Da die Sezession‑Redakteure Götz Kubitschek und Benedikt Kaiser zu diesem politischen Theater bereits das Wesentliche zu Blatt gebracht haben, Kubitschek hier und Kaiser hier, spare ich mir die Worte und fokussiere mich auf die linken Reaktion anläßlich des geglückten Schachzugs der AfD-Fraktion um Björn Höcke. Denn es ist eine wahre Freude, das, was sich seit Mittwoch, den 5. Februar, in den sozialen Medien an linkem Wahnsinn, Panik und Tränen ergießt, zu verfolgen.
Philip Stein, Leiter des Bürgernetzwerks Ein Prozent, merkte diesbezüglich auf dem Kurznachrichtendienst Twitter hier treffend an: »Die Währung, in der wir bezahlt werden: Hysterie. <3« Eine erste Auswahl an »Tränen der „Guten“« sammelte das österreichische Magazin Freilich bereits schon am Mittwoch und dokumentierte die hanebüchenen Verirrungen von Georg Restle (ARD) bis Ulf Poschardt (Welt) hier. Köstlich anzusehen war auch der Contenanceverlust der grünen Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner bei einer Begegnung mit FDP-Vize Wolfgang Kubicki:
Vier Tage nach dem »Super-Gau« ist neben Adolf Hitlers Handschlag mit Paul von Hindenburg in Potsdam 1933 (Hitler zu diesem Zeitpunkt Reichskanzler, Hindenburg Reichspräsident) und Buchenwald jedes historisches Ereignis in die antifaschistische Weltvereinfachungsspur gebogen worden – jeglicher schiefe Vergleich der Legitimation des eigenen Handelns dienend.
Daß diesem Wahn nicht nur verbaler Unsinn entspringt, sondern daraus handfeste Gewalttaten folgen, bekam die Jenaische Burschenschaft Germania zu spüren: Am frühen Morgen des 06. Februar wurden auf dem Grundstück der Burschenschaft der PKW eines Bundesbruders und ein Mietwagen in Brand gesetzt.
Die Pressemitteilung der Burschenschaft können Sie hier lesen. Darüber hinaus wird die FDP zur Zielscheibe antifaschistischen Furors; nun die Medizin schmeckend, die man vorher mit einem Achselzucken bedachte, als sie noch hauptsächlich der AfD galt (z.B. hier Karoline Preisler).
Indes ist der »konstruktiv-destruktive« Wahlakt der AfD-Fraktion in Thüringen, Kubitscheks Definition hat sich in der öffentlichen Debatte durchgesetzt, zur handfesten Krise der etablierten Parteien angewachsen: GroKo kurz vor dem Scheitern, CDU-Zerwürfnisse im Inneren, der Beauftragte der Bundesregierung für die Neuen Länder (CDU) muß seinen Hut nehmen, Merkel plädiert für einen Ministerpräsidenten der LINKEN usw. Das freieste Deutschland, das wir je erleben durften, taumelt.
In Anbetracht dieser Krisis seien dann doch noch ein paar Worte zu den Vorgängen rund um den »Eklat« verloren:
Politische Systeme, die derart hyperventilierend und unsouverän auf einen sie konstituierenden, banalen Prozeß reagieren; die nicht dazu in der Lage sind, sich die neue politische Anomalie einzuverleiben und in ihren Apparat zu integrieren und damit in seiner Störwirkung abzumildern und einzuhegen, also starr und statisch geworden sind, haben die Tendenz, zu zerbrechen.
Neues Jahr und der erste Staatspolitische Salon des IfS für 2020 steht vor der Tür!
Diesmal mit einem aktuellen Thema, nämlich dem Ausstieg Matteo Salvinis aus dem Regierungsbündnis mit der Fünf-Sterne-Bewegung im Sommer 2019. Dieser kam scheinbar überraschend und hinterließ nicht wenige bundesdeutsche Anhänger des damaligen Innenministers und Vizepremiers enttäuscht und fragend zurück. Was steckte hinter diesem Schritt und wie geht es mit der politischen Rechten in Italien weiter?
John Hoewer – Politikwissenschaftler und Soziologe, aktuell für die AfD-Landesgruppe Sachsen-Anhalt im Bundestag tätig – hat in der Sezession (hier und hier) schon mehrere Male seine Italien-Kenntnisse unter Beweis gestellt und wird an diesem Abend diese Fragen unter dem Titel »Die Lega Nord unter Matteo Salvini: Ein Regionalphänomen auf dem Weg zur nationalen Volkspartei?« aufklären.
Vor dem Hintergrund aktueller Wahlergebnisse wird Hoewer die Genese der Lega als Regionalbewegung darlegen sowie ihre Entwicklung zur landesweit führenden politischen Kraft skizzieren. Ist dabei aus der Lega Nord die Lega Nazionale geworden?
Der Salon findet am 12. Februar 2020 in Berlin statt und beginnt um 19 Uhr (Einlaß ab 18:30). Eine Anmeldung ist zwingend erforderlich, bitte mit einer kurzen Nachricht an [email protected].
Sie bekommen zeitnah eine Bestätigung ihrer Anmeldung.
Um den biokulturellen Faden aus den vorigen Netzfundstücken »Corona, Soziologen, Schimpansen« fortzuspinnen, hier eine weitere Dokumentation aus dem Haus ARTE, die diesmal der Frage nachgeht: »Haben Menschenaffen eine Kultur?«
Dabei bieten die sozialen Prozesse, die bei unseren nächsten Verwandten beobachtet werden können, Aufschlüsse darüber, wie »Kultur« in seinen rudimentären Anfängen emergiert, evolviert und als evolutionärer Vorteil den Erfolg einer Gruppe ausmachen kann.
Gracchus
"Politische Systeme, die derart hyperventilierend und unsouverän auf einen sie konstituierenden, banalen Prozeß reagieren; die nicht dazu in der Lage sind, sich die neue politische Anomalie einzuverleiben und in ihren Apparat zu integrieren und damit in seiner Störwirkung abzumildern und einzuhegen, also starr und statisch geworden sind, haben die Tendenz, zu zerbrechen."
Richtig. Selbst wenn ich ein erbitterter Feind der AfD wäre, würde mir doch bange werden, solche Figuren in Regierungsverantwortung zu sehen.