Bei der Wiederlektüre von Fayes Buch L’Archéofuturisme (“Archäo-Futurismus”, erschienen 1998, als eine Art “Comeback” nach einer längeren Abstinenz von der politischen Publizistik), das bislang nicht auf Deutsch übersetzt wurde, stieß ich auf eine interessante Kritik an der “Nouvelle Droite”, der ich im Großen und Ganzen zustimme.
Einige von Fayes Kritikpunkten haben nach wie vor Relevanz, weshalb ich sie hier wiedergeben möchte.
1. Der Front National und das Scheitern der “gramscistischen” Strategie
Hier geht es um die berüchtigte “Metapolitik”, deren Theorie eng mit dem Namen des italienischen Marxisten Gramsci (1891–1937) und seinem Schlagwort von der “kulturellen Hegemonie” verbunden ist. Faye wirft den Denkern der Nouvelle Droite vor, daß sie hier in erster Linie intellektuelles “name-dropping” betrieben hätten und die tatsächliche Gramsci-Lektüre eher oberflächlich gewesen sei.
Die Gramsci-Rezeption der ND habe sich allzu sehr auf den kulturellen Aspekt der metapolitischen Strategie kapriziert, und dabei verkannt, daß der marxistische Philosoph seinen Kulturkampf als Kampf einer spezifischen politischen Entität, nämlich der Kommunistischen Partei verstanden habe. Das führte zu dem Irrglauben “Alles ist kulturell, alles ist intellektuell.” Dadurch wurde der genuin politische Aspekt der Metapolitik unterschätzt, ja ignoriert.
Dies hatte zur Folge, daß die ND seit Ende der achtziger Jahre an Anziehungskraft auf das rechte Lager verlor, denn ein stärkerer, polarisierender Konkurrent war auf den Spielplan getreten: der Front National, der in den siebziger Jahren noch als “Minigruppe für Taugenichtse” galt:
Wir betrachteten seine Anhänger als bigott, papistisch, reaktionär, USA-hörig, chauvinistisch und anti-europäisch. Le Pen, dieser alte Soldat und Neo-Boulangist, der aussah wie ein Seeräuber und nur Verwirrung stiftete, wurde von unseren Treffen verbannt.
Etliche ND-Intellektuelle liefen Anfang der Neunziger zu Le Pen über, was einen veritablen “brain drain” auslöste. Nun interessierten sich auch die Medien kaum mehr für Benoist und seine Spießgesellen, da der NF weitaus “härteren” politisch inkorrekten Stoff bot.
Faye erinnert daran, daß auch linke Metapolitik nicht auf Parteibindung und ‑unterstützung verzichten kann. Hinzu kommt die tiefere und breitere Verankerung der Linken im “Medienzirkus”, die der Schlüssel zum Erfolg politischer Propaganda ist.
Hier spricht Faye einen zweifellos wichtigen Punkt an: Mit dem Auftreten der AfD hat sich das Spiel für die rechte bzw. konservative Intelligenz in Deutschland grundlegend verändert. Vielen vagabundierenden Rechten eröffneten sich nun realpolitische Perspektiven und nicht zuletzt bezahlte Posten.
Die bislang im öffentlichen Wartesaal stagnierende, intellektuelle und journalistische Energie, die sich weder mit der CDU/CSU noch der NPD (oder auch der FDP) identifizieren konnte, fand nun einen Anlaufpunkt und potenziellen politischen Arm vor, der den Vorteil hatte, ideologisch noch ziemlich offen, aufnahmebereit und ungefestigt zu sein. Momentan hat man realpolitisch gesehen als Rechter, Konservativer oder sogar Libertärer in Deutschland kaum eine andere Wahl, als die Unterstützung der AfD, auch wenn es immer wieder erhebliche Unzufriedenheit gegenüber Ausrichtung, Flügelkämpfen und Personal gibt.
In Österreich liegt der Fall etwas anders, da das parteipolitische Pendant der AfD, die FPÖ, schon wesentlich länger existiert, einen fixen Platz im Parteienspektrum einnimmt und sich ideologisch-genetisch aus unterschiedlichen Grundlagen speist. Man verläßt sich auf Altbewährtes, betont den rein politischen Aspekt (notorisch geworden im Strache-Schlagwort von den “Gebietskörperschaften”), und betrachtet alternative patriotische Initiativen eher als Konkurrent, gegenüber dem man sich auch noch opportunistisch “distanzieren” kann (natürlich ohne Erfolg). Hier ist die Unfähigkeit der FPÖ, zu begreifen, daß sie auch einen starken kulturellen, medialen und intellektuellen Arm braucht, Teilursache ihrer derzeitigen Niederlage geworden.
2. Zunahme der Zensur und “Selbstverharmlosung” der ND
Faye wirft der ND vor, ihre Angriffslust verloren zu haben, die sie auf dem Höhepunkt ihrer Bekanntheit (um 1978–80) ausgezeichnet habe, als sie Zielscheibe wütender Medienkampagnen wurde. Er wirft ihr vor, sich vor der zunehmenden politischen Zensur in Frankreich eher gebückt und geduckt zu haben, statt sie frontal anzugreifen. Sie habe nichts mehr zu bieten, das “überraschend, schockierend, provokant oder neu” sei.
3. Uneffektive Publikationspolitik
Die Aufteilung der Publizistik der ND in drei unterschiedliche und doch eng verwandte Publikationen – Nouvelle École, Krisis, Éléments – hält Faye für eine verwirrende Zerfaserung, wo eine Bündelung der Kräfte wichtiger wäre. Die beiden ersteren Magazine behandeln intellektuelle Grundlagenthemen, während die Éléments darauf abzielen, ein gebildetes Publikum zu erreichen, das über die üblichen rechten Milieus hinausreicht.
Dies gelinge aus mehreren Gründen nicht: Der Zeitschrift fehle es an Dynamik, sie behandle zu viele literarische und intellektuelle und zu wenig soziale Themen; die Artikel seien oft steif und redundant, die Bebilderung sei unpassend und mit schlechten Legenden versehen. Es gäbe zu viele Analysen und zu wenig konkrete Vorschläge, was man ändern könne unter dem Motto: “Laßt uns die Debatte eröffnen – Was sollen wir tun?”
Man müsse außerdem zwei publizistische Fronten unterscheiden: Einige Texte sollen vor allem auf die “innere” Rezeption abzielen, andere sich mehr nach außen richten, “in das Herz des Systems”.
Inwiefern sich diese Kritik für Frankreich aktualisieren läßt, kann ich nur eingeschränkt beurteilen. So weit es mich angeht, sind Inhalt und heutiges Layout der Éléments hervorragend. Ich würde sagen, es handelt sich um eine Art Zwischending aus Sezession und Compact. Dominant ist heute die “populistische” Ausrichtung, inklusive Schulterschluß mit geistig nahestehenden non-konformen Linken wie Michéa, Guilluy oder Onfray.
Wichtig ist hier freilich die Frage: An welches Publikum richtet sich eine rechte Publikation? Die Beschränkung auf einen “inneren” Lesekreis ist hier von vornherein stärker, da rechtes und konservatives Denken weniger “metapolitische” Verankerung hat. Was fehlt der deutschen rechten Printpublizistik, die bereits Sezession, Tumult, Compact, Junge Freiheit, Arcadi, Cato… hat?
4. Semantische Ungeschicktheit und “Dritte Welt”-Ideologie
Faye spricht hier ein Phänomen an, das manche an der ND nervt, während es andere wieder anzieht (wobei er auch sich selbst schuldig spricht, sich an diesem Sport beteiligt zu haben):
Die Doppelzüngigkeit vieler Artikel, Magazine und Bücher zeigte sich in der Bezugnahme auf typische Themen, Autoren und ikonographische Traditionen der radikalen Rechten, während gleichzeitig antirassistische, pro-islamische, pseudo-linke, antikolonialistische Tiraden angestimmt wurden. Dies hat den Feind nicht getäuscht und unsere Leserschaft verwundert.
Ich denke, Faye hat hier einen wichtigen Punkt getroffen. Der “antirassistische” Diskurs von rechts (etwa via Benoist und “Ethnopluralismus”) ist selten überzeugend, weil er eben doch zu sehr auf linken Prämissen beruht – etwa den Kampfbegriff des “Rassismus” akzeptiert (tatsachenorientierter “race realism” à la Jared Taylor – siehe hier und hier – ist meiner Ansicht nach der einzig gangbare und aufrichtige Weg).
Ebenso halte ich die rechte Form der Islamophilie aus antiliberalen, geopolitischen, “traditionalistischen” etc. Gründen (die freilich allesamt eine Teilberechtigung haben) für eine schwere Verirrung (jetzt wundern sich sicher manche meiner “liberalkonservativen” “Freunde”).
Allerdings bin ich mit meinem Kollegen Benedikt Kaiser der Ansicht, daß ein “Blick nach links” wichtig ist, und man sich nicht genieren braucht, sich dort “selektiv” zu bedienen.
Was den “Tier-mondisme” angeht, so kann ich seine Verführungskraft sehr gut verstehen. Benoist schrieb in den achtziger Jahren ein Buch mit dem Titel Europe – Tiers-monde, même combat: “Europa & die Dritte Welt: Derselbe Kampf”, nämlich gegen den Liberalismus und Kapitalismus US-amerikanischer Prägung.
Faye gesteht auch hier ein “mea culpa” ein, und kommentiert:
Kein Volk der Geschichte kämpft “denselben” Kampf wie ein anderes: jedes Bündnis ist vorübergehend. Es gibt China, Indien, das zukünftige muslimische Reich… aber nicht “die Dritte Welt”. Die Ideologie der “Dritten Welt” (die in unseren Kreisen als ein etwas plumpes Zertifikat für Antirassismus dient), ignoriert eine geschichtliche Tatsache: den Druck, den der Süden auf den Norden durch Einwanderung und geopolitische Konstellationen ausübt.
Schlimmer noch: die fehlgeleitete Ideologie der “Dritten Welt” wurde mit einer naiven und verstörenden Islamophilie verknüpft, der wir alle erlegen sind, während eine objektiv aggressive und nachvollziehbar revanchistische Gefahr durch die arabisch-muslimische Welt für Europa besteht, das als “Land, das erobert werden muß” betrachtet wird. Es ist stimmt wohl, daß Dogmen blind machen. Sie können darüberhinaus auch gefährlich sein: Es ist klar, daß der Großteil des Publikums der Nouvelle Droite unsere surreale Sicht nicht teilte.
Das ist auch heute so, auch in Deutschland: Die große Mehrheit des rechten Lagers wird sich kaum davon überzeugen lassen, daß “der Islam” ein potenzieller Verbündeter oder “Islamisierung” kein oder kein großes Problem sei.
Nun, und zu dieser Mehrheit würde ich mich auch zählen. Die Frage inwiefern die “arabisch-muslimische Welt” diese unzweifelhaft stattfindende “Islamisierung” aktiv vorantreibt, steht freilich auf einem anderen Blatt. Eine einheitliche Politik dieser muslimischen “Welt” gegenüber Europa läßt sich jedenfalls nicht feststellen, und die plumperen Formen der “Islamkritik” sollten von einer wachen intellektuellen Rechten weiterhin kritisiert werden, besonders, wenn sie sich mit einem unreflektierten und bedingungslosen Zionismus verbinden.
5. Die Politisierung des “Heidentums”
Dieser Teil von Fayes Kritik ist heute wohl am wenigsten relevant.
Faye selbst ist als dezidierter Nietzscheaner ein scharfer Kritiker des Christentums auf ideeller Basis, lehnt jedoch einen religiösen Grabenkampf innerhalb des rechten Lagers ab. Er wirft der ND vor, ein potenziell sympathisierendes und ideologisch nahestehendes Publikum durch einen undifferenzierten, aggressiven Antikatholizismus und Antiklerikalismus vergrault zu haben – den er umso fehlgeleiteter findet, als die ND gleichzeitig mit dem Islam liebäugelte, “einem rigiden theokratischen Monotheismus, einer ‘Wüstenreligion’ in ihrer gröbsten Form” (ähnliches kennt man in Deutschland von Sigrid Hunke und Konsorten).
Allerdings ist er der Ansicht, daß die “traditionalistischen Katholiken” “so christlich gar nicht sind” (ein Gedanke in Maurras’scher Tradition? Auch bei Dominique Venner und Jean Raspail finden sich ähnliche Spuren.)
In dieser Hinsicht hat sich die Nouvelle Droite (oder ihre Erben, “offiziell” existiert sie nicht mehr, und Benoist lehnt dieses Etikett heute ab) seither ziemlich gebessert – die Éléments stehen dem Katholizismus und Christentum an sich zwar weiterhin kritisch-distanziert gegenüber, allerdings mit Verzicht auf eine “heidnische” Militanz.
Der “Burgfrieden” zwischen Christen, Nicht-Christen und “Heiden” auf der politischen Rechten ist in Deutschland heute wohl firm, von kleineren sektiererischen Gruppen und Scharmützeln mal abgesehen. Etwas seltsam ist die antichristliche Deschner-Nietzsche-inspirierte Aufklärungs-Front, die seit längerer Zeit der “liberalkonservative” Blogger Jürgen Fritz quasi im Alleingang aufgemacht hat. Sie ist zwar im Bereich der intellektuellen Auseinandersetzung durchaus legitim, politisch gesehen aber kaum anschlußfähig.
6. Anti-Amerikanismus und “das Gefühl, kolonisiert zu sein”
Faye kritisiert die begriffliche Abtrennung Europas (verstanden als Kontinent von Brudervölkern, der sich bis in den Osten Russlands erstreckt) vom “Westen” oder der “westlichen Zivilisation” und die Annahme, es könne eine “strukturelle Solidarität” zwischen den Völkern Europas und denen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas im Abwehrkampf gegen die “Yankees” geben.
Dies war gewiß eine Illusion. Zumindest dieser bin ich auch in meinen eigenen schlimmsten antiamerikanischen Phasen nicht erlegen. Wie beim Thema Islam, plädiere ich für eine differenzierte Sicht der Dinge. Eine andere wird der Komplexität der Lage auch nicht gerecht. Die “Amerikanisierung” (“Kolonisierung”) Europas, wenn nicht der Welt, ist eine Tatsache, denn man durchaus scharf kritisieren kann und muß. Und die Vereinigten Staaten sind in ihrer jetzigen Form als interventionistisches Imperium und Hauptagent und ‑quartier des Globalismus gewiß ein Übel.
Allerdings sind “isolationistische” Alternativen durchaus denkbar, weshalb der Donald Trump des Jahres 2016 mit seinem nationalpopulistischen, anti-interventionistischen “America First”-Programm auch bei so manchem eingefleischten Amerikahasser unter den deutschen Rechten Sympathien erweckte.
Noch mehr ins Gewicht fällt meiner Ansicht nach die Tatsache, daß die europäischstämmige (“weiße”) Bevölkerung Nordamerikas (USA & Kanada) und anderer Ableger Europas (Südafrika, Australien, Neuseeland) heute mehr oder weniger im gleichen Boot sitzt wie die Völker des Mutterkontinents, was ihre fatale demographische Zukunft und die ideologischen Zangen betrifft, die sie im Würgegriff haben.
7. “Ethnopluralismus” als ideologische Sackgasse
Das ist ein “großes Faß”, das ich ausführlicher in meinem kommenden Buch zu diesem Thema diskutieren werde.
Faye schreibt:
Dieses Konzept besaß ursprünglich eine implizit “nach außen” gerichtete Bedeutung: Alle Völker sind anders und müssen geachtet werden, allerdings sollte jedes in seinem eigenen Land leben, in einer klar definierten ethno-kulturellen Sphäre, während es mit anderen kooperiert. Dies implizierte eine Ablehnung der Migrationsströme Richtung Europa und der Idee eines globalen ethno-kulturellen Schmelztiegels (in Wahrheit ist Europa allein das Ziel dieser Migrationen).
So weit, so gut: Das ist eine in sich konsistente Sichtweise. Allerdings hat die Nouvelle Droite später versucht, dem Begriff des Ethnopluralismus und Multikulturalismus einen “nach innen” gerichteten Sinn zu geben, der im Gegensatz zu ersterem steht – etwa indem sie vehement gegen ein Schleierverbot an Schulen eintrat.
Indem sie die Anwesenheit von separaten ethnischen Gemeinschaften auf europäischem Boden anerkannte, deutete sie den Ethnopluralismus zu einem Vehikel für eine stammesmäßig fragmentierte, ghettoisierte Gesellschaft (völlig nach amerikanischem Modell) um. Dies steht in scharfem Gegensatz zu der Maxime: “Jedem Volk sein eigenes Land”. Der Sinn des Ethnopluralismus wurde auf diese Weise entstellt, bis zur Leugnung der Existenz eines europäischen Volkstums oder überhaupt des Volkstums an sich.
Auch hier spielte das Publikum nicht mit: Ansichten dieser Art verwundern unsere natürliche Leserschaft, während es ihnen nicht gelingt, den Feind von unserer politischen Korrektheit zu überzeugen.
Hier spricht Faye wohl vor allem die “kommunitarische” Wende in Benoists Denken, die auch mir sehr mißfallen hat, und die argumentativ wenig überzeugend ist (schon vor zehn Jahren schrieb ich darüber einen kritischen Artikel). In der Tat unterscheidet sich die von Faye skizzierte Umdeutung des Ethnopluralismus kaum mehr von etwa der multikulturalistischen “Politik der Anerkennung” etwa eines Charles Taylor.
Dem setzt Faye entgegen, daß die ND damit die “Katastrophe” verharmlose, die sich durch die Massenmigration und daraus resultierende demographische Umschichtung Europas ergäbe. Sie habe sich “fatalistisch” dieser Entwicklung ergeben und betrachte ein multi-rassisches, multi-ethnisches Europa als unvermeidliches Schicksal, das man nur mehr per Kommunitarismus “managen” könne. Aufgrund des relativistischen Kultes der “Differenz” an sich lehne die ND Assimilierungszwänge als “jakobinisch” ab.
Ein besonders schwerwiegender Irrtum sei der Glaube, der Islam werde sich in ein Modell der europäischen Harmonie und Identitätstoleranz integrieren lassen. Der Islam sei vielmehr von seiner Natur her expansiv, anti-demokratisch, theokratisch, “intolerant, exkludierend und anti-organisch.” Die ND habe ein verklärtes, unrealistisches Bild vom Islam. Auch hier führt wohl realistischerweise kein Weg vorbei, als Faye rechtzugeben.
Seine Konklusion:
Die effektivste ideologische Linie bestände wohl in einer Zurückweisung sowohl des multikulturell-multirassischen Modells auf der einen, wie eines republikanischen Jakobinernationalismus (also: “civic nationalism” – ML), der das erstere fördert, auf der anderen Seite. Ja zu einem großen, föderalen Europa – Nein zu einem multikulturellen (in der Praxis multirassischen) Frankreich und Europa, das sich einer wachsenden Zahl von afro-asiatischen und muslimischen Gemeinschaften öffnet.
Noch zwei weitere Punkte seien erwähnt:
8. & 9. Der Mangel an einer wirtschaftlichen Doktrin und die Vernachlässigung konkreter Probleme
Um die Gesellschaft zu verändern, muß man konkrete Themen und Probleme ansprechen. Wirtschaftliche und soziale Fragen sind “Teil der Infrastruktur menschlicher Anliegen”. Zu diesen zählen Dinge wie Verstädterung, Steuerpolitik, Umweltschutz, Energiepolitik, Gesundheitswesen, Geburtenraten, Einwanderung, Verbrechen, Technologie, Fernsehen, Internet, Pensionensicherung, Sport etc. … Die ND habe sich allzu sehr auf literarische und kulturelle Themen kapriziert und pflege “antiquierte, nostalgische Formen des Intellektualismus”.
Nun meine Frage an die Leser:
Inwiefern lassen sich diese Kritikpunkte auf die heutige “Neue Rechte” im deutschsprachigen Raum anwenden? Was für Lücken, Schwächen, Möglichkeiten und unbeackerte Felder sehen Sie? Ich bin auf eine Diskussion gespannt.
Monika
Monika
Es wird höchste Zeit für eine Theoriediskussion . Ich hatte in dem Beitrag von Jonas Schick /20. Winterakademie darauf hingewiesen.
Zur Anwendung der Kritikpunkte auf die heutige NEUE RECHTE
Zunächst sollte endlich geklärt werden, was denn nun genau die NEUE RECHTE beinhaltet.
Ist es die „Mosaikrechte“, die durch drei inhaltliche Gemeinsamkeiten beschrieben bzw. beschreibbar wird ?
1. Bekenntnis zum Eigenen
2. Vorrangs eines WIR vor dem Ich
3. Gegnerschaft zu individualistischen Theorien
Wenn dies die NEUE RECHTE definiert, dann muss ganz klar zwischen neurechts und konservativ unterschieden werden, dann gibt es keinen „Burgfrieden zwischen Christen, Nichtchristen und Heiden. Dann kann es durchaus zu einer Spaltung kommen. Denn in einem christlichen „Weltbild“ gibt es sowohl den individualistischen als auch den kollektivtischen Anteil. Gleichursprünglich im „Personenbegriff“ verankert.
Wenn Benedikt Kaiser etwa schreibt: „Wo das „Ich“ die Gesellschaft dominiert, ist ein rechter Ansatz, der übergeordnete Einheiten favorisiert ( Religion, Volk, Nation, Staat) nicht möglich“, ist der rechte Ansatz kritisch zu befragen! ( etwa im Hinblick auf den Real-existierenden Sozialismus, wo das Kollektiv die Gesellschaft dominiert hatte.)
Die 3 Parameter der Mosaikrechten passen auch wunderbar auf den Islam, natürlich geht es dann um das Eigene der Muslime. Eine Kritik am Islam ist dann eigentlich nicht möglich. Es geht dann nur noch darum, wer das Eigene besser durchsetzt.
Ist die Neue Rechte damit also eingehegt oder befindet sie sich in einer „Scharnierfunktion zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“ , ohne jedoch rechtsextrem zu sein. ( Position des Poliktwissenschaftlers Wolfgang Gessenharter) . Dann ist m. E. eine spannende Diskussion möglich. Und man landet nicht wieder vorschnell in einer Werteunion, der der politische Biss fehlt.
Wir befinden uns in der historischen Situation, dass sich die sog. Weltanschauungsparteien ( Nell-Breuning) , CDU für christliche Weltanschauung, SPD für soziale Weltanschauung, FDP für liberale Weltanschauung in einem Auflösungsprozess befinden. In der AfD sammeln sich die verschiedenen Anschauungen und drängen nach einer politischen Synthese. Den religiösen Part übernehmen die Ökoreligionen. Die Verbindung von Politik und Religion vollzieht der Islam. In diesem Spannungsfeld geschieht zukünftig Politik, die m. E. über den Nationalstaat hinausweist und zumindest Europa als Kulturraum genauer in den Blick nehmen muss.