Beteiligt seien unter anderem die Organisationen Mosaic United, Project TEN, Tevel B’Tzedek, der zionistische Pfadfinderverband Hashomer Hatzair sowie die bereits in den zwanziger Jahren zum Zweck der jüdischen Einwanderung nach Palästina gegründete Jewish Agency for Israel.
Das langfristige Ziel ihrer Anstrengungen ist die Weiterleitung der Flüchtlinge nach Europa. Darauf werden sie in eigens eingerichteten Schulen vorbereitet:
Das Ziel [der Flüchtlinge] ist, Nord- und Westeuropa zu erreichen. Ihr Haupteinfallstor ist Griechenland, das sie in klapprigen Booten von der Küste der Türkei aus zu erreichen versuchen. Mehr als eine Million Flüchtlinge überquerten 2015 und Anfang 2016 auf diese Weise das Meer – von Griechenland über den Balkan und Ungarn in die wohlhabenden Länder der Europäischen Union. (.…) Es wird erwartet, daß die meisten Kinder Griechenland verlassen und in andere europäische Länder wie Deutschland, Österreich und Schweden einreisen werden, die effizientere Systeme zur Aufnahme von Flüchtlingen haben, und deshalb lernen sie Englisch.
Diese humanitäre Hilfestellung werde, so Ynet, als “revolutionäre” Umsetzung des rabbinischen Konzepts “Tikkun Olam” (“Heilung, Verbesserung, Reparatur der Welt”) verstanden. Sie böte außerdem eine blendende Gelegenheit, jüdischen Studenten eine positive jüdische Identität zu vermitteln, ihre “Verbindung zu Israel” zu stärken und das Image Israels unter Arabern aufzubessern:
In der israelischen Schule sind Schüler aus dem Iran und Afghanistan, aus Syrien und dem Irak. Der lange dämonisierte jüdische Staat bekommt hier ein neues Image. “Wie könnte ich immer noch behaupten, daß ihr Feinde seid?”, fragt H. “Ich habe die Israelis nur durch das Fernsehen kennengelernt; man hat uns erzählt, daß Israel der Feind ist, aber die Realität hat eine andere Wahrheit gezeigt”, sagt N., ein Schulkoordinator und Flüchtling aus dem Irak. “So steht es auch im Koran – wir sind Cousins.”
Der Geschäftsführer von Mosaic United, Rabbi Benji Levy, wird zitiert:
Wenn er die jüdischen Freiwilligen in den Flüchtlingslagern in Griechenland betrachtet, sagt Levy, dann träumt er von einer “globalen Bewegung von Freiwilligen aus Israel und der Diaspora, die zum Wohle der ganzen Welt arbeiten”.
Eine weitere israelische Organisation, die in den griechischen Flüchtlingslagern tätig ist, ist IsraAID, die sich auch in Deutschland vor Ort um die “Integration” von Flüchtlingen kümmert – also um ihre möglichst reibungslose Ansiedlung. Für diese Arbeit wurde ihr im Oktober 2018 von Angela Merkel persönlich ein Preis in der Höhe von 10,000 Euro übergeben. Zu der “psycho-sozialen” Betreuung gehört auch hier die Austreibung von antiisraelischen Vorurteilen:
Zu den Ausgezeichneten im Kanzleramt gehörten auch die beiden Israelis Nadim und Tahrir Ghanajem, die sich bei der Hilfsorganisation IsraAid engagieren. Sie arbeiten in der Frankfurter Geflüchtetenunterkunft. Ihre arabischen Sprachkenntnisse helfen ihnen beim Umgang mit Geflüchteten aus dem arabischen Raum. Dennoch kam es anfangs zu Schwierigkeiten und Vorbehalten wegen des israelisch-palästinensischen Konflikts. Aber genau darum ging es laut der Begründung der Jury beim „Brückenbau“-Projekt: mit diesen Spannungen umzugehen und Toleranz zu entwickeln.
Zur Jury des Preises zählte unter anderen Ahmad Mansour, ein israelischer Araber, der in Deutschland die Rolle eines zentristischen Ventilwärters und Torwächters ausübt, indem er etwa das islamistische Problem in das Framing “Extremismus” packt, in dem auch Links- und Rechtsextremisten Platz haben. Außerdem wacht er über “Antisemiten”, die auf unbotmäßige Weise Israel kritisieren.
Ein weiteres Mitglied war eine alte Bekannte: Naika Foroutan, eine iranischstämmige Migrationsaktivistin, die ein “Forschungsprojekt” namens “Heymat“ betreibt (oder betrieb), dessen Zielsetzung sie so definiert:
Der Begriff entstand in Abgrenzung zum Begriff der alteingesessenen Deutschen, die für sich Etabliertenvorrechte reklamieren. Er soll verdeutlichen, dass Deutschland und Deutsch-Sein sich wandeln, und die ehedem ethnischen Zuschreibungskriterien für Deutsch nicht die reale Bevölkerungsstruktur und Zusammensetzung des Landes wiederspiegeln, sondern auf essenzialisierenden Konstrukten von Kultur, Nation und Ethnie beruhen.
Auch der Zentralrat der Juden unter der Leitung von Josef Schuster, in entscheidenden Fragen ganz links stehend, beteuert immer wieder, den “Dialog” mit Muslimen in Deutschland aufnehmen zu wollen, vorrangig, um deren “antisemitische Radikalisierung” zu verhindern.
2016 unterstützte der ZdJ in Zusammenarbeit mit dem Zentralrat der Muslime, dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, der Türkisch-Islamischen Union (DITIB) und dem Verband Islamischer Kulturzentren das Projekt „Weißt du, wer ich bin? Interreligiöse Kooperation in der Flüchtlingshilfe“, um “diffuse Ängste vor einer ‘Islamisierung’ oder ‘Überfremdung’ ” zu zerstreuen, “die den rechtspopulistischen Parteien die Wähler in der Arme treiben.”
2017 schockierte der deutsch-französische Modezar Karl Lagerfeld die Öffentlichkeit mit dem (etwas verquer formulierten) Satz: “Man kann nicht, auch wenn Jahrzehnte dazwischen liegen, Millionen Juden töten, um nachher Millionen ihrer schlimmsten Feinde ins Land zu holen.” (Original: ’ ”On ne peut pas, même s’il y a des décennies entre, tuer des millions de juifs pour faire venir des millions de leurs pires ennemis après.”)
Viele “Islamkritiker” waren begeistert, daß sich ein solch prominenter und unverdächtiger Mensch derart kritisch zur “Flüchtlingspolitik” äußerte, die zum Teil áls Sühneakt für die “deutsche Schuld” interpretiert und gerechtfertigt wurde. Sie sahen in dieser Aussage ein moralisches Bombenargument gegen die Masseneinwanderung von Muslimen (ein Argument, das ironischerweise ebenfalls auf der “deutschen Schuld” basierte). Nun, die genannten jüdischen und israelischen Organisationen – nur einige unter vielen – waren und sind offenbar nicht Lagerfelds Meinung, ganz im Gegenteil.
Schuster und Stein, Zimmermann, Mounk, Singer, Wolffsohn, die im 4. Teil dieses Beitrags zitiert wurden: das alles sind jüdische Stimmen, die eine muslimisch-arabische Masseneinwanderung nach Deutschland und Europa befürwortet und dabei sehenden Auges den Import etwaiger israel- und judenfeindlicher Bevölkerungsgruppen und Individuen in Kauf genommen haben, in der Hoffnung, diese Tendenzen durch sozialtherapeutische Integrationsarbeit abschwächen zu können.
Es wäre also reichlich unaufrichtig, kurzsichtig und in manchen Fällen geradezu heuchlerisch, einerseits “importierten” Antisemitismus und “importierte” Israelfeindlichkeit zu beklagen, und dabei andererseits diese Tatsachen (und somit diese Mitverantwortung) auszublenden.
Es gibt nun gewiß auch Juden, die dem Multikulturalismus und der muslimisch-arabischen Einwanderung nach Deutschland weitaus weniger enthusiastisch gegenüberstehen und sich ernsthaft davon bedroht fühlen.
Zu diesen mag Henryk Broder zählen, der für die Sache der Palästinenser mehr Verständnis aufzubringen versucht als so mancher andere Zionist (siehe auch dieses Interview mit dem damals noch “antideutschen” Jürgen Elsässer aus dem Jahr 1998). Als solcher hat er etliche Israelkritiker und Antizionisten (auch und gerade jüdische wie Abraham Melzer, Uri Avnery, Ilan Pappe, Avram Burg oder Moshe Zuckerman) unter der Gürtellinie, mit der “Antisemitismuskeule”, attackiert.
Da es in dieser Serie um Demographie geht, wollen wir in Erinnerung rufen, was Broder 2006 in einem Interview mit dem Magazin tachles sagte:
Broder: Was ich völlig im Ernst gut finde ist, dass diese demografische Struktur Europas nicht mehr zu halten ist. Je eher die Europäer das einsehen, desto besser. Einige Städte sind schon recht farbig und nicht mehr «arisch» weiss, und dagegen kann man überhaupt nichts sagen.
tachles: Heisst ein farbiges Europa, dass davon keine Katastrophen mehr ausgehen?
Broder: Das könnte es bedeuten. Es könnte aber auch bedeuten, dass Europa zu existieren aufhört.
Broder wurde offenbar erst dann zum (moderaten) Islam- und Multikulturalismuskritiker, als der er heute bekannt und beliebt ist, als er den Eindruck bekam, daß die muslimische Einwanderung die Juden Europas gefährdet. Die demographische Verdrängung der Europäer war ihm nicht bloß egal – er begrüßte sie ausdrücklich, wissend, daß damit die Existenz Europas selbst aufs Spiel gesetzt werden könnte (warum?).
Das “Existenzrecht Israels” anzuzweifeln, bedeutet für ihn hingegen “das Undenkbare denken”, und zu den subversiven Gedankengängen, die in diese Richtung führen könnten, zählte er 2009 neben der Ein-Staaten-Lösung (“die euphemistische Umschreibung für die politische Endlösung der Judenfrage”) auch folgende scheinbar wohlwollende Überlegung:
Was wäre, wenn die Juden dahin zurückkehren würden, woher sie gekommen sind? Wäre das nicht eine elegante, gewaltfreie und effektive Lösung der Palästinafrage? Europa hätte seine Genies wieder und vier Millionen Palästinenser könnten in ihre Heimat zurückkehren, aus der 800.000 von ihnen vertrieben wurden.
Am 6. 1. 2021 publizierte Broder in der Welt einen etwas seltsamen Artikel (leider hinter einer Bezahlschranke) mit dem provokanten Titel “Frieden in Nahost – ‘Palästina’ als 17. Bundesland wäre eine Option”. Ähnlich wie Gershom Gorenberg (siehe Teil 1 dieses Beitrags) ist er der Ansicht, daß “Israel eine Bürde abwerfen” muß, “die zu viele Ressourcen bindet. Es muss aufhören, eine Besatzungsmacht zu sein”:
Israel kommt nicht um die Einsicht herum, dass es sich mit den Palästinensern arrangieren muss. Nicht weil die Bundeskanzlerin es möchte, nicht weil es dazu moralisch verpflichtet wäre, jedenfalls nicht so lange, wie radikale palästinensische Organisationen „ganz Palästina“ von der „zionistischen Besatzung“ befreien möchten – nein, aus purem Eigeninteresse.
Die Lösungen, die er andeutet, wären folgende:
Israel muss den Palästinensern ein Angebot machen oder eine Auswahl an Angeboten, die schon lange in der Luft schweben. Annexion und Einbürgerung in Israel [also nun doch eine Ein-Staaten-Lösung? M. L. ], Rückkehr nach oder Föderation mit Jordanien oder Ägypten, Protektorat unter dem Schirm der Arabischen Liga. Und falls sich die EU bereit erklären sollte, „Palästina“ anstelle von Großbritannien aufzunehmen, oder wenn die Bundesrepublik „Palästina“ als 17. Bundesland akzeptierte, wäre auch das eine Option, über die verhandelt werden könnte. Im Gegenzug müssten die Palästinenser ihren Verzicht auf einen souveränen „Staat“ erklären.
Die letzteren Vorschläge sind geradezu bizarr, und sie erinnern an eine alte, halbernste, von Ahmadinedschad übernommene Idee Broders aus dem Jahr 2005, den jüdischen Staat nach Schleswig-Holstein zu verlegen (er hat nach ihr auch ein Debattenbuch benannt, in dem er mit Erich Follath darüber stritt, ob Deutsche “Israel kritisieren” dürfen.) Hier ist der Blickwinkel zwar umgekehrt und Israel gegenüber ambivalent, wie das Broder-Zitat aus dem Jahr 2009 zeigt, das Denkprinzip jedoch ähnlich.
Ob Dampfplauderei oder Scherz, wie so oft bei Broder, nehmen wir diese bescheidenen Anregungen vom Januar 2021 einmal hypothetisch ernst: Welche Grenzen soll denn dieses “Palästina” haben, das hier als außereuropäische Exklave der EU oder Deutschland aufgehalst werden soll, wie man den Schwarzen Peter weiterschiebt? Warum sollen Deutschland und Europa den Preis Israels bezahlen und ihm die Araberlast abnehmen? In welcher Form soll diese Eingliederung “Palästinas” stattfinden? Soll Deutschland etwa Israel als Besatzungsmacht ablösen und Truppen nach Gaza und ins Westjordanland schicken?
Und bekämen die 4,5 Millionen Palästinenser in den besetzten Gebieten nach erfolgter Eingliederung auch das Recht, legal nach Deutschland und Europa einzuwandern? Ist dort noch Platz für weitere Millionen aus dieser Weltecke, aus Syrien, Irak, Libanon, Afghanistan und anderen Ländern?
Ein fortgesetzter Massenexport junger Männer würde die schwerwiegenden demographischen Probleme des Nahen Ostens zwar nicht lösen, aber zumindest mildern. Eine solche Art der Migration wäre vielleicht sogar ein “Geschenk des Himmels” – es fragt sich nur, aus welcher Perspektive.
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Zur Nachlese die anderen Teile dieses Beitrags:
Valjean72
Zum Einsatz israelischer "Hilfsorganisationen" arabische Flüchtlinge vorzugsweise nach Deutschland, Österreich und Schweden zu bringen und ebenso zu folgendem Zitat aus obigem Artikel:
Passend hierzu: