Theater‑, Opern- und Tanzproduktionen sind hochrangig besetzt und werden aus aller Herren Länder eingekauft. Es handelt sich also weder um alternatives Off-Theater noch um ein linkes politisches Kleinkunstfestival.
Finanziell wird die ganze Chose von einem durchaus breiten Bündnis getragen: Erste Bank, Casinos Austria, der Arbeiterkammer, der Wiener Städtischen Versicherung, mehreren Radiosendern, dem „Museumsquartier“ für Gegenwartskunst, dem seinerseits einschlägig querfinanzierten „Institut für die Wissenschaften vom Menschen“, der Kulturabteilung der Stadt Wien sowie ganz oben dem Österreichischen Parlament.
Die Festwochen werben mit ihren „gesellschaftsrelevanten Inhalten und Zielen“ und dem „Angebot zur Offenheit gegenüber anderen Kulturen und Welten“. Dieser schöne neue Jargon kann einem wurscht sein, läßt allerdings treffgenau darauf schließen, daß hier mal wieder Prachtexemplare von Dispositivisten am Werke sind.
Die für die Festwochen konzipierte Installation „Pod schütze Österreich“ ist derart symptomatisch für die in der Kunstszene grassierende Mischung aus politischer Ahnungslosigkeit bei gleich hohem politischem Sendungsbewußtsein und Kaschierung dieser beiden Ingredienzien durch Kunstanspruch, daß ich dieser Installation mal kurz analytisch zu Leibe rücken muß.
Auf dem Folder, den Kunstinteressierte wie wir vorab per Post bekamen, ist ein schwarzweißer mit schwarzen Balkenbrauen und nachgezogenem Bärtchen angehitlerter Schuschnigg mit neckisch roten In-ear-Kopfhörern zu sehen, innen das Logo der Installation in Fraktur. Was will der Künstler uns damit sagen?
Dies erfahren die Hörer in einem Videointerview mit Alexander Martos, dem Kurator.
Er kam auf die Idee zu diesem Kunstwerk, weil der letzte österreichische Kanzler der ersten Republik „den souveränen Staat mit den Worten ‘Gott schütze Österreich’ begraben und widerstandslos vor den NS-Truppen Hitlers kapituliert“ habe. Daß der „austrofaschistische Ständestaat“ nennenswert souverän gewesen ist, kann bezweifelt werden, interessanter ist jedoch der völlig verdrehte Gegenwartsbezug. Es geht anscheinend um den „souveränen Staat“, der heute in irgendeiner Weise ebenfalls „begraben“ wird.
Schieben wir hier die erste „Rede an die Nation“ ein, gehalten vom jungen marxistischen Philosophen Daniel Loick, mit Koreferaten von einer Professorin für „Legal Gender Studies“ (nicht, daß die anderen Gender Studies illegal wären, gemeint ist: die Frau lehrt Jura) und der Rektorin des oben genannten IWM. Loick läßt verlauten:
Souveränität bedeutet: Gefahr des Krieges, Langeweile der Homogenität, Unmenschlichkeit der Grenzen, Schikane der Polizei und Infantilität der Gefängnisse. Menschen aber brauchen einander in einer Intensität, die jedes souveräne Phantasma der Selbstgenügsamkeit, die Hierarchie und der Einheit ruiniert.
Souveräne Staaten gehören begraben, sie machen immer nur Krieg, sind langweilig bis dorthinaus weil von homogenen Schlümpfen bevölkert, haben fiese menschenfeindliche Grenzen, und außerdem schikanieren innen Polizei und Gefängnisse die Menschen. Dieses antifantenpubertäre Phantasma bekommt hier nicht nur eine Bühne und wird wissenschaftlich ernstgenommen, sondern – und das ist der Clou dabei – vom Staat Österreich fett gefördert. Der souveräne Staat bezahlt die Mineure, die ihn unterwandern. Souverän ist, wer an seiner eigenen Abschaffung arbeitet.
Die von Loick beschworene „Intensität“ ist ein kulturmarxistischer Dauerbrenner seit Jean-François Lyotards Merve-Heftchen über die Avantgarde von Außenseitern, die das kapitalistische System von innen aushöhlen könnten – heute wie damals werden ob ihrer „Intensität“ unterschiedslos Künstler, Revoluzzer und die Verdammten dieser Erde umarmt. Auf die aktuell gemeinte, in Einzelfällen allzu körperbetonte „Intensität“, mit der „Menschen einander brauchen“ kann die Mehrheit der Österreicher realpolitisch gut und gerne verzichten.
Der Intensitätsphantast wäre noch zu verschmerzen, wenn die nächste „Rede an die Nation“ nicht von einer alten Bekannten gehalten würde. Ulrike Guérot
wendet sich an die europäischen Bürger*innen, mit einem Appell, den einen Markt und die eine Währung durch eine gemeinsame europäische Demokratie zu komplementieren.
Leider wissen wir, was sie eigentlich will, Wiesberg brachte es auf die Formel:
Beendet endlich den ganzen Nationalquatsch und ruft den grenzenlosen Vielvölkerstaat Europa mit einem europäischen „Staatsvolk“ (besser: einer beliebigen Ansammlung von Menschen) aus, und zwar „asap“, sprich so schnell wie möglich.
Hier sind Leute zuwerke, die unverhohlen den souveränen Nationalstaat zu Grabe tragen wollen und sich dazu ästhetisch eingehegter Mittel bedienen. Wer als Kunst-Kurator politische Thesen raushaut, muß damit rechnen, politisch verstanden zu werden.
Wie unabsichtlich wird in das Videointerview die Frage an Martos eingeblendet:
Möchten Sie Österreich auch begraben?
auf die er hell auflacht und dementiert:
Wir möchten Österreich keinesfalls begraben. Wir stellen nur die Frage, ob Österreich möglicherweise dabei ist, sich selbst zu begraben, so wie das auch andere Klein- und Mittelstaaten Zentraleuropas und anderer Weltregionen gerade tun und möchten dem entgegenhalten, wie eine Demokratie nach dem Nationalstaat im 21. Jahrhundert gedacht werden kann und gebaut werden kann.
Nun mal ganz langsam: er möchte also Österreich nicht begraben, das tut es schon von ganz allein, nämlich durch wiedererstarkenden Nationalismus. Unlogisch? Nein, genau Guérots These. In Mit Linken leben kommentierte Lichtmesz:
Guérot begrüßt übrigens den Rechtspopulismus als eine Art Abrißbirne, da er Spaltung und Bürgerkriegsgefahr provoziere, eine Krise also, durch die „das Gehäuse der Nationalstaaten“ endgültig „von der europäischen Landkarte“ entfernt werden könne. Auch dieses Denken, Schöpfung durch Zerstörung, ist klassisch links. Man fragt sich, ob die Einwanderungspolitik der EU einen ähnlichen, den Nationalstaat destabilisierenden Zweck haben soll, wie nach Guérot der Rechtspopulismus. Am Ende soll Europa eine „Republik“ unter dem ökonomistischen Banner „ein Markt – eine Währung – eine Demokratie“ werden. Es bleibt ihr Geheimnis, wie dieser eine Demos dann aussehen soll, und wodurch er sich als einig definieren soll.
Der interviewte Kunstinstallateur weiter:
Die Renationalisierung ist eine (…) brachiale rhetorische Position von Kriegsgewinnlern, die sich aufschwingen, die Hegemonie der Staaten zu übernehmen.
Renationalisierung müßte begrifflich voraussetzen, daß zuvor keine Nation oder keine „Nationalisierung“, was immer das sein soll, vorliegt, und nun wiedereingeführt oder erneut etabliert wird. Was denn nun – gibt es einen souveränen Nationalstaat, der begraben werden muß, oder ist der bloß Produkt der Brachialrhetorik von „Kriegsgewinnlern“ (Welches Krieges eigentlich? Meint er womöglich die Alliierten, mit denen Guérot sich identifiziert?)? Dann können sie ihn aber nicht „übernehmen“, sondern müßten ihn wie üblich erst („rhetorisch“) konstruieren.
Ein paar Sätze später hält der Zuhörer verzückt inne, denn da verrät Alexander Martos endlich, warum er den ganzen Aufwand mit diesem Staatskunstwerk getrieben hat und die Republik Österreich keine Kosten gescheut hat:
Es gibt einen Meinungsumschwung rechter Kräfte, die stark von Alt-Rightern und Identitären beeinflußt sind.
Und dieser „Pod“ soll Österreich vor den „Alt-Rightern und Identitären“ bewahren. Ah, deswegen die Fraktur, die Geschichte-wiederholt-sich-Schuschniggerei, die postmodern gebrochenen „Reden zu Lage der Nation(en)“ – sie wollen doch nur Heimatschützer sein und die Heimat vor den Heimatschützern schützen (und vor „Megastrukuren, die hinter unseren Rücken mithandeln“, wie es verschwörerisch am Rücken des Flyers steht).
Theoretisch liegt „Pod schütze Österreich“ ein Joseph-Vogl-Mißverständnis zugrunde, das die ganze Performance inspiriert haben soll. Joseph Vogl hatte 2015 in Der Souveränitätseffekt ausführlich beschrieben, wie abhängig die Nationalstaaten von den Finanzmärkten sind. Er wandelte im Grunde nur Carl Schmitts altbekannte These ab, der Souverän sei immer der, der über den Ausnahmezustand bestimme. Vogl ging davon aus, daß es den Finanzmärkten mittlerweile gelungen sei, eine Art Staatsstreich gegen die Politik zu betreiben. In der politischen Wirklichkeit sei heute nicht legitim, was das Volk wolle, sondern was die Märkte wollten. Die Märkte seien heute in einer Position, in der sie ihre eigenen Risiken in Gefahren für alle anderen verwandeln würden.
Mit dieser These tritt er noch einmal in der Pod-schütze-Österreich-Aktion an. Der Kurator, der wohl auch den Werbeflyer gebastelt hat, zitiert Vogl im Interview und am Papier:
Souverän ist, wer eigene Risiken in Gefahren für andere zu verwandeln vermag.
Das ist für das ökonomische Risikomanagement der Selbstentlastung durch Fremdaufbürdung ein kluger Satz. Münzt man ihn aber unter der Hand um auf politische Antinationalstaatspropaganda, widerspricht man eigentlich Vogls These: der Staat hat eigene Risiken (wie oben zitiert: Krieg, Homogenität, Grenzen, Exekutive), verwandelt sie aber in „Gefahren für andere“, nämlich – was auch sonst – Gefahren für „Menschen“. Vogl verteidigt an und für sich den politischen Staat gegen die Ökonomisierung, wird aber zum Gegner des Staates gemacht.
Akustische Nachspeise:
Die Wiener Festwochen servieren politische Rhetorik im künstlerischen Speckmantel auch andersherum, als künstlerische Inszenierung mit politischer Fülle. Da geht es Karl dem Großen (auch die Nationalmythen müssen begraben werden!) an den Kragen, und zwar wegen Islamophobie. Bei The Song of Roland – The Arabic Version handelt es sich um eine Musikinszenierung, in der das gesamte Rolandslied von karlophoben Moslems auf Arabisch gesungen wird. Der Kunstwert grenzt ans Unerträgliche, der moralischer Vermarktungswert verhält sich komplementär.
Der Luhmannschüler Dirk Baecker hat in Wozu Gesellschaft? überlegt, ob das Verhältnis von Kunst und Kunstbetrieb als ein „hochgradig allergisches“ zu verstehen sein könnte. „Kontamination durch gesellschaftliche Kontexte“ erzeuge einerseits überhaupt erst Kunst, andererseits aber werden Auftraggeber und Betrachter
von einer Kunst attrahiert, in der marginale Unstimmigkeiten ausreichen, um wieder Abstand von ihr nehmen zu können.
Wenn die Unstimmigkeiten die Marge weit überschreiten, kommt es zu Souveränitätsverlust. „Undermining national sovereignity“ (Peter Sutherland) könnte unangenehm auffallen, wenn es mit Kunstmitteln allzu aufdringlich dem Publikum in die Kopfhörer gespielt wird.
Matthias Dragan Pirot
Schafft die Nationalstaaten ab? Damen wie Ulrike Guerot Leben gut von dem Staat und dem Staatsvolk. Das sie als soziologische Köche neu zusammensetzen wollen.
Die Nationalstaaten verlieren ihre Staatsvölker als Fundament, seien wir ehrlich, weil die meisten kein nationales Selbstbewusstsein mehr haben und eine Guerot profitiert davon leichenfledderisch, im besonderen der Staat der Deutschen wird auch durch die selbstverschuldete zunehmende substanzlosigkeit des deutschen Volkes abgeschafft.
Man kann nicht nur auf andere zeigen, sondern man hat selbst dazu beigetragen, wenn man zu Selbstkritik fähig ist, indem man sich seit den 60er Jahren der linksmarxistischen Verführung hingab. Nachdem man Jahrzehnte zuvor weit Rechts abgerutscht war.
Gegen eine Europäische Union kann aber auch kein normaler Mensch was haben, wenn sie eine Union der Verteidigung der Völker, der Nationen dieses Kontinents darstellen würde. Sie ist es aber nicht, sondern ein Instrument der Planierung des Kontinents.
Aufschlussreich bleibt für mich als ehemals links stehender Mensch in dem Zusammenhang, das die politische Linke in Deutschland Menschen ins Land lässt passiv aber auch durchaus aktiv, die mit Demokratie nichts am Hut haben, die nie demokratisch erzogen worden und ein Männer und Frauenbild haben, das ganz offensichtlich zukunftsfähig ist, denn Zukunft hat nur der der Kinder hat.