Es war ein gezieltes, kaltblütig durchgeführtes Massaker nach dem expliziten Vorbild von Anders Breivik im Jahr 2011. ‘
Während die Medien sofort zur Stelle waren, um nach den Ködern zu schnappen, die der Täter über ein “Manifest” ausgelegt hatte und zur Jagd nach geistigen Mitschuldigen bliesen, zog sich die Premierministerin von Neuseeland, Jacinda Ardern, ein solidarisches Kopftuch über:
Dass sie bei ihren Auftritten am Wochenende Kopftuch trug, war ein klares Symbol: Ihr seid nicht allein, ihr seid ein Teil von uns, so ihre Botschaft an Muslime. Mit etwa 50.000 Gläubigen – darunter viele Einwanderer aus Staaten wie Pakistan und Bangladesch – sind Muslime in Neuseeland eine Minderheit. „Neuseeland ist in Trauer vereint“, sagt Ardern.
Eine Parlamentssitzung eröffnete sie mit einem “As Salaam Alaikum” , dann forderte sie eine Verschärfung der Waffengesetze.
Eine der wenigen abweichenden Reaktionen kam von dem australischen Senator Fraser Anning, der in einer Stellungnahme schrieb:
Ich bin entschieden gegen jede Form von Gewalt in unserer Gemeinschaft und ich verurteile vollkommen die Taten des Schützen. Obwohl es keine Rechtfertigung für diese Art des gewalttätigen Vigilantismus gibt, wirft er ein Licht auf die wachsende Furcht in unserer Gemeinschaft vor der wachsenden Präsenz von Muslimen, in Australien ebenso wie in Neuseeland. Wie immer werden linke Politiker und die Medien behaupten, daß Waffengesetze oder Menschen mit nationalistischen Überzeugungen das heute Massaker verursacht haben. Aber das ist klischeehafter Unsinn. Der wirkliche Grund für das Blutbad auf Neuseelands Straßen ist das Einwanderungsprogramm, das muslimischen Fanatikern überhaupt erst ermöglich hat, nach Neuseeland einzuwandern. Laßt es uns deutlich sagen: Obwohl Muslime heute die Opfer waren, sind sie meistens die Täter. Weltweit töten Muslime im Namen ihres Glaubens im industriellen Maßstab.
In einer viral gewordenen Szene bekam Anning dafür von einem Teenager ein Ei auf den Kopf geklatscht, was er umgehend mit einer Ohrfeige quittierte. Angeblich hat seither via Change.org-Petition “mehr als eine Million Menschen” gefordert, Anning aus dem Parlament zu schmeißen.
Daß islamistische Attentate eher die Norm und anti-islamistische, rechtsextreme Attentate eher die Ausnahme sind, läßt sich gut belegen. Diese Tabelle nennt seit Anfang des Jahres weltweit 66 islamische und 8 kommunistische Terroranschläge – und einen einzigen rechten, nämlich den besagten in Christchurch. Am 27. Januar 2019 töteten Islamisten 20 Menschen in einer katholischen Kirche auf den Philippinen, was von den hiesigen Medien deutlich weniger beachtet wurde. Hier ist eine Wikipedia-Liste der weltweiten Terroranschläge allein im März, nahezu ausschließlich islamistischer Natur. Eine weitere Liste gibt es hier. Schauplätze sind allerdings vor allem Länder, in denen Krieg oder kriegsartige Zustände herrschen, wie Afghanistan, Irak, Syrien, Somalien und Nigeria.
Hinzu kommt die Legion von islamischen Anschlägen in Europa nicht erst seit 2015. Auch hier bietet die englische Wikipedia einen brauchbaren Überblick. Sie nennt seit Anfang 2015 41 Anschläge (die Türkei nicht miteingerechnet, da ich sie nicht zu Europa zähle). Ein paar Beispiele aus jüngerer Zeit: Paris (Januar 2015, 17 Tote), Kopenhagen (Februar 2015, 2 Tote), Paris (November 2015, 130 Tote), Brüssel (März 2016, 32 Tote), Nizza (Juli 2016, 86 Tote), Berlin (Dezember 2016, 12 Tote), London (März 2017, 5 Tote), St. Petersburg (April 2017, 15 Tote), Stockholm (April 2017, 5 Tote), Manchester (Mai 2017, 22 Tote), London (Juni 2017, 8 Tote), Barcelona (August 2017, 16 Tote), Turku, Finnland (August 2017, 2 Tote), Carcasonne und Trèbes (März 2018, 4 Tote), Liège (Mai 2018, 4 Tote). Hinzu kommen die USA: San Bernardino (2015, 14 Tote), Orlando (2016, 49 Tote), New York (2017, 8 Tote). Auch in Australien gab es etliche Vorfälle, vor allem Messerattentate.
Am 18. März tötete ein 37jähriger Türke drei Menschen in Utrecht und verletzte fünf. Darauf folgte wie immer ein großes Rätselraten über die Motive des Täters. Es gab unbestätigte Hinweise, daß er in Tschetschenien gekämpft und Verbindungen zum IS hat. Schließlich wurde ein Abschiedsschreiben gefunden, in dem der Täter erklärt “im Namen Allahs gehandelt zu haben”, inklusive Gruß an seine „muslimischen Brüder“.
Kurz zuvor hatte der türkische Präsident Erdogan das Video, das der Attentäter von Christchurch von seinem Anschlag aufgenommen hatte, als Anheizer für den Kommunalwahlkampf eingesetzt:
Er warf dem Westen einen neuen „Kreuzzug“ gegen die Türkei vor. Sein politischer Partner Devlet Bahceli sagte, die Türkei werde „die Kreuzritter im eigenen Blut ersäufen“. Erdogan wirft dem Westen bereits seit langem vor, islamistisch motivierte Terroranschläge als Vorwand für Kritik am Islam insgesamt auszunutzen, bei Angriffen auf Muslime aber auf ähnliche Schuldzuweisungen zu verzichten. Nach dem Tod von 50 Menschen bei Tarrants Anschlag auf Moscheen im neuseeländischen Christchurch spreche niemand von einem „christlichen Terroristen“, beklagte Erdogan am Wochenende.
Inzwischen droht in Neuseeland einem Teenager eine Freiheitsstrafe von 14 Jahren, weil er den “Livestream” von dem Attentat auf Facebook geteilt hat.
Um nun einem Einwand zuvorzukommen: Die obige Aufzählung ist kein “whataboutism”, sondern scheint mir unerläßlich zu sein, um das Gesamtbild in die richtigen Proportionen zu rücken. Dabei lasse ich die legitime Frage nach etwaigen geheimdienstlichen Manipulationen einiger dieser Anschläge mal außen vor. Der Terrorismus jedenfalls nicht der einzige, aber doch ein sehr gewichtiger Grund, warum die wachsende Präsenz vom Muslimen in Europa von vielen Menschen als bedrückend, ja bedrohlich empfunden wird.
Die Strategie mancher Muslime, die zweifellos vorhandene “Islamfeindlichkeit” auf die “Hetze” von Rechtspopulisten zurückzuführen ist ebenso unaufrichtig, wie der Versuch, die Anschläge und andere Widrigkeiten auf eine “falsche” Auslegung der “Religion des Friedens” zurückzuführen, als ginge es um eine Ehrenrettung des Islams und sonst nichts. Die Ursachen der “Islamfeindlichkeit” liegen ganz klar im Verhalten der meisten Muslime selbst, verbunden mit ihrer wachsenden Zahl und angefangen mit ihrem Willen, die Integration oder Assimilation in ihre Gastländer weitgehend zu verweigern, dabei aber allerlei Privilegien einzufordern.
Der islamistische und der anti-islamistische Terror sind Kollateralschäden ein- und desselben “historisch einzigartigen Experiments” (Yascha Mounk). Wer den Multikulturalismus um jeden Preis will, und die eine Art von Terror als “part and parcel” in Kauf nimmt, wird auch die andere in Kauf nehmen oder zumindest mit ihr rechnen müssen. Und es wird mit mathematischer Sicherheit weitereskalieren, wenn die Ursachen nicht behoben und das wahnwitzige Experiment nicht heruntergefahren wird (das ist keine “Drohung” wie etliche Linke glauben, die nicht wahrhaben wollen, daß die Menschen sich nicht nach ihren utopischen Ideen verhalten; das ist schlicht und einfach eine Wahrscheinlichkeitsrechnung).
Der Täter von #Christchurch will die demographische Zeitbombe auf der wir sitzen hochjagen. Der Mainstream will so tun als gäbe es sie nicht. Identitäre wollen sie entschärfen.
Nun aber zu dem Täter selber.
Wie Breivik hinterließ Brenton Tarrant ein “Manifest” (im Internet leicht zu finden, hier gibt es ein paar übersetzte Auszüge) und zeichnete seine Tat via “Livestream” auf, als eine Art “First Person Shooter”-Video (ebenfalls leicht im Internet zu finden, ich empfehle allerdings nicht, es sich anzusehen). Es ist ideologisch und inhaltlich wesentlich kondensierter als Breiviks tausendseitiges Copy & Paste-Konvolut.
Es trägt den Titel “The Great Replacement” – “Der große Austausch”, nach einem von Renaud Camus geprägten Begriff. Er selbst wird in dem Manifest ebensowenig erwähnt wie die Identitäre Bewegung, die Gewalt strikt ablehnt und auf metapolitische Strategien setzt. Seine Schriften waren lange nicht auf Englisch greifbar. Im November 2018 veröffentlichte er eine englische Fassung einiger seiner Essays. Der Begriff hat sich aber bereits zuvor im anglophonen Raum durchgesetzt. Daß er als Titel des Manifests auftaucht, ist natürlich ein dickes “Bingo!” für alle, die den Islam- und Einwanderungskritikern Haß- und Genozidphantasien unterstellen. So wird Camus in Frankreich gerade massiv angegriffen.
Wie immer sticht der Doppelstandard ins Auge, mit dem die Taten und die Täter bewertet werden: Rechtsextremisten sind von Natur aus “böse”, Islamisten wurden erst “böse” gemacht, durch Ausgrenzung und Diskriminierung. Muslime werden pauschal in Schutz genommen, und scharf von den Islamisten abgetrennt, während Rechte pauschal verdächtigt und in einen Topf verrührt werden (ich halte die Unterscheidung “islamisch” und “islamistisch” für ebenso sinnvoll wie “rechts” und “rechtsextrem”, werde der Einfachheit halber die Begriffe jedoch synonym benutzen.)
Nach einem islamischen Anschlag wird nie darauf vergessen, hinzuweisen, daß er doch bloß “den Rechten in die Hände spiele”, und es wird kaum etwas unternommen, seine Ursachen zu bekämpfen. Sadiq Khan, der muslimische Oberbürgermeister Londons zuckt dann die Schultern: Terroranschläge seien “part and parcel of living in a big city”, “ein Bestandteil des Lebens in einer Großstadt.” “Wir werden mit der Terrorbedrohung leben müssen”, beschwichtigt Thomas de Maizière. Ein rechter Anschlag hingegen impliziert die ganze Mehrgesellschaft, aus deren Mitte angeblich “Rassismus” und “Fremdenfeindlichkeit” erwachsen.
Dieselben Leute, die jeden Zusammenhang zwischen Koran und Terror abstreiten oder von allenfalls “fundamentalistischen” Auslegungen sprechen, wittern nun die Chance, jedem, der den Begriff “der große Austausch” benutzt, eine “Nähe” zu dem Attentäter zu unterstellen, womit sie auf perfide Weise vor allem eine “Nähe” zu seiner Tat unterschieben wollen. Man will also schlicht und einfach die offene Diskussion über Einwanderung, Islamisierung und Demographie stigmatisieren und abwürgen. Man will einschüchtern und drohen, indem man allen, die sich an diese Themen heranwagen, gravierende ethische Defekte und kriminelle Energien unterstellt.
Um die Anschuldigungen besonders gründlich zu vergiften, bezeichnen die Verleumder den “großen Austausch” als “Verschwörungstheorie” oder “Wahnidee”, während sie ein- und denselben Vorgang in einem anderen Kontext abfeiern: als “Fortschritt”, “Diversity”, “Buntheit” usw. Ich bin auf darauf schon etliche Male eingegangen. Das demographische Problem sämtlicher weißer Völker (das inkludiert leider auch den weniger betroffenen Osten Europas und Rußland) ist real, es ist nachweisbar und wird zu tödlichen Konsequenzen für unsere Kultur und Zivilisation führen.
Michael Klonovsky kommentierte:
Ganze Städte und Stadtteile haben den Bevölkerungsaustausch schon zur Hälfte bewältigt: Blackburn, London-Tower Hamlets, Malmö, Marseille, Duisburg, Berlin-Neukölln etc. pp., es ist einfach ein Fakt. Und diejenigen, die den Austausch (“Wandel”, “Buntheit”, “Offenheit”) gutheißen oder preisen, dürfen die Folgen auch ganz unbefangen schildern und in einem globalen Migrationspakt, der nur ein Wanderungsziel und nur eine Wanderungsrichtung kennt, allmählich als politisch gewollt festschreiben. Eine “Verschwörungstheorie” wird erst daraus, wenn “Rechte” sich dagegen erklären.
