… je durchsichtiger ihr pädagogischer Gestus ausfällt. Leidlich unterhaltsam, allerdings eher im Bereich des Schwarzen Humors angesiedelt, ist auch das meiste, was täglich in den Nachrichten aus der kranken, wirklichkeitsfremden und absurden Welt des Antirassismus berichtet wird.
Besonders die USA und Großbritannien tun sich darin zum Teil auf groteske Weise hervor. Wer die Entwicklungen in diesen Ländern verfolgt, kommt nicht an der Erkenntnis vorbei, daß das Anwachsen von “diversity” in einer Gesellschaft die Sensibilität für Unterschiede nicht zum Verschwinden bringt, sondern vielmehr zu einer gereizten Über-Bewußtheit steigert.
Das gilt besonders, wenn selbst die bloße Wahrnehmung und Benennung dieser Unterscheide zunehmend tabuisiert wird. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, der nach immer neuen Kujonierungen verlangt, um den Topf auf dem Deckel zu halten. Das Post-Racial America des Barack Obama etwa ist vielmehr zum Hyper-Racial-Awareness America geworden, in dem der “Antirassismus” neopuritanische Züge angenommen hat.
Daß der Begriff des “Puritanertums” hier mehr als nur eine Metapher ist, habe ich in diesem Blog darzulegen versucht. Damals schrieb ich:
Hier hat sich eine Form von modernem Puritanismus entwickelt, komplett mit den puritanischen Krankheiten des Pharisäertums, der Säuberungswut, der Fremdprojektion auf andere, und ja: der Intoleranz. Henry Mencken sagte einmal, ein Puritaner sei ein Mensch, der in der quälenden Angst lebe, irgendjemand könnte irgendwo Spaß haben. Man könnte das leicht auf unsere heutigen „Rassismus“-Besessenen umformulieren. Ein Antirassist ist jemand, der in der quälenden Angst lebt, irgendwo könnte irgendwer irgendjemanden diskriminieren. Was in der viktorianischen Zeit oder in manchen Perioden des Mittelalters der Sex war, ist heute die „Rasse“ oder der „Rassismus“.
Um nun auf die Propaganda-Comics zurückzukommen: ein solches entdeckte ich zufällig beim Surfen auf der offiziellen Netzseite der Europäischen Union in der “Jugendlichen”-Sektion, zum freien Herunterladen als PDF-Datei. “Ich, Rassist?” demonstriert ziemlich gut, was ich mit der These vom “Neopuritanismus” meine. Die Titelseite zeigt die multikulturell durchmischten Hauptfiguren, darunter ein Schwarzer, der lustigerweise ausgerechnet auf den Namen “Dieudonné” hört, hinter deren Rücken sich, unerkannt von ihnen selbst, lange dunkle Schatten bilden, die Schatten ihrer eigenen uneingestandenen “Vorurteile”.
Diese aufzuzeigen, ist nun das Anliegen der kurzen, humorigen Episoden im Stil der “ligne claire”. Dabei ist der Autor so gründlich vorgegangen, daß das ganze Anliegen der Broschüre mehr oder weniger nach hinten losgeht. Denn die Diskriminierung ist derart universell und allgegenwärtig, daß es kein Entrinnen gibt. Dieudonné im Hip-Hopper-Outfit kommt an einer Gruppe weißer Männer in Hemd und Krawatte vorbei, die sich über ihn lustig machen. Als er auf seine farbigen “Homies” trifft, die alle gekleidet sind wie er selbst, verhalten diese sich genauso herablassend gegenüber einem weiteren weißen Mann im Anzug.
In einer anderen Episode wird ein Ringelreihen der “Diskriminierungen” dargestellt: der fette, häßliche, hitlerbürstchentragende Rassist “Herr Xeno” (übrigens der einzige Charakter des Heftchens, der wirklich abstoßend gezeichnet und charakterisiert wird) pöbelt Dieudonné an, weil er schwarz ist. Dieser sieht ein paar weiße Männer vor dem Arbeitsamt und hält sie für faule “Drückeberger”, die eigentlich nicht arbeiten wollen; die Männer pfeifen “sexistisch” einer Frau hinterher, die sich wiederum “homophob” vor zwei händchenhaltenden Schwulen ekelt; diese wiederum beäugen argwöhnisch eine muslimische Frau und ihr Kind (“Die wollen sich doch gar nicht anpassen!”), und das Kind schließlich verhöhnt “Herrn Xeno” als “dicken Mann”.
Ein weitere Episode zeigt nun, daß Herr Xeno so “xenophob” per se gar nicht ist, und diese geht wohl am dicksten von allen nach hinten los. Bild 1 zeigt ihn “mißmutig” inmitten seiner Heimatstadt, die offenbar dicht “multikulturell” überfremdet ist: “Dieses Gewimmel! Wie im Orient! Dieses fremdländische Gedudel! Man kommt sich vor wie auf dem Basar! Und dann laufen noch alle im Kaftan rum! Und dieser Krach!… Ich werd noch wahnsinnig!”
Das nächste Bild nun zeigt ihn im Urlaub in einem orientalischen Land, wo er nun von der “Fremdheit” des Ambientes hellauf begeistert ist: “Ah, diese landestypische Musik! Das geht richtig ins Blut! Diese Gewänder, diese Farben und Gerüche! Phantastisch!”
Nun, es leuchtet wohl ein, daß es etwas anderes ist, den Orient tagtäglich vor der Haustür zu haben, als ihn auf begrenzte Zeit als Gast zu besuchen, und anschließend wieder ins Vertraute heimkehren zu können. Aber der arme Herr Xeno hat, so scheint es, kein un-okkupiertes Eigenes mehr, in das er sich zurückziehen könnte. Seine Frustration und Gereiztheit haben einen völlig nachvollziehbaren Grund. Diese beiden Bildchen sind eine schlagende “ethnopluralistische” Illustration, auch wenn der Zeichner in einem naiven denkerischen Kurzschluß damit wohl bloß die “Vorurteile” von Herrn Xeno ad absurdum führen wollte.
Auch die restlichen Episoden des Bandes lassen ihre Figuren ständig in neue “Vorurteile” und “Diskriminierungen” mannigfachster Art stolpern. Diese wachsen nach wie Hydra-Köpfe und bilden ein Netz, gegen das niemand gefeit ist und aus dem es kein Entrinnen gibt. Das könnte nun so ewig ad nauseam weitergehen, wie in einer Erzählung von Borges oder Kafka. Die “Vielfalt” schließt sich zum klaustrophobischen Alptraum, in dem es kein Anderswo mehr gibt – und nach dem Wunsch der einschlägigen Ideologen auch nicht geben darf, denn das würde ja – huch! – nur praktizierte “Ausgrenzung” bedeuten.
All das muß der Autor dieses Comics auch gespürt haben, denn das Heftchen endet mit einer seltsam zweispältigen Szene. Noch einmal tauchen die Figuren einzeln auf und versuchen die Dinge auf den Punkt zu bringen. Der Schwarze: “Irgendwie ist jeder auf seine Weise Rassist! Machen wir uns da nichts vor!” Ein Weißer: “Rassist? Was heißt das schon? … Warum sind die Frauen in der Werbung immer blond?” Die dunkelhaarige Frau: “Die Medien sind mitverantwortlich für die Verbreitung falscher Ideen.” Der Türke: “Die einen bemühen sich, die anderen hetzen zu Haß und Fremdenfeindlichkeit auf! Sie haben aus der Geschichte nichts gelernt!” Die blonde Frau: “Jeder hat ein Recht auf politische Meinung, Religion, Lebensstil… Auf uns kommt es an, wir müssen die Welt verändern.”
Und dann stehen die Protagonisten schweigend, mit verquälten Mienen, in einem Gruppenbild zusammen, offenbar erdrückt von der Last ihrer eigenen unvereinbaren und unmobilisierbaren “diversity”. “Packen wir’s an!” sagt schließlich die blonde Frau, aber die Gruppe bleibt weiterhin bleiern, wie angewachsen stehen, und nur ein leichtes Zucken und Zähnezusammenbeißen geht durch ihre Mienen. E pluribus unum?
Ein solches Maß an verzagter Infragestellung der eigenen “Message” in einer offiziösen Propagandabroschüre ist schon beachtlich. Der begleitende Text indessen fährt klar die Linie der Propagierung des “Multikulturalismus” und dessen Regulierung durch ein staatlich gesteuertes ( und notgedrungen immer verwickelter wucherndes) “diversity management”. All das sind wohlgemerkt offizielle Leitlinien der EU-Politik.
Die hoffnungslosen Aporien dieses Unterfangens liegen jedoch offen zutage. Zitat aus dem Begleittext zu dem Comic:
Zu den größten gesellschaftlichen Aufgaben in Europa gehört die Integration der verschiedenen Gruppen unterschiedlicher kultureller Prägung. Grundlage der Politik waren bisher Konzepte, Werte und Modelle, die von der vorherrschenden Kultur vorgegeben waren. Die Betonung von Ähnlichkeit und Einheitlichkeit grenzt jedoch diejenigen aus, die dieser Definition nicht entsprechen.
Mit anderen Worten: die Grundlagen der “vorherrschenden”, sprich authochthonen Kultur, die “bisher” Gültigkeit hatten, müssen nun angepaßt und abgebaut werden, um bloß nur “Ausgrenzung” derjenigen, die andere “Konzepte, Werte und Modelle” als Grundlage anerkennen, zu vermeiden. Was aber nun, wenn diese ihrerseits nicht bereit sind, ihre eigene “Betonung von Ähnlichkeit und Einheitlichkeit” aufzugeben, sich also keineswegs “eingrenzen” lassen? Es liegt klar auf der Hand, daß dieses Konzept ein Ding der Unmöglichkeit ist, so unerfüllbar wie ein Zen-Koan.
Als nächster Schritt müßten die renitenten Hirne selbst umgepolt werden, und hier beginnt die “puritanische” Gewissensprüfung, die eng verwandt ist mit der berüchtigten “sozialistischen Selbstkritik” von Anno Stalin:
Die Bekämpfung des Rassismus setzt eine Selbstanalyse voraus. Rassismus äußert sich nicht allein in aggressivem Verhalten, sondern vielmehr in subtileren Formen der Ablehnung des Andersseins. Es handelt sich dabei um die verschleierte Ausgrenzung derjenigen, die nicht zu einer Gruppe gehören.
Die bleierne Melancholie der Comicshelden am Ende der Geschichte resultiert wohl aus der Einsicht, daß man angesichts dieser tyrannischen Definition gar nichts anderes als ein “Rassist” sein kann. Man ist auf ewig in die Erbsünde der “Ausgrenzung” und Präferenz des Eigenen verstrickt. Jeder Befähigung und Neigung zur positiven “Diskriminierung”, die erfahrungsgemäß ebenso spontan und natürlich auftritt, wie die erotische Attraktion, folgt als unvermeidbare Kehrseite die negative “Diskriminierung”. Wer nicht mehr “diskriminiert”, wörtlich: “unterscheidet”, ist so gut wie tot. Bald beginnt man, zum Bigotten und Heuchler zu werden, und an anderen zu verfolgen, was man in sich selbst nicht unterdrücken kann. Am Ende bleibt wohl nur mehr die Einweisung der unverbesserlichen “Diskriminierer” ins “Death Camp of Tolerance“aus der gleichnamigen Episode von South Park.
Darauf antworten die multikulturellen Ideologen, die praktisch sämtliche politische Schlüsselpositionen, an denen über diese Fragen entschieden wird, besetzt halten, mit einer noch sentimentaleren, noch einfältigeren Glorifizierung der “Vielfalt”, mit einem noch lauteren Ruf nach noch mehr “diversity”, bis es keinen einzigen Ort mehr gibt, der nicht davon in Stücke zerteilt ist – und natürlich mit einer noch hysterischeren Diffamierung derjenigen, die diesem Wahnsinn zu widersprechen wagen.