Der (wie man korrekterweise hinzufügen muß: mutmaßliche) Täter ist um ca. 19:04 Uhr mit einem PKW in eine Menschenmenge hineingerast. Ziemlich rasch kursierte die Information, es habe sich bei dem Mann um einen fünfzigjährigen Arzt (!) aus Saudi-Arabien gehandelt, der sich seit 2006 legal in Deutschland aufhält. Auch ein Video von einer Überwachungskamera tauchte auf und wurde eifrig geteilt.
Ich selber bin, was solche Dinge angeht, inzwischen völlig abgebrüht. Sie überraschen, erschüttern und schockieren mich nicht mehr. Es fühlt sich inzwischen an, als ob man der xten Verfilmung eines alten Drehbuchs beiwohnt. Der Ablauf ist praktisch immer derselbe. Das “Messaging” auf Twitter wurde abgespult, als hätte es eine KI programmiert.
Damit meine ich nicht nur die Stellungnahmen von Politikern, deren “Gedanken bei den Opfern sind”, und die in der Tat genauso klingen, wie auf Anfrage von ChatGBT formuliert:
Ich meine damit auch die Reaktionen aus dem rechten Spektrum, die nicht minder vorhersagbar sind.
Über die immer gleichen, heuchlerischen Phrasen und Textbausteinchen von Politikern, die an der multikulturellen Misere schuldig sind, haben wir uns schon vor über zehn Jahren lustig gemacht und empört, bereits vor dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz, der nicht nur die “Vorlage” für die aktuelle Tat, sondern auch für zahllose Mems über die “Merkel-Poller” lieferte, die im glücklichen, migrantenarmen Ungarn oder Polen nicht nötig seien.
Den emotionalen Schock nützend, solange er frisch ist, ballerten die Influencer unseres Spektrums ihre sorgfältig preparierten “Talking Points” über diesen “ethnischen Schock” ins Netz, bekräftigten einmal mehr, daß es nun endgültig reiche, daß nun auch der letzte “Migrationsfanatiker” aufwachen und erkennen müsse, daß “Remigration” der einzige Weg und die einzige Antwort ist.
Ich widerspreche dieser Botschaft nicht. Ich stelle nur fest, daß jeder in dem großen Kampf um die mediale Aufmerksamkeit und Deutungshoheit das Eisen zu schmieden beginnt, solange es heiß ist, seine Rolle spielt, fast schon schlafwandlerisch und wie auf Knopfdruck.
Das gilt vielleicht auch für mich, denn eine Nebenrolle taucht ebenfalls jedes Mal zuverlässig auf, der “Verschwörungs-Brudi”, der im von den Medien servierten Narrativ Unstimmigkeiten und Merkwürdigkeiten zu erkennen glaubt.
Ich habe zwar (noch) keine “Verschwörungstheorie” über das Attentat parat, aber mir fallen nun doch einige äußerst merkwürdige Dinge auf.
Die Welt berichtet, der Täter, ein Psychiater von Beruf und seit 2016 als “Flüchtling” anerkannt, sei kein Muslim, sondern ein Ex-Muslim gewesen, ein “Islamgegner” namens Taleb Al Abdulmohsen, der für die AfD geworben habe. Er habe sich 2019 in einem FAZ-Interview selbst als „aggressivsten Kritiker des Islams in der Geschichte“ bezeichnet, und tauchte mit ähnlichen Aussagen im Spiegel und in der BBC auf, wo er für Asyl für vom Islamismus verfolgte Volksgenossen warb.
Das Twitter-Profil von Taleb Al Abdulmohsen (blauer Haken) wirkt außerordentlich wirr. Die meisten Postings sind in arabischer Sprache. Hier nur ein paar Bruchstücke, die ich ausfindig machen konnte:
Im Juni 2016 schreibt er: “Ich und AfD bekämpfen den gleichen Feind um Deutschland zu schützen.” Im Juni 2024, nach dem Attentat auf Michael Stürzenberger, schreibt er: “Meiner Erfahrung nach, ist die deutsche Polizei der echte Treiber des Islamismus in Deutschland.” Sie habe seit Jahren “schmützige Taktiken” gegen ihn und “andere Islamkritiker angewendet, (…) um unseren anti-islamischen Aktivismus zu zerstören. Die Linken sind Verrückt. Wir brauchen AfD um die Polizei vor sich zu schützen.”
Er hat versucht, mit Martin Sellner, Marie-Thérèse Kaiser, Naomi Seibt und anderen übliche Verdächtigen zu interagieren. Er postete Tweets des berüchtigen (und ziemlich dubiosen) Anti-Multikulti-Accounts “Radio Genoa”. Er zeigte auch eine Neigung zu zionistischen Influencern wie etwa Arsen Ostrovsky und bekannte mehrfach seine Liebe zu Israel. Dennoch sagte er in einem Interview vom 12. Dezember dieses Jahres deutlich, daß er kein “Rechter”, sondern ein “Linker” sei.
Sein aktuelles Profilbild schmückte “Dr. Taleb” mit einem Gewehr und bezeichnete sich als “Saudi Military Opposition”. Er behauptet: “Germany chases female Saudi asylum seekers, inside and outside Germany, to destroy their lives” und “Germany wants to islamize Europe”.
Terrorankündigungen gab es schon seit geraumer Zeit, meistens in arabischer Sprache. Die Welt hat folgende gefunden:
„Ich versichere euch, dass zu 100 Prozent bald die Rache kommt. Auch wenn es mich mein Leben kostet.“(…) „Deutschland wird den Preis zahlen müssen. Einen riesigen Preis.“ [Dezember 2023, wurde gelöscht, aber per Screenshot von einer Twitter-Nutzerin aufbewahrt.]
Im Mai 2024 postete er auf X auf Englisch: „Ich gehe ernsthaft davon aus, dieses Jahr zu sterben. Begründung: Ich werde um jeden Preis für Gerechtigkeit sorgen. Und die deutschen Behörden versperren alle friedlichen Wege zur Gerechtigkeit.“ Damals schrieb er auf Arabisch von der „Umsetzung“ einer „Operation“.
Im August 2024 postete er auf Arabisch: „Ich versichere Ihnen: Wenn Deutschland Krieg will, werden wir ihn haben. Wenn Deutschland uns töten will, werden wir sie abschlachten, sterben oder voller Stolz ins Gefängnis gehen. Weil wir alle friedlichen Mittel ausgeschöpft haben, sind uns nur noch mehr Verbrechen seitens der Polizei, des Staatsschutzes, der Staatsanwaltschaft, der Justiz und des Innenministeriums begegnet. Frieden nützt ihnen nichts.“
Am Freitagabend, Zeitstempel “7:07 nachm.” (während das Massaker im Gange oder gerade eben vorbei war), erschienen auf seinem Account mehrere Videos in englischer Sprache.
Die Geschichte, die er darin erzählen will, “begann vor mindestens 2400 Jahren”, als die Athener Sokrates “wegen seiner Religionskritik” zum Tode verurteilten. Er sieht sich als verfolgter Islamkritiker in derselben Tradition, und macht “die deutsche Nation für die Tötung von Sokrates verantwortlich.“ Dabei nennt er explizit die “deutschen Bürger” (“German citizens”) als Mitschuldige, als gewichtiges Indiz für diese Verfolgung erscheint ihm “die Geschichte eines gestohlenen USB-Sticks aus meinem Briefkasten.”
Dieser stellt Al Abdulmohsen einen Exkurs über den “klassischen Liberalismus” voran, den er als die Idee definiert, daß der Staat nicht das Recht habe, “Leben, Freiheit und Besitz” seiner Bürger anzutasten. Im Gegensatz zu den liberalen USA basieren die Gesetze in Deutschland auf dem Sozialismus, der seine Bürger auf “paternalistische Weise” überwache (“in a paternal way”).
In seinem Fall habe der Staat einen Agenten entsandt, um besagten USB-Stick zu stehlen (Beweis ist ein aufgeschnittener Umschlag), auf dem sich Dokumente befanden, die er für eine Strafanzeige brauchte, die er gestellt hatte. In einem Brief habe ihm die Polizei mitgeteilt, “verwirrt” (“confused”) zu sein, was natürlich unsinnig sei, immerhin sei er doch Arzt in einem staatlichen Krankenhaus.
Anschließend rühmt er sich des Kampfes gegen die Kölner Organisation “Säkulare Flüchtlingshilfe” (“Atheist Refugee Relief”), der er Korruption und Mißbrauch von Frauen vorwirft, und die seiner Meinung nach ebenfalls unter dem Schutz des Staates steht, da dieser auf seine Anzeigen und Hinweise nicht reagiert. Diese “Verbrechen gegen saudische Flüchtlinge” suchte er offenbar zu rächen.
Das war die letzte Nachricht, die Taleb Al Abdulmohsen persönlich auf Twitter hinterlassen hat. Sie wurde ungefähr zur selben Zeit veröffentlicht, als der Anschlag stattfand, offenbar von ihm selber so vorprogrammiert.
Er klagt darin zwar den “kriminellen” Staat Deutschland und seine Bürger an, kündigt aber keinen Akt der Rache oder Vergeltung an. Stattdessen ergeht er sich in zähen Details über Unrecht, das ihm widerfahren ist oder das von deutschen Staat gedeckt wird. Als Begleitung zu einem blutigen, feierlichen Abgang mit einem großen Knall wirken diese Videos merkwürdig lahm und unaufgeregt, sind weit enfernt von einem “Manifest” oder ähnlichem.
Daß sie von einem Menschen stammen, der offensichtlich nicht ganz richtig tickt, ist trotzdem offensichtlich. Vor allem die Geschichte mit dem USB-Stick schmeckt stark nach einer paranoiden Psychose nach dem Muster des Hanauer Täters (daß Dr. Taleb von Beruf Psychiater war, füttert mein Vor- oder vielmehr Nachurteil gegenüber dieser Profession).
Demnach hätten wir es mit einer irrationalen, amoklaufartigen Kollektivvergeltung am deutschen Volk zu tun, aus Sicht des Täters aufgrund von illiberalen Repressionen des deutschen Staates gegen “Islamkritiker”.
Das Bild, das sich uns momentan bietet, ist ein bizarrer “Clusterfuck”. Nichts scheint zusammenzupassen.
Seltsam ist, daß Magdeburg passiert ist, während alle in den sozialen Medien geradezu darauf gewartet haben. Seit Wochen kursieren sarkastische Witze über die Sicherheitsvorkehrungen auf deutschen Weihnachtsmärkten, und das Mammut im Raum, warum dergleichen in Budapest und Warschau nicht notwendig ist. Ein haarsträubendes Video machte die Runde, in dem zu sehen ist, wie eine Polizeipatrouille die Handtasche einer Omi durchsucht und ein Schweizermesser konfisziert.
Seltsam ist, daß die Polizei mehrfach vor Dr. Taleb gewarnt wurde, aber offenbar trotzdem nichts unternommen zu haben scheint, um die angekündigte Tat zu vereiteln. Wahrscheinlich war sie damit beschäftigt, die Türen von Bürgern einzutreten, die Politiker als “Schwachköpfe” oder “Märchenerzähler” bezeichnet haben (was ja irgendwie zu dem Bild paßt, das der engagierte Doktor selbst vom deutschen Staat hatte.)
Es wäre jedenfalls nicht das erste Mal, daß die Behörden Kenntnis von der potentiellen Gefährlichkeit eines Täters hatten. So im Fall Breitscheidplatz, wo es auch etliche Ungereimtheiten und Geheimdienstverbindungen gab (siehe hier und hier), und Wien 2020.
Seltsam sind die krassen Widersprüche im Täterprofil. Auf der einen Ebene haben wir es mit einem selbsterklärt liberalen, israelfreundlichen, rechtspopulismusaffinen, mit der AfD sympathisierenden “Islamkritiker” zu tun, der Repressionen durch einen “sozialistischen” Staat beklagte.
Ein solcher Täter entspräche dem feuchten Traum der Presse, wenn es sich dabei nicht um einen saudiarabischen Asylanten handeln würde, womit sein Auswertungspotenzial “gegen rechts” beträchtlich vermindert wird. Peinlich ist auch, daß er nach gängigen Maßstäben beispielhaft “integriert” ist, ein gebildeter Arzt mit hohem sozialen Status, dessen heroischer und selbstloser Einsatz für Flüchtlinge sogar schon in einigen internationalen Mainstream-Medien thematisiert worden ist.
Dieser “Islamkritiker”, der sich für einen neuen Sokrates hielt, pflegte eine militante Rhetorik im dschihadistischen Stil und beging nun eine schockierende Bluttat exakt nach dem Muster islamistischer Attacken, fast wie ein “Remake” des Anschlags vom Breitscheidplatz aus dem Jahr 2016, beinah auf den Jahrestag genau. Er tötete und verletzte wahllos Deutsche, weil er sich nach eigener Aussage vom deutschen Staat verfolgt fühlte und Deutschland als Agenten der “Islamisierung” identifizierte.
Kampf gegen den Islam durch Töten von unschuldigen Deutschen nach islamistischer Machart.
Hat er sich gedacht, “Ich mach jetzt den Anis Amri, um dagegen zu protestieren, daß Islamkritiker unterdrückt werden”?
Wäre es nicht so tragisch, würde ich sagen: das ist originell. So etwas gab es noch nie. “Diversity” macht es möglich.
Irgendein politischer Zweck ist nicht erkennbar. Übrig bleibt nach “Ockhams Rasiermesser”, daß der mutmaßliche Täter wie der Amokläufer von Hanau vermutlich klinisch geisteskrank war, und es darum müßig ist, nach einem kohärenten Gesamtbild zu suchen.
Nicht alle werden sich mit dieser Erklärung zufriedengeben.
Update 21. 12., 18:15: Es gibt nun Vermutungen, daß Al Abdulmohsen Social-Media-Postings wie auch überhaupt seine “islamkritische” Aktivität nur Tarnung waren, und er womöglich ein saudischer (oder wahlweise anti-saudischer) Agent unter dem Deckmantel der “Taqqiya” war. Siehe etwa hier und hier.
Mehr Sinn ergibt diese These in meinen Augen allerdings auch nicht. Warum ließ er dann nicht die Maske fallen, als er zum PKW-Dschihad schritt? Oder hat er sich aufgeopfert, um die AfD anzuschmieren? Sehr unwahrscheinlich.
Majestyk
Die Hände in den Schoß legen ist auch eine Form der Begünstigung. Komisch, daß ich für meine Islamkritik auf X unwiderruflich gesperrt wurde, es aber niemanden interssierte was dieser Taleb so veröffentlichte. Instrumentalisiert wird der Anschlag sowieso. Im Zweifelsfall verantworten die Rechten halt das Klima das Gewalt entstehen läßt. Man kennt die Satzbausteine ja schon auswendig. Da kann man nur froh sein, daß der Täter ein Araber war, sonst würde die Verbotsmaschine schon rotieren.
Was den Vorwurf betrifft Deutschland würde die Islamisierung vorantreiben, da könnte was dran sein. Auch Narren sagen zuweilen die Wahrheit.