Ohne Zweifel ist es ein dicht gepackter Koffer aus verschiedenen, vermutlich im Internet zusammengelesenen rechten Positionen, Motiven und Analysen, aus denen Tarrant den Schluß zieht, daß radikale Gewaltanwendung gerechtfertigt, ja notwendig sei, um die europäischen Nationen und ihre kolonialen Ableger vor der Auslöschung durch demographische Übernahme zu retten. Sein erklärtes Ziel ist es, eine blutige Eskalation auszulösen.
Das “Manifest” enthält nichts Originäres, ist aber vollgepackt mit Referenzen, die im anglophonen rechten Netz gang und gäbe sind. Darunter etliche Anspielungen, die man nur verstehen kann, wenn man mit der 4chan- oder 8chan-Subkultur und der “Altright”-Sphäre vertraut ist. Ein Foto zeigt den Verhafteten in Handschellen, das Gesicht unkenntlich gemacht, während die Finger seiner Hand die “OK-Geste” formen. Daß dies für “White Power” stünde, war ein internetgenerierter Scherz, mit dem sich Nationalisten, MAGA-Anhänger, “Altright” und “Alt-Lite” über die Paranoia der Linken lustig machen wollten. Tarrent hat sich praktisch in ein wandelndes Mem verwandelt.
Zu Beginn seines Livestream-Video hört man ihn sagen: “Remember lads, subscribe to PewDiePie – Denkt dran, Jungs, abonniert PewDiePie!” Das wirkt fast schon surreal. Der schwedische Youtuber hat ein Millionenpublikum und ist bekannt für gelegentliche politisch unkorrekte Scherze und Provokationen. In der rechten Szene gilt es daher als “running gag”, PewDiePie als /ourguy/ einzusortieren, was nicht ganz ernst gemeint ist.
Für Außenstehende, die die Versatzstücke nicht identifizieren können, klingen Bekenntnisse wie “Ich bin ein Ethnonationalist und Ökofaschist” wirr und inkohärent. Wenn Tarrant schreibt, daß die Nation, die seinen politischen und sozialen Werten am nächsten stünde, die Volksrepublik China sei, dann ist das wohl nur zum Teil ein Scherz: Man kann in China durchaus einen “rassisch homogenen”, “national-sozialistischen”, kollektivistischen, antiliberalen, autoritären Staat sehen, der manchen extremen Rechten (aus der Ferne) durchaus zuzusagen scheint.
Auf einer ähnlichen Ebene operiert seine Behauptung, es sei ausgerechnet Candace Owens gewesen, deren Ansichten ihn “immer tiefer und tiefer zu der Überzeugung getrieben haben”, daß “Gewalt über der Sanftmut steht”: “Obwohl ich mich von einigen ihrer Überzeugungen distanzieren muß, sind die extremen Taten, zu denen sie aufruft, sogar für meinen Geschmack zuviel.” Das ist offensichtliches Getrolle. Owens ist eine gemäßigte schwarze Mainstreamkonservative, die den Job hat, schwarze Stimmen für die Republikanische Partei zu fischen. Allerdings hat sie tatsächlich mehrfach auf die Gefahr wachsender muslimischer Geburtenraten hingewiesen.
Die Erwähnung von Owens und PewDiePie, allerdings auch von Merkel und Erdogan, die mit dem Tod bedroht werden, hat natürlich den simplen Zweck, Aufmerksamkeits- und Skandalisierungsköder auszulegen, die folgerichtig gierig geschluckt wurden. Ein nihilistischer Ton durchzieht das Manifest, und es ist schwer zu unterscheiden, was ernst und was ironisch oder sarkastisch gemeint ist, was tatsächlicher Größenwahn oder was eine reine Show ist. Das ist ziemlich gruselig. Wenn es eine Fälschung ist, um der Rechten zu schaden, wie manche unvermeidlicherweise vermuten, ist sie sehr clever gemacht.
In einem Fragebogen gibt Tarrant als Hauptgründe für seine Tat Abschreckung und Rache an – und zwar nicht bloß Rache für die “tausenden Toten” der jüngeren islamischen Terroranschläge in Europa und den USA, sondern für die “hundertausenden Toten”, die “fremde Invasoren” der “europäischen Länder” im Laufe der Geschichte auf ihr Kerbholz geschnitzt haben, und für die ” Millionen Europäer”, die “islamische Sklavenhalter” entführt und geknechtet haben. Er wollte außerdem “die Einwanderung in europäische Länder direkt reduzieren”, indem er “die Invasoren” eigenhändig “physisch entfernt”.
Mit anderen Worten, die zufällig ausgewählten Besucher der Moschee in Christchurch sollten für 1,500 Jahre islamischer und sonstiger Aggression gegen Europa büßen. Dies signalisierte Tarrant auch mit den Aufschriften auf seiner Waffe und den Munitionsmagazinen, die Gestalten und Ereignisse aus der europäischen Geschichte beschworen, die im Kampf gegen den Islam standen, von Karl Martell angefangen.
Das ist eine völlig aberwitzige Denkweise. Gemäß dieser Vergeltungslogik könnte man Massenmorde an beliebigen weißen Christen in beliebigen Ländern ebenso mit der Versklavung, Eroberung und Kolonisierung nicht-europäischer Völker rechtfertigen, egal, wieviele Jahrhunderte diese Ereignisse zurückliegen mögen. Und so mancher “Social Justice Warrior”, den es bei dem Schlagwort “weißer Genozid” wohlig durchrieselt, würde das vermutlich für keine schlechte Idee halten.
Es versteht sich von selbst, daß eine solche Haltung weder neurechts noch identitär ist, sondern das genaue Gegenteil. Es gehört zum Kern der neurechten oder identitären Überzeugung, einen derartigen Wahnsinn entschieden zurückzuweisen.
Islamische Terroristen argumentieren bekanntlich sehr ähnlich. In meinem Buch “Die Hierarchie der Opfer” zitierte ich Anis Amri, den Atttentäter vom Berliner Breitscheidplatz. Sein Bekennervideo auf dem IS-Propagandakanal Amaq veröffentlicht:
Ich verspreche, mich aktiv am Dschihad gegen die Feinde Allahs zu beteiligen, soviel ich kann. Und was jene Ungläubigen betrifft, die die Moslems jeden Tag bombardieren, schwöre ich, daß wir sie jagen und wie Schweine für das töten werden, was sie mit diesen Moslems tun. (…) Ich bete zu Allah, um mir den Weg zu ebnen, jene Ungläubigen zu töten, die den Islam und die Moslems bekämpfen.
Mein Kommentar dazu lautete:
Diese Rhetorik ist typisch für den islamischen Extremismus: der Täter stellt sich selbst und seine Glaubensbrüder als Opfer dar, die es zu rächen gilt. Seine Gewalt ist Notwehr, Vergeltung und gerechter Zorn im Namen Allahs; sein Denken geht vom Recht der Gruppe, nicht des Individuums aus, weshalb es ihm als gerechtfertigt erscheint, persönlich Unschuldige zu töten, wenn sie der als feindlich angesehenen Gruppe angehören. Amri attackierte eine individualisierte, fragmentierte, pluralistische Gesellschaft, die diese Gruppenidentifikation und ‑solidarität kaum noch kennt, und darum ein umso leichteres Ziel ist.
Islamische Attentäter haben dabei vor allem das militärische Engagement des Westens im Nahen und Mittleren Osten vor Augen. Natürlich ist es das die übliche Logik des Krieges, die über Individuen hinwegsieht, und den anderen als Gruppe treffen und schwächen will. Wenn Palästinenser im Gazastreifen Raketen nach Israel abfeuern, dann wollen sie nicht bloß “Zionisten”, sondern Israelis als Gruppe treffen; ebenso umgekehrt, wenn Israelis dann als Antwort mal wieder den Gazastreifen disproportional mit Bomben eindecken.
Apropos Bataclan sagte Alain de Benoist:
Das eigentliche Problem ist, daß wir uns zwar im Kriegszustand befinden, daß aber viele Franzosen überhaupt keine Vorstellung davon haben, was das eigentlich bedeutet. (…) Sie halten Schweigeminuten ab und zünden Kerzen an, nicht anders, als wenn ein Amoklauf in einer Schule, ein Flugzeugabsturz oder ein Erdbeben stattgefunden hätten. Sie erklären, daß sie »keine Angst haben«, während sie auf jeden falschen Alarm wie kopflose Kaninchen reagieren. Es herrschen Angst, Unsicherheit, Psychose. Am Ende erklärt man sich die Angriffe als Entfesselung einer unbegreiflichen Gewalt, deren Urheber »den Tod lieben« und deren Opfer »das Leben lieben«. Dieses Vokabular, diese Haltung, diese Reaktionen sind nicht die eines Volkes, das begriffen hat, was Krieg ist.
Niemand habe
den Franzosen ausreichend erklärt, warum sie sich an der Seite der Amerikaner in einem Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten engagieren sollen, oder warum wir hartnäckig jegliche Kooperation mit Syrien und dem Iran verweigern, die den IS mit Waffengewalt bekämpfen, während wir gleichzeitig die Öldiktaturen am Golf hofieren, die die Dschihadisten direkt oder indirekt unterstützen.
Wenn ein bouche d’or wie Bernard-Henri Lévy nach westlichen “Regime-change”-Interventionen in Libyen oder Syrien ruft, sollte er vielleicht nicht so laut in die Posaune blasen, wenn der Terror eines Tages auch Frankreich erreicht. Man kann in einer globalen Welt nicht mehr in einem anderen Land Krieg führen und gleichzeitig zuhause sicher sein.
Die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright schrieb auf Twitter:
Angesichts der entsetzlichen Terrorattacken gegen muslimischen Beter in Christchurch sind alle meine Gedanken bei den Familien der Opfer, bei der muslimischen Gemeinschaft, und bei den Menschen von Neuseeland. Menschen aller Glaubensrichtungen müssen diese Angriffe verurteilen und jene anprangern, die Islamophobie ermutigen.
Dieselbe Albright, die der Ansicht war, der Tod einer halben Million irakischer Kinder im Zuge eines US-Embargos nach dem ersten Golfkrieg wären “den Preis wert gewesen.” Aber “Islamophobie” läßt sich die gute Dame gewiß nicht vorwerfen!
Wie Breivik, sah sich Tarrant als Kombattant in einem globalen, jahrhundertealten Krieg, “the West against the Rest”, insbesondere gegen die islamische Welt. Darum ist es auch völlig irrelevant, ob der Prozentsatz an Muslimen in Neuseeland mit 1% noch ziemlich klein ist (der Anteil der Weißen an der Bevölkerung sinkt allerdings wie in allen westlichen Ländern rapide). Vielleicht war es auch egal, daß eine der beiden Moscheen, die er attackierte, Verbindungen zu Al-Qaida pflegt, und der neuseeländischen Polizei als Radikalisierungsbrutstätte bekannt ist. Er hatte vielmehr die westliche Welt in ihrer Gesamtheit vor Auge - think globally, act locally.
Nach eigenen Angaben war es der Anschlag in Stockholm vom 7. April 2017, der ihm endgültig die Augen öffnete. Der “abgebrühte Zynismus”, mit dem er “auf frühere Attacken” seitens “islamische Invasoren” reagiert hatte, war nun verschwunden:
Ich konnte nicht mehr höhnisch lächeln, ich konnte die Gewalt nicht mehr ignorieren. Diesmal war etwas anders. Der Unterschied war Ebba Akerlund. Die junge, unschuldige, tote Ebba Akerlund.
Also das elfjährige Mädchen, das durch die Lastwagenattacke buchstäblich entzwei gerissen wurde. Von ihrer Leiche kursieren einige grausige Fotos im Netz.
Ebbas Tod durch die Hand der Invasoren, die Unwürdigkeit ihres gewaltsamen Ablebens und mein Unvermögen, es aufzuhalten, brachen durch meinen abgebrühten Zynismus wie ein Vorschlaghammer. Ich konnte die Angriffe nicht mehr ignorieren. Es waren Angriffe auf mein Volk, Angriffe auf meine Kultur, Angriffe auf meinen Glauben, Angriffe auf meine Seele.
Tarrant argumentiert, daß ihn der Tod eines ihm persönlich unbekannten Mädchen so getroffen habe, daß er fortan auf Rache sann, auf eine Rache, die er an Menschen vollstrecken wollte, die an dem Attentat völlig unbeteiligt waren. Ich kaufe ihm diese schwachen Nerven und diese Traumatisierung nicht ab, nicht zuletzt im Hinblick auf den Zynismus und Nihilismus, der sein Manifest durchzieht. Viele Menschen waren zornig und geschockt über diesen oder andere Anschläge, und das völlig zu Recht. Insbesondere der gewaltsame Tod eines Kindes ist eine entsetzliche Sache, und eine verstümmelte Kinderleiche ein unerträglicher Anblick. Aber wie viele Menschen triggert das ernsthaft, Vergeltung an Unbeteiligten zu üben?
Als weiteren Wendepunkt nennt Tarrant eine Frankreich-Reise, in deren Verlauf ihm das Ausmaß des Bevölkerungsaustausches drastisch bewußt wurde. Eine weitere Desillusionierung sie der enttäuschende Ausgang der französischen Wahlen im Jahr 2017 gewesen. Hier reifte in ihm die Überzeugung, daß “demokratische” Wege zum Scheitern verurteilt seine und radikalere Mittel notwendig seien. Auch darin gleicht er Breivik, der sich zunächst in der “Fortschrittspartei” engagierte.
In meinem Essay “Norwegian Psycho”, erschienen in dem von Manfred Kleine-Hartlage und mir herausgegebenen, inzwischen vergriffenen Band “Europa verteidigen” mit Aufsätzen des norwegischen Bloggers Fjordman schrieb ich:
Man kann darüber nur spekulieren, aber Breiviks Gedankengänge folgten vermutlich einem typisch apokalyptischen Muster: wenn das System unreformierbar und im Kern verrottet ist, dann ist alles zu begrüßen, was die Lage verschlimmert. Alles andere erzeugt nur falsche Hoffnungen. Worse is better. Es wird keine Rettung für Europa geben, geschweige denn durch ein Blutbad und einen Entscheidungskampf. Was fällt, soll man auch noch stossen, sagte Nietzsches Zarathustra – darum ist es logisch, den Crash noch zu beschleunigen, die Kräfte der Zersetzung noch zu fördern. Worauf noch warten? Ein paar zähe Wahldurchgänge, ein paar brave „Schwedendemokraten“ und ein paar „wahre Finnen“ im 10 % Bereich, ein bißchen mehr Meinungsfreiheit und Einwanderungsreförmchen werden das Ruder nicht herumreißen. Sie wirken nur als retardierendes Moment, sie werden den langsamen Suizid und die Agonie des Westen nur verlängern und verschleppen.
Exakt dasselbe Ziel verfolgte auch Tarrant. Er gibt es offen zu. Laut seinem Manifest wollte sein Anschlag folgendes erreichen:
- “Die Feinde meines Volkes” zu exzessiven Maßnahmen treiben, die einen Rückschlag provozieren könnten
- Eine “Atmosphäre aus Angst und Wandel” zu erzeugen, in der “drastische, mächtige und revolutionäre Taten” geschehen können
- “Den Pendelschlag der Geschichte antreiben, die westliche Gesellschaft weiter zu destabilisieren und polarisieren, und letztendlich den laufenden nihilistischen, hedonistischen, individualistischen Wahnsinn zu zerstören, der das westliche Denken beherrscht”
- Die NATO und die Türkei voneinander zu entfremden, damit die Türkei wieder als “fremde, feindliche Macht” betrachtet wird. (Erdogan hat bereits angebissen)
- Den Verbot des Privatbesitzes von Feuerwaffen voranzutreiben, was in den USA zu einem Bürgerkrieg führen werde.
Er ist mit anderen Worten ein “Akzelerationist”, ebenso wie Breivik. Er möchte gleichzeitig den Rassenhaß fördern, Einwanderer und Muslime abschrecken und den politischen Druck auf Rechte und Patrioten erhöhen, damit sie sich ebenso radikalisieren wie er. Der große Kladderadatsch soll die Lösung bringen. Das ist nichts anderes als eine Variante des altrechten “Tag X”-Denkens, wie sie schon 2012 auf dem IB-nahen Blog “Der Funke” kritisiert wurde:
Man will hier und jetzt, Herr der Lage werden, endlich auch einmal machtvoll auftreten, Angst und Schrecken verbreiten, irgendwelche Effekte erzielen, Rache üben. Der Terror ist vor allem emotional und psychologisch begründet. Daher verschwimmt sein Ziel auch zur Bedeutungslosigkeit. Überall lauert das „System“ und das Böse, das einem umstellt. Was schlägt und trifft besser nach „Überall“ als eine Explosion im übervölkerten Raum?
Dieser Terror trifft unschuldige Opfer, oder unwichtige Handlanger und beschmutzt die identitäre Sehnsucht nach Heimat und Volk. Er ist Wasser auf den Mühlen der Schuldkult-Ideologie. Er wird niemanden „aufrütteln“ , denn wer sich durch den Wahnsinn des europäischen Suizids nicht jetzt schon zur Tat bereit erklärt, wird das auch nicht durch die Massenmorde eines Breiviks.
Anders als die meisten islamischen Terroristen, hat er jedoch kein echtes Hinterland im Rücken, in dessen Namen er seine Taten legitim vollstrecken könnte. Auch hierin ähnelt er Breivik. Die Andeutungen in seinem und Breiviks Manifest, mit einem Netzwerk aus “Tempelrittern” verbunden zu sein, ist vermutlich gezielte Irreführung. So weit man es von außen einschätzen kann, sind beide “einsame Wölfe”, die zu einem seltsam dramatischen “LARPing” neigen.
Und wie bei Breivik mündet alles in einem narzißtischen “blast of glory”, in dem sich der Killer in einen Todes- und Adrenalinrausch versetzt, als Herr über Leben und Tod, der sich wie ein großer Held fühlt, während er hilflose Unbewaffnete niedermetzelt. Eine ähnliche Pathologie wird man gewiß auch bei Terroristen anderer Couleur finden, insbesondere im Umkreis von ISIS. Was verbergen sich für todessehnsüchtige Abgründe unter der ideologischen Firnis?
Das Töten ist die „niedrigste Form des Überlebens“, wie sie Elias Canetti in Masse und Macht beschrieb:
Der Augenblick des Überlebens ist der Augenblick der Macht. Der Schrecken über den Anblick des Todes löst sich in Befriedigung auf, denn man ist nicht selbst der Tote. Dieser liegt, der Überlebende steht. (…) Es ist aber wichtig, daß der Überlebende allein einem oder mehreren Toten gegenübertritt. Er sieht sich allein, er fühlt sich allein, und wenn von der Macht die Rede ist, die dieser Augenblick ihm verleiht, so darf nie vergessen werden, daß sie sich aus seiner Einzigkeit und aus ihr allein ableitet. (…) Wem dieses Überleben oft gelingt, der ist ein Held. Er ist stärker. Er hat mehr Leben in sich. Die höheren Mächte sind ihm gewogen.
Wie Breivik, wollte Tarrant praktisch das gesamte rechte Spektrum bewußt belasten und in seinen Maelstrom hineinziehen, um dessen Radikalisierung zu erzwingen. Er wurde von praktisch dem gesamten rechten Spektrum verdammt, hierzulande ebenso, wie im anglophonen Raum. Exemplarisch ist dieses exzellente Statement von Martin Sellner, dem ich vollinhaltlich zustimme.
Übrigens herrscht selbst im radikalen oder extremistischen Bereich Distanz vor: Im Diskussionsforum des Portals stormfront.org hält die überwiegende Zahl der User die Tat für eine “false flag”-Aktion oder gar für einen “Fake” mit “Krisenschauspielern”, auch wenn einige die “Akzelerations”-Strategie befürworten. Einzig die berüchtigte Seite “Daily Stormer” feierte es auf gewollt zynische Weise ab (ich verlinke sie mit Absicht nicht).
Wir müssen damit rechnen, daß solche Differenzierungen der Gegenseite herzlich egal sein werden. Sie vollstrecken den Willen des Täters, ohne es zu merken, und lassen sich das gefundene Fressen nicht aus dem Mund nehmen. Manche schrecken auch nicht davor zurück, dreist zu lügen, wie dieser wackere Kämpfer gegen Islamfeindlichkeit. Wer in Zukunft vom “großen Austausch” spricht, soll mit rassistischen Verbrechen assoziiert werden.
Attackiert, mit Haßmails bombardiert und verleumdet werden nun sowohl liberale Ex-Muslime wie Hamed Abdel-Samad als auch Identitäre wie Martin Sellner.
Abdel-Samad antwortete seinen Verleumdern auf Facebook:
Wenn ihr nicht den islamistischen Terror, die Integrationsmisere, die Unterwanderungsversuche der Islamisten im Westen, die ungesteuerte Migration, die Globalisierung und die Angst vor dem Abstieg, sondern alleine die Islamkritik für Hass gegen Muslime verantwortlich macht, dann werdet ihr weder den Hass im Islam noch den Hass gegen Muslime jemals bekämpfen können. (…) Ich lass mich weder moralisch, noch politisch noch durch Morddrohung erpressen. Lebt mit meiner Kritik oder verbietet die Meinungsfreiheit!
Nichts anderes haben wir Neurechte und Identitäre zu sagen.
Ein gebuertiger Hesse
Genau der rechte Text zu dieser Stunde. That's all there is to say.