Sammelstelle (66): Drei Antworten zum “Bündnis Sahra Wagenknecht”

Sahra Wagenknecht hat mit engen Weggefährten einen Verein gegründet, der eine Parteigründung vorbereiten wird.

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

Die­ser Ver­ein fir­miert einst­wei­len als Bünd­nis Sahra Wagen­knecht – Für Ver­nunft und Gerech­tig­keit (BSW), spä­ter soll der ego­ma­nisch wir­ken­de Name modi­fi­ziert wer­den. Was ist vom BSW zu hal­ten, wel­che Rol­le spielt es im Hin­blick auf die AfD und wie soll­te man sich als authen­ti­sche Oppo­si­ti­on zum BSW ver­hal­ten? Dazu gleich eini­ge Stichpunkte.

Doch zunächst eines vor­weg: Das The­ma Sahra Wagen­knecht ist nicht neu. In der Sezes­si­on, bei Antai­os, im Pod­cast »Lage­be­spre­chung« – seit min­des­tens sechs Jah­ren wer­den Wagen­knechts Posi­tio­nen und Begrif­fe von unse­rer Sei­te aus kri­tisch beleuchtet.

Es ist also begründ­bar, in die­ser »Sam­mel­stel­le« nicht bei Null anzu­fan­gen. Wer zunächst noch inhalt­li­cher Ein­stie­ge in den Wagen­knecht-Kos­mos bedarf, fin­det sie zum Bei­spiel in mei­ner sie­ben­tei­li­gen Serie »Wagen­knecht, die sozia­le Fra­ge und wir« auf Sezes­si­on im Netz (hier Teil 1), er fin­det sie aber auch bei Dani­el Fiß, eben­falls SiN, oder erneut bei mir, zur Quer­front-Wagen­knecht-Debat­te.

Als einen von vie­len Pod­casts zu Wagen­knecht emp­feh­le ich »Ist Wagen­knecht eine von uns?« von Ein Pro­zent und »Kra­mers kla­re Kan­te« aus ver­gan­ge­ner Woche. Schließ­lich ist noch Blick nach links zu nen­nen, ein kapla­ken-Band, der sich inten­siv mit Wagen­knecht und ihren inner­lin­ken Geg­nern beschäf­tigt, aber auch mit der Fra­ge, was »Neue Rech­te« und »Wagen­knecht-Lin­ke« trennt und eint.

Nie­mand kann also – cum gra­no salis – sagen, er hät­te von nichts gewußt. Wer sich mit Wagen­knecht beschäf­ti­gen möch­te, von rechts, mit fes­tem Stand­punkt, aber ehr­li­chem Erkennt­nis­in­ter­es­se, hät­te also seit fünf, sechs Jah­ren zahl­rei­che patrio­ti­sche Medi­en kon­su­mie­ren kön­nen; das fak­ten­freie Gepol­ter, wie es sich der­zeit in Tei­len der AfD-nahen Bla­se, ange­feu­ert durch die übli­chen Ver­däch­ti­gen aus Ber­lin, breit macht, ist dem­zu­fol­ge nicht nur pein­lich, son­dern auch ver­meid­bar gewesen.

Nun aber zu den drei ein­gangs auf­ge­wor­fe­nen Fra­gen: 1. Was ist vom BSW zu hal­ten, 2. wel­che Rol­le spielt es im Hin­blick auf die AfD und, 3., wie soll­te man sich als authen­ti­sche Oppo­si­ti­on zum BSW verhalten?

1. Was ist vom BSW zu halten?

Die Pres­se­kon­fe­renz am 23. Okto­ber war fad. Wagen­knecht saß dort in der Bun­des­pres­se­kon­fe­renz mit ihren engs­ten Getreu­en – zwei Par­tei­weg­ge­fähr­ten und zwei Unter­neh­mern – und ver­kün­de­te nicht nur die Ent­ste­hung des BSW, son­dern auch die Beweg­grün­de. Ein­set­zen möch­te man sich für die hart arbei­ten­den Men­schen im Land, die von der Ber­li­ner Polit-Bla­se ver­ges­sen werden.

Jemand, der flei­ßig ist und stram­pelt, aber nicht vor­an kommt, bei­spiels­wei­se in der Pro­vinz lebt und sich vom Estab­lish­ment igno­riert fühlt, ist so etwas wie der Pro­to­typ des mög­li­chen BSW-Wäh­lers, folgt man Wagen­knecht und ihren Kom­pa­gnons. Man möch­te Arbei­ter, Ange­stell­te und klei­ne Unter­neh­mer adres­sie­ren, die arbei­ten­den Schich­ten aller Klas­sen als das tra­gen­de Gerüst einer arbeits­tei­li­gen Gesell­schaft, deren monat­li­ches Ein­kom­men här­ter besteu­ert wird als das Ver­mö­gen der Superreichen.

Nur: Das tun auch ande­re. Und: Wagen­knecht wählt als PR-Maschi­ne und als »Unter­neh­me­rin ihrer selbst« das spie­ßig-bie­de­re Ambi­en­te der Bun­des­pres­se­kon­fe­renz. Wenn es ihr um den Indus­trie­ar­bei­ter, die Pfle­ge­rin und den Solo-Selb­stän­di­gen geht, der auf­grund der (zwei­fel­los) ver­fehl­ten Ampel-Miß­wirt­schaft darbt – wie­so sucht sie nicht das Bad in der Men­ge? Wie­so grün­det man die Par­tei nicht in einer alten Fabrik, vor spe­zi­el­lem Publi­kum, als Anti-Par­tei zu den Par­tei­en des Establishments?

Wie­so ver­kün­det man dort nicht in einem neu­en Stil: Wir sind die Stim­me der Aus­ge­schlos­se­nen, der Nicht-Reprä­sen­tier­ten, jener Men­schen mit­hin, die weder woke-grü­nes Habeck-Pro­gramm noch Black­rock-libe­ra­les Merz-Pro­gramm als Alter­na­ti­ve erspä­hen, denen aber die AfD – tat­säch­lich oder ver­meint­lich – zu »ange­bräunt« ist?

Ich den­ke, daß Wagen­knecht für so ein tri­via­les Gedan­ken­spiel die Phan­ta­sie fehlt. Ihre Mann­schaft um Chris­ti­an Leye ist poli­tisch geschult, netz­wer­ke­risch erfah­ren, orga­ni­sa­to­risch bemüht. Aber es fehlt die rea­le Anbin­dung an das »Unten«, von dem man so ger­ne spricht. So ein schnö­des Detail wie die Aus­wahl der Ver­eins­grün­dungs­lo­ka­li­tät ver­rät bereits all­ge­mei­ne Ten­den­zen über das »Von oben«-Projekt BSW, dem es an tra­gen­den (Sub-)Milieus, orga­ni­schen Poli­ti­kern, welt­an­schau­li­cher Kohä­renz und Mas­sen­ver­wur­ze­lung glei­cher­ma­ßen fehlt.

Das BSW wird auf das Bünd­nis »Auf­ste­hen« zurück­grei­fen müs­sen, das schon ein­mal als Kopf­ge­burt ohne Pra­xis­wir­kung fol­ge­rich­tig schei­ter­te, und als neu­er Ver­ein neue Men­schen anspre­chen müs­sen. Aber gelingt das? Bis­her nicht. Die Kern­trup­pe ist eher jener Wagen­knecht-loya­le Min­der­heits­flü­gel in der Lin­ken, der alle ent­schei­den­den Abstim­mun­gen in der Par­tei Die Lin­ke ver­lor. Eine Gemein­schaft in der Nie­der­la­ge – Auf­bruch sieht anders aus.

Auf­bruch ver­mit­telt hät­te ein strö­mungs­über­grei­fen­des Pro­jekt, das ein Momen­tum nut­zen kann. Aber weder waren exter­ne Per­sön­lich­kei­ten invol­viert, noch ist der­zeit ein beson­de­res Momen­tum auf­zu­fin­den. Im Gegen­teil: Die Ver­eins­grün­dung als Vor­stu­fe zur Par­tei­grün­dung war eine mona­te­lan­ge Hän­ge­par­tie. Das war nicht dyna­misch, son­dern lang­at­mig und selbst für Sym­pa­thi­san­ten zermürbend.

Die Mühen der Ebe­nen, die jetzt fol­gen wer­den – von Sat­zungs­ar­beit bis Kreis­par­tei­ta­ge –, kön­nen im Fal­le einer Eupho­rie bes­ser ange­gan­gen wer­den. Doch Eupho­rie sieht anders aus; der Auf­tritt auf der Bun­des­pres­se­kon­fe­renz wirk­te eher wie ein müh­sam ein­stu­dier­ter Ver­laut­ba­rungs­auf­tritt vor der ver­sam­mel­ten, über­aus kri­ti­schen und doch mul­ti­pli­zie­ren­den Hauptstadtjournaille.

Dani­el Fiß faßt es bei den Kol­le­gen vom Frei­lich Maga­zin so zusammen:

Der gesam­te „Pitch“ des Pro­jekts ist kom­mu­ni­ka­tiv eher schwach aus­ge­fal­len. Die Web­sei­te ist optisch soli­de, aber kein Kra­cher. Das Wer­be­vi­deo ist eine Anein­an­der­rei­hung von ein­ge­kauf­tem Stock-Mate­ri­al mit schlech­ter Aus­steue­rung des „Spre­cher-Hin­ter­grund­mu­sik“ Ver­hält­nis­ses. Kei­ne Dyna­mik, kein Pep, kei­ne Auf­bruchs­stim­mung. So ähn­lich war dann auch die Pres­se­kon­fe­renz. Ein­schlä­fern­de Mono­to­nie der ver­schie­de­nen Spre­cher und viel rhe­to­ri­sche Zurückhaltung.

Apro­pos »Zurück­hal­tung«: Was sieht das BSW bis­her pro­gram­ma­tisch vor? Nun, das bis­her nur in Stich­punk­ten bekann­te Pro­gramm ent­spricht Kurz­zu­sam­men­fas­sun­gen der letz­ten Wagen­knecht-Bücher und ist vie­les, aber nicht, wie ein Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter der AfD fak­ten­frei schwa­dro­nier­te, »alt­kom­mu­nis­tisch plan­wirt­schaft­lich«: Für die Inter­es­sen der Mehr­heit, gegen Kon­zern­pri­vi­le­gi­en, für Ent­las­tung der unte­ren und mitt­le­ren Schich­ten, gegen woke Rase­rei, für mehr Dis­kus­si­on und Mei­nungs­viel­falt, gegen die Kli­ma­hys­te­rie, für ratio­na­len Zugang in der Ener­gie­de­bat­te, gegen aggres­si­ves West­ler­tum, für Aus­gleich mit Ruß­land, gegen rest­los offe­ne Gren­zen, für eine Umkehr in der Migra­ti­ons­fra­ge usw.

Ein sicht­lich ent­spann­ter AfD-Par­tei­chef Tino Chrup­al­la kom­men­tier­te die­se ers­ten pro­gram­ma­ti­schen Eck­punk­te des BSW bei ZDF Heu­te (23.10., 19 Uhr) fol­ge­rich­tig so:

Von den Inhal­ten her habe ich mich gewun­dert, es ist fast eins zu eins AfD.

2. Wel­che Rol­le spielt das BSW im Hin­blick auf die AfD?

Die pro­gram­ma­ti­sche Nähe – jeden­falls auf den ers­ten Blick – ist unver­kenn­bar, wenn­gleich ein ech­tes, aus­ge­ar­bei­te­tes und detail­lier­tes BSW-»Manifest« o. ä. noch gar nicht vor­liegt. Auch die Nähe bei der Ziel­grup­pen­an­spra­che – Arbei­ter bis klei­ne Unter­neh­mer – ist ähn­lich, von der Nähe bei der »Anti-«Frage (gegen Grü­ne, gegen Scholz, gegen Wokis­mus, gegen Trans­fa­na­tis­mus usw.) ganz zu schweigen.

Wie zu erwar­ten war, folg­te den­noch die mas­si­ve Breit­sei­te gegen die AfD als Mit­be­wer­ber. Vom »rech­ten Rand« war die Rede, von »rechts­extre­men« Anklän­gen bei der AfD, von der Not­wen­dig­keit, die Wäh­ler zurück­zu­ho­len usw. Das ist alles Fleisch vom Flei­sche des Eta­blier­ten; es bricht nicht aus, spitzt auch nicht zu, knüpft ein­fach an.

Das mag attrak­tiv für jene Min­der­heit sein, die die AfD mit Bauch­schmer­zen wählt, aber eigent­lich Pro­test anders, näm­lich sozi­al­po­pu­lis­tisch, arti­ku­lie­ren möch­te. Für eine Mehr­heit poten­ti­ell auf­ge­schlos­se­ner Wäh­ler scheint mir das wenig attrak­tiv; es riecht zu sehr nach Fort­set­zung der Main­stream-Poli­tik unter neu­er Flagge.

Eben dies ist es auch, wenn man – vor­ei­lig und ohne jede Not – eine Koope­ra­ti­on mit der AfD aus­schließt und damit selbst Teil jenes Mei­nungs­kar­tells wer­den möch­te, gegen das man ver­bal immer wie­der ins Fel­de zieht. Auch das läßt Kon­se­quenz und Selbst­ver­trau­en eben­so ver­mis­sen wie auch das not­wen­di­ge Moment einer neu­en Anti-Par­tei in der Par­tei­en­welt, die mit Kon­ven­tio­nen der Herr­schen­den bricht, gänz­lich fehlt.

Zu viel bleibt Stück­werk, zu viel ist auch per­so­nel­len Rück­bin­dun­gen geschul­det. Denn selbst wenn Wagen­knecht als Per­son, als Public Intellec­tu­al und als Stim­me min­des­tens des »ost­deut­schen Vol­kes« gilt – ihr Umfeld ist alt­links und scheint mir inhalt­lich und stra­te­gisch zu unbeweglich.

Gewiß: Das BSW steht sinn­bild­lich für jenes »Dea­lignment« in der Par­tei­en­po­li­tik, das der bel­gi­sche His­to­ri­ker Anton Jäger in sei­nem Essay Hyper­po­li­tik als »gna­den­los fort­schrei­ten­de Auf­lö­sung aller Par­tei­b­in­dun­gen« beschreibt. Daß Akteu­re wie Sevim Dağ­de­len und Klaus Ernst »ihre« Links­par­tei ver­las­sen haben, steht für sich. Die Lin­ke geht den ita­lie­ni­schen Weg: Aus­dif­fe­ren­zie­rung als Vor­stu­fe zur suk­zes­si­ven elek­to­ra­len Selbstauslöschung.

Doch zu beden­ken ist: Eine Abspal­tung eines Min­der­heits­flü­gels von einem Mehr­heits­flü­gel ist kei­ne Par­tei­spal­tung, und ein Pro­jekt, das kei­ne »Lin­ke 2.0« sein möch­te, wie es kate­go­risch auf der Pres­se­kon­fe­renz hieß, aber doch bis­her fast aus­schließ­lich auf alt­lin­ke Per­so­nen­zu­sam­men­hän­ge und neben Wagen­knecht auf neun wei­te­re Ex-Lin­ke-Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te (indes: bis­her 0 Land­tags­ab­ge­ord­ne­te bun­des­weit!) beschränkt ist, riecht jeden­falls per­so­nell schon ein­mal ver­däch­tig nach jener Neu­auf­la­ge einer Links­par­tei ohne Wokis­mus und grü­ne Ideo­lo­gie­frag­men­te, die man eigent­lich zu ver­mei­den trachtet.

Erwäh­nens­wert hier­bei als Neben­be­ob­ach­tung, daß man mit den ver­blie­be­nen Lin­ke-MdBs wei­ter­hin eine Frak­ti­ons­ge­mein­schaft im Bun­des­tag bil­den möch­te: ein ent­spre­chen­der Antrag von Wagen­knecht ging bei der Frak­ti­on ein. Vor­der­grün­dig möch­te man die 108 Mit­ar­bei­ter der Gesamt­frak­ti­on schüt­zen, doch das wird spä­tes­tens dann nicht mehr mög­lich sein, wenn das BSW von Ver­eins­form in Par­tei­struk­tu­ren über­führt wird (also Anfang 2024).

Die­se Lin­ke 2.0‑Kritik heißt im Umkehr­schluß frei­lich nicht, daß das BSW als eine lin­ke Bin­nen­an­ge­le­gen­heit ohne Aus­wir­kun­gen auf die AfD-Rea­li­tä­ten zu igno­rie­ren wäre. Denn die Über­schnei­dun­gen in der poten­ti­el­len Wäh­ler­schaft sind nicht von der Hand zu wei­sen. Umfra­gen, die sich dem mög­li­chen Erfolg einer Lis­te Wagen­knecht wid­me­ten, kamen zu unter­schied­li­chen Ergeb­nis­sen: Mal 2 Pro­zent, mal 20 Pro­zent, ges­tern plötz­lich 12 Pro­zent – das ist Kaf­fee­satz­le­se­rei, weil Wahl­ab­sich­ten nicht Wahl­ent­schei­dun­gen an einem bestimm­ten Stich­tag darstellen.

Und den­noch muß die AfD mit einer Kon­stan­te aus den diver­gie­ren­den Mei­nungs­um­fra­gen umge­hen: Näm­lich mit jener, wonach AfD-Wäh­ler eine Par­tei­grün­dung Wagen­knechts am stärks­ten begrü­ßen oder sogar offen mit einer Unter­stüt­zung liebäugeln.

Der Sozi­al­wis­sen­schaft­ler Cars­ten Bra­band hat ver­schie­dens­te Daten­sät­ze zusam­men­ge­tra­gen; folgt man sei­nen Zah­len, wür­den 41 Pro­zent der Wagen­knecht-Wäh­ler aus der bis­he­ri­gen AfD-Wäh­ler­schaft kom­men, aber nur 15 Pro­zent von der Rest­links­par­tei. Damit muß man arbeiten.

Mit der Poli­tik­wis­sen­schaft­le­rin Sarah Wag­ner sekun­diert eine wei­te­re For­sche­rin Bra­band, indem sie in der Poli­ti­schen Vier­tel­jah­res­schrift (3/2023) dar­auf hin­weist, daß eine Wagen­knecht­par­tei »die Kluft zwi­schen der Lin­ken und der AfD zu über­brü­cken« in der Lage wäre; sie ver­bän­de »wirt­schaft­lich lin­ke Posi­tio­nen« mit »kul­tu­rell rech­ten Vor­lie­ben«, was ver­däch­tig nah an die »Gewin­ner­for­mel« Timo Loch­o­ckis aus dem Cice­ro kommt, auf die ich in der 115. Sezes­si­on mit dem Auf­hän­ger Ras­sem­blem­ent Natio­nal (RN) hinwies:

Hier hält der RN just an der »Gewin­ner­for­mel« fest, von der Timo Loch­o­cki im Cice­ro berich­te­te: »eher links« in sozia­len und wirt­schaft­li­chen Fra­gen, »eher rechts« in kul­tu­rel­len und iden­ti­täts­po­li­ti­schen Fra­gen. Mari­ne Le Pen ist zudem nach Ansicht Loch­o­ckis »kon­se­quent« dar­in, sich als »Anwalt der ›klei­nen Leu­te‹« zu prä­sen­tie­ren, unter die sie sich fort­lau­fend publi­kums­wirk­sam begibt, weil sie Ideen von rechts und links (unter Domi­nanz der rech­ten Grund­po­si­tio­nie­rung) zusam­men­bringt und damit besag­te Gewin­ner­for­mel als wirk­mäch­ti­ges Allein­stel­lungs­merk­mal für sich bean­spru­chen kann.

Die­se For­mel, zeigt sich Loch­o­cki so über­zeugt wie ver­ängs­tigt, wäre auch in Deutsch­land die erfolg­ver­spre­chends­te Art, Par­tei­po­li­tik zu trei­ben. Auf­grund der »auf­zie­hen­den gesell­schaft­li­chen Stür­me« – er nennt Infla­ti­on, Krieg, Abstiegs­ängs­te, Ener­gie­knapp­heit; man ergän­ze die Migra­ti­ons­pro­ble­ma­tik – sei es nur eine Fra­ge der Zeit, bis Kräf­te von den poli­ti­schen Rän­dern die Gewin­ner­for­mel zu ihrem Pro­gramm machen. 

Die gute Nach­richt ist: Tei­le der AfD haben damit längst begon­nen, und man kann nur hof­fen, daß die aktu­el­le Eupho­rie­wel­le nicht dafür sorgt, daß die Ver­ant­wort­li­chen, berauscht von Umfra­ge­zah­len, ver­ges­sen, ihre Haus­auf­ga­ben zu machen.

Die­ses Plä­doy­er aus dem August 2023 hat mei­nes Erach­tens durch die BSW-Grün­dung an Bedeu­tung sogar zuge­nom­men, was uns direkt zur Fra­ge 3 die­ses kur­so­ri­schen Streif­zugs zur BSW-Pro­ble­ma­tik führt.

3. Wie soll­te man sich als authen­ti­sche Oppo­si­ti­on zum BSW verhalten?

Der bereits erwähn­te Tino Chrup­al­la hat gezeigt, wie es geht, Bea­trix von Storch hat bewie­sen, wie es nicht geht, könn­te man sche­ma­ti­sie­rend sagen.

Chrup­al­la lächelnd und sou­ve­rän beim ZDF:

Es gibt schon eine Par­tei für den gesun­den Men­schen­ver­stand. Das ist die AfD. Von daher ist es (= das BSW) ein wei­te­rer poli­ti­scher Mit­be­wer­ber, aber ich habe jetzt kei­ne Angst­per­len auf der Stirn.

So soll­te ein selbst­be­wuß­ter Umgang im Zei­chen einer pro­duk­ti­ven Kon­kur­renz aus­fal­len: Man selbst ist stark, zuneh­mend flä­chen­de­ckend ver­an­kert und zukunfts­ori­en­tiert. Gelas­sen in die neue Situa­ti­on gehen als Devi­se für das, was kom­men mag.

Wie es nicht geht, zeigt ein klas­si­scher Storch-Tweet, der sogar in Sachen Migra­ti­on falsch ist, wie nicht nur der real exis­tie­ren­de Sozia­lis­mus anno dazu­mals, son­dern auch das heu­ti­ge sozi­al­de­mo­kra­tisch regier­te Däne­mark zeigen:

#Wagen­knecht|s #BSW ist eine kom­mu­nis­ti­sche Par­tei: Mehr Steu­ern, mehr Regu­lie­rung, mehr Ver­staat­li­chung. Deutsch­land braucht das Gegen­teil, näm­lich wirt­schaft­li­che Frei­heit. Zudem: Zuwan­de­rung haben hart Lin­ke noch nie­mals in der Geschich­te begren­zen wollen. 

Wer Wagen­knecht anhand von Kli­schees aus der BILD-Zei­tung und aus Büchern von 1999 mißt, wird zu der­ar­ti­gen Aus­sa­gen kom­men müs­sen. Wer jedoch ihre Bücher der letz­ten Jah­re kon­sul­tiert, wird zwar aus­rei­chend Stel­len zum Wider­spruch, indes frei­lich weder »Kom­mu­nis­mus« noch Zuwan­de­rungs­a­po­lo­gien finden.

Das Pro­blem mit der­lei ver­kürz­ter Phra­sen­dre­sche­rei, die das Wut­gen in der libe­ral­kon­ser­va­ti­ven Bubble anspricht, ist, daß Rea­li­täts­checks poten­ti­el­ler Wäh­ler in der Regel anders aus­fal­len dürf­ten. Es ist bei­na­he wie im Fall der legen­dä­ren AfD-Pau­schal­dif­fa­mie­run­gen: Indem man die AfD ätzend als »Nazis«, »dumm« und »extre­mis­tisch« abtat, half man ihr – Soli­da­ri­sie­rungs­ef­fek­te folg­ten, weil die fal­sche Her­an­ge­hens­wei­se der Geg­ner zu offen­sicht­lich war.

Ähn­li­ches muß für unse­ren Umgang mit Sahra Wagen­knecht gel­ten. Wer sie wie ein wild­ge­wor­de­ner Neo­con anfällt, muß damit rech­nen, das Gegen­teil zu errei­chen: Soli­da­ri­sie­rung mit ihr, weil die Kluft zwi­schen Belei­di­gung und tat­säch­li­chen Sach­ver­hal­ten zu offen­kun­dig ist.

Lei­tet sich dar­aus eine Umar­mungs­stra­te­gie in Bezug auf Wagen­knecht und das BSW ab? Mit­nich­ten. Man muß Wagen­knechts Par­tei stel­len, man kann sie pro­blem­los stel­len! Aber eben ohne Schaum vor dem Mund und ohne einen so stump­fen wie ana­chro­nis­ti­schen »Anti­kom­mu­nis­mus« zu repro­du­zie­ren, der schon 1991 von den Ereig­nis­sen über­holt wur­de und sei­nen heu­ti­gen Trä­ger als in der Regel unpo­li­ti­schen und emo­tio­nal auf­ge­wall­ten Libe­ral­kon­ser­va­ti­ven entlarvt.

Es bie­tet sich dage­gen an, die Migra­ti­ons­fra­ge als bis­he­ri­gem »Uni­que Sel­ling Point« der AfD auch hier ins Visier zu neh­men. Wagen­knecht plä­diert in ihren Schrif­ten für eine lands­män­ni­sche Par­tei­lich­keit, für strik­te Migra­ti­ons­be­gren­zun­gen, für einen star­ken (und damit per­so­nell beschränk­ten) Sozi­al­staat, für ein Ende des Traums offe­ner Gren­zen, für Hil­fe vor Ort. Doch wie will sie das durch­set­zen? Sie kann es nicht, es blei­ben Absichtserklärungen.

Ihre mög­li­che Spit­zen­kan­di­da­tin für Euro­pa, Ulri­ke Gué­rot, träumt ja der­weil von Neu-Alep­po und Neu-Kabul auf euro­päi­schem Boden als Ver­wirk­li­chung kon­kre­ter Hil­fe für Flücht­lin­ge. Und Sevim Dağ­de­len und Ami­ra Moha­med Ali – Wagen­knechts wich­tigs­tes Gespann neben Leye und Lafon­taine – leh­nen Abschie­bun­gen rigo­ros ab. Läßt sich das auf Dau­er ver­ein­ba­ren? Nein, das wird Angriffs­punk­te en mas­se pro­du­zie­ren. Eine Migra­ti­ons­wen­de in der deut­schen Poli­tik wird es nicht durch Wagen­knecht geben, son­dern durch die AfD.

Bis­her wur­de das Team Wagen­knecht zudem zusam­men­ge­schweißt durch die Ableh­nungs­fron­de aller ande­ren. Nun sind sie aber selbst eine For­ma­ti­on, die Wider­sprü­che aus­hal­ten muß. Kön­nen die Prot­ago­nis­ten das? (Ähn­li­ches gilt übri­gens für die Rest­links­par­tei: Dort schien es lan­ge so: Wagen­knechts Trup­pe ist das Pro­blem, danach geht es auf­wärts! Doch das Feind­bild Wagen­knecht ist jetzt aus­ge­tre­ten, die inne­ren Wider­sprü­che zwi­schen den ver­blie­be­nen Flü­geln haben kei­nen Sün­den­bock mehr, der sie im Nega­ti­ven ver­eint usw. usf.)

Apro­pos Ami­ra Moha­med Ali, bis vor kur­zem Frak­ti­ons­chefin der Links­frak­ti­on im Bun­des­tag, ges­tern neben Wagen­knecht Stim­me des neu­en BSW. Ihr Abstim­mungs­ver­hal­ten spricht Bän­de; fin­di­ge Rechtstwit­ter-Iko­nen haben es längst aus­fin­dig gemacht und popu­la­ri­siert; klu­ge AfD-Poli­ti­ker der­weil auf­ge­grif­fen und adäquat kom­men­tiert.

Man muß die BSW-Leu­te also inhalt­lich stel­len: So, wie man auch CDU- oder FDP-Kon­kur­ren­ten inhalt­lich stellt. Ein­ge­wen­det wird ger­ne, es hand­le sich dabei aber um »Kom­mu­nis­ten«. Bei Twit­ter raun­te es, immer­hin wäre Wagen­knecht – auch heu­te noch – für Ein­grif­fe des Staa­tes in die Wirt­schaft, was mit einer sozia­len Markt­wirt­schaft nicht ver­ein­bar wäre.

Nun stellt sich her­aus, daß es mit der »sozia­len (!) Markt­wirt­schaft« bei eini­gen AfD-Prot­ago­nis­ten nicht beson­ders weit her ist, sie viel­mehr dem Bild einer unge­zü­gel­ten frei­en Wirt­schaft anglo­ame­ri­ka­ni­schen Zuschnitts anhän­gen, die jedoch im Pro­gramm von Kal­kar 2020 so nicht fest­ge­schrie­ben ist, im Gegen­teil. In der ers­ten Zei­le der Prä­am­bel des Pro­gramms heißt es:

Die AfD bekennt sich zum Sozi­al­staat, zur sozia­len Markt­wirt­schaft und zur Soli­da­ri­tät und gegen­sei­ti­gen Hil­fe inner­halb unse­res Volkes.

Damit läßt sich arbei­ten. Jeden­falls dann, wenn man zur Kennt­nis nimmt, daß sozia­le Markt­wirt­schaft eher Röp­ke, Mül­ler-Arm­ack und Eucken bedeu­tet als Rand, Mises und Hayek.

Selbst­ver­ständ­lich sind staat­li­che Ein­grif­fe in die DNA der sozia­len Markt­wirt­schaft ein­ge­schrie­ben. Wem der Ver­weis auf die oben genann­ten Vor­den­ker (und ande­re) zu weit her­ge­holt scheint, grei­fe eben zu einem bar­rie­re­frei­en Ein­füh­rungs­text. Dort heißt es:

Die Preis­bil­dung fin­det bei vie­len Gütern nicht unter den Bedin­gun­gen des frei­en Mark­tes statt, son­dern wird durch den Staat beein­flusst. Die­ser Ein­griff des Staa­tes in einer sozia­len Markt­wirt­schaft dient dem Schutz der Nach­fra­ger und/oder der Anbie­ter und sorgt dafür, dass der Markt­preis, der nicht “gerecht” bzw. “sozi­al” sein kann, dadurch “gerecht” und “sozi­al” wird.

Wür­de sich z. B. für ein lebens­wich­ti­ges Medi­ka­ment ein Preis her­aus­bil­den, den ärme­re Kon­su­men­ten nicht ent­rich­ten könn­ten, wäre das viel­leicht schon Grund genug, den Markt zu regulieren.

Der Staat kann indi­rekt oder direkt in die Preis­bil­dung und damit das Markt­ge­sche­hen eingreifen.

Man ver­ste­he mich nicht falsch: Natür­lich kann man der­lei »Ordo­li­be­ra­lis­mus« (den Wagen­knecht lin­ker inter­pre­tiert als ande­re) ableh­nen, nur ver­läßt man dann eben den Boden des AfD-Pro­gramms von Kal­kar und den Boden der bun­des­deut­schen Selbst­ver­pflich­tung auf die sozia­le Markt­wirt­schaft zur sel­ben Zeit. Ob das poli­tisch rat­sam ist, inhalt­lich wie stra­te­gisch, wäh­rend ein BSW Sozi­al- und Rechts­po­pu­lis­mus neu zu ver­knüp­fen wagt, wäre zu bezweifeln.

Und »Kom­mu­nis­mus« erblickt in den eher­nen Grund­la­gen einer sozia­len Markt­wirt­schaft, auf die sich auch Wagen­knecht offen­siv bezieht, nur der­je­ni­ge Akteur, für den alles »Kom­mu­nis­mus« ist, wo ein »Wir« oder ein gemein­schafts­be­ja­hen­des Welt­bild neben das »Ich« und öko­no­mi­sche Par­ti­ku­lar­in­ter­es­sen gestellt wird.

Das kann man so hand­ha­ben, nur hat man dann wenig mit volks­ver­bun­de­ner Poli­tik, viel indes mit pseu­do­eli­tä­rer Kli­en­tel­po­li­tik und libe­ra­len Res­sen­ti­ments zu tun. Exakt dies aber wäre ange­sichts des­sen, daß die Wagen­knecht-Par­tei im Super­wahl­jahr 2024 als Ramm­bock gegen die mög­li­chen AfD-Sie­ge instru­men­ta­li­siert wer­den wird, so ziem­lich das schäd­lichs­te, was AfD-Poli­ti­ker anrich­ten könnten.

Es ist daher Zeit für knall­har­te Geg­ner­ana­ly­sen, die auf Dumm­hei­ten und Plat­ti­tü­den ver­zich­ten und in der Lage sind, Haupt- und Neben­geg­ner (Ampel plus Uni­on ver­sus BSW) zu unter­schei­den. Wer noch nicht ein­mal die­ses Ein­mal­eins poli­ti­scher Lage­ana­ly­se beherrscht, wirft die gesam­te patrio­ti­sche Oppo­si­ti­on um Jah­re zurück. Doch das kön­nen wir uns in der anhal­ten­den Kon­ver­genz der Kri­sen, in der sich unge­ahn­te Fens­ter für Par­tei und Vor­feld öff­ne­ten, nicht leisten.

Benedikt Kaiser ist Politikwissenschaftler und arbeitet als Verlagslektor.

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Kommentare (51)

Loki

24. Oktober 2023 14:51

Es ist unwichtig, ob man den "Verein BSW" als egomanisch, ob man die Äußerung Chrupallas als unaufgeregt und clever, das Verhalten von Frau von Storch als ungelungen bezeichnen will. Fest steht, mit Wagenknecht zieht ein Gesicht der Linken, wie auch der letzte kleine Teil an Intellekt dieser politischen Strömung, einen neuen Kreis auf dem politischen Parkett unseres Landes. Der Zeitraum ist gut gewählt, fast Drehbuchreif. Es steht zu vermuten, dass unter den Schlagworten "Menschlichkeit, Solidarität etc.pp."  5 bis 7% der Wählerstimmen von der AfD abgezogen werden. Das allein, ist Zielstellung der Wagenknechtschen Aufspaltung. Die AfD ist gut beraten den Vorgang nicht zu unterschätzen! 

RMH

24. Oktober 2023 15:22

B.K. geht gleich wieder in die inhaltliche Auseinandersetzung. Recht hat er, wenn er darauf hinweist, dass manche Äußerung im Hinblick auf den (in der Tat auch vorhandenen) Kommunismus von S.W. eher den eigenen Reihen gilt, als dass es auch nur ansatzweise potentielle Wähler beeindrucken kann. @Lokis Einschätzung ist richtig. Mit dem BSW tritt zum richtigen Zeitpunkt ein Projekt an, welches der AfD Stimmen kosten kann. Für den Erfolg von BSW wird es aber darauf ankommen, wie viele aus dem linken Spektrum noch überwechseln werden. Für die Zukunft von BSW wird es entscheidend sein, welche Strukturen, Personen und Netzwerke sich für BSW entscheiden. K. Ernst hat immer noch gute Verbindungen zur IG Metall, um einmal ein Beispiel zu nennen. Kommt noch ein Riß durch mitteldeutsche Landesverbände, gehen auch mancher Grüne oder SPDler zu BSW? Davon wird viel abhängen. Wenn sich eine solche, größere Absetzbewegung zu zeigen gibt, dann ist es für die AfD an der Zeit, zum einen in den inhaltlichen Nahkampf zu gehen (B.K. liefert schon Material) und zum anderen weiterhin Wähler von Union & FDP anzusprechen, denn es ist nicht nur das BSW, was der AfD Konkurrenz macht, es sind auch die FW (die dank der Aiwanger Affäre jetzt jeder in Deutschland auf dem Zettel hat) und evtl. macht M. Krall auch noch was. Der AfD drohen also 2 weitere Fronten, statt wie bisher nur das gesammelte Establishment als Gegner en block.

Daniel

24. Oktober 2023 15:32

Böse Zungen werden behaupten, dass es die Linkspartei nun auch wieder mit Moskau-Anbindung gibt. Programmatisch wird man hier auf die ostdeutsche Wählerschaft abzielen, die besonders mit dem pro-westlichen Kurs ihrer alten Linken fremdelt. Ob sich in punkto Migrationspolitik so viel Neues unter der Haube verbirgt, darf mit Personen wie Mohamed Ali und Sevim Dagdelen an der Spitze zurecht bezweifelt werden (bei der "Begrenzung" sind inzwischen ja auch die Altparteien angelangt). Das sollte für die AfD auch kein Grund sein, in Panik zu verfallen oder sich bei der Sozialpolitik nun stärker von links abzugrenzen. Dass andere die Gunst der Stunde nutzen und mit Schein-Alternativen aufwarten, war angesichts der bundespolitischen Gemengelage und der in der Luft zu greifenden Wechselstimmung zu erwarten. Interessant wird sein wie der mediale Mainstream diesen offensichtlichen Versuch der AfD-Kannibalisierung goutiert (trotz deutlicher Anti-NATO-Rhetorik). Die sonstigen "Basis-Parteien" der letzten Jahre sind ja allesamt auch deswegen in der Versenkung verschwunden, weil sie in der öffentlichen Wahrnehmung erst gar nicht stattfanden. Eventuell erwartet uns hier sowas wie eine neue Piratenpartei, allerdings war die nach kurzem Höhenflug dann auch wieder weg vom Fenster als sich nämlich herausgestellt hatte, dass es auch nur viel alter Wein in neuen Schläuchen war...

brueckenbauer

24. Oktober 2023 18:02

Das praktische Ziel ist ja nun mal zunächst, weitere Verschlimmerungen zu verhindern. Und abgesehen von der Wirtschaftspolitik denke ich da an weitere Aushebelungen der persönlichen Freiheitsrechte. ("Libertäre" ist ja das neue Schimpfwort, aber auch sog. "Ordo"-Liberale sollten da mitgehen können!) Die Frage wäre also die, ob und wieweit AfD und BSW-Folgepartei sich da verbünden können.

Ordoliberal

24. Oktober 2023 23:52

@brueckenbauer
Ich verstehe nicht, was Sie meinen. Wie können sich Libertäre und Ordoliberale mit der BSW verbünden? Sie haben ja schon größte Schwierigkeiten mit den Sozialpatrioten innerhalb der AfD. Es herrscht ja nur ein fragiler Waffenstillstand zwischen diesen beiden Gruppen, getragen durch den gemeinsamen Gegner und das gemeinsame Ziel, aber ständig gefährdet durch den Grundsatzstreit, welche Mittel die richtigen sind, dieses Ziel zu erreichen und den Gegner zu besiegen. Alles dreht sich hier um die Frage des Verhältnisses zwischen Staat und Wirtschaft: Subventionen, ja oder nein? Schulden, ja oder nein? Leitzins, ja oder nein? Gewaltenteilung, ja oder nein? Darf der Staat bestimmte Bürger rechtlich und finanziell vor anderen bevorzugen? Darf der Staat bestimmte Unternehmen rechtlich und finanziell vor anderen bevorzugen? Darf der Staat Schulden gegen den Willen des Schuldners aufnehmen? Darf der Staat Geld fälschen? Darf der Staat hoheitliche Aufgaben an Institutionen abgeben, die nicht von seiner Legislative kontrolliert werden? Hier kann es für Libertäre aller Schattierungen keinen Kompromiss geben. Die Sozialpatrioten dagegen sehen diese Probleme noch nicht mal in der gebotenen Schärfe und Klarheit.

Franz Bettinger

25. Oktober 2023 02:15

Lafontaine hat die SPD zerstört. Wagenknecht tut desgleichen mit dem linken Rest. Ich würde sagen: Deren Rachefeldzug war / ist ein voller Erfolg. Und ich freu mich drauf. Was wird auf deren Grabstein stehen? (Auf meinem soll stehen: Vergesst die letzten fünf Sekunden.) 

Ordoliberal

25. Oktober 2023 04:04

1/5
Um zu verstehen, warum Libertäre so eine tief verwurzelte Abneigung gegen den Begriff "Gemeinwohl" haben, empfehle ich folgenden kleinen Bericht auf Apollo News:
https://apollo-news.net/klima-strafen-fuer-mitarbeiter-von-fussballclub-wenn-sie-auto-fahren-und-fleisch-essen/

Ordoliberal

25. Oktober 2023 04:05

2/5
Über jemanden zu herrschen bedeutet, ihm willkürlich Rechte entziehen und Pflichten auferlegen zu können. Man kann das natürlich unter Androhung von Gewalt machen. Dann spricht man von Gewaltherrschaft. Aber auf Gewaltbasis lassen sich dauerhaft nur Gefangenenlager und Sklavenplantagen führen. Deshalb ist man schon seit Urzeiten darauf verfallen, zur Rechtfertigung von Willkürherrschaft das Vorbild des gütigen Familienvaters anzurufen, der den unmündigen Familienmitgliedern "zu ihrem eigenen Besten" Rechte entzieht und Pflichten zuteilt. So wird der Staat zum Vater Staat und die Kirche zur Mutter Kirche. So wird der Freie zum Mündel und das Gemeinwohl zum Besten für alle Beherrschten.
Damit das funktioniert, muss das Gemeinwohl unbedingt mit Bezug auf metaphysische Entitäten definiert werden - Charisma, Gotteswille, Weltgeist, wissenschaftliche Gewissheit usw. -, weil es sonst seine wichtigste Eigenschaft verliert: Heilig zu sein. Heilig zu sein bedeutet ja immer: Nicht greifbar zu sein, vage zu sein oder noch besser: widersprüchlich zu sein, vertrackt, verwirrend und damit interpretationsbedürftig.
Der Nutzen des Gemeinwohlbegriffs besteht nun auschließlich darin, eine soziale Klasse von Gemeinwohlinterpreten hervorzubringen, die damit eine Willkürherrschaft begründen können.

Ordoliberal

25. Oktober 2023 04:12

3/5
Das Gemeinwohl ist kein Rechtsbegriff. Obwohl es in Gesetzestexten ständig auftaucht, wird es dort nie definiert. Es gibt auch keine säkulare Definition dafür. Wäre das Gemeinwohl einfach nur das Wohl aller Rechtssubjekte, wäre die Forderung "Gemeinwohl vor Eigenwohl" widersprüchlich und damit sinnlos. Wie kann das Wohl aller Rechtssubjekte dem Wohl irgendeines einzelnen davon widersprechen? Um der Aussage "Gemeinwohl vor Eigenwohl" Sinn zu geben, muss das Wohl aller nicht einfach nur das Wohl jedes Einzelnen sein, sondern das Wohl einer Entität, die mit keinem Einzelnen und keiner Untergruppe von Einzelnen (also auch nicht der Gesamtgruppe) identisch ist. Deshalb hat von Mises zu Recht bemerkt, dass nur ein Platoniker auf den Gemeinwohlbegriff hereinfallen kann.
Gemeinwohlherrschaft ist die Grundform jeder autoritären Herrschaft, die platonische Herrschaft. Wer sich zu ihr bekennt, akzeptiert eine erleuchtete Klasse von Gemeinwohlinterpreten, deren Ratschlüssen sich jeder zu unterwerfen hat, seien sie noch so unergründlich.

Ordoliberal

25. Oktober 2023 04:18

4/5
Man hört oft: Aber Straßenbau dient doch dem Gemeinwohl! Die Sozialversicherungen dienen dem Gemeinwohl! Schulen dienen dem Gemeinwohl! Das ist alles Unsinn. Straßen dienen denen, die sie befahren. Warum sollte jemand anderes für sie bezahlen? Schulen dienen denen, die sie besuchen. Sie dienen darüber hinaus Unternehmen und Rentenempfängern. Daher sollten Eltern, Unternehmen und Renteneinzahler für sie bezahlen. Und zwar dergestalt, dass Kinderlose höhere Prämien für dieselbe Rentenleistung bezahlen als Eltern. Man nennt das Kinderpunkt.
Auch Sozialversicherungen dienen nicht dem Gemeinwohl. Sie dienen wie alle genossenschaftlichen Versicherungen ihrem Vereinsziel: Der Absicherung des Beitragszahlers im Versicherungsfall. Selbst wenn Sozialversicherungsprämien risikoneutral sind, macht sie das noch nicht gemeinwohlorientiert. Denn diese Regelung dient ja nicht dem Wohl aller, sondern dem Wohl weniger - nämlich derjenigen, die versehrt sind, chronische Krankheiten haben oder riskante Jobs, die rauchen oder trinken. Sie dient nicht dem Wohl der vielen Gesunden unter den Versicherten, die draufzahlen.

Ordoliberal

25. Oktober 2023 04:27

5/5
Da aber niemand eine Insel ist und sich jeder wünscht, dass auch arme, behinderte und chronisch kranke Menschen behandelt werden, zahlen die Menschen diese Prämien freiwillig. Würden sie es nicht tun, müssten die nicht versicherbaren Bürger auch in einem libertären Staat auf Steuerzahlerkosten behandelt werden, da es ja auch in einem libertären Staat den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung gibt. Ein Grund mehr übrigens, keine Fremden ins Land zu lassen, die sich hier nicht selbst unterhalten können.
Was die Einkommensabhängigkeit der Sozialversicherungsprämien aus libertärer Sicht angeht, das ist einfach nur ein Taschenspielertrick. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum besser bezahlte Angestellte die Prämien schlechter bezahlter Angestellter subventionieren sollten. Gäbe es diese unsinnige Regelung nicht, müsste der Arbeitgeber eben seine Gehaltsstruktur anpassen, damit alle Angestellten ihre (flache) Pflichtversicherungsprämie bezahlen können. Kleine Gehälter würden brutto steigen, große brutto sinken. Aber das frei verfügbare Einkommen bliebe bei allen gleich.
Unternehmen mit vorwiegend gering qualifizierten Mitarbeitern hätten allerdings höhere Lohnkosten. Das haben sie aber natürlich jetzt schon. Sie merken es nur nicht, weil die Unternehmen mit vorwiegend hoch qualifizierten Mitarbeitern sie querfinanzieren.

Franz Bettinger

25. Oktober 2023 05:06

Gute Analyse! Ich schätze, Wagenknecht wird gar nicht zur Wahl antreten, und wenn doch: unter 2% bleiben. Die S.W. hat nicht das nötige stamina, nicht die nötige Leidensbereitschaft, nicht das richtige Team. Warum macht sie’s überhaupt? Um Die Linke zu quälen. Das riecht auch völlig aus. Wer glaubt denn noch Umfragen?! Ich erinnere daran, dass die Lügenpresse einst die „Ruft mal Martin“-SPD auf 35% hoch gelogen hat; dann landete sie bei 18%. Wenn überhaupt, wird BSW allen anderen Parteien mehr Stimmen kosten als der AfD, vorbehaltlich der Auswirkung üblicher Wahlfälschungen. Die Freien Sachsen (und vllt. die FW) sind als Konkurrenz der AfD viel ernster zu nehmen. /
Es gibt aber was, das man taktisch klug heute nicht öffentlich machen sollte; nicht mal als Hypothese. Ihr werdet euch wundern, was 2 Wochen vor der Wahl passiert. Der Angriff auf die Alt-Parteien wird viel fulminanter sein als jedermann erwartet. S.W. und Oscar L. werden Geschichte schreiben. Und die Lügenpresse? In ihr eigenes Messer laufen. 

Monika

25. Oktober 2023 09:29

Sahra Wagenknecht zum Nahost-Konflikt (Tagesspiegel 23.10.23) "Gaza ist ein Freiluftgefängnis" seit vielen Jahren . Sie erläutert die Aussage so:" Die Menschen könnten den Gaza-Streifen nicht verlassen und dieser sei wirtschaftlich nicht überlebensfähig, sondern auf Hilfe von außen angewiesen."
Dasselbe hätte Frau Wagenknecht beizeiten über die DDR sagen können. Insofern bleibt zu hoffen, dass die ehemaligen  Bewohner des "Freiluftgefängnisses DDR" eine gute Erinnerungskultur  haben. Viel mehr Sorge würde mir eine Moslempartei bereiten. Eine Frage der Zeit.

Benedikt Kaiser:
Wagenknecht durfte in der DDR nicht studieren, in ihren Büchern spürt man keine DDR-Nostalgie. Thema leider verfehlt. Und eine muslimische Partei ist äußerst unrealistisch; die internen Zerwürfnisse überschatten innerrechte und innerlinke Zerwürfnisse. Schon der "Zentralrat der Muslime" spricht nur für eine Minderheit, bspw.

Monika

25. Oktober 2023 10:03

@Benedikt Kaiser So schnell hat man ein Thema verfehlt. Die Tatsache, dass Frau Wagenknecht selbst unter dem DDR Regime benachteiligt war, entlastet sie nicht davon,  zu den geschehenem Unrecht in der DDR dezidiert Stellung zu beziehen. Es gab auch unzählige Kommunisten  in kommunistischen Gefängnissen, nur, weil sie etwa "einen Kommunismus mit menschlichem Antlitz" wollten, sprich einen anderen als den vom Marxismus-Leninismus legitimierten. Grundsätzlich infrage gestellt haben sie das kommunistische System aber nicht. Ihr Mann, Oskar Lafontaine, mit dem sie damals noch nicht verheiratet war, war für eine "Zwei-Staaten-Lösung Deutschlands". Unter ihm hätte es eine Wiedervereinigung nicht gegeben. ( siehe "Oskar Lafontaine, der Enkel Erich Honeckers" in der WELT 9.6.2008 . OK , im Rückblick kann man zynisch fragen, ob das vielleicht nicht soger besser für das deutsche Volk gewesen wäre.

Benedikt Kaiser:
Ja, das geht schnell.

kikl

25. Oktober 2023 10:25

Ich frage mich, wie realistisch die Abkehr von der zentralen Planwirtschaft ist, wenn man sich mit sozialistischen Betonköpfen umgibt. Das Personal, mit dem sich Wagenknecht umgibt, besteht doch ausschließlich aus Mitgliedern der SED/PDS? Ich bleibe insofern unentschieden und beobachte mit Misstrauen, was da noch kommt.
Dieser Tweet des neuen Wagenknecht-Vereins hat es allerdings in sich:
"Ja, wir stehen für Impfpflichten, gegen Abschiebungen und gegen Atomkraftwerke, weil wir hier allen Menschen ein sicheres Zuhause bieten wollen. Volksentscheide halten wir für zu manipulierbar."
Mit dem Volk stehen sie also auf Kriegsfuß, weil das Volk manipulierbar ist aber die Wagenknechter selbst sind natürlich nicht manipulierbar. Ich rieche da den sozialistischen Dünkel der "Avantguarde". Wozu soll man sie jetzt also wählen? 
Ich denke, da gibt es genügend Angriffspunkte, um die Wagenknechtpartei zu marginalisieren.

Benedikt Kaiser:
Tweet und Account sind logischerweise Fälschungen.

Franz Bettinger

25. Oktober 2023 10:28

@Ordoliberal schreibt, Kinderlose sollten höhere Prämien für dieselbe Rentenleistung bezahlen als Eltern.“ - So sehr ich den Rest Ihrer Ausführungen schätze, so sehr befinden Sie sich in diesem Punkt auf dem Holzweg. Ihre Annahme, Kinder seien ein Segen für das Land, müssten Sie erst mal beweisen. Kinder sind (bereits wenn sie im Mutterleib heran wachsen) zunächst eine finanzielle Belastung für das Land. Denken Sie an die Leistungen, die Schwangere Mütter und Kinder einsacken (Sonderurlaub, Mütter- & Vater-Zeiten, Kindergeld, Steuer-Vergünstigungen kostenlose Mit-Versicherungen von Kindern bei der AOK, Schule, Uni usw.), ohne was dafür geleistet zu haben. Wenn die Kinder dann einmal flügge werden & arbeiten & Steuern zahlen, könnten sie anfangen, die von (auch dem kinderlosen Teil) der Gesellschaft empfangenen Wohltaten endlich abzuarbeiten. Das mag früher zugetroffen haben. Heute ist die Chance groß, dass diese Kinder arbeitslos bleiben und der Gesellschaft weiter auf dem Sack liegen. Ganz zu schweigen von den Kindern der Migranten, die blöde sein müssten, arbeiten zu gehen bei dem Wohlstand, der ihnen als Arbeitsloser in BRD hinterher geworfen wird. Dass ich mir mit diesem Beitrag keine Freunde mache, ist klar, aber etiam omens ego non. (Ich habe es irgendwie satt, also Kinderloser dauerbeschimpft zu werden.) 

fw87

25. Oktober 2023 10:37

Grundsätzlich teile ich viele Standpunkte von Sarah Wagenknecht. Allerdings treibt mich schon die Frage um, wie sie heute zum Kommunismus steht. Soweit mir bekannt, hat sie nie explizit mit dem Kommunismus gebrochen. Was ist also ihre politische Vision? Soll ihr jetziges Programm nur ein Zwischenziel zum Endziel Kommunismus sein? Das ist alles unklar für mich.
Ich gebe Herrn Kaiser recht, dass man nun nicht vorschnell und unüberlegt gegen Wagenknechts neue Partei schießen sollte. Sollte die Partei doch wider Erwarten ihre Hand gegenüber der AfD ausstrecken wollen, könnte man sich eine wichtige Chance verbauen. Weitaus besser fände ich es aber, wenn Frau Wagenknecht doch noch einen Weg in das rechte Lager fände. Mit ihrem sozialen Denken könnte sie viel Gutes für die AfD bewirken und eine tatsächliche Lücke ausfüllen.

kikl

25. Oktober 2023 10:50

"Benedikt Kaiser:Tweet und Account sind logischerweise Fälschungen."
Das dokumentierte Abstimmungsverhalten von Frau Mohammed Ali sind keine Fälschungen. 

Benedikt Kaiser:
Ja, darum ging es aber nicht. Man kann nicht Fake News verbreiten und dann sagen: Ok, stimmt, aber was anderes ist wie folgt: ..."
Natürlich sind solche Abstimmungsmuster zu verwenden, den Ali-Tweet führe ich sogar im Text an als Beleg dafür, wie man sie stellen kann und wie man sie stellen muss. Oberstes Gebot aber: Bei der Wahrheit, bei den Fakten bleiben. Alles andere ist ein Eigentor mit Ansage.

Franz Bettinger

25. Oktober 2023 10:54

PS: (nicht für Frauen geeignet): Eine Frage bewegt mich. Ob's der schönen Sarah nach dem zukünftigen Wahlfiasko in 2024 finanziell so schlecht gehen wird, dass sie sich für den Playboy ausziehen wird? Es wäre nicht das Schlechteste für den Planeten. 

dojon86

25. Oktober 2023 11:00

@Franz Bettinger Ich habe es irgendwie satt, als ein Mensch, der Verantwortung für seinen Nachwuchs übernahm, und dafür mit einem dauerhaft niedrigerem Lebensstandard als meine kinderlosen Bekannten belohnt wurde, sich von den Kinderlosen für diese Entscheidung belächeln zu lassen.

RMH

25. Oktober 2023 11:20

(Ich habe es irgendwie satt, also Kinderloser dauerbeschimpft zu werden.)
@F.B., wo liegt in der Forderung, dass man Kinderlose schröpft, eine Beschimpfung? Das ist klassische Umverteilung und Austarierung einer Gesellschaft nach gefühlten Gerichtigkeits- und Verursachungsbeiträgen. Das kann man gut, aber auch schlecht finden (je nach Einstellung). Aber an und für sich hat ihre betrachtungsweise auch einen gewissen Charme. Mit jedem Lohnsteuerabzug dauerbeschimpft mich dieser Staat als Leistungsträger und mutet mir und meinen Kindern, denen ich dann nicht so viel hinterlassen kann, wie ich will, allerlei zu.

kikl

25. Oktober 2023 11:56

Benedikt Kaiser:Ja, darum ging es aber nicht. Man kann nicht Fake News verbreiten und dann sagen: Ok, stimmt, aber was anderes ist wie folgt: ..."
Ja, ich bin darauf reingefallen, der Text zu dem Tweet ist kein Zitat von Wagenknecht.
Der Inhalt ist aber richtig, weil er sich aus dem Abstimmungsverhalten ergibt. Das ist dokumentiert. Das ist wichtig klarzustellen und einfach zu sagen das ist falsch, so als ob das keine Grundlage hätte ist übrigens auch irreführend, meinen sie nicht?

Carsten Lucke

25. Oktober 2023 12:01

@ Franz Bettinger 10.54
Mensch, Bettinger, wieviel Uhr ist's gerade da, wo Sie sich aufhalten ?
Bitte keine Dystopien im Suff !

kikl

25. Oktober 2023 12:06

Zu den Themen: "Impfpflichten, Abschiebungen, Atomkraftwerke und Volksentscheide" sagt das vorläufige Programm von Wagenknecht auch nix anderes als der Tweet. Deshalb ist das inhaltlich richtig, dabei bleibe ich mit gutem Grunde.
https://buendnis-sahra-wagenknecht.de/bsw/
Zum Thema Wirtschaftspolitik möchte sie nur Kartelle zerschlagen. Das ist für Sozialisten vermutlich auch das einzige, was ihnen am wirtschaftlichen Ordoliberalismus zusagt.
Insofern bleibe ich bei meiner Skepsis. Frau Wagenknecht kaufe ich die Abkehr von der zentralen Planwirtschaft nicht ab. Dafür hat sie zu lange in einer Partei gedient, die genau dafür einstand und in ihrem neu geschaffenen Verein umgibt sie sich mit den gleichen Leuten.

Franz Bettinger

25. Oktober 2023 12:18

@Dojon: Ich belächele Sie nicht wegen Ihrer Kinder. Manchmal beneide ich Sie darum. Aber Ihre Kinder, Ihr Vergnügen! Sie haben sie hoffentlich nicht aus Staatspflicht gezeugt, sondern sich dafür Belohnung erhofft. Spricht man nicht von Kinderglück?! Und für Ihr Glück wollen Sie von der Gesellschaft noch finanziell deftig ausgestattet werden? 

Der Balte

25. Oktober 2023 12:24

https://youtu.be/nC6GoXsEIdk?si=g9Hx8PKtgafrGKGV
 
Nach diesem Interview (war das Kleid von Chanel? Bei ihrem Einkommen von nicht weit 1 Million € p.a.  keine absurde Frage) stellte sich mir eine Frage: Wieviel Kreide hat sie gefressen, damit für die vielen politisch verunsicherten Geißlein die kommunistischen Zähne nicht sichtbar/hörbar werden?

Der Balte

25. Oktober 2023 12:34

Noch was: obwohl ich BK persönlich wirklich mag, sind seine Kenntnisse der Exponenten der Österreichischen Ökonomischen Schule derart dünn, dass er sich schnell aufs Glatteis begibt. Klar: "Menschliches Handel" dreibändig von Ludwig von Mises durchzuackern, das ist in der schnelllebigen Zeit vielleicht zu viel erwartet, aber Zusammenfassungen der Werke dieses Autors gibt es zuhauf.
Ihn in eine Reihe mit dem verhassten Turbokapitalismus zu stellen, das war zu viel hartem Tobak.

Benedikt Kaiser:
Lieber Herr Dr., danke für Ihre höfliche Kritik. Mises und Hayek habe ich für den SolPat rauf und runter gewälzt, zugegebenermaßen mitunter gegen innere Widerstände, musste aber halt sein. Entsprechende Zitate der Autoren, die ich in meine Kritik aus solidarpatriotischer und rechter Sicht einbette, stehen für sich. Aber: Habe auch Positives dazu notiert. Anmerken muss man final, dass es das eine ist, wirtschafts- und ideenpolitisch originelle Denker zu diskutieren. Etwas anderes ist es, deren Botschaften ins Tages- und damit Realpolitische herunterzubrechen. Dementsprechend kritisch fiel meine Beschäftigung mit genannten Autoren (und weiteren) aus. Beste Grüße und auf bald!

Gracchus

25. Oktober 2023 13:09

Super Analyse von BK. 
Derzeit erscheint das Projekt noch ziemlich substanzlos als reine Mediennummer, und das sage ich trotz all meiner Sympathien für SW. Ich befasse mich auch gar nicht näher damit, so dass sich Überlegungen, ob sich SW in naher Zukunft für den Playboy auszieht - FB genießt so eine Art Narrenheit scheints - erübrigen. Auch habe ich dem Kommunismus auch noch nicht abgeschworen, und ich frage mich, warum SW das tun sollte. 
P. S. Sehr schöner Nachruf auf Gunnar Kaiser. Die Nachtricht hat mich traurig gestimmt, wie nur selten bei jemandem, den ich nur von Youtube kenne.
 
 

Gracchus

25. Oktober 2023 14:37

@Ordoliberal: Mir scheint das rechtlich zweifelhafte Gebaren des VfL Osnabrück als Aufhänger für Ihre libertären Ausführungen eher schlecht gewählt. Man könnte das Beispiel auch dafür nehmen, dass in einem libertären Rumpfstaat der Einzelne der Willkür privater Akteure ausgesetzt wäre. 

RMH

25. Oktober 2023 14:41

"so dass sich Überlegungen, ob sich SW in naher Zukunft für den Playboy auszieht - FB genießt so eine Art Narrenheit scheints - erübrigen."
@Gracchus, dass das hier durchging, hat mich gewundert (finde ich aber vollkommen ok!). Nicht überrascht hat mich hingegen F.Bs voyeuristisches Interesse an S.W. Als bekennender Verneiner eigenen Nachwuchses und gleichzeitig immer wieder sich als Vitalist und Biologist zeigender Mann, hat man dann konsequenterweise eher Interesse an Frauen, bei denen rein biologisch "nichts mehr" passieren kann (mal sehn, o so viel Süffisanz durchgeht). Das Magazin Playboy würde S.W. übrigens sicher bringen, erst "die Nick", dann die "W." - wäre konsequente Blattpolitik.
PS: Herz-Jesu Sozialismus ist BSW aber sicher nicht.

Monika

25. Oktober 2023 14:55

Letzter Versuch:
Oskar Lafontaine war ein gerngesehener Gast bei Erich Honecker, ihren ganz speziellen Saarpatriotismus sollen beide geteilt haben und auch sehr ähnliche sozialistische Vorstellungen. Der Historiker Martin Sabrow spekulierte sogar  darüber, ob beide möglicherweise  nicht einen gemeinsamen Weg zu einer Konföderation von BRD und DDR hätten einschlagen können, wenn ihnen das Volk 1989 nicht dazwischen gekommen wäre. Ein Weg dahin waren etwa die von Lafontaine ohne Auftrag und Legitimation betriebenen  Städtepartnerschaften, die Kontakte auf rein offizieller staatlicher Ebene waren. Auch sprach sich Lafontaine für eine eigene DDR-Staatsbürgerschaft aus. (Siehe Welt "Träumte Honecker von einer Diktatur mit Lafontaine" von 2012) . Unabhängig von solchen Spekultationen würde es mich interessieren, wie die AfD grundsätzlich mit der DDR-Vergangenheit umgeht ? Gibt es da eine Stellungnahme oder eine gemeinsame Position ?

Der_Juergen

25. Oktober 2023 15:38

Über die Beweggründe S. Wagenknechts kann ich nicht urteilen, da mir die Kunst des Gedankenlesens fehlt. Sie mag subjektiv ehrlich sein, aber objektiv ist die Parteigründung schädlich, weil sie die AFD nachhaltig schwächen wird, was nur das System freuen kann. Bei all meinerer Krtik gegenüber der proisraelischen Einstellung der AFD (oder zumindest der meisten AFD-Leute; Höcke hat sich, soweit ich weiss, nicht geäussert) ist es klar, dass die Partei die einzige Opposition verkörpert, die noch eine kleine Chance hat, auf legalem Wege eine Wende zum Besseren zu bewirken.
@Bettinger
Diesmal muss ich Ihnen klar widersprechen. Dojon86 hat natürlich recht; Kinderreiche würden in einem Staat, dem das Volkswohl am Herzen liegt, gegenüber Kinderarmen klar bevorzugt. Sie bekämen Steuerermässigungen bis hin zur totalen Steuerbefreiung nach dem vierten Kind, während Kinderlose, ob verheiratet oder nicht, ab einem gewissen Alter mit Strafsteuern belegt würden. Wer aus biologischen Gründen keine Kinder zeugen kann, sollte dann deutsche (oder einem verwandten Volk angehörende) Kinder adoptieren, die dann leiblichen rechtlich gleichgestellt würden.
Und wenn die GutmenschInnen bei solchen Vorschlägen hysterisch "Das hatten wir doch schon mal! Mutterkreuz! Faschismus!" kreischen, weise ich sie darauf hin, dass die Politik, kinderreiche einheimische Familien durch finanzielle Stimuli zu belohnen, seit Jahren erfolgreich von Israel praktiziert wird- das in DIESER Hinsicht in der Tat ein Vorbild für uns sein könnte.
 

Maiordomus

25. Oktober 2023 16:23

@Monika. Ich habe die DDR von 1964 bis 1989 zumindest sinngemäss als Freiluftgefängnis publizistisch bezeichnet und betrachtet, wiewohl ich dank @Bosselmann heute differenzierter denke, gleichwohl, sowieso weiss ich noch, wie das Ehepaar Hirsch-Schuder mit dem VW Golf nach Österreich und nach Bad Ragaz fuhr, während einer der besten Chemiehistoriker der DDR noch 1988 einen Vortrag bei uns nicht halten durfte usw. Und dass Christa Wolf ein Griechenlandtagebuch führte, ohne eine Zeile darüber, warum andere, die auch gerne ein solches führen würden, diese Chance nicht bekamen, also über ihre Nomenklaturasituation wenigstens symbolisch reflektieren, Jünger konnte z.B. fast alles, was er über das 3. Reich dachte, verklausuliert schreiben und tat es auch.
Aber: die Kommunistin Wagenknecht hätte mutmasslich als Kanzlerin Deutschlands niemals einen vergleichbaren Schaden angerichtet wie MERKEL und ihr Verdienst ist derzeit , dass sie wie keine zweite auf der Linken den Diskurs vernünftige Analyse der BRD heute geöffnet hat, einzelne Irrtümer inbegriffen. Ehrlich gesagt passt sie besser in die AfD aus der Sicht von deren linken Flügel als Blackrock-Weidel.     
 

Maiordomus

25. Oktober 2023 18:21

@Bettinger. Erholen Sie sich; schon die Priester, von denen es erfreulicherweise aber viele sehr fruchtbare gab, und die Mönche wurden deswegen beschimpft, noch  bis zu den Antiklerikalen der Nazizeit. Die genannten Konzepte sind nicht politikfähig und kommen nirgends durch, darüber sollte sich auch _derjürgen keine Gedanken machen. Ein Teil Ihrer Argumente trifft übrigens zweifelsohne zu.

Grobschlosser

25. Oktober 2023 18:22

Sahra Wagenknecht beschäftigt die Männerwelt - das ist völlig in Ordnung .
"OH - die Sahra in der BILD "
"oh guck mal - die Frau Wagenknecht beim zdf " 
"ohh schau mal - haaa....heute trägt sie das Kleine Schwarze .
politisch gesehen wird sie ein paar ddr-Nostalgiker ansprechen - mehr nicht.
Relevant ist zur Zeit der Aufbau und Ausbau der AfD -Struktur - bitte darauf konzentrieren -Danke 

Maiordomus

25. Oktober 2023 20:14

@Ordoliberal. Wenn Sie eine Abneigung gegen den wohlverstanden missverstandenen Begriff "Gemeinwohl" haben, dann haben Sie sich von zweieinhalb tausend Jahren europäisch-abendländischer Staatsphilosophie verabschiedet- Es geht da nun mal gerade um die Massstäbe "jenseits von Angebot und Nachfrage", die Wilhelm Röpke vor genau 66 Jahren entwickelte. Ich gehörte zu den jungen Mitgründern einer leider nicht zustandegekommenen Wilhelm-Röpke-Gesellschaft, die im liberalkonservativen Spektrum ziemlich eit rechts stand.  Glaube auch nicht, dass Sie Pufendorf-Leser sind. Glaube mich bisher mit ihnen stark  übereinstimmend.  Popper und Lübbe warnten aber stets, sich um Worte zu streiten.  

Ordoliberal

25. Oktober 2023 20:50

@Franz Bettinger
Der Kinderpunkt macht natürlich nur in einem Umlagesystem Sinn. Bei einer kapitalgedeckten Rentenversicherung nicht.
@Gracchus
Wer den Ausdrück "libertärer Rumpfstaat" verwendet, beweist damit, dass er keinen einzigen libertären Klassiker je gelesen hat.
Jedoch:
@Benedikt Kaiser
Man kann die Klassiker auch lesen, ohne sie zu verstehen. Das geschieht vor allem dann, wenn man sie "gegen innere Widerstände" liest. Diese inneren Widerstände stammen meiner Erfahrung nach aus denselben emotionalen Tiefenschichten, die so viele Menschen, die man persönlich mag, zu Linken machen.

Der_Juergen

25. Oktober 2023 21:45

@Ordoliberal
Der schrankenlose Kapitalismus und Sozialdarwinismus, den Sie propagieren, widerstrebt mir zutiefst, aber einige Punkte in Ihrer Argumentation sind schon bedenkenswert. 
Bitte teilen Sie uns doch mit, wie Sie es mit den Krankenversicherungen halten würden. Überhaupt keine obligatorischen, mit dem Ergebnis, dass ein nicht versicherter Mitttelloser, der mit oder ohne eigene Schuld erkrankt oder einen Unfall hat, einfach verendet? Dass Sie dies billigend hinnehmen würde, unterstelle ich Ihnen nicht. Aber wer so argumentiert wie Sie, muss in der Lage sein, eine Frage wie diese zu beantworten.

Maiordomus

25. Oktober 2023 21:49

@Ordoliberal. Natürlich kann man Kaiser als Linken gelten lassen.  Ich selber sehe mich aber w e i t   rechts von Ihnen, was vermutlich auch auf Röpke zutreffen würde, der aber sicher nicht Kaiser vorgearbeitet hat. 

Ordoliberal

25. Oktober 2023 22:13

1/2
@Majordomus
Röpke, Eucken, Hayek, von Mises - wir sind alle Kinder vom Stamme Mengers. Ich weiß natürlich, dass Röpke gern mit dem Begriff Gemeinwohl operiert hat, bin aber nicht firm in seinen Schriften und kann daher nicht sagen, ob er damit den rechtlichen Begriff des Vereinsziels oder des Gemeinguts meinte. Beides ist nicht das, was Linke mit Gemeinwohl meinen. Das Vereinsziel ist definierbar, das Gemeingut handelbar. Der Begriff des Gemeinwohls ist und bleibt unscharf. Ist es die Ehre Roms? Der Wille Gottes? Der volonté générale? Das Überleben der Rasse? Das Wohl des Kollektivs? Definieren Sie das.
Manche verstehen unter der Beförderung des Gemeinwohl alle Aktionen des Staates, die ein Solidargefühl im Volk erzeugen. In diesem Sinn hätte der Kriegseintritt Deutschlands 1914 das Gemeinwohl der Nation befördert.
Geben Sie mir doch bitte ein Beispiel, wo unter dem Vorwand des Gemeinwohls nicht einfach nur eine Bevölkerungsgruppe gezwungen wird, aus ihrem Gewinn einen Teil der Kosten einer anderen Bevölkerungsgruppe zu tragen.

Ordoliberal

25. Oktober 2023 22:19

2/2
@Majordomus
Man unterstellt den radikaleren unter den Libertären gern Gefühlskälte und Kulturblindheit. Zur Gefühlskälte: Weder von Mises noch Hayek hatten je etwas gegen Genossenschaften, Gewerkschaften oder Pflichtsozialversicherungen. (Hayek wandte sich nur gegen die Zwangsmitgliedschaft in Gewerkschaften vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen in England.) Natürlich waren sie Anhänger des gemeinnützigen Vereins als Rechtsinstitut, wohl wissend, dass ein solcher Verein natürlich nicht gemeinnützig ist, sondern lediglich nicht nach Profit strebt. Hayek befürwortete sogar Mindestlöhne.
Zur Kulturblindheit: Es heißt anekdotisch, dass es mal einen Streit um das Böckenförde Paradox zwischen Hayek und ich weiß nicht mehr wem - Röpke? - gab. Hayeks Opponent war der Meinung, dass der Staat seine Bürger zu derjenigen politischen Haltung erziehen muss, die für das Gedeihen eines libertären Rechtsstaat Voraussetzung ist - was in einem offensichtlichen Widerspruch zum libertären Grundprinzip steht, dass der Staat seine Bürger nicht erzieht. Hayek glaubte, dass sich diese Haltung des Bürgers in einem libertären Staat von selbst einstellt.
Ich glaube, es handelt sich hier um ein Henne-und-Ei-Problem. Entzieht man der Regierung per Verfassung das Recht, Zins- und Steuersätze festzulegen, Marktteilnehmer zu bevorzugen und natürliche wie juristische Personen zu subventionieren, hat Hayek Recht. Ansonsten sein Gegner.

Franz Bettinger

25. Oktober 2023 22:34

Vielleicht lassen uns K&K das Thema Kinder / Überbevölkerung auf einem eigenen Strang ausdiskutieren. Hier wird die Kommentarleiste womöglich gleich geschlossen, wenn wir dem Abweg weiter folgen. Dennoch kurz: Kinder waren in Pioniers- und Kriegszeiten nützlich. Seit der Kipp-Punkt in D 1970 überschritten und eine ekelhafte Ellbogen-Gesellschaft entstanden ist, sind Kinder zur Belastung geworden, die den Staat mehr kosten als sie einbringen. China erfand die 1-Kind-Politik. Japan igelt sich ein und riegelt sich ab. Bloß keine Fremden! In Zeiten des Hungers (aka Ressourcen-Knappheit) reduziert jedes Tier biologisch als erstes seinen Nachwuchs, u.a. sogar indem es ihn auffrisst. Ihr freut euch über diesen Elfmeter? Zu früh! Die Menschen seien schließlich keine Tiere? Wer seine Kinder in Kriege schickt und da verheizt, komme mir nicht mit Phrasen wie der „Achtung vor dem Leben an sich“! Wer seine Kinder für eine Idee (Religion…) in den Tod schickt, ist schlimmer als ein Tier. Hinter den hochtrabenden Worten verbirgt sich nur schlecht: der reine Egoismus. 

Gracchus

25. Oktober 2023 22:41

Das stimmt zwar, @Ordoliberal. Sie beweisen aber dadurch, dass Sie sich allein an dem für mein Argument unwesentlichen Begriff "Rumpfstaat" (= Minimalstaat) aufhängen, dass Sie kein Gegenargument haben. Somit 1:0 für mich.

Ordoliberal

25. Oktober 2023 23:35

1/2
@Der_Juergen
Ich weiß nicht, wo der hartnäckige Irrtum herkommt, dass es in einem libertären Staat kein verpflichtendes Sozialversicherungssystem geben würde. Hayek hat sich als Professor im ordoliberalen Freiburg sehr lobend über das deutsche Sozialversicherungssystem ausgesprochen. Pflichtversicherungen folgen ja schon aus dem libertären Prinzip, dass niemand seine Kosten sozialisieren darf. So wie ein Autofahrer oder Arzt versichert sein muss, damit er im Haftungsfall nicht der Allgemeinheit zur Last fällt, muss das auch jeder, der in einem Staat lebt und dort erkranken oder verunfallen kann. Sonst müsste die Allgemeinheit für seine medizinische Behandlung aufkommen, da ja auch in einem libertären Rechtsstaat unterlassene Hilfeleistung eine Straftat ist.
In der Lehre ist es noch heute so, dass die Arbeitgeber einen Großteil der Kosten für die Ausbildung ihres Nachwuchses tragen. Ein Meister trägt die Kosten für seine Ausbildung meistens sogar allein. Ebenso ein Pilot. Warum sollten nicht Krankenhäuser die Ausbildung für ihre Schwestern und Ärzte bezahlen? Oder Anwaltskanzleien die Kosten für die juristische Ausbildung? Oder Firmen die Kosten für die Ausbildung von Ingenieuren? Am Ende wird die Rechnung ja ohnehin über die Preise an die Kunden, also an die Allgemeinheit, weitergereicht. Aber man hat so eine klare Kostenzurechnung und würde den sozialistischen Wildwuchs an den Universitäten beenden.

Ordoliberal

25. Oktober 2023 23:45

2/2
@Der_Juergen
Nichts steht dem libertären Weltbild ferner als der Sozialdarwinismus. Der libertäre Staat schützt den Schwachen vor dem Starken, indem er dafür sorgt, dass kein Vertragspartner dem anderen seine Bedingungen aufzwingen kann. Das ist die Bedeutung von "frei" in "freier Markt". Im Manchesterkapitalismus und in der Kaiserzeit konnten die Fabrikanten den Arbeitern ihre Bedingungen aufzwingen, weil die Arbeiter erstens kein Organisationsrecht und zweitens kein Wahlrecht hatten. Das Viktorianische England und das Kaiserliche Deutschland waren ja gerade keine libertären Staaten, sondern konstitutionelle Monarchien mit Klassenwahlrecht.
Heute können die Monopolisten in Silicon Valley ihren Vertragspartnern ihre Bedingungen aufzwingen, weil die amerikanische Regierung gerade nicht libertär ist, sondern korporatistisch, also mit der Wirtschaft zusammenarbeitet, um politische Ziele zu erreichen. Der Korporatismus ist die Wirtschaftsform des Faschismus. Die Woken und die Grünen sind eher Faschisten als Maoisten, aber die Feinheiten spielen keine Rolle, die Unterschiede im sozialistischen Spektrum verschwimmen leicht. Wichtig ist meiner Meinung nach, dass die Rechte nicht den Fehler macht zu glauben, sie könnte einfach die Mittel der Sozialisten und Faschisten übernehmen und damit andere Ziele erreichen.

Gracchus

25. Oktober 2023 23:57

Was mir bei BKs wacher, fairer, gleichwohl kampfeslustiger Analyse durch den Kopf schoss: dass die Zeit für linkes Denken erstmal abgelaufen ist. Für mich "riecht" es danach. Immer mehr Leute wenden sich davon ab. Ws Versuch, dem gegenzusteuern, scheint vergeblich. 
Worin BK ebenfalls recht zu geben ist: theoretische Konzepte müssen in praktische Politik runtergebrochen werden. Politik ist immer auch Handeln in einer bestimmten Situation unter Zeitknappheit. Die derzeitige Situation gleicht einem Ausnahmezustand, so dass Ordnung erst mal wiederhergestellt werden müsste, wobei der Staat selbst als Chaos-Akteur figuriert. Man wird sich so oder so auf autoritäre staatliche Maßnahmen einrichten dürfen - die Frage ist nur, in welche Richtung und mit welchem Ziel.  
 

Franz Bettinger

26. Oktober 2023 00:14

@Ordoliberal schreibt, der Kinderpunkt mache (nur) in einem Umlage finanzierten Renten-System Sinn. Ich schränke ein: Nur wenn Kinder als Erwachsene in dieses System einzahlen indem sie Arbeit haben und Steuern zahlen. Das ist längst immer weniger der Fall, vor allem unter Hinzurechnung der Fremden. Aber auch ohne die fremden Mitesser war die Arbeitslosigkeit in der deutschen Bevölkerung schon 1970 groß. Sie verringerte sich danach deutlich. Wieso? Keinesfalls durch das Wirken der Politik. Sie verschwand allein aus demographischen Gründen! Weil sich Leute wie ich ab 1974 nicht mehr vermehrten und sich das 20 Jahr später auf dem Arbeitsmarkt positiv bemerkbar machte, auf den nicht mehr so viele drängelten. 

Ordoliberal

26. Oktober 2023 00:43

1/2
@Gracchus
Nehmen Sie es nicht persönlich, es war so nicht gemeint. Minimalstaat ist ein Begriff, mit dem ich leben kann. Ein Rumpfstaat ist ein Staat, dem Wesentliches fehlt, nämlich Kopf, Arme und Beine. Und genau diese Assoziation will die Linke mit diesem Kampfbegriff auch erzeugen. Ich unterstelle Ihnen damit nicht, dass Sie links sind. Sie lassen sich aber von der Linken ins Bockshorn jagen, wenn Sie glauben, "dass in einem libertären Rumpfstaat der Einzelne der Willkür privater Akteure ausgesetzt wäre." Es ist ja gerade das Ziel des libertären Minimalstaats, dass private Verträge frei verhandelt werden können, das heißt, ohne dass ein Vertragspartner dem anderen seine Bedingungen aufzwingen kann.

Ordoliberal

26. Oktober 2023 00:44

2/2
@Gracchus
Ich habe den verlinkten Fall eines arbeitsrechtlichen Vertrags gewählt, weil hier die offensichtliche Willkür durch eine angebliche Beförderung des Gemeinwohls gerechtfertigt wird. Noch kann der Vertragspartner entkommen, indem er den Vertrag kündigt und zur Konkurrenz geht. Was aber, wenn es keine Konkurrenz mehr gibt? Was, wenn der Staat Mantelverträge vorschreibt (was er ja bereits heute bei vielen Vertragsarten tut), die genau diese Klausel enthalten? Dann kann der Bürger seine eigenen Verträge nicht mehr frei verhandeln, obwohl sie nicht zu Lasten Dritter gehen. Er schließt sie nun mit knirschenden Zähnen ab, denn der Staat diktiert ihm die Vertragsbedingungen - natürlich nur zum Schutz des Gemeinwohls, jenes höheren Wesens, das wir verehren, das keinen Namen und keine Adresse hat, aber von jedem unserer Verträge betroffen ist und daher ständig von uns kompensiert werden will.

Franz Bettinger

26. Oktober 2023 03:06

@Jürgen: NZ hat das mMn perfekte Kranken- und Renten-Versicherung-System, nämlich gar keins. Renten wie Gesundheit werden aus Steuermitteln finanziert. Keiner beschwert sich. Die Rente beträgt etwa 1800€ / Monat . Das ist übrigens so viel wie ich momentan als Arzt bekomme. Der Durchschnittsarzt, der länger als ich eingezahlt hat erhält rund 2500€ / Monat, davon geht noch die völlig unnötige und sehr teure private Kranken-Versicherung ab, 1000€ pro Monat, von der ich jedem abrate. Natürlich sind die Leistungen der Krankenfürsorge in Neuseeland im Vergleich zu D abgespeckt, und man wartet auf eine (meistens unnötige Künstliche Hüfte oder den völlig unnötigen Bypass) ewiglich lang. Vielleicht sind die Neuseeländer deshalb gesünder und langlebiger als die (auch noch mit ganz und gar unnötigen Kuren) verpäppelten Deutschen. 

Benedikt Kaiser

26. Oktober 2023 08:30

So, Kommentare geschlossen, ist ja eigentlich alles geklärt. 
Das letzte Wort gebührt Daniel Haseloff: hier

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