Die erste Kehre in diesem Jahr (erscheint Mitte März) wird das Thema »Ressourcenknappheit« behandeln. Die Frage nach der Endlichkeit der Ressourcen wurde in Europa im Wesentlichen von Thomas Robert Malthus popularisiert. Er forderte Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts eine Obergrenze der Bevölkerungsgröße, die in Abhängigkeit zur landwirtschaftlichen Produktion stehen sollte.
Ob Ökonomen wie William Stanley Jevons, der Mitte des 19. Jahrhunderts ein baldiges britisches Kohlefördermaximum voraussagte – das aufgrund der Erdölnutzung erst später eintrat, als von Jevons prognostiziert –, der Bericht des Club of Rome von 1972 oder die zeitgenössischen Postwachstumstheoretiker; sie alle stehen mehr oder weniger in der Denktradition von Malthus.
Für den Konservatismus hat der, von progressiver Seite aus oftmals verächtlich gemachte, Malthusianismus stets eine wichtige Rolle gespielt. Er schimmert in Friedrich Georg Jüngers Werk Die Perfektion der Technik durch, wenn Jünger konstatiert, daß es »zu den Kennzeichen jeder geordneten Wirtschaft gehört, daß die bewirtschaftete Substanz erhalten und geschont wird, daß aller Verzehr vor jener Grenze haltmacht, deren Überschreiten diese Substanz selbst gefährdet oder vernichtet«; er motivierte Ludwig Klages zu seiner vielzitierten Anklage des fressenden Feuers des Fortschritts und wurde bei Herbert Gruhl omnipräsent, als dieser die Plünderung des Planeten anprangerte.
Ausgehend von Jevons Analyse der Endlichkeit der Kohlevorräte, hat sich die Diskussion um den Erschöpfungszeitraum der fossilen Ressourcen in dem Maße auf das Öl übertragen, wie das »Schwarze Gold« die Kohle als wichtigsten Energieträger ablöste. Aus Jevons peak coal (Kohlefördermaximum) wurde gewissermaßen peak oil (Ölfördermaximum).
Bis heute wird um die Frage, wie lange die fossilen Ressourcen noch verfügbar, oder ob sie überhaupt je erschöpft sein werden, kontrovers gestritten, gleichwohl der allgegenwärtige Fortschrittsoptimismus der einsetzenden Industrialisierung über die Jahrhunderte an Strahlkraft verloren hat und sich zunehmend in der Defensive befindet.
Jedesmal, wenn die Energiepreise steigen, erhöht sich die Dynamik der Diskussion – unabhängig davon, ob die Angebotsverknappung nun (geo)politische und/oder naturalistische Ursachen hat. Das Konzept des Ölfördermaximums sieht sich indes einem zentralen Mißverständnis ausgesetzt: Es wird unterstellt, peak oil postuliere einen abrupten Abfall der Förderung, der einsetzen würde, wenn der peak überschritten sei.
Damit einhergehend wird irrtümlicherweise das Bild von einem Zustand gezeichnet, in dem Öl noch in diesem Jahrhundert kaum mehr verfügbar sein wird. Dabei beschreibt peak oil »lediglich« das Szenario einer Ölförderung, die auf einem Plateau stagniert und dann langsam abfällt (die Ölförderung in der Nordsee und Mexiko sind paradigmatische Beispiele für dieses Szenario) – Öl wird auch laut peak-oil-Theoretikern noch für lange Zeit eine wichtige energiepolitische Rolle spielen.
Ebenjenes Plateau sieht die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in ihrer Energiestudie 2019 beim konventionellen Öl ab dem Jahr 2005 erreicht. Nur die neu erschlossenen unkonventionellen Vorräte (Schieferöl/Teersande) haben das Wachstum der Förderung über die letzten Jahre möglich gemacht.
Für den Einstieg in die Thematik aus Perspektive der Vertreter des peak-oil-Konzepts empfiehlt sich ein Vortrag von Jörg Schindler und Dr. Werner Zittel anläßlich des 12. Münchener Klimaherbstes der evangelischen Stadtakademie. Sowohl Schindler als auch Zittel sind Mitglieder der Association for the Study of Peak Oil (ASPO) und präsentieren in ihren Vorträgen die wesentlichen Argumente für die Existenz eines peak oil:
Einen etwas effektheischenderen Blick auf die Thematik, wie das für solche Formate üblich ist, wirft die englische Dokumentation Is The Earth Actually Running Out Of Oil? | The Struggle For Oil:
Wie Jörg Schindler in seinem Vortrag anhand der Aufschlüsselung der verschiedenen Ölsorten implizit deutlich macht, ist eine einseitige Orientierung an der Quantität des verfügbaren Erdöls irreführend – vielmehr ist die Berücksichtigung seiner Qualität entscheidend.
Eine Variante, um die Qualität des geförderten Erdöls zu messen, ist anhand des Faktors energy on return on investment (EROI) oder zu deutsch Ernte- bzw. Nettoenergiefaktor: Dieser Wert beschreibt die Energieausbeute im Verhältnis zu der bei der Produktion eingesetzten Energie. Anders ausgedrückt: Wie viel Barrel Öl erhalte ich, wenn ich ein Energieäquivalent von einem Barrel Öl einsetze?
In den Anfangstagen des Ölzeitalters bekam man bei den besten Ölfeldern für ein Barrel Öl Energieeinsatz 100 Barrel Öl und mehr zurück (EROI 100:1). Heute wird dieser Faktor bei weitem nicht mehr erreicht, denn das einfach zu fördernde hochqualitative Öl der besten Felder ist bereits abgeschöpft: Der Erntefaktor für in den Vereinigten Staaten produziertes Öl sank bis 1970 auf 30:1 und bis 2005 auf 12:1.
Für die vielgepriesenen Teersande und die enthusiastisch beobachtete Schieferölförderung liegen die Werte noch niedriger, nämlich bei kläglichen 4:1. »Weil der Erntefaktor im Laufe der Zeit abnimmt«, resümiert der US-Journalist und Umweltschützer Richard Heinberg in seinem Buch Das Ende des Wachstums, »muß ein immer größerer Teil der Energie und Ressourcen einer Gesellschaft in die Energieerzeugung geleitet werden«.
Bezieht man den EROI in die Betrachtung der Ressourcenendlichkeit mit ein, so erhält die Diskussion um den peak oil einen völlig neuen Charakter. Im Kontext des Bioethanol-Hypes führt Heinberg dazu weiter aus:
Eine Industriegesellschaft braucht einfach einen minimalen EROI zwischen 5:1 und 10:1, damit sie funktionieren kann. Mit einem gesamtgesellschaftlichen EROI von beispielsweise 3:1 würde rund ein Drittel aller Anstrengungen der Gesellschaft dafür verwendet, um die Energie zu bekommen, die nötig ist, um all die anderen Dinge zu leisten, die eine Gesellschaft leisten muß (wie Herstellung von Produkten, Handel, Transport von Menschen und Gütern, Bildung, wissenschaftliche Forschung und Aufrechterhaltung einer grundlegenden Infrastruktur). Weil selbst die optimistischste EROI-Zahl für Bioethanol deutlich unter diesem Wert liegt, ist klar, daß dieser Brennstoff nicht die Primärenergiequelle für eine Industriegesellschaft wie die Vereinigten Staaten abgeben kann.
Aber auch die unkonventionellen Ölressourcen sind mit einem EROI von 4:1 schlichtweg ungeeignet, das konventionelle Öl zu ersetzen. Manuscriptum-Verleger Thomas Hoof schlußfolgerte daraus in seinem Artikel Der Tanz auf der Nadelspitze, enthalten in der Sezession 46 (hier verfügbar):
Der Aufwand für die Gewinnung von Energiedienstleistungen und für den Unterhalt der entsprechenden Infrastruktur wird in allen Szenarien zu Lasten des konsumtiv oder investiv verwendbaren Anteils immer weiter steigen, bis es an einem logischen Endpunkt (der in Charles Halls »Cheese-Slicer-Modell« spätestens 2050 eintritt) kein disponibles Energieeinkommen mehr gibt, das für konsumtive oder investive Zwecke verfügbar wäre.
Das hätte weitreichende anthropologische Konsequenzen, denn der von Hoof im Artikel angeführte Prozeß, der den Menschen »von einer (produktiven) Energiequelle zu einer (konsumtiven) Energiesenke« mache, »ein Vorgang, der anthropologisch und seelenkundlich noch gar nicht richtig gewürdigt wurde, obwohl sich seine Folgen seit drei Jahrzehnten in den psychosomatischen Praxen und Kliniken deutlich bemerkbar machen«, würde umgekehrt.
Was dieser Prozeß mit dem Menschen angerichtet hat, welche soziologische Umwälzungsmacht in seinem Ablauf lagen, und damit simultan in seiner Umkehrung liegen, führt Sezession-Chefredakteur Götz Kubitschek in derselben Sezession-Ausgabe im Artikel »Wir Unbeholfenen« (hier lesen) als Fragen aus:
Der bekennende Kommunist und FAZ-Redakteur Dietmar Dath (einer der Protagonisten des unübersehbaren, neuerlichen Linksrutsches des Blatts) schrieb neulich, daß seine Idealgesellschaft von einer Folgenlosigkeit des Irrtums gekennzeichnet sei. Der Mensch werde sich ununterbrochen konsequenzlos irren, werde alle individuell angehäuften Irrtumskosten ununterbrochen auf die grenzenlose Solidargemeinschaft abwälzen dürfen. Ist das nicht genau das, was Rabehl vor 40 Jahren empfand? Daß alles, aber auch wirklich alles denkbar und vorstellbar sei, weil es die Produktionskräfte hergäben? Daß also der Mensch im Zustand eines irrenden, unverantwortlichen Kindes gehalten werden könnte, weil der Energieaufwand der permanenten Bereinigung nicht stärker ins Gewicht fiele als die Hand einer aufräumenden Mutter?
Verläßt man die von Quantitäten bestimmte, oberflächliche Betrachtungsweise der peak-oil-Thematik und erweitert sie um zusätzliche Dimensionen, stößt man zum Kernproblem der energieüberfluteten Moderne vor: Das »Leben aus dem, was unbegrenzt sprudelt«, die Verhausschweinung des Menschen, wie sie der konservative Ethologe Konrad Lorenz beschrieben hat.
Man möchte den konservativen Kreisen, die das Atom als Ende aller Energiesorgen propagieren, Kubitscheks Axiom in die Gehirnrinde brennen, daß »das konservative Denken sinnlos [bliebe], wenn gelänge, wovon kurioserweise auch Konservative träumen: daß nämlich endlich eine Energieform gefunden würde, die nicht endlich, sondern unbegrenzt zur Verfügung stünde.«
Wahrlich, »Wir Unbeholfenen!«
Nachtrag: Ein weiteren lesenswerten Artikel zum Thema »Ölfördermaximum« mit dem Titel »Peak Oil, Globalisierung und Grenzen der Machbarkeit« hat der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Jan Moldenhauer für die Sezession 68 verfaßt. Hier zu finden!
Umlautkombinat
Die letzten beiden Absaetze sind m.E. ideologisch ueberfrachtet:
> Verläßt man die von Quantitäten bestimmte, oberflächliche Betrachtungsweise der peak-oil-Thematik
Quantitative Betrachtungsweisen sind erst einmal, was sie sind. Ob sie oberflaechlich sind bestimmt sich allein daraus, wie gewissenhaft man sie vornimmt. Nach meiner Lesart benoetigt der Autor diese Formulierung zum Uebergang zu einer suggerierten "wertvollen" "tiefen" qualitativen Betrachtungsweise. Ungluecklicherweise verleiht diesen die fehlende quantitative Komponente gerade selbst oft eine gewisse Luftigkeit.
> Man möchte den konservativen Kreisen, die das Atom als Ende aller Energiesorgen propagieren, Kubitscheks Axiom in die Gehirnrinde brennen, daß »das konservative Denken sinnlos [bliebe], wenn gelänge [...]
Wenn das konservative Denken schon daran stirbt, dann waere es wohl entschieden zu limitiert und verdiente es nicht anders.