Das ostentative Kokettieren mit teuren Autos, hippen Jungfedern, antideutschen »Lieblingsautoren« und erzliberalen Zuspitzungen steht, wenn man es negativ auslegen wollen würde, für eine besondere Form der Infantilität als Markenzeichen. Es ist anzunehmen, daß diese Spielerei oftmals eben eine solche ist.
Denn daß Poschardt durchaus zu klugen Gedanken fähig ist, beweist er von Zeit zu Zeit in seinen kurzen Kommentaren, die er im Regelfall in seiner Welt darbietet, so auch in der heutigen Ausgabe der Axel-Springer-Tageszeitung (8.4.2021).
»Die klugen Grünen« titelt er da und widmet sich der Kandidatenkür der linksbürgerlichen Avantgarde. Diese findet in Zeiten statt, in denen die Union von einem immanenten Korruptionsskandal zum nächsten taumelt und Kanzlerin Merkel den Föderalismus (temporär?) zu liquidieren bereit ist.
Am 19. April geben die Grünen dann ihren Kandidaten für die Kanzlerschaft bekannt:
Während sich in den Medien Elogen auf beide Kandidaten stapeln (in einem kaum erträglichen Hymnenton), scheint das Rennen offen. Mit Habeck käme ein gut und nachdenklich aussehender neuer Mann, sensibel und verletzlich und mit wenig Regierungserfahrung infrage, der auch schon mal an Twitter oder einem Videoblogger scheitert. Mit Annalena Baerbock käme eine ruhig und stoisch agierende Handwerkerin der Macht ohne Regierungserfahrung in Schlagnähe des Kanzleramts. Gegen einen robusten Markus Söder hätte sie wohl die besten Karten.
Ob blasser, beschädigter Laschet oder bayerischer, beschädigter Söder – die Grünen können entspannt bleiben. Zudem sind sie
augenblicklich so stark in den Umfragen, dass die Union mit ihrem Kandidaten auf Habeck oder Baerbock reagieren könnte.
Sprich: Taktieren, je nachdem, was am 19. April als Ergebnis zu vermelden ist.
Stellt die Partei Habeck auf, wäre Söder der ideale Gegenpart, der dem niedlichen Redekünstler mit umfassender Sachkompetenz und Regierungserfahrung die Show vermasseln könnte.
Realistischer dürfte aber weiterhin Baerbocks Kandidatur sein, zu der Poschardt zu sagen weiß, daß sie ein »hartes Brot« für die Union verkörpern würde:
Sie ist wie ihr Vorbild Merkel zäher, härter und auch kühler, als die meisten Bürgerlichen vermuten.
Hinzu kommt für die Grünen eine wohlmeinende Tendenz des Zeitgeistes im allgemeinen und der deutschen Gesellschaftslage im besonderen. Tag für Tag werde ihnen, wie Poschardt treffend notiert,
durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und andere Redaktionen ein wuchtiger PR-Spoiler verpasst, der die oft wackligen Argumentationen beim Trendthema grüne Transformation mit Traktion versah.
Die entscheidende Passage folgt aber erst hernach. Sie besteht aus 18 Wörtern, einem Satz:
Zudem ernten die Grünen jetzt, was sie über Jahrzehnte im vorpolitischen Raum, in Kirchen und NGOs gesät haben.
Allen »Nur-Realpolitikern« und allen »Nur-Parlamentspatrioten« in Deutschland wie Österreich muß diese Sentenz immer und immer wieder eingebläut werden: Wahlerfolge ohne vorhergehende meta- bzw. vorpolitische Raumnahmen sind allenfalls als Eintagsfliegen denkbar; nur eine kombinierte Strategie aus Meta- und Realpolitik kann Gesellschaft und Politik nachhaltig verändern.
Björn Höcke hat dies für das arbeitsteilige rechte Mosaik aus Bürgerinitiativen, Jugendgruppen, Publikationen, Verlagen und einer Wahlpartei treffend zusammengefaßt: Der Weg zum parlamentspolitischen Erfolg führt über den vorpolitischen Raum. Wer sich dieser Erkenntnis verweigert, hindert sich selbst an einem organischen und damit nachhaltigen Wachstum.
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In Thüringen, aber auch in Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Sachsen, ist dieser Höcke-Weg bereits »in der Mache«, sprich: verankert sich die AfD nicht nur als Volkspartei fest auf dem politischen Tableau, stabilisiert nicht nur ihre 20-Prozent-Plus-Stellung, sondern greift sogar aus – auf dem Weg zur stärksten Kraft des Ostens.
Das müssen auch die beiden Journalisten Martin Machowecz und Paul Middelhoff einigermaßen zähneknirschend einräumen. In der heute erscheinenden Ausgabe der Wochenzeitung Die Zeit (15/2021, 8.4.2021) publizieren sie einen ausführlichen Beitrag zum Erfolgsweg der Ost-AfD: »Radikal regional«.
Eingeleitet wird mit dem Nordthüringer Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl. Der Rechtsanwalt strebt erneut ein Mandat in Berlin an; dort will er weiter dafür streiten, daß sich die AfD zu einer integrierenden, sozialpatriotischen Volkspartei auch über Erfurt, Magdeburg und Potsdam hinaus entwickelt:
Seit Jahren kämpft er dafür, dass sich die AfD verändert. Dass sie sich mehr um die vermeintlich kleinen Leute kümmert, um die Kassiererin in Gera und den Rentner in Neubrandenburg. Dass endlich Schluss ist mit Meuthens marktliberalem Kurs. Dass die Partei so wird wie er selbst: lauter, radikaler, sozialer. Mehr so wie die AfD im Osten. Es könnte gut sein, dass Pohls Zeit gekommen ist. Und dass Meuthens Zeit endet.
Dafür spricht in der Tat einiges. Man könnte Meuthens frappierenden Schlingerkurs in Sachen Coronakrise nennen; zuletzt lobte er gar das denkbar strenge Impfregime Israels – eine absonderliche Positionierung aus Sicht einer Mehrheit der in bezug auf Corona eher impfskeptisch gewogenen Parteibasis.
Man kann aber auch auf die Landtagswahlen im Südwesten der Republik verweisen, in denen Meuthens Getreue als Spitzenkandidaten versagten, und just das tut das Zeit-Autorenduo:
In Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz verlor die AfD Mitte März jeweils ein Drittel der Stimmen, am Ende waren ihre Ergebnisse nur noch einstellig. Wenn es noch eines Beweises für die desolate Lage bedurft hätte: Das wäre er.
Dies festzustellen, sollte nicht zu übertriebenem innerparteilichen Triumphalismus gegenüber Meuthen und seinen hartnäckigsten Getreuen um Joana Cotar und Alexander Wolf führen – aber vielleicht bei ihnen und ihrer Mehrheit im Bundesvorstand zu einem konstruktiv-selbstkritischen Umdenken?
Denn der ostdeutsche Weg zahlt sich weiter aus:
Hier hat sich die AfD auf extrem hohem Niveau stabilisiert: 23,5 Prozent holte die Partei 2019 bei der Wahl in Brandenburg, in Thüringen steht sie bei 23 Prozent, in Sachsen sogar bei 26 Prozent. Bei den Landtagswahlen im Juni in Sachsen-Anhalt und im Herbst in Thüringen zielt sie darauf, zweitstärkste Kraft zu werden.
In Sachsen, so darf man die Zeit-Journalisten korrigieren, kratzt die Alternative mittlerweile gar an der 30-Prozent-Marke und hat damit die CDU überholt. Das Zwischenfazit steht für sich:
Im Westen steckt die Partei in der Krise, im Osten plant sie die Zukunft.
Ex oriente lux – einmal mehr. Nur dort bleibt ja jener Aufwärtstrend lebendig, den die AfD seit den Monaten vor der Bundestagswahl 2017 als ein prekäre Einheit verschaffendes Lebenselixier so bedarf. Die aus Leipzig berichtenden Machowecz und Middelhoff erfassen diesen zentralen Aspekt einigermaßen präzise:
Die AfD lebt vom Mythos des eigenen Aufstiegs, davon, dass sie nur ein paar Jahre Anlauf nimmt, bevor sie in alle Ämter stürmt und das System grundlegend umbaut. Diese Erzählung funktioniert so lange, wie die Wahlergebnisse kontinuierlich steigen. Aber das tun sie gerade dort nicht mehr, wo Meuthen Einfluss hat: im Westen. Gut möglich, dass ihn diese Schwäche im Verlauf des Jahres den Job kostet.
Doch was folgt auf Meuthen?
Es sind Männer wie Tino Chrupalla, die dann mehr Macht wollen. Chrupalla ist Meuthens Co-Parteichef, Malermeister, in Ostsachsen aufgewachsen und politisches Ziehkind des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland.
Man könnte aufgrund der Biographie sagen: ein prototypischer Leistungsträger aus dem Volk, wie es in der tätigen Mittelstand-Nation Deutschland so viele gibt; mithin sind es ja jene Handwerker, Selbständige, Arbeiter und Kleinunternehmer, die den Laden am Laufen halten und Politikern und Beamten ihr krisensicheres und konjunkturunabhängiges Einkommen verschaffen.
Man könnte aufgrund der Biographie aber auch, wie AfD-Prominenz aus dem Südwesten, einfach mal »vergessen«, daß man selbst stets auf steuerzahlerfinanzierten Stellen saß und den langjährigen Nettosteuerzahler Chrupalla für fehlende akademisch-großbürgerliche Weihen angreifen:
Meine Einstellung zu Doppelspitzen ist ja bekannt. Cotar hat sich früh und konsequent gegen den Flügel positioniert. Das qualifiziert sie vor vielen anderen. Chrupalla ist für jeden intelligenten Leistungsträger eine echte Zumutung. https://t.co/S7wAP1TgZH
— Uwe Junge, MdL (@Uwe_Junge_MdL) April 3, 2021
Nur hat man dann mutmaßlich weder einen politischen noch einen gesellschaftlichen Kompaß – und ist verdientermaßen von gestern.
Chrupalla trifft einen Punkt, wenn er der Zeit gegenüber bilanziert:
Wenn wir in Sachsen mit unserer Art von Politik über 25 Prozent holen und die AfD in Hamburg mit ihrem marktliberalen Ton es gerade so über die Fünfprozenthürde schafft, kann ich doch nicht sagen: Wir machen es jetzt so wie die Hamburger.
Ostdeutschland – das Laboratorium für volksverbundene Politik, das müssen auch die Journalisten mit spürbarem Argwohn konzedieren:
Jürgen Pohl und Björn Höcke experimentieren in Thