Dennoch erhöht der neue Vorstand die Chance auf eine Stabilisierung der parlamentarischen Rechten. Götz Kubitschek und Daniel Fiß haben in ihren hervorragenden Analyseskizzen die Lage der AfD treffend beschrieben. Letzterer hofft, daß „Professionalisierung, Kampagnenfähigkeit, Vorfeldstrukturbildung, Graswurzelarbeit sowie Analysestrukturen als Großprojektaufgaben“ in einer Phase der Konsolidierung Einzug halten. Auch Götz Kubitschek sieht “vertane Chancen”, aber Hoffnung auf eine Stabilisierung.
Das gesamte rechte Lager befindet sich indes in einer selbstkritischen Nachdenkphase. Neben weltanschaulichen Debatten zwingt uns die Stagnation zur strategischen Neuausrichtung. Dieser Beitrag soll den Auftakt für eine umfassende Lage- und Lageranalyse schaffen, in der die AfD eine – wenngleich nicht die entscheidende – Rolle einnimmt.
Das Kriterium dieser Analyse ist die Chance auf eine „Wende“ in der Bundesrepublik. Das primäre Ziel des rechten Lagers ist die Erringung politischer Gestaltungsmacht zur Umsetzung einer alternativen Identitäts- und Bevölkerungspolitik. Alle anderen Ziele sind meiner Meinung nach Nebenschauplätze.
Denn seit Jahrzehnten betreiben fast alle westeuropäischen Demokratien eine suizidale Bevölkerungs- und Identitätspolitik, welche die Grundlagen unseres nationalen Daseins zerstören. Letztere drückt sich in kosmopolitischer Selbstverleugnung und offenem ethnischen Selbsthaß aus. Darüberhinaus ist die demographische Strategie der Ersetzungsmigration sakrosankt und wird großteils der politischen Debatte entzogen.
Nur das rechte Lager hat den politischen Willen zu einer alternativen Identitäts- und Bevölkerungspolitik. Seine realpolitische Ohnmacht spiegelt sich im Zustand der europäischen Nationen wider. Die entscheidende Frage lautet: Gibt es durch einen neuen strategischen Ansatz, einen neuen Fokus der Ressourcen und eine neue Organisation der rechten Potentiale die Chance auf eine Steigerung der rechten Wirkmacht? Oder kann nur eine materielle Verschärfung der Lage diesen Ohnmachtszustand beenden?
Wenn wir diese Frage in einer „militärischen“ Metapher formulieren, so lautet sie folgendermaßen: Kann eine Neuorganisation der Truppen einen Durchbruch, einen Raumgewinn oder eine Wendung des Kriegsgeschehen bewirken, oder können wir nur unter Schonung der Kräfte ausharren und auf eine Lageveränderung hoffen?
Diese Frage kann nicht ohne weiteres und nicht in wenigen Worten beantwortet werden. Sie erfordert eine intensive und ehrliche Analyse aller Aspekte des rechten Lagers. Ich unterteile es dazu geistig in fünf Bereiche. Jeder hat seine eigenen Regeln und Aufgaben und bringt seinen eigenen Typus hervor. Partei, Bewegung, Gegenöffentlichkeit, Gegenkultur und Theoriebildung müssen organisch zusammenwirken, um den maximalen Wirkungsgrad zu erreichen. Dieser äußert sich sowohl in parlamentarischer Macht in Form guter Wahlergebnisse, als auch in metapolitischer Macht durch die Beeinflussung des Diskurses und des „Overtonfensters“.
Kein Bereich ist hinsichtlich seiner Bedeutung einem anderen überlegen. Gemeinsam bilden sie ein rechtes „Mosaik“, das Benedikt Kaiser in seinem neuesten Kaplakenband erneut beschrieben hat. Ich selbst verwende gern den Begriff des „Lagers“ und die Assoziation des Feldzugs, die er erweckt. Denn nur, wenn das gesamte rechte Lager einer gemeinsamen Leitstrategie folgt, kann es organisch zusammenwirken. Aus einer Leitstrategie ergeben sich für jeden Bereich des Lagers eigene Substrategien (eine Bewegungsstrategie, eine Parteistrategie usw.), die jeweils eigene taktische Ansätze erfordern. Die Ausarbeitung dieser Strategien und des kleinsten gemeinsamen ideologischen Nenners ist Aufgabe der rechten Theoriebildung.
Nach dieser groben strategischen Skizze fällt es leichter, Zwischenziele zu formulieren, die für diesen Erfolg erforderlich sind. Die Partei benötigt bundesweit mindestens eine relative parlamentarische Mehrheit, um Regierungsgewalt zu erlangen. Dazu muß sie „koalitionsfähig” für andere Parteien werden. Dies ist strategisch nur zu rechtfertigen, wenn Altparteien der AfD inhaltlich entgegenkommen (und sich – etwa nach dem Vorbild der Dänischen Sozialdemokratie – für eine restriktive Migrationspolitik öffnen), was nur im Zuge eines allgemeinen metapolitischen Wandels der gesamten Gesellschaft denkbar ist.
Das ist vor allem Aufgabe des parteilichen Umfelds. Die Bewegung muß daher sowohl als Massenbewegung als auch als aktionistische Avantgarde bundesweit handlungs- und kampagnenfähig sein, um diese ideenpolitische Aufgabe zu erfüllen.
Die Gegenöffentlichkeit muß eine kritische Reichweitenschwelle überschritten haben, um den erforderlichen Resonanzraum für Partei und Bewegung herzustellen. Die Gegenkultur muß eine Gegenvision zur herrschenden Ideologie und einen mobilisierenden, staatstragenden und typenbildenden Mythos etabliert haben, der dem rechten Lager Form, Motivation und eine starke Gruppenidentität verleiht.
Die Theoriebildung wiederum muß die entsprechenden geistigen Grundlagen für eine Wende in Form einer rechten Revolutionstheorie und einem rechten weltanschaulichen Minimum liefern. Diese muß bei maximaler Anschluß- und Integrationsfähigkeit die Essenz des rechten Denkens bewahren. Im Kern muß sie die Forderung des Erhalts der ethnokulturellen Identität zeitgemäß und anschlußfähig auf den Punkt bringen.
Wie sich bereits jetzt aus dieser Betrachtung ergibt, sind wir von diesem Ziel noch weit entfernt. Ich will in diesem Sommer in einer kleinen Serie von Blogbeiträgen die einzelnen Teilbereiche des rechten Lagers analysieren, (wobei ich zu Fragen der Partei immer wieder auf Daniel Fiß’ großartige Arbeit verweisen werde).
So gilt es, die Reichweite und Wirkkraft der Gegenöffentlichkeit ebenso zu analysieren wie die der rechten Gegenkultur. Der Zenit der Teilnehmeranzahl rechter Großdemos wie PEGIDA ist in Verbindung mit den Coronademos und Montagsspaziergängen der letzten Jahre in einem maximalen projizierten Mobilisierungspotential der rechten Bewegung festzuhalten.
Die Entwicklung der Identitären Bewegung und die derzeitigen Aussichten im rechten, aktionistischen Segment sind realistisch und selbstkritisch einzuschätzen. Und schließlich sind die Theoriebildung und die wirtschaftspolitischen Debatten über „Freipat“ und „Solpat“, insoweit sie zulasten identitätspolitischer strategischer Überlegungen gehen, zu bewerten.
Jeder Bereich des rechten Lagers hat eine „Idealform” und eine “Verfallsform“. Nur, wenn die entscheidenden Akteure aller Teilbereiche des rechten Lagers ein strategisches Bewußtsein entwickeln und der richtigen Leitstrategie folgend agieren und kooperieren, kann die größtmögliche Wirkung erzielt werden. Diese wird in einer finalen Analyse des rechten Lagerpotentials im Fachjargon der „Nonviolent Action“ als „people power“ bezeichnet. Ich untergliedere diesen Begriff in vier Faktoren, die sich aus dem Zusammenspiel aller Teile des rechten Lagers ergeben: Masse, Organisation, Botschaft und Strategie.
Die strategische Frage lautet, ob mit den bestehenden personellen und materiellen Ressourcen des rechten Lagers die „people power“ durch bessere Organisation und Strategie und Botschaft signifikant verstärkt werden kann. Dies muss im Rahmen der verbleibenden zeitlichen Ressourcen vor dem „demographischen Kipppunkt“ erreicht werden.
Der Verstärkung der „people power“ stehen Faktoren entgegen, die von uns nicht zu beeinflussen sind. Ich zähle dazu die wirtschaftliche Lage sowie die Resilienz und Repression des gegnerischen Kartells. Die vier Ebenen der Repression – sozialer, wirtschaftlicher, juristischer und terroristischer Druck – bilden zusammen einen „sanften Totalitarismus“ und dezimieren die „people power“ des rechten Lagers.
Aus ihnen sowie aus der Sedierung des Volkes durch Konsum erwächst die Resilienz des gegnerischen Kartells, das auch durch den Bevölkerungsaustausch an Macht gewinnt. Eine materielle Lageverschärfung steigert dagegen den Wirkungsgrad jeder oppositionellen Tätigkeit. Sie vergrößert das Mobilisierungspotential und erhöht so die Erfolgsaussichten.
Daraus ergibt sich folgende „Formel“:
People Power (Masse x Organisation x Botschaft x Strategie)
+ materielle Lageverschärfung – (Repression + Resilienz) = “Wende“
Ich werde in folgenden Beiträgen diese Analyseskizze so empirisch wie möglich ausgestalten. Als kleine Anregung will ich jedoch bereits das Ergebnis vorwegnehmen: Ich bin überzeugt davon, daß reale Chancen auf eine rechte Wende bestehen. Wenn das rechte Lager eine gewaltlose und metapolitische Leitstrategie auch in der zu erwartenden materiellen Lageverschärfung durchhält, besteht die Aussicht auf einen „politischen Klimawandel“, der eine identitäre Migrationspolitik möglich macht.
Ob dies in Form einer „Orbanisierung“ und eines „social changes“ oder in Form einer „Maidanisierung“ und eines „regime changes“ erfolgen wird, hängt vor allem von der repressiven Eskalation des Gegners ab. Mein Optimismus hat einige entscheidende Argumente für sich. Auch wenn andere Themen, wie Teuerung, Ukrainekrieg, Corona, etc. derzeit das Feld dominieren, ist die Identitätsfrage unausweichlich. Die Deglobalisierung und daraus folgende weltweite Krisen könnten die Migration weiter steigern.
Der Bevölkerungsaustausch, der im Segment der jungen Männer am raschesten vonstatten geht, führt unweigerlich zu einer Kette an paradigmatischen Ereignissen. Von der Kölner Domplatte über das Stade de France bis zum Gardasee bringen sie das Migrationsthema regelmäßig ins öffentliche Bewußtsein.
Die Berechenbarkeit dieser „ethnischen Schocks“ liegt nicht nur am geringen Bildungsgrad und der mangelnden Impulskontrolle mancher Ersetzungsmigranten. Junge Männer neigen generell zu Radikalität und überwiegen in jeder Gesellschaft bei Gewalt- und Straftaten. Der Generationenkonflikt, der auch Folge der Überalterung ist, drückt sich bei uns damit zusätzlich als ethnische Spaltung und als Klassenkonflikt aus.
Die finale Phase des Bevölkerungsaustauschs führt aufgrund des gesteigerten Selbstbewußtseins, der Präsenz und Aggression der Einwanderergruppen unweigerlich zu starken Spannungen. In dieser Phase könnte die Mobilisierung der älteren, einheimischen Wählergruppen die ethnische Wahl der Ersetzungsmigration und Ersetzungsgeburten übertreffen. Bis zum demographischen Kipppunkt, in dem die ethnodemokratische Macht der fremden Enklaven eine Wende verunmöglicht, ist daher eine parlamentarische Wende vorstellbar.
Ein weiterer entscheidender Punkt ist, daß im deutschsprachigen Raum bisher keine linkspopulistische Mobilisierung existiert, und auch in Zukunft unwahrscheinlich scheint. Während in Südeuropa von „Podemos“ über „Syriza“ bis zum „Movimento Cinque Stelle“ linkspopulistischer bis sozialpatriotischer Protest Tradition hat, ist dies im deutschsprachigen Raum kaum vorstellbar. Die Verachtung der Linken vor der eigenen Nation und die Vorbehalte gegen das eigene Volk sind zu groß. Eine populistische Strategie ohne ein Mindestmaß an Patriotismus ist nicht durchführbar.
In den kommenden Krisen und Lageverschärfungen wird sich das antideutsche juste milieu unweigerlich auf die Seite der Globalisten, der Pharmalobby und Transatlantiker schlagen. Damit wird ein Gros des erwartbaren Mobilisierungspotentials sozialer Proteste offen für außerparlamentarische rechte Akteure. Die Reaktion der globalistischen Elite, die im jüngsten VS-Bericht die „verfassungsrelevante Delegitimierung“ des Staates als Feindbegriff aufnahm, zeigt, daß man sich im gegnerischen Lager dieser Tatsachen bewußt ist.
Wenn durch Versorgungs- und Verteilungskrisen in der systemischen Gesellschaft (Sieferle) „Brot und Spiele“ knapp werden und die Resilienz schwindet, muß man das durch eine Steigerung der Repression ausgleichen. Ob das auf Dauer eine organisierte Protestbewegung stoppen kann, wird sich zeigen. Für das parlamentarische und außerparlamentarische Lager bieten sich in einer materiellen Lageverschärfung jedoch große Chancen auf eine demokratische Wende.
Voraussetzung dafür ist jedoch das richtige strategische Bewußtsein, die Beilegung sinnloser ideologischer und persönlicher Streitigkeiten und die Verfolgung einer effektiven Leitstrategie. Die Analyse der Potentiale und Defizite der Partei, der Bewegung, der Gegenöffentlichkeit, Theoriebildung und Gegenkultur in der Miniserie des „Strategischen Sommers“ soll einen Beitrag dazu leisten.
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kikl
Die Philosophen, Psychologen und Soziologen sollten sich dieses Interview unbedingt reinziehen. Es geht um die totalitäre Herrschaft der Massen am Beispiel der Corona-Krise:
https://rumble.com/v19ahuv-importance-of-maintaining-the-principles-of-humanity-in-a-dehumanizing-worl.html
Professor für klinische Psychologie in der Universität von Gent, Belgien.