Das ist lustigerweise derselbe Herr, der sich letzte Woche in der Berliner Zeitung anläßlich der “Silvesterkrawalle” an einer Provokation versucht hat, deren Adressat mir nicht ganz klar ist. Was erwartet er von einem Publikum, das er als “liebe Biodeutsche” anspricht?
Möchte er “Rechte” triggern? Möchte er die eigene antideutsche Blase und Peer Group beeindrucken? Möchte er generell Reflexe testen, und schauen, was passiert? Betätigt er sich als “Haßfischer” à la Nasir Ahmad, Mohamed Amjahid oder Hasnain Kazim?
Aufschlußreich als Selbstauskunft, hat mich die Plattheit ebenso wie die Aggressivität seiner Stellungnahme ein wenig überrascht. An begabte Literaten stellt man andere Ansprüche als an bloße Twitter-Trolle und “Journalisten”. (Das Beispiel Sybille Berg hätte mich längst eines Besseren belehren sollen.)
Khanis Roman Hund Wolf Schakal habe ich selbst nicht gelesen. Ich verlasse mich hier auf das Urteil anderer. Kein Geringerer als Uwe Tellkamp lobte das Werk überschwenglich als “ein ganz großartiges Buch, von einem großartigen Autor”. Kositza attestierte ihm, es sei “spannend, literarisch hervorragend, gar kunstvoll erzählt”, ein Beispiel für das, was man “authentisch” nennen könnte, “subtil”, “zart, aber auf männliche Art”.
Positiv vermerkte Kositza auch, daß sich das Buch von der landesüblichen Jammer- und Selbstbespiegelungsliteratur der Migranten abhebe, gegen die sie generell eine Abneigung hat: “Ich kann die ganze Klaviatur nicht leiden.”
Die Handlung faßt sie so zusammen:
Es geht um eine Rumpffamilie, ein Vater mit zwei Söhnen, die Mutter ist zu Tode gefoltert worden. Diese Leute landen über Umwege in Deutschland an. Sie werden hier weder gehaßt noch ausgeschlossen oder gemobbt. Sie bekommen ihre Chancen. Die beiden Söhne Nima und Saam werden dennoch nicht dem Buchstaben des Grundgesetzes folgen. Sie werden kriminell, auf unterschiedliche Arten. Nima wird als smarter Drogenhändler mit hübscher deutscher Freundin stets unterm Radar der Institutionen fliegen. (…) Saam ist weniger geschmeidig. Er gerät in völlig schiefe Fahrwasser. Bei ihm geht es um Mord und Totschlag. Dabei ist Saam gar kein Schlechter. Man rutscht so rein, in Deutschland!
Die Klaviatur, derer sich der Autor in seinem Beitrag “Integriert euch doch selber!” bedient, ist nun nicht ganz so subtil und kunstfertig. Er wird mit einer grotesken Behauptung eingeleitet, die sich allerdings in dieser zugespitzten Form im Text selber nicht findet:
Deutschland ist ein Land, das die Schuld immer bei den Anderen sucht.
Na klar: Ausgerechnet Deutschland, der Champion in Sachen Selbstbezichtigung, der aus seiner eigenen “Schuld” ein Art politische Religion gemacht hat! Wäre das wirklich der Fall, würde die gute, alte Holocaust- und Nazikeule, die Khani gleich zu Beginn seiner Polemik zückt, keinerlei Wirkung haben.
Im Detail darauf einzugehen und herauszuklauben, was hier falsch, richtig oder verzerrt ist, kann man sich ersparen. Konzentrieren wir uns auf die Frage, welchen Effekt der Autor damit erzielen will:
Wissen Sie, es passieren merkwürdige Dinge, wenn man zwei Weltkriege anfängt und beide verliert. Wenn man bis zur letzten Kugel für die abartigste Idee der Geschichte kämpft. Und nachdem diese letzte Kugel verschossen wurde, Zwölfjährige mit Gewehren ohne Munition, mit Besenstielen losschickt. (…) Wenn man also eben noch eine Raub- und Aneignungsgemeinschaft war und plötzlich nichts mehr von den verschwundenen Nachbarn gewusst haben will oder von den Krematorien und Gaskammern. (…)
Damit sind die Almans wieder auf ihren fixen Platz in der Opfer- und Täterhierarchie verwiesen: Bevor ihr euch anschickt, so Khanis Botschaft, um über Migrantengewalt und ‑kriminalität zu reden, erinnert euch daran, daß ihr als unvergleichliche Schurken der Weltgeschichte lieber das Maul halten solltet. Eine solche Argumentation ist natürlich äußerst praktisch für Leute, die ihr eigenes Gewissen lieber nicht belasten möchten, der ultimative “whataboutism”, mit dem man jede beliebige Schandtat relativieren kann.
Als nächsten Schritt stellt Khani die Einwanderer, die seit den sechziger Jahren nach Deutschland kamen, als eine Art verspätete Nazi-Opfer dar, damit auch letztendlich sich selbst und seine eigene Mischpoche, denen in den achtziger Jahren Asyl aufgrund politischer Verfolgung gewährt wurde. Dabei ist er sich nicht zu schade, eine der dümmsten Lügen aus diesem Genre ins Feld zu führen, nämlich die Behauptung, es wären die billigen Arbeitskräfte namens “Gastarbeiter” gewesen, die das Land nach dem Krieg “wieder aufgebaut” hätten:
Merkwürdige Dinge passieren auch, wenn man beinahe seine gesamte Intelligenzija vergast, erschießt oder ins Exil verjagt. Und nach dem verlorenen Krieg einfache Arbeiter braucht. Menschen, die man holen kann, um die Trümmerhaufen, die bis gestern noch Berlin, Dresden oder Köln waren, wiederaufzubauen. Nachdem man ihnen zunächst in die Münder geschaut hat. Ihren Zahnbestand überprüft hat. Wie bei Nutztieren.
Naziverbrechen und Nutztierhaltung der ersten Einwanderergeneration seien also daran schuld, wenn im Jahr 2023 junge arabische Migranten keinen Respekt vor Polizei, Feuerwehr und Rettungskräften haben und diese zu Hunderten gewaltsam attackieren:
Eins dieser merkwürdigen Dinge, die passieren, ist, dass diese einfachen Menschen einem vielleicht nicht ganz über den Weg trauen. Und ja: Wer kann es ihnen verdenken? Dass sie nicht so erpicht darauf sind, sich mit dieser Gesellschaft zu identifizieren. Sie ahnen es vielleicht, es geht hier um die Silvesternacht.
Nur einen Satz später ist er wieder beim Holocaust gelandet:
Genauer gesagt um Neukölln, um die Sonnenallee. Also um jene Straße, die wir hier in Kreuzberg und Neukölln den Gazastreifen nennen und über die einer meiner israelischen Freunde, scherzhaft und nicht ganz ohne Schadenfreude, mal gesagt hat: „Die Araber sind die Rache der Juden an den Deutschen.“
Das ist eine interessante Mitteilung. Den Eindruck, daß sich viele Juden und Araber einig sind, wenn es darum geht, ihr Ressentiment gegen Deutschland zu pflegen, kann man zuweilen durchaus bekommen. Wir erinnern uns auch an ein Zitat von Henryk Broder aus dem Jahr 2006 (der seine Meinung seither etwas modifiziert hat, weil es auch für seinen eigenen Stamm etwas ungemütlich geworden ist):
Was ich völlig im Ernst gut finde ist, dass diese demografische Struktur Europas nicht mehr zu halten ist. Je eher die Europäer das einsehen, desto besser. Einige Städte sind schon recht farbig und nicht mehr «arisch» weiss, und dagegen kann man überhaupt nichts sagen.
Als nächstes schiebt Khani ein paar Bemerkungen zu Israel ein, was er für besonders gewagt gegenüber den “Leser:innen” (ich hoffe, er verwendet diese Schreibweise ironisch) der Berliner Zeitung hält:
Die deutsche Begeisterung und Unterstützung für jenen Staat, der von Amnesty International und Human Rights Watch als Staat bezeichnet wird, der in den von ihm besetzten Gebieten Apartheid ausübt, nimmt auch in deutschen Redaktionen immer ideologischere Züge an. Offenbar proportional dazu, je rechtsradikaler und extremistischer jener Staat wird, vor dem zahlreiche Menschen geflohen sind, die heute in der Sonnenallee leben.
Khani findet also auch in der angeblich begeisterten Unterstützung für Israel “deutsche Schuld”, was insofern witzig ist, als sich viele Deutsche für Israel begeistern, um ebendiese Schuld zu kompensieren. Er ist hier indes einer Sache auf der Spur, über die man durchaus nachdenken könnte, nämlich ob und inwiefern Deutschland Israel als Abflußkanal für existenzbedrohende demographische Probleme dient (siehe meine Serie dazu, hier Teil 1).
Als Freund der palästinensischen Sache ist ihm wahrscheinlich auch bekannt, wie Naziverbrechen von israelischer und pro-israelischer Seite benutzt werden, um eine gewisse Bevölkerungspolitik auf Kosten eines anderen Volkes durchzusetzen und zu rechtfertigen. Die Ähnlichkeit seiner eigenen Argumentation (die die Argumentation der Multikulturalisten überhaupt ist) gegenüber den “lieben Biodeutschen” wird ihm wahrscheinlich entgangen sein.
Nach diesem Abstecher kommt er zur eigentlichen Sache seines Artikels, etwas heuchlerisch als “Nebenbemerkung” ausgegeben:
Ich denke, wir sind jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir den Dingen in die Augen schauen sollten. Gerne gemeinsam. Gerne nüchtern. Fangen wir dafür doch mit der einfachen Feststellung an, dass wir – Migranten, Ausländer, Menschen mit …, nennen Sie uns, wie Sie wollen – so einfach nicht weggehen werden. Und Sie, liebe Biodeutsche, auch nicht. Wobei, demografisch gesehen, gehen Sie durchaus weg. Sie sterben weg, und Ihr Land braucht für die kommenden 15 Jahre circa 400.000 neue Arbeitskräfte, das heißt ungefähr eine Million Einwanderer pro Jahr. Wir Migranten werden dieses Land wohl erben. Wir könnten hier also auf Zeit spielen. Auf eine Zeit, die Sie nicht haben. Aber das nur als Randbemerkung.
Hier bekommen wir also im Jahre 2023 von einem migrantischen Literaten bis ins Detail bestätigt, was unsereiner als “großen Austausch” bezeichnet. Wenn ein “Rechter” inhaltlich dasselbe sagt wie Khani (der sich wahnsinnig mutig vorkommt, wenn er ein paar Spitzen gegen Israel austeilt), wird er diffamiert, kriminalisiert und vom Verfassungsschutz “beobachtet”.
Ein anderer Migrant, Akif Pirinçci, hat es ebenfalls gesagt, in zuweilen sehr drastischer und direkter Sprache, in Büchern wie Deutschland von Sinnen, Der Übergang oder Umvolkung. Das hat ihn seinen guten Ruf und seine Karriere gekostet und führte zu seinem Ausschluß aus dem Literaturbetrieb.
Der einzige Unterschied zu Khani ist die Wertung, denn Pirinçci hat leidenschaftlich die Partei der Deutschen ergriffen, die nicht nur einfach “wegsterben”, sondern Tag für Tag auch beschimpft, bedroht, gewaltsam bedrängt, verdrängt, beraubt, geschlagen, belästigt, vergewaltigt und, wie er formulierte, “geschlachtet” werden. Jeder Versuch, sich politisch auf friedlichem Weg zu wehren, wird von oben bekämpft und verbaut.
Der Prozeß der demographischen Landnahme wird von einem Grundrauschen permanenter Gewalt begleitet, die sich beleibe nicht nur gegen Bullenschweine und andere Staatsdiener richtet. Auch diesen Dingen könnte man gerne nüchtern in die Augen schauen, “gerne gemeinsam”. Aber was für Gemeinsamkeiten haben wir noch?
Khanis Pose ist nicht neu. Man lese etwa meine Besprechung des Anti-Sarrazin-Buches Manifest der Vielen und meinen Kommentar über Lamya Kaddor vom Februar und Juni 2011. Das migrantische Anspruchsdenken und der explizite Wille, das Land demographisch zu übernehmen ist schon lange virulent und ausformuliert worden, in vollkommener Kongruenz zur offiziösen Bevölkerungs- und Kulturpolitik der BRD.
Kaddor schrieb damals:
Dieses ist nicht mehr die homogene Gesellschaft der 50er Jahre – weitgehend ohne Asylanten, ohne Ausländer, ohne Menschen mit dunklerer Hautfarbe und schwarzen Haaren. Und zu dieser Gesellschaft werden wir auch nie wieder zurückkehren. (…) Ich weiß auch nicht, was die „deutsche Leitkultur“ ist. Ich weiß lediglich, man kann auch deutsch sein, wenn man schwarze Haare hat und sogar wenn man Muslimin ist. Dass der Islam samt seinen Anhängern zur Realität dieses Landes gehört, bestreiten heute nur noch Menschen, die sich ihrerseits nicht in unsere Gesellschaft integriert haben.
Der Deutsche ist tot. Lang lebe der Deutsche.
Kaddor behauptete damals, diese Botschaft sei “tabuisiert”. Ich kommentierte, daß das keineswegs der Fall sei:
Im Gegenteil wagt es kaum jemand, ihr öffentlich zu widersprechen. Sie ist unter dem Namen der “multikulturellen Vielfalt” und der “bunten Republik” die offizielle “alternativlose” Leitkultur der Böhmers und Wulffs und Merkels. Auch diese haben die Deutschen als Volk für tot erklärt, zum Auslaufmodell der Geschichte. Sie sprechen es aber nicht mit derselben Ehrlichkeit und Direktheit aus wie Kaddor.
Zwölf Jahre später ist Khani noch ehrlicher und direkter, indem er sich gar nicht mehr die Mühe macht, zu argumentieren, die Migranten seien letztendlich doch “auch” Deutsche wie alle anderen, die nur bißchen anders aussehen und etwas andere Gepflogenheiten haben. Er sagt schlicht und einfach: Ihr verschwindet, und wir übernehmen den Laden, basta und tschüß. Alles nur mehr eine Frage der Zeit.
Ich sprach 2011 apropos Kaddor von den “Totsagern” (die den Deutschen ihre Identität und Zukunft absprechen), den “Totgesagten” (den Deutschen), und heute könnte man ergänzen, daß erstere inzwischen recht unverblümt die Totschläger der zweiteren rechtfertigen oder zumindest in Schutz nehmen.
Fortsetzung folgt.
MARCEL
Mich überkommen bzw. überkamen ähnliche Empfindungen bei Akif Pirinicci. Irgendwie werde ich bei seinem zotigen Spott über die deutschen Verhältnisse das Gefühl nicht los, dass da eine Menge Verachtung, getarnt als Bukowski-artige Schimpfiraden, für die Deutschen mitschwingt - bei allem Richtigen, das er vorbringt und was ich ihm durchaus abnehme.
Wer da nur noch lacht, ist m. E. abgestumpft und zur Gegenwehr nicht mehr fähig.