außen­sei­ter­tum als Ent­frem­dung und Abge­trennt­heit von den Mehr­heits­men­schen und vom “wah­ren Leben”. Der star­ke Lei­dens­druck, der dadurch ent­steht, läßt ihn danach trach­ten, die­sen Zustand zu über­win­den und zu been­den. Er wünscht sich im Grun­de, ein “Insi­der” zu werden.

Dabei steht für ihn jedoch eine blo­ße Anpas­sung an die herr­schen­den Nor­men, deren Brü­chig­keit er durch­schaut hat, außer Fra­ge.  Er sucht drit­te und vier­te Wege. Das “Anders­sein”, das ihn von der Mehr­heit unter­schei­det und abson­dert, ist vor allem Kon­se­quenz einer tie­fe­ren Ein­sicht in das Cha­os und die Mise­re, die unter der Ober­flä­che der sozia­len Ord­nun­gen und Kon­ven­tio­nen bro­deln. Es ist das Bewußt­sein die­ser stän­di­gen Prä­senz, das ihm die­se Ord­nun­gen als so gefähr­det und so frag­wür­dig erschei­nen läßt, oft auch als heuch­le­risch, kor­rupt und ver­lo­gen, ja böse.

Genau die­ses Bewußt­sein für die “Vibra­tio­nen eines rumo­ren­den Unter­grunds” steht auch am Anfang von Strauß’ “Bocks­ge­sang”:

Jemand, der vor der frei­en Gesell­schaft, vor dem Gro­ßen und Gan­zen, Scheu emp­fin­det, nicht weil er sie heim­lich ver­ab­scheu­te, son­dern im Gegen­teil, weil er eine zu gro­ße Bewun­de­rung für die unge­heu­er kom­pli­zier­ten Abläu­fe und Pas­sun­gen, für den gran­dio­sen und emp­find­li­chen Orga­nis­mus des Mit­ein­an­der hegt, den nicht der uni­ver­sells­te Künst­ler, nicht der begna­dets­te Herr­scher annä­hernd erfin­den oder diri­gie­ren könn­te. Jemand, der bei­na­he fas­sungs­los vor Respekt mit­an­sieht, wie die Men­schen bei all ihrer Schlech­tig­keit au fond so schwe­re­los anein­an­der vor­bei­kom­men, und das ist so gut wie: mit­ein­an­der umge­hen können.

Das Lebens des “Out­si­ders”, wie ihn Wil­son dar­stellt – unter ande­rem anhand von so unter­schied­li­chen Figu­ren wie T. E. Law­rence, Vin­cent van Gogh, Vas­lav Nijin­sky, Albert Camus oder Fried­rich Nietz­sche – ist gekenn­zeich­net von einer Suche nach Sinn und Bedeu­tung, nach der Über­win­dung von Lei­den und Tod, und der Sehn­sucht nach, um es mit Law­rence zu sagen, “der Macht des Selbst­aus­drucks in einer schöp­fe­ri­schen Form.”

Der “Out­si­der” hat nicht nur die Nich­tig­keit sei­ner eige­nen Exis­tenz erkannt, son­dern vor allem auch die Vani­tas des “Fluß­stru­dels ziel­stre­bi­ger Men­schen”, die­ser emsig-beflis­se­nen Lem­min­ge, “Men­schen im Kon­sens”, “Ein­ge­mein­de­te, Zuge­hö­ri­ge eines wun­der­sa­men Ein­ver­neh­mens. Ziel­stre­bi­ge Leu­te, doch über ihr Ziel täu­schen sie sich alle” (Strauß).

T. S. Eli­ot hat die­ses Emp­fin­den in sei­nem Jahr­hun­dert­ge­dicht The Was­te Land (1922) mit Dan­te-Para­phra­sen ausgedrückt:

I see crowds of peo­p­le, wal­king round in a ring. (…)
Unre­al City / Under the brown fog of a win­ter dawn,
A crowd flowed over Lon­don Bridge, so many,
I had not thought death had undo­ne so many.

Von der Grund­si­tu­ta­ti­on die­ses “exis­ten­zi­el­len” Schocks aus ver­zwei­gen sich die Wege man­nig­fal­tig: der Außen­sei­ter kann einen reli­giö­sen oder poli­ti­schen oder phi­lo­so­phi­schen oder künst­le­ri­schen Weg ein­schla­gen; oder aber er kann dem “aben­teu­er­li­chen Her­zen” in die Todes­ge­fahr, in die Don-Qui­chot­te­rie, in den Rausch, die Rebel­li­on oder gar in die Selbst­zer­stö­rung folgen.

Er kann es auch vor­zie­hen, in der Ver­nei­nung, im Skep­ti­zis­mus oder im stol­zen Trotz zu ver­har­ren, im Däm­mer­licht des Daseins, weil nur dort Miner­vas Eule ihren Flug beginnt. Er kann es vor­zie­hen, trotz sei­nes Lei­dens im Zustand des Außen­sei­ter­tums zu ver­har­ren, weil er hin­ter jeg­li­chem Ange­bot, es auf­zu­lö­sen, neue Täu­schun­gen, Kom­pro­mis­se und Kor­rup­tio­nen wittert.

So schreibt Strauß:

 Eine mora­li­sche Posi­ti­on, die man mit­un­ter “rechts” nennt, gibt es nicht kor­po­riert. Rechts kann nur der Neu­gie­ri­ge abseits ste­hen. Er hält eigent­lich kei­ne Posi­ti­on, son­dern ist, wie gesagt, ein Idio­syn­krat, den kol­lek­ti­ve Selbst­täu­schung, rou­ti­nier­ter Gesin­nungs­be­trieb, intel­lek­tu­el­le Lie­be­die­ne­rei erschre­cken. Er ist mit­hin eher eine Alarm­an­la­ge für ein­ge­schla­fe­ne Füße des Geis­tes, ein Mene­te­kel, daß “jeder erklet­ter­te Thron zum Fuß­sche­mel eines neu­en ein­schrumpft” (Jean Paul).

Ein letz­tes. Fol­gen­de Zei­len des Essays haben mich beson­ders frappiert:

Der Reak­tio­när ist Phan­tast, Erfin­der (der Kon­ser­va­ti­ve dage­gen eher ein Krä­mer des angeb­lich bewähr­ten). Gera­de weil nichts so ist, wie er’s sieht, noch gar nach sei­nem Sinn sich ent­wi­ckelt, stei­gert er die fik­ti­ve Kraft sei­ner Anschau­ung und ver­teilt die nach­hal­tigs­ten Güter des Geis­tes oder des Gemüts. Oder die lan­ge anhal­ten­den. Oder die im Erhal­ten sich erneu­ern­den (um der ent­leer­ten Voka­bel einen wenig varia­blen Sinn zu unterlegen.)

Alex Kur­ta­gic ver­folgt in dem Kapla­ken-Band “War­um Kon­ser­va­ti­ve immer ver­lie­ren” im Grun­de ein- und den­sel­ben Gedan­ken; der “Reak­tio­när” des Botho Strauß ent­spricht unge­fähr dem “Tra­di­tio­na­lis­ten” Kur­ta­gics, wenn­gleich auch die­ser ande­re Blick­rich­tun­gen im Visier haben mag.

Martin Lichtmesz

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Nichts schreibt sich
von allein!

Das Blog der Zeitschrift Sezession ist die wichtigste rechtsintellektuelle Stimme im Netz. Es lebt vom Fleiß, von der Lesewut und von der Sprachkraft seiner Autoren. Wenn Sie diesen Federn Zeit und Ruhe verschaffen möchten, können Sie das mit einem Betrag Ihrer Wahl tun.

Sezession
DE58 8005 3762 1894 1405 98
NOLADE21HAL

Kommentare (33)

ene

5. August 2013 12:59

Wenn es auch nicht gleich zur "Bilderstürmerei" kommt - ich frage mich allerdings mitunter, wer sich eigentlich in bestimmten Kommunen zukünftig für die kostspielige Restaurierung alter Dorfkirchen mit Spuren mittelalterlicher Wandmalereien und dergleichen zuständig fühlen wird. Wen das in zwei Jahrzehnten noch interessiert, wer sich dafür engagiert, wer bereit ist zu spenden. Wenn Privatpersonen sich in solchen Fällen engagieren, hat das fast immer etwas mit ihrer eigenen Identität zu tun: "Ich möchte, daß der Kirchturm wieder so aussieht wie früher, da bin ich als Schüler täglich vorbeigegangen..." Wer dann überhaupt im "Denkmalschutz" noch eine selbstverständliche kulturelle Aufgabe sieht.
- Nur eine Randbemerkung zum vorliegenden Thema.

Erwalf

5. August 2013 13:17

Wieder ein reichhaltiger Beitrag von M.L.. Wegen der kürze meiner Lesezeit blieb bei mir vorerst nur die seit Jahren bestehende Frage im Kopf: Wer ist Feind, wer Verbündeter? Soll ich meine Freiheit mit den Nur-noch-Freien gegen die morgenländische Bedrohung freien Denkens und Glaubens verteidigen oder meine Werte und Lebensvorstellungen mit den Gläubigen, wenn auch fremden, gegen alle freiheitsextremistischen Ungläubigen? - Ich weiß es immer noch nicht.

Martin

5. August 2013 14:13

Wer ist Feind, wer Verbündeter?

Erwalf,

Seien Sie entspannt und nehmen Sie sich ein Beispiel an den "Migranten":

Die sind sich, obwohl selber untereinander oftmals heillos zerstritten, instinktiv immer auch einig, wenn es gegen "uns" geht.

Pack schlägt sich, Pack verträgt sich, sagt der Volksmund.

In diesem Punkt können wir von den "anderen" lernen.

Zum Artikel:
Die Woche fängt gut an ... (hier könnte jetzt ein "Smiley" sein, wenn es möglich wäre).

M.L.: Wir arbeiten noch an einem "Like-Button" in Form einer Schlange...

Stevanovic

5. August 2013 15:39

@Erwalf
„Die sind sich, obwohl selber untereinander oftmals heillos zerstritten, instinktiv immer auch einig, wenn es gegen „uns“ geht.“

Wenn Sie das glauben, sind Sie dem öffentlich vorgetragenem Stuss von „Vielfallt ist Bereicherung“ schon aufgesessen. Das einzige, was Vertreter der Migranten (bei einem Organisationsgrad von unter 10%, mithin ohne jegliche Legitimation) „instinktiv“ eint, sind die Fördertöpfe. Das dürfte Ihnen aus urdeutschen Zusammenhängen nicht ganz fremd sein. Es ist die erbärmliche Einigung beim Gerangel um den Futtertrog, der gefüllt wird, wenn ein bestimmter Knopf gedrückt wird. Die dafür notwendige Dressur als ein einigendes Moment, gar als Gemeinsamkeit „gegen“ etwas zu deuten, würde den Integrationsindustriellen gefallen.

@Lichtmesz
„Dabei steht für ihn jedoch eine bloße Anpassung an die herrschenden Normen, deren Brüchigkeit er durchschaut hat, außer Frage. Er sucht dritte und vierte Wege. Das „Anderssein“, das ihn von der Mehrheit unterscheidet und absondert, ist vor allem Konsequenz einer tieferen Einsicht in das Chaos und die Misere, die unter der Oberfläche der sozialen Ordnungen und Konventionen brodeln. Es ist das Bewußtsein dieser ständigen Präsenz, das ihm diese Ordnungen als so gefährdet und so fragwürdig erscheinen läßt, oft auch als heuchlerisch, korrupt und verlogen, ja böse.“

Die Abgrenzung zwischen dem edlen Eremiten und Angst vor Verantwortung ist manchmal recht schwierig. Ich schwanke zwischen bewundernden Respekt wegen der Konsequenz auf der einen Seite und dem Drang, nach ein paar Ohrfeigen zu rufen „Reiß dich zusammen!“ auf der anderen Seite. Intellektuelle Wahrhaftigkeit erfordert eine Distanz zur Mitte und zum Durchschnitt, gerade wenn man über ganz andere Wege nachdenkt. Ein Leben in der Mitte ist heuchlerisch, korrupt und verlogen, keine Frage. Ohne Selbstbeschmutzung geht das nicht. Eine der schmerzhaftesten Wunden im Leben, ist die Erkenntnis der Selbstbeschmutzung. Das Auszuhalten fällt den Schamlosen leicht, die wahren Helden brauchen dafür Kraft. Botho Strauß hat Angst vor dem Schmerz und vor der Sinnlosigkeit des Kraftaufwandes. Es klingt zu sehr ein Kind durch, das nicht mitspielen will, wenn ihm nicht alle versprechen, dass es sofort gewinnen kann. Aus Angst vor Enttäuschungen, aus Angst vor dem Bösen, aus Angst vor der Mitte. Er ist eindeutig kein Sisyphus, wahrscheinlich will er auch keiner sein.

Ich würde mir nicht einbilden, einen Botho Strauß wirklich zu verstehen. Sollte ich ihm unrecht tun, tut es mir Leid.

Joseph von Sternberg

5. August 2013 19:33

"dann darf man nicht erwarten, daß ein ikonoklastischer Angriff auf die europäischen Kulturschätze ausbleiben wird:"

es gibt schon diese Angriffe en masse - sie wird von den IQ 110 Vettern der Sarrazenen, die nicht mit dem Kriegergen ausgestattet sind seit Dekaden in der weichen Form betrieben:

das letzte was ich davon gehört habe war die Streichung der Johannespassion bei einem Bachfestival in den USA, weil die antisemitisch sei...

ach ja - und nicht zu vergessen -

die Proklamation der jüdisch-christlichen Kultur :-)

Stevanovic

6. August 2013 07:17

Leider konnte ich mich an keinen Satz mit Sprengwirkung erinnern. Habe den Essay noch mal gelesen und habe wider wenig gefunden. Sprengsätze detonieren in der Regel nur ein Mal. Kein Gedanke, der allein in diesem Forum nicht schon ausgerollt und breitgetreten wurde. Ich zumindest habe nichts gelesen, was in irgendeiner Form ein neuer Aspekt gewesen wäre. Es sprang kein Funke über. Und das ist auch das Problem von Botho Strauß.

Der Freitag hat es am besten Zusammengefasst. Botho Strauß wünscht sich die Bonner Republik zurück. Kubrick und Rothko sind ein guter Hinweis, an welcher Stelle er die Zeit (verkürzt gesagt) anhalten möchte. Strauß schreibt es selbst an mehreren Stellen, er will gar nicht zur wirklich alten Form zurück. Er möchte den alten kulturellen Mechanismus, billigt ihm auch liberale Inhalte wie die genannten Künstler zu. Er will nicht werden wie die Moslems, das ist kein Model, er glaubt jedoch von ihnen mittlerweile mehr lernen zu können als von der modern-christlichen Unkultur. Strauß ist kein Feind der modernen Kunst, solange sie Kunst ist. Kein schlimmer Standpunkt, damit gehört er nicht zu den wenigen, er gehört zu den ganz vielen. Der durchkommerzialisierten Schrott-Retro 80er Jahre Welle liegt ein ähnliches Gefühl zugrunden. Joschka Fischer, der sich als letzten RocknRoller bezeichnet. Strauß müsste nur hinschauen, auf die vielen.

Er hat alle Möglichkeiten sich Zurückzuziehen, einen geschlossenen Kreis zu gründen und hohe Kunst zu machen. Nichts leichter als das. Nur, so alleine für die Ewigkeit werkeln ist ihm zu wenig. Er will ja die staunende Anerkennung der Vielen. Wenn wir ihn schon nicht verstehen, sollen wir ihn wenigstens bewundern. Was er nicht erträgt, er ist uns egal. Darüber beschwert er sich, klar, im Spiegel, der Prawda der Vielen-Diktatur. Auch der letzte Viele soll seinen Schmerz hören. Nun springt keinerlei Funke von seinem Werk über, wir nehmen ihn nicht wahr. Er wünscht sich eine Welt, in der wir ihn erkennen. In der Intellektuelle erzogen werden, die seine Werke verstehen. Das sollen nur ein paar sein, er braucht nicht viele. Der Wunsch ist nicht schlimm. Tun möchte er dafür nichts. Er wüsste auch nicht was. Und das macht das ganze zum Gejammer eines hochbegabten Kindes. Er will sich eine gute Fee herbeimotzen, nur sich den Vielen stellen, einem Kampf stellen, Mann sein, mal autoritär sein…da reicht es nur für dieses Essay. Wir Vielen können keine hohe Kunst erkennen, schon gar nicht verstehen, den Unterschied zwischen elitär und impotent erkennen wir sehr wohl. Strauß leidet nicht an den Vielen, er leidet an seiner Impotenz die Vielen, seien sie auch gefiltert und gesiebt weniger, zu befruchten. Die Wenigeren (sich irrtümlich für die Wenigen halten), die wir haben, grunzen ihm jetzt zustimmend, die Vielen hören ihnen ja auch nicht mehr zu.

Nochmal: Kein Gedanke, keine Idee, die in den letzten Jahren nicht schon hundertmal geäußert wurde. Ich erkenne keinen guten Rotwein, Dosenbier erkenne ich sofort.

Einem Botho Strauß sollte man das nicht durchgehen lassen. Der kann mehr.

Rumpelstilzchen

6. August 2013 10:29

Zunächst, willkommen zurück, Herr Lichtmesz.

Mal wieder ein dichter Text, für den es Muße braucht.

Volker Weidermann hat in der FAS Botho Strauß' Essay bescheinigt,
"nichts zu sagen" :

"Es steht nichts drin in diesem Text, so oft man ihn auch liest. Nichts außer Verachtung für die Gegenwart, Verachtung für die Masse, Verachtung für das Theater, Windkrafträder, für den totalen Konsens des Guten.."

Nichts Neues außer dem "alten Untergangszauber"

Ich habe den Text nur kurz überflogen, vermag nicht zu beurteilen, ob da irgendwo Sprengstoff liegt.
Nur soviel:
Dass "Bevölkerungswandel" zu einem Wertewandel führt, ist klar:
Die FAZ singt heute z.B. Das Loblied auf die Kultur des islamischen Fastenbrechens. Aber, was ist schlimm daran, wenn wir "Außenseiter" dadurch an unsere eigenen christlichen Fastentraditionen erinnert werden ?
Schlimmer ist, dass immer mehr Authochtone dadurch an Nichts Eigenes mehr erinnert werden. Weil sie nichts Eigenes mehr kennen. Sie haben gar nichts, was sie den Andersgläubigen aufdrängen könnten. Da färbt nichts ab. Gar nichts !

Der Bevölkerungswandel ist vielleicht (!) nicht nur ein Angriff auf die europäische Kultur, sondern könnte sie zu sich bringen.
Man bedenke:
Ab 1494 regierte in Florenz Savonarolas religiöser Fanatismus. Botticelli soll eigenhändig einen von ihm gemalten weiblichen Akt einer Venus zur öffentlichen Bilderverbrennung getragen haben und danach nie mehr eine nackte Frau gemalt haben. Wie furchtbar !! Vielleicht wäre dieses Bild noch schöner als die Geburt der Venus gewesen, noch schöner als das weibliche Idealbildnis im Frankfurter Städel ?
Savonarola war aber kein Moslem.
Ein ikonaklastischer Angriff von muslimischer Seite auf die Werbeplakate der jüngsten Anti Aids Kampagne (ich will es andersrum, lustvoll usw.) würde positiv auch auf mich abfärben.
Vielleicht sind wir gar nicht die radikal Außenstehenden, die nirgendwo dazugehören, sondern die einzigen, die noch Stand haben.
Damit muß man nicht kokettieren. So ist das Leben.
Nur, was mir zu schaffen macht:
Heute morgen zog mein Jüngster fröhlich in die Welt hinaus, zu einem Wanderurlaub.
Ganz sentimental dachte ich an das schöne Lied: Wohlauf in Gottes schöne Welt, welches wir dereinst bei ähnlichen Aktionen sangen und wollte den Liedtext googlen. O Schreck. Ich stieß auf die Kopfzeile:
Volkslieder als Therapie bei Demenzerkrankungen.
Vielleicht helfen Volkslieder gegen das Vergessen.

Hesperiolus

6. August 2013 13:38

@ Rumpelstilzchen

Welchen FAZ-Artikel meinen Sie? In der überregionalen Ausgabe sind mir heute nur die Ausführungen von Rainer Hermann "Die Angst abbauen" aufgestossen, in welchen er den OIC-Generalsekretär Ihsanoglu einen toleranten Islam und die "islamische Dimension der europäischen Kultur" beschwören lässt, pikanterweise aus dessen saudi-arabischem Büro in Dschidda. Wenn ich Wortmeldungen ausgerechnet aus Saudi-Arabien gegen "Islamophobie" und für die Religionsfreiheit der Mohammedaner hierzulande höre, setzt es aus....! Unterdessen haben islamische Jugendliche, vielleicht nicht ganz zufällig im Rammadan, eine christliche Kirche bei Hannover abgebrannt. Weder die FAZ noch die Sueddeutsche Zeitung oder die ZEIT haben darüber eine einzige Zeile vermeldet! Stellen sie sich vor, deutsche Adoleszenten hätten eine Synagoge oder Moschee in Brand gesetzt. Da ich für den Spiegel keinen Euro ausgebe, warte ich noch auf den Text und überfliege grade noch einmal den "Aufstand gegen die sekundäre Welt". "Rechts zu sein" als Akt der Auflehnung: gegen die Totalherrschaft der Gegenwart, die dem Individuum jede Anwesenheit von unaufgeklärter Vergangenheit, von geschichtlichem Gewordensein, von mythischer Zeit rauben und sie ausmerzen will. So ist es.

M.L.: Weiß man denn schon sicher, wer die Täter von Hannover waren?

Rumelstilzchen

6. August 2013 15:46

@ Hesperiolus

FAZ online vom 5.8.13
Karen Krüger
Fastenbrechen: "Nie schmeckte eine Dattel köstlicher"

trup

6. August 2013 22:01

Dass die eifernden Muslime unsere Kirchen abbrennen und das vertuscht wird (das ist schon vertuschen, wenn man es nicht druckt, ausschließlich wegen der Täterherkunft), passt doch ins Bild.

Das Christentum, seiner anfänglichen Eiferei (Chlodwig ließ noch jeden Eingeborenen Europäer, der seinen Kosmotheismus beibehielt in Jahwes Namen letztlich siegreich niedermetzeln) müde geworden wie eine Pappfigur fallen wird, sollte allen klar sein. Gegen die Wucht Mohammeds ist Jesus heute nur noch eine lahme Geschichte. Die sekularen Christen (nach Max Stirner "Unsere Atheisten sind fromme Leute"), selbst nennen sie sich Humanisten, geben inzwischen die Vorgaben und da ist Kirchenschutz ironischerweise unpässlich.

Die christliche Lehre vom universalen Menscheitsbrei, der Abkehr vom eigenen Volk, das Weltreich der Güte, die multirassische Heilslehre des Humanismus hat die Mehrheit um so fester verinnerlicht. Die Buße der Atheisten ist die fanatische Fortführung christlicher Werte im völkervernichtenden Universalismus unter der sekularen Schuldreligion, eingesäuselt vom auserwählten Volk und seiner Intellektuellen (von Adorno bis zu Susan Sonntag: "Die weiße Rasse ist der Krebs der Manschheit").

Wer in religiösen Kampfansagen keine mehr sehen will, weil er sie - der bewussten religiösen Eiferei unbekannt - umdeutet in Unkenntnis der Wege und Übersetzungen dieser Kampfansagen, der wird das Spiel verlieren. Der christliche Universalismus, welcher inzwischen in Humanismus übersetzt wurde ist der Todesfluch Europas. Angefeuert vom Stamm Israels (Isaiah 60/61) in dessen Hoffnung auf ihr Weltreich (Jaques Attali hat unlängst offen den Weltstaat mit Hauptstadt Israel angekündigt) werden die Humanisten, wie einst die Christen, in ihrer Schuldangst weiter wüten. Man sieht es in Schweden, wo selbst Vergewaltigungen der eigenen Töchter durch Einwanderer in dem Medien systematisch vertuscht werden.

Das Aufgeben Europas ist nur folgerichtig in einem Wertesystem, wo durch kirchliche Geschichtsfälschung alles Gute nur aus dem Orient kam. Erst alles verwüsten, um dann das Restliche zu übernehmen wie die Jahresfeste. Dann wird behauptet, alles Vorherige sei nur Barbarei gewesen. Dasselbe macht der Islam systematisch. Wie sich Allah und Jahwe gleicht, kommen sie doch aus derselben Wüste.

Und jetzt sind die christlichen Ethiker, sekulare wie gottgläubige, schüchtern im Untergang. Zahm wie Lämmer. Gottes Lämmer. Der Hirte hat sich verabschiedet, die Lämmchen zittern. Ein böser grausamer Jahwe bleibt unerkannt im Hintergrund, Lamm Jesu ist ein Lamm nur mehr, Allah schreit und jault, herrscht und befiehlt noch grausam die Fremden mit Gewalt.

Als würde ein Gefasel von einem Einsiedler da etwas dran ändern. Da hilft vielleicht nur Organisation mit höchster Hingabe und strengstem Zusammenhalt. Parallelgesellschaft, eine neue Religion, ein Orden. Ohne tiefe und weite Netzwerke wird da nicht viel zu machen sein. Vereinzelung ist der Untergang. Mir schwebt da vor, eine Gemeinschaft zu bauen, die durch ihre Gemeinschaftlichkeit eine höhere Lebensqualität schafft und bei den Mitgliedern durchsetzt. Was der Islam kann, können wir auch. Die Fähigen und Gesunden sammeln und deren Kräfte sich ergänzend bündeln. Auch in der körperlichen Bildung, gemeinschaftlicher Sport und Kampfsport, Weiterbildung, Ritualfeste, Haltungen einfordern, Mode kreieren, Optimismus und Stärke ausstrahlen, Ziele definieren. Wir haben keine zwanzig Jahre mehr dafür, fürchte ich. Leicht gesagt, ich weiß.

Passt nicht zum Thema, doch passt. Im Aufsatz stand ja eher vages Zeugs. Botho Strauß fischt bei den Vielen oder so. Wir müssen dahim kommen, die kulturelle Eleganz neu zu definieren. Das muss unsere Mitglieder erfassen und nach außen spürbar sein. Dann werden die Besten zu uns fliehen. Und dann werden wir gestalten.

M.L.: Viel Erfolg dabei wünsche ich, vor allem beim "Optimismus und Stärke ausstrahlen", was ja bekanntlich auf Knopfdruck funktioniert. Fake it till you make it, wie die Amerikaner sagen. Heidegger hat es schon gesagt: eine neue Religion kann man sich nicht nach Belieben aus den Fingern saugen, wie es einem gerade paßt. Man wird nicht zum Mohammed, weil man das gerne hätte. Und wenn überhaupt, dann sind es immer inspirierte Außenseiter (und nicht: "die Einsiedler"), die eine Chance haben, zu Visionären werden, und neue Religionen zu empfangen oder Ideen, die eine Gemeinschaft bauen können. Diese ganzen antichristliche Invektiven lehne ich ab. Es gibt keine und gab niemals eine "christliche Lehre vom universalen Menschheitsbrei" und der "Abkehr vom eigenen Volk", während diejenigen, die heute den Globalismus vorantreiben, alles andere als Gläubige und Christen sind. Das sind alles Lesefrüchte aus schlechter ideologischer Literatur und vulgarisiertem Nietzsche. Die gläubigen Christen im gläubigen Europa, der großartigsten Zivilisation, die Welt je gesehen hat, waren indessen auch nicht gerade Lämmer, die sich nicht zu wehren wußten, oder nichts zustande gebracht hätten. Diese ganzen überspannten, historisch ahnungslosen Ideen über das Christentum spalten nur noch mehr vom "Eigenen" ab.

Mauretanier

6. August 2013 23:21

Als würde ein Gefasel von einem Einsiedler da etwas dran ändern. Da hilft vielleicht nur Organisation mit höchster Hingabe und strengstem Zusammenhalt. Parallelgesellschaft, eine neue Religion, ein Orden. Ohne tiefe und weite Netzwerke wird da nicht viel zu machen sein. Vereinzelung ist der Untergang. Mir schwebt da vor, eine Gemeinschaft zu bauen, die durch ihre Gemeinschaftlichkeit eine höhere Lebensqualität schafft und bei den Mitgliedern durchsetzt. Was der Islam kann, können wir auch. Die Fähigen und Gesunden sammeln und deren Kräfte sich ergänzend bündeln. Auch in der körperlichen Bildung, gemeinschaftlicher Sport und Kampfsport, Weiterbildung, Ritualfeste, Haltungen einfordern, Mode kreieren, Optimismus und Stärke ausstrahlen, Ziele definieren. Wir haben keine zwanzig Jahre mehr dafür, fürchte ich. Leicht gesagt, ich weiß.

So schauts aus.

Ein Fremder aus Elea

6. August 2013 23:31

Der Reaktionär ist Phantast, Erfinder (der Konservative dagegen eher ein Krämer des angeblich bewährten). Gerade weil nichts so ist, wie er’s sieht, noch gar nach seinem Sinn sich entwickelt, steigert er die fiktive Kraft seiner Anschauung und verteilt die nachhaltigsten Güter des Geistes oder des Gemüts. Oder die lange anhaltenden. Oder die im Erhalten sich erneuernden (um der entleerten Vokabel einen wenig variablen Sinn zu unterlegen.)

Eher die eindringlichsten als die nachhaltigsten. Dem in diesem Sinne Reaktionären haftet die Zeit zu sehr an, auf welche es sich bezieht, als daß es wahrhaft zeitlos sein könnte. Das wahrhaft Zeitlose ist leicht, ein Spiel mt den Fragen der Menschen, ein Kommentar zu ihren Problemen, das Reaktionäre in dem Sinne ist der der Wut des Betrogenen entsprungene Vorwurf, welcher manchmal, wie etwa in Spanien, auch eine Bühne bekommt, auf welcher er sich darstellen kann.

Besser als am Alten festzuhalten ist es, seinen Anfang zu verstehen, sein Baumaterial, seine Bauweise, sein Fundament und seine Absicht. Natürlich ist das im Detail zu umfangreich, aber jedes einzele Detail ist nützlich und erlaubt es, partiell Ersatz zu schaffen.

Rumpelstilzchen

7. August 2013 09:58

@ trup
Ich verstehe Ihre Wut und Verzweiflung angesichts des Vertuschens von Kirchenabbrennungen und Vergewaltigungen in Schweden usw.
Kirchweyhe ist Sinnbild dieses vermeintlichen Hinnehmens, aber es hat sich unterschwellig eingebrannt, dass soetwas nicht hinnehmbar ist.
Auch diese Eiterbeule wird aufbrechen. Die Zeit wird kommen.
Und dass dieser Wahnsinn so ruhig hingenommen wird, treibt auch mich um. Aber ich sehne mich nicht nach der Wucht Mohammeds !!
Diese fast offene Bewunderung dieser Wucht in rechten Kreisen ist eher erschreckend. Und ich sehe schon die geschlossene Front, wenn es gegen die Lehre vom " universalen Menschheitsbrei" geht.
Wenn die Moslems wenigstens etwas nordischer aussehen würden.
Man kann die "Schwäche" des Christentums auch anders erklären:

"Der aufklärerische Liberalismus stellt sich blind für das Böse in der Welt: sowohl für die dämonische Macht des adversarius diabolus, des >bösen Feindesim Ernstverhandeln < und <sich auseinandersetzen< könnte. Aus dem liberalistischen Weltbild ist das unheimliche, erbarmungslose und unerbittliche >Nein< , für den Christen eine selbstverständliche Realität, ausgelöscht.
Das ethische Leben des Menschen wird zu einer risikolosen und unheroischen Harmlosigkeit verfälscht; der Weg zur Vollendung erscheint als pflanzenhafte Entfaltung und Entwicklung, der das Gute kampflos gelingt."

Josef Pieper, Vom Sinn der Tapferkeit

Rumpelstilzchen

7. August 2013 10:14

P.S Korrektur
..des bösen Feindes schlechthin, wie für die geheimnisvolle Macht menschlicher Verblendung und Willensverkehrtheit; schlimmstenfalls dünkt ihn die Macht des Bösen nicht so im Ernst gefährlich, dass man nicht mit ihr verhandeln und sich auseinandersetzen könnte."

Genau dieses Verhandeln mit dem Bösen erleben wir bei den Provinzgrößen in Kirchweyhe, bei den Sozialarbeiterinnen, die die Totschläger vom Alexanderplatz "verstehen" wollen. Hier gibt es nichts zu verstehen.

Es fehlt das unerbittliche NEIN.
Man muß dazu auch kein Christ sein, aber gesunde Instinkte sollte man schon haben.

"

ene

7. August 2013 11:48

@ trud

Neue Religion, körperliche Bildung, Feste, eigene Mode -- alles schon mal dagewesen! Vor über 100 Jahren und nannte sich "Lebensreform". Diese Bewegung war allerdings etwas vielschichtiger. Die Gefahr: Sektierertum.
Leute, die auch im Winter Sandalen tragen, darauf läuft es dann oft hinaus...

Stevanovic

7. August 2013 12:30

@trup

Wieder muss ich dazwischen quaken. Gehen sie mal in die Moschee und hören sich den Imam an. Reden sie mit Moslems über ihre Gemeinde. Christliche Kulturheulsusen zeigen dagegen richtig ritterliche Haltung. „Fake it till you make it“ – klasse! Das betrifft aber nicht nur uns, das betrifft gerade das Selbstbewusstsein DER Moslems. Zählen sie die Moscheebesucher. Klar, es sind mehr als in der Kirche, die Tendenz werden sie nicht übersehen können. Die Moderaten bleiben weg, die, die kommen, werden immer hysterischer. Das sind die, die wir wahrnehmen. Der Liberalismus frisst sie gerade. Die Einschätzung, die Toleranz würde denen die Tore öffnen, empfinden die ganz anders. Zu Recht, die werden gerade totgekuschelt. Sagen sie als moslemischer Vater, ihre Tochter soll nicht am Schwimmunterricht teilnehmen. Sofort ist eine Task-Force aus drei Betreuern da. Und ihre Tochter wird schwimmen. Der Liberalisierungsschub in der moslemischen Bevölkerung war in den letzten 20Jahren riesig. Das Kopftuch ist nicht Ausdruck eines Glaubens, es ist ein Zeichen von Subkultur, morgen vielleicht schon out. Heißt nicht, dass das Zusammenleben gut läuft, das, was sie beschreiben ist ja tatsächlich. Die Fehlentwicklung ist da. Nur zeigt sie nur einen Ausschnitt. Es gibt 10% strenge Moslems. Das sind in der BRD 400.000. Wissen sie, was die anderen 3.600.000 machen? Biertrinken, Sex vor der Ehe haben und die Eltern belügen. Die 10% und das Strandgut aus den 90% sind die, die es in die PI-News schaffen. Fake it till you make it. Was sie da sehen, sind die feuchten Träume eines Imams bei Vollmond. Vertun sie sich nicht: der Islam in Europa ist die nächste Kerbe im Colt der Linksliberalen. Versprochen.

„Wir drängen den Gläubigen und Andersgläubigen neben uns unentwegt unsere Freiheiten auf, denken aber nicht daran, auch nur das Geringste von ihrer sittlichen Freiheitsbeschränkung nachahmenswert zu finden oder auf uns abfärben zu lassen. Das Abfärben soll nur einseitig geschehen.“

Wir geben viel, viel Geld aus, damit das so bleibt. Und es läuft prima.

Inselbauer

7. August 2013 14:25

Sehr geehrter Herr Lichtmesz, ein oberflächlichen und nichtigen Kram wie "Optimismus und Stärke" kann man doch ohne weiteres zur Schau stellen, mit ein bisschen Übung. Wer das will, soll es faken, es soll Leute beeindrucken, und wenn es der rechtsintellektuellen Szene ein paar fesche Damen einbringt ist es doch gut gelaufen.

M.L.: Das finde ich auch gut so, ich unterstütze das volle Progamm. Nur ist es irrig zu glauben, daß damit allein das Abendland gerettet würde. Und diejenigen, die zuviel von "Optimismus und Stärke zeigen" reden, vor allem in Verbindung mit nietzschoiden Auslassungen, wirken meistens eher verbissen, gewaltsam-hilflos und apokalypseverdüstert als stark und "daseinsgelassen" auf mich. So reden Leute, die schon drauf und dran sind, aus ihren Herzen Mördergruben zu machen, und sich gleichzeitig in Illusionen hineinzukrampfen oder zu -autohypnotisieren. Vor allem das mit dem "Optimismus" verstehe ich nicht. Was soll das überhaupt heißen? Wer soll einem das abkaufen, wenn man gleichzeitig einen großen Crash, etwa mit dem Islam, prophezeit? "Optimistisch", daß wir diesmal aus der Etzelshalle herauskommen? "Optimistisch" wie ein Politiker oder ein sowjetisches Propagandaplakat oder ein Self-Help-Guru? Was für einen Anlaß gibt es denn, "optimistisch" zu sein? Lügen und Selbstlügen bringen ebenso wenig weiter wie Resignation.

Ein ernsthaftes Problem für den nachdenklichen Rechtsausleger ist das Christentum. So banal das klingt, aber mir macht die Frage nach einer sinnvollen Haltung zum christlichen Erbe scheußliches Kopfzerbrechen. Es erscheint mir logisch, sich vor diesem Hintergund in einer Kirche zu erschießen: Was zum Teufel soll ich als Atheist zu Jesus Christus sagen? Ich bin katholisch erzogen worden und weiß ganz gut, was der katholische Glaube ist. Ist das aber jetzt unser Eigenes? Muss man eine feuilletonistische Haltung dazu einnehmen, die kulturelle Tradition, die Kunst, das Gebet, die Barmherzigkeit der Mutter Gottes würdigen?
Ich muss bei dieser schwierigen Frage immer an Stifters Ton denken, wenn er über unendlich gute und liebe, aber verstorbene Frauen schreibt (-- sie gab mir alles, das gute stille Weib...)
Das Christentum ist also für mich die tote liebe Ehefrau und nicht die Exfreundin, der man allerhand Nachteiliges nachsagt. Auf diesem Niveau bewege ich mich also, höchste Zeit für eine theoretische Auseinandersetzung --

M.L.: Nicht nur Ihnen bereitet das Kopfzerbrechen. Die "theoretische Auseinandersetzung" ist in Arbeit, und wird wohl noch dieses Jahr bei Antaios erscheinen.

Hesperiolus

7. August 2013 16:24

@ Rumpelstilzchen
Danke für den Hinweis.
@ M.L.
Nach dem was zu erfahren ist, wurde der Tatort bereits seit längerem von (ihrer Herkunft nach muslimischen) Jugendbanden terrorisiert: Araber, Türken und Kurden. Eine einschlägige Gruppe nennt sich AIG (Ausländer in Garbsen). Vandalismus und vorausgehende Brandstiftungen sollen ausschließlich deutsche Geschäfte getroffen haben, türkische Ladeninhaber blieben verschont, also doch kein ziel- und wahlloser Frust, sondern Rassen- oder Religionsterror? Was halten Sie von der Regie dieser türkischen Quelle:
https://www.youtube.com/watch?v=VVNMiflH99I
Wurde hier ein Bekennervideo inszeniert?

Nordlicht

7. August 2013 17:02

Verdienstvoll, dass sich ML in unnachahmlicher Weise der ausführlichen Sezierung und Deutung eines vorgegebenen Textes wie Straußens Essay hingibt.
Noch wertvoller wäre es m. E. gewesen, sich an einer Replik auf Strauß zu versuchen.

Eine solche - recht erfrischender Art - fand ich im Netz:
https://lampiongarten.wordpress.com/2013/07/31/brief-an-botho-straus/

Ein Fremder aus Elea

7. August 2013 17:23

Stevanovic,

ich find's geradezu lustig zu glauben, daß 90% Bier trinkende Türken einen wichtigen strategischen Erfolg im Kampf der Kulturen darstellen.

Wie naiv muß man sein, um zu glauben, daß die Menschen jemals in der Masse tugendhafter waren?

Wenn man es als Kulturkampf auffäßt, dann gibt es nur eine wichtige Etappe vor dem Ziel, nämlich einen Großteil der türkischen Mädchen dazu zu bringen, sich von ihrer Gemeinde abzuwenden. Und das Ziel wäre die Ersetzung des islamischen Begriffs des Guten, welcher exekutive Verantwortungsübernahme beinhaltet, durch den christlichen, welcher das nicht tut.

Ehrlich gesagt wollte ich den Kulturkampf nicht führen, und schon gar nicht in einem angespannten Umfeld, wenn dann unter Bedingungen, wie sie zur Zeit von realexistierendem Sozialismus und arabischem Nationalismus bestanden.

Es läuft nicht prima, träumen Sie weiter. Je angespannter die Lage wird, desto mehr gewinnt der islamische Begriff des Guten an Evidenz. Und was dann irgendwann passieren wird, ist eine partielle Angleichung an den Gegner, welche in der Folge allerdings das bestehende System in Europa zum Einsturz bringen wird. Dieser ganze Kulturkampf ist buchstäblich das Sägen am Ast, auf dem man sitzt.

Martin Lichtmesz

7. August 2013 17:47

https://lampiongarten.wordpress.com/2013/07/31/brief-an-botho-straus/

In der Tat sehr schön:

Du schreibst in diesem Essay vom beständigen Niedergang der Kunst in Richtung Orientierung an der Masse und so sehr ich Dir darin instinktiv zustimmen will: Ich kann es nicht. Ich möchte Dich an den Schultern packen, Dich schütteln und rufen: “Bitte sieh genauer hin!”

Unten, unter den in dem Teppich aus Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendungen vorkommenden Dingen, unter dem Geplapper der Massen, unter der auf den ersten Blick sichtbaren Tarnoberfläche einer gigantischen Müllhalde kriecht und lebt ein riesiges Universum an lesens-, hörens-, sehenswerter Kultur, die man allerdings (zumal ohne Internet) nicht mehr so leicht zu finden in der Lage ist.

Du hast ja Recht mit Deiner den Text durchziehenden Kritik an den ganzen Online-Plattformen: Social Media besteht zu einem sehr großen Teil aus überflüssigen Schrott. Genau deswegen muss man aber auch hier genau hinsehen, man muss überall genau hinsehen, denn das mit dem überflüssigen Schrott trifft auf 99% von Allem zu, nicht nur auf 99% des Netzes.

Das Verhältnis zwischen diesen beiden Polen hat sich im Verlauf der Geschichte niemals verändert, ich fürchte, das ist eine reaktionäre und daher im Sinne Deines Essays phantastische Verklärung der Vergangenheit, die Vorstellung von einer Goldenen Zeit, die in Wahrheit nie existiert hat. Das Verhältnis ist lediglich sehr viel evidenter geworden, seitdem die 99% angefangen haben, ihren Mund mit der Tastatur aufzumachen und diese spontanen Äußerungen permanent an virtuellen Orten eingeschrieben stehen.

Wenn ich mein [beliebiges Online-Portal] aufmache und mich durch Tonnen von unterirdischem Zeug wühlen muss, bis mir schlecht wird, um ein paar wenige gute Sachen herauszufischen, dann fange ich leider auch manchmal an, so zu denken wie Du es tust. Ich will das alles ein für alle Mal löschen, die Stecker ziehen, es loswerden, in ein Haus im Wald ziehen, nie wieder davon belästigt werden und ab und zu mal eine düstere Kultur- und Gesellschaftskritik auf der Schreibmaschine tippen, sie an mir bekannte Verleger oder Agenten übersenden, die dafür sorgen, dass sie irgendwo abgedruckt wird und vielleicht die zwei bis vier verbliebenen Menschen erreicht, die dasselbe denken.

Zum Glück habe ich dieses Privileg nicht, denn kurz danach stolpere ich doch immer wieder über die wirklich guten Einträge, Artikel, Bilder, Musikstücke, Kurzfilme und merke: Dieses Zeug existiert. Es ist nur gut versteckt. Es lohnt sich, danach zu suchen und es sind durchaus Sachen der Spitzenklasse, die das Netz, gut versteckt in kleinen Nischen und oft auch nicht sonderlich beachtet, hervorbringt. Das Breite war niemals die Spitze und wird es nie sein, der Kulturschaffende, der sich nach unten orientiert, der seine Arbeit am Publikum ausrichtet, war und wird niemals ein Künstler sein, er bleibt immer nur Entertainer.

Du irrst Dich in diesem Punkt ganz gewaltig: Die Dauerverfügbarkeit von Allem im hier und jetzt, der permanente Strom von Informationen und Kulturgütern, die zu einem großen Teil bedeutungslos sind, dieser endlose Strom an Entertainern und Entertainment, den das Internet mit sich bringt: Das alles hat die wirklich guten Dinge nicht weggeschwemmt oder verschwinden lassen, sondern es hat sie im Gegenteil noch wertvoller gemacht.

Stevanovic

7. August 2013 18:15

@ Ein Fremder aus Elea

„Wenn man es als Kulturkampf auffäßt, dann gibt es nur eine wichtige Etappe vor dem Ziel, nämlich einen Großteil der türkischen Mädchen dazu zu bringen, sich von ihrer Gemeinde abzuwenden.“

Genau so funktioniert dieser Kulturkampf nicht: Wir schaffen keine klaren Fronten, niemand bekommt gesagt, dass er sich zu ändern hat. Ganz im Gegenteil, Multikulturell bedeutet ja, jeder kann so bleiben, wie er ist. Niemand soll sich angegriffen fühlen. Dann schlägt der diskrete Scharm des Liberalismus zu: das Individuum wird von der Herde getrennt. Das passiert subtil, langsam, aber es passiert. Je öfter es passiert, desto mehr versuchen die Traditionalisten die Reihen geschlossen zu halten. Weil sie das wohl erkannt haben, drängen es die Verbände in das Rampenlicht der Gesellschaft. Damit haben sie den Kampf schon verloren, weil sie zu unseren Bedingungen, auf unserem Terrain kämpfen. Der Deal für das Rampenlicht und kulturelle Zugeständnisse (Speisekarten mit Halal-Menü) ist, dass sie über die Vereine Integrative Maßnahmen machen. Wie werde ich fit für den Arbeitsmarkt? Der Beginn der Integration ist auch Beginn einer Erosion. Am Ende, und viele, viele von desorientierten Jugendlichen totgetretene Menschen später, wird sich das türkische Mädchen von der Gemeinde abwenden. Und dann ist das Ganze nicht mehr multikulturell, dann ist es integriert. Genau darum geht es, bei der Integration mit multikulturellem Ansatz. Totkuscheln.

„Ehrlich gesagt wollte ich den Kulturkampf nicht führen, und schon gar nicht in einem angespannten Umfeld, wenn dann unter Bedingungen, wie sie zur Zeit von realexistierendem Sozialismus und arabischem Nationalismus bestanden.“
"It's the economy, stupid" – deswegen alternativlos. Außer Sie wollen eine andere economy. Wenn nicht, warten sie auf bessere Zeiten, die werden kommen. Sollten Sie nicht als Kollateralschaden im Rinnstein enden.

Inselbauer

7. August 2013 20:14

Der Optimismus ist doch eine erotische Geste, mehr nicht. Es handelt sich dabei um eine Unbestimmtheit der Haltung gegenüber der Welt (also der Frau...), die als Stabilität auftritt: Der Optimist ist bereit, aber er ist auch bereit zum Verzicht. Ein Optimist ist also ein Schweinehund, man könnte auch einfach sagen, ein Arschloch, der Frauen und Erwerb durch soziale Umtriebe gewinnt und sich alle Wege offen hält.

Ein Fremder aus Elea

7. August 2013 21:11

Wie werde ich fit für den Arbeitsmarkt? Der Beginn der Integration ist auch Beginn einer Erosion. Am Ende, und viele, viele von desorientierten Jugendlichen totgetretene Menschen später, wird sich das türkische Mädchen von der Gemeinde abwenden.

Nein, entweder macht ein Türke sein eigenes kleines Ding (Gemüseladen), arbeitet als Lohnsklave oder schließt sich mit anderen Türken zu irgendeinem lukrativ scheinendem Unternehmen zusammen (Computerspiele). Nichts davon integriert.

Deutschland expandiert nicht. Die Vergleiche mit den Vereinigten Staaten sind deshalb völlig lächerlich. Es wird doch nichts erschlossen in Deutschland. Wo was erschlossen wird, da kommen die unterschiedlichsten Menschen zusammen, um es zu tun, aber wo eine Wirtschaft lediglich gewartet wird, wie in Deutschland, da entwickelt sich eher noch ein eine homogene Gesellschaft trennendes Kastenwesen, als daß Fremde integriert würden.

Was alt ist ist alt und nicht jung und verhält sich wie sich etwas altes nunmal verhält. Daß Menschen integriert werden, heißt doch nichts anderes, als daß etwas neues erwächst, aber dazu bedarf es einer verbindenden Kraft, welche immer darin besteht, daß man auf die eine oder andere Weise etwas zu erschließen vermag, was man zuvor noch nicht erschließen konnte.

Was sollte das in Deutschland sein? Und inwieweit betrifft es Türken?

waldgänger aus Schwaben

7. August 2013 21:13

Zunächst mal wieder ein Lob an die sezession:

"Die Arbeit an der Sprache ist die Arbeit am Gedanken."

   Max Frisch

An der Sprache kann man Qualitätsjournalismus vom Boulevard-Blatt unterscheiden.
Man vergleiche die Sprache der sezession mit den armseligen Artikeln auf welt.de oder gar spiegel.de

Zum Inhalt:

Mein Weg des Außenseiters ist der der politischen vita contemplativa. Allerdings nicht als Weltflucht, nicht aus einem "existenziellen" Schock heraus. Ich bin sogar passives Mitglied einer an christlichen Werten orientierten Partei mit Schwerpunkt auf Bewahrung der Familie und der Schöpfung.

Die wenigen Orden in der katholischen Kirche, wie die Kalthäuser oder die Trappisten,
die noch das hochmittelalterliche Ideal der christlichen vita contemplativa pflegen, prüfen ihre wenigen Kandidaten genau.
Weltflüchtige Gedanken sind ein Grund für die Ablehnung eines Kandidaten.
Nicht die Flucht aus der Welt sollte das Motiv für die vita contemplativa sein, sondern der Wunsch nach radikaler Hinwendung zu Gott.

So fühle ich mich aus der Einsicht in die Unvorhersehbarkeit der Geschichte zur politischen vita contemplativa hingezogen und nicht weil ich den Polit-Betrieb verachte. Die, die dazu berufen sind, mögen das politische Tagwerk besorgen. Ich bin es nicht. Diese Haltung kann durchaus Faulheit genannt werden. Worauf ich mit einem Zitat von Nietzsche zu antworten pflege:

"Die Faulheit ist die Schwester der Freiheit."

Vielleicht ist sie im Politischen sogar ihr Preis.Denn wirklich frei kann nur der Abseitsstehende sein, er muss nicht fürchten, dass die Mühe des politischen Tagwerkes, die es schon macht eine Position mit Verve zu verteidigen, vergebens war, wenn er seine Meinung ändert.

Es widerspricht nicht einer politischen vita contemplativa ihre Vollendung in einer Tat, einem Werk oder dem Aufgehen in politischer Arbeit zu finden, wenn die Berufung dazu erfolgt. Aber die politische vita contemplativa soll nicht mit dem Zweck gewählt werden einer solchen Vollendung entgegen zu streben, sonst ist sie ein Weg in den Abgrund.

waldgänger aus Schwaben

8. August 2013 08:02

@Ein Fremder aus Elea

"Was sind Eure Werte?", fragte mal eine junge Türkin auf einer Veranstaltung, in der es um Integration ging. "Welche Werte muss ich übernehmen, damit ich integriert bin?"

Dann kam das übliche Gestammel über Toleranz, das Grundgesetz und so. Die Türkin lächelte nur still.

Rumpelstilzchen

8. August 2013 08:40

@Inselbauer

Ersetzen Sie Optimismus und Stärke durch Tapferkeit
im Sinne der vier Kardinaltugenden ( Klugheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit, Maß, genau in dieser Reihenfolge).
Das ist keine Zurschaustellung, kein Fake, sondern eine über lange Jahre zu erwerbende innere Halt-ung.

"Tapferkeit ist die Bereitschaft, im Kampf für das Gute zu fallen...Das Eigentliche der Tapferkeit ist das Standhalten, nicht der Angriff.
Der Ort der Tapferkeit ist der äußerste Ernstfall, in welchem Standhalten die objektiv einzig verbleibende Möglichkeit des Widerstandes ist." Josef Pieper

Also, erschießen Sie sich bitte nicht in einer Kirche !
"Was zum Teufel soll ich als Atheist zu Jesus Christus sagen ?"
Lesen Sie vielleicht Oriana Fallaci "Die Kraft der Vernunft", Kapitel 9
"Ich bin eine christliche Atheistin".
Diese Fallaci ist alles andere als ein gutes stilles Weib.
Und ihre Leidenschaft und Bereitschaft zur Hingabe hat was sehr erotisches, was Optimismus nicht hat.
Optimismus ist immer auch etwas dümmlich.
Vor der Tapferkeit steht die Klugheit.

Stevanovic

8. August 2013 09:00

@Ein Fremder aus Elea

Wir werden das Thema hier nicht wirklich durchkauen können, sehen Sie mir nach, wenn ich nur mit Überschriften arbeite.
Integration in was? Bodo Strauß entdeckt im Jahr 2013, dass die eigentlichen sakralen Orte der Apple Store und Starbucks sind (ich habe den Text nicht vorliegen, zitiere aus dem Gedächtnis). Die Kultur ist eine Kultur der Konsumbefriedigung und der flachen Zugänglichkeit für alle. Darüber schreiben Lichtmesz und viele andere schon seit Jahren, deswegen gibt es keine Respektpunkte für Bodo, nur so am Rand. Deswegen müssen wir auch nicht in die Feinheiten dessen einsteigen, was heute die deutsche Gesellschaft ausmacht. Ziel der Integration ist es nicht, dass ein Migrant um den Maibaum tanzt oder an der Pfingstprozession teilnimmt. Das, was hier auf SiN Deutsch genannt wird, starb während meiner Schulzeit. Mit Verlaub, da war ich noch das einzige Gastarbeiterkind in der Klasse. In dieses Deutschtum können Sie mangels Vorbilder niemanden integrieren. Ziel der heutigen Integration ist die Teilnahme an der Messe im Apple Store und am Wettlauf um den kantenlosesten Lebenslauf. Und in der Richtung tut sich einiges. Gemüsehändler und Lohnsklaven? Ja, viele, aber nicht nur. Das kann es nicht nur sein, sonst würde die Ökonomie nicht auf noch mehr Zuwanderung drängen. Diese Leute sind ja nicht doof, die wissen, warum Sie das fordern. Wenn Sie über Zuwanderung reden wollen, dann sind Migranten und die Integrationsindustrie die falschen Ansprechpartner. Halten wir also fest: Bei der Integration geht es nicht darum, aus Migranten Deutsche zu machen, es geht darum, sie fit für die deutschsprachige Konsumgesellschaft zu machen. Das klappt bei Muslimen aus kulturellen Gründen langsamer, sie werden aber geschliffen. Ich weiß nicht, in welchem türkischem Dorf das Kopfeintreten erlaubt sein soll, auch kenne ich den Balkan wirklich gut, deswegen behaupte ich, dass das, was wir hier in Deutschland sehen, die displaced persons der corporate wars sind. Es sind Karikaturen einer Kultur. Gerade weil sie Karikaturen sind, sind sie aggressiv und versuchen „Authentisch“ zu bleiben. Die Integrationsindustrie hat dabei die Rolle des beruhigenden Gesprächstherapeuten. Was wir als Islamisierung wahrnehmen, ist das letzte Aufleuchten einer Sternschnuppe. Außer es kommen noch mehr, dann beginnt das Spiel erneut. Die Strukturen, diese Menschen in die Konsumgesellschaft zu integrieren, nennen sich Einwanderungsgesellschaft. Abgesehen davon: Die Behauptung, die deutsche Wirtschaft wird nur gewartet, stimmt so nicht. Dem globalisierten Teil der Wirtschaft geht es so gut wie nie. Was Ihnen als Wartung vorkommt, ist eine permanente Modernisierung. Nur klar, es geht nicht mehr um Stahlproduktion. Fast die Hälfte des China-Handels sind keine Güter, sondern technische Dienstleistungen. Knowhow das hier verächtlich als Wartung beschrieben wird, aber das ist ein ganz anderes Thema.

„Was sollte das in Deutschland sein? Und inwieweit betrifft es Türken?“

Sie meinen, was an dem ganzen nun Deutsch als ein Identitätsmerkmal sein soll?

Fragen Sie nicht Ihren türkischen Nachbarn oder den davon lebenden Gutmenschen, stellen Sie eine Anfrage bei der Stiftung Neue Soziale Marktwirtschaft oder der Bertelsmann Stiftung. Da sitzen Ihre Gesprächspartner.

Ein Fremder aus Elea

8. August 2013 15:08

Nein, meine Frage bezog sich auf die in Deutschland zu erschließenden Potentiale. ("Was sollte das in Deutschland sein?")

Sie argumentieren ja quasi, daß das Beratungsgeschäft mit China ein expandierender Sektor ist, in welchen Türken einströmen.

Aber um nicht ganz so polemisch zu sein, sondern lieber etwas grundsätzlicher, Modernisierung ist ein wirklich äußerst irreleitendes Wort für die Verfeinerung eines alten, eingespielten Systems. Das Moderne ist gerade nicht neu, sondern lediglich das letzte Update von etwas altem.

Und da ist es ganz offensichtlich, daß Sie, um überhaupt modern sein zu können, die Grundlage dieser Modernität, also das Alte, gut verstehen müssen.

Und genau deswegen neigt ein altes System, hier die deutsche Wirtschaft, nicht der deutsche Staat, dazu, sich zunehmend in Kasten zu spalten, weil der Riese, auf dessen Schultern der Moderne steht, immer größer und schwieriger zu überschauen wird.

Es ist absurd zu glauben, daß ein solches System Leute braucht, welche seine Grundlagen nicht kennen, außer für die niedrigsten Dienste.

Freilich, in soweit Deutschland selbst als Hightech-Standort zurückfällt, ergibt sich ein Bedarf an ausländischen Spezialisten aus führenden Forschungs- und Technologienationen, aber soweit ist noch nicht, wir schicken immer noch unsere Spezialisten in die Vereinigten Staaten, nicht umgekehrt.

Der Grund für die Immigration nach Deutschland besteht in einer Kombination aus wirtschaftlichen Grundbedürfnissen und der sozialen Situation in Deutschland, welche nur pathologisch genannt werden kann, ein Prahlen, Mißachten, nun, ein Land voller Menschen, welche keinen besonders guten Kontakt mit der Realität haben und sich deswegen unangemessen verhalten, Anspruchsdenken, Annahme falscher Selbstverständlichkeiten, absurde Prioritäten und so weiter.

Die Deutschen sind mit den Juden zusammen definitiv eines der am meisten verstörten Völker. Es kann auch nicht anders sein, wenn man die Geschichte bedenkt, aber derlei Zipperlein sind keine gesunde Grundlage für wirtschaftliche Migration, denn selbstverständlich gibt es genug Deutsche, die als Handwerker arbeiten sollten. Daß sie es nicht wollen ist geisteskrank, deswegen Türken zu importieren keine Lösung.

Stevanovic

8. August 2013 19:05

Der Grund für die Immigration nach Deutschland besteht in einer Kombination aus wirtschaftlichen Grundbedürfnissen und der sozialen Situation in Deutschland, welche nur pathologisch genannt werden kann, ein Prahlen, Mißachten, nun, ein Land voller Menschen, welche keinen besonders guten Kontakt mit der Realität haben und sich deswegen unangemessen verhalten, Anspruchsdenken, Annahme falscher Selbstverständlichkeiten, absurde Prioritäten und so weiter.

Strukturen sind ja auch manifestierte Ansprüche: Rente, zwei Apotheken vor der Tür, Bus rund um die Uhr, 7 Wurstsorten…um den Zirkus am Laufen zu halten, braucht es Nachschub.

Sie nennen es geisteskrank, die Entscheider nennen es Wohlstandserhaltung. Und nur darum geht es. Weniger Leute, weniger Konsum, weniger Strukturen, weniger Umsatz. Diese Rechnung ist richtig. Ob Sie das für sinnvoll halten oder vieleicht nur eine Apotheke und nur zwei Wurstsorten brauchen, spielt keine Rolle. Die Ökonomie tut es. Und darauf kommt es an.

trup

8. August 2013 19:47

@M.L. und andere"Vor allem das mit dem „Optimismus“ verstehe ich nicht. Was soll das überhaupt heißen? "

Optimismus hat mir gestern auch nicht gefallen, ich kam aber nicht auf: Zuversicht und Stärke auszustrahlen wäre nicht Anfang, aber Frucht der organisierten Bemühungen, was anziehend auf mögliche Verbündete wirkt. Die Zuversicht, die eine eingeschworene Gemeinschaft im Bewusstsein ihrer Stärke hat. Also kein "fake it". Die Zuversicht zum Ziel: Die Rückabwicklung der Masseneinwanderung und die Wiederaufnahme des Erbes unserer Kultur. Strauß als Einsiedler zu bezeichnen war falsch von mir, ich verstehe aber selbst das sehr gut.

@Inselbauer:"Ein ernsthaftes Problem für den nachdenklichen Rechtsausleger ist das Christentum."

Unsere neue Religion ist immer noch da. Der Freytag ist Freya gewidmet. Selbst das Christentum hat sich daran reich bedient und geklaut.
Ich war auch katholisch bis in die Jugend. Aber ich habe schon bei der Kommunion in der Beichte die Anmaßung der Kirche gespürt, ein kleines Kind auszuhorchen - ohne sich zu schämen vor sich selbst. Die Sache der Familie zu untergraben. Ich log den Pfarrer an, erzählte erfundene Sünden. Es geht denen um Erniedrigung und Unterwerfung wie im Islam. Dort mit Hilfe von Genitalverstümmelung, hier mit Kinderbeichte etwa. Die Flehgesänge, das Orientalische. Das Hinknien in der Kirche. Der Selbsthass, das Unterwerfen.

Und die nur durch Massenmord an Heiden siegreiche Religion mit folgender Theokratie im Nachhinein zu verklären kann ich auch nicht verstehen. Man schaue heute nach Saudi-Arabien, dort sieht man in etwa, was das Christentum in Europa bedeutete. Allerdings haben hier die Mönche den Alkoholismus eingeführt, die Bibel nicht den Unterworfenen zu lesen gegeben und alle Ungläubigen seit der kriegerischen Einführung durch Chlodwig in den Tod zu schicken versucht. Das zu vergessen, gelingt mir nicht. Diese jüdische Sekte war Gewaltherrschaft zu Anfang mit Mordorgien, wie es im Deuteronomium 7 ja auch gefordert wird, Schändung und Verwüstung aller heidnischen Städten usw. Es gibt bei uns im Dorf einen alten heidnischen Eichenhainhügel, dort saßen wir manchmal. Die Bäume scheinen immer jung gewesen und da steht ein Kreuz. Aber es ist völlig fehl am Platz. Wie ein Pfahl der Anmaßung steht es dort gottverlassen.

Max Stirner zeigt in seiner Schrift "Der Einzige und sein Eigentum" überzeugend wie der moderne Humanismus als Überbleibsel des Christentums entstand. Gott wurde durch die Menschheit ersetzt.

Albert Schweizer als sekularer Christ par excellence:
https://chechar.wordpress.com/2013/07/20/schweitzers-niglets/
Sammlung zur These:
https://chechar.wordpress.com/2012/04/03/the-christian-problem-encompasses-the-jewish-problem/
@Rumpelstilzchen: Die kennen aber das Böse und es heißt einfach rechts.

@ene: Das was ich über Lebensreform weiß, taugt als Vorbild. Das muss wiederholt werden, mit mehr Zug drin. Mit einem Pathos, der die Bedrohung Europas begreift und niederzuschlagen schwört.

@Stevanovic: Kaum zu glauben. Allerdings ist der Absteig nicht einmal an die Dominanz der Pöbelreligion des Mohammed gebunden. Pariser, Londoner, Marseiller, Stockholmer, Neukölner Zustände sind nichteuropäische Zustände.

einer schrieb: "it's the economy, stupid". Ja stimmt. Die Wirtschaft, die als Konsequenz die Bevölkerung ersetzt und eine Jahrzehntausende alte Kultur und Rasse zu vernichten droht, ist als Werkzeug der Vernichtung zu sehen. Wir haben längst konzepte, die solche Vernichtung nicht nötig hätten. Die kommen aber nicht im Fernsehen und nicht an der Uni. Dr. Dr. Wolfgang Berger und andere wären als Wirtschaftsminister möglich. Die Knechtschaft unter der verzinsten Schuldgeldkreditblase der privat kontrollierten Geldausgabe ist dermaßen schädlich, da sollte man schon ansetzen. Bevölkerungsaustausch als wirtschaftliche Maßnahme. Geht es eigentlich feindseliger oder kränker?

Mauretanier

8. August 2013 20:56

Neue Religion, körperliche Bildung, Feste, eigene Mode – alles schon mal dagewesen! Vor über 100 Jahren und nannte sich „Lebensreform“. Diese Bewegung war allerdings etwas vielschichtiger. Die Gefahr: Sektierertum.
Leute, die auch im Winter Sandalen tragen, darauf läuft es dann oft hinaus…

Ja, mein Gott, dann tragen wir halt im Winter Sandalen. Wo ist das Problem?

Ich sehe da nur Vorteile.

Was mich nicht umbringt, usw., wenn wir schon bei "nietzscheoiden" Phantasien sind.

Oder ganz gewaltsam-apokalyptisch-düster gut jüngeroid:

"Was mich nicht umbringt, macht mich stäker; und was mich umbringt, ungeheuer stark."

Also doch in einer Kirche erschießen. Wobei das wahrscheinlich nur das erste Mal so gut kommt. Neue Ideen und Lokalitäten sind also gefragt.

Martin Lichtmesz

8. August 2013 23:22

Karawane zieht weiter, Dank an alle.

Für diesen Beitrag ist die Diskussion geschlossen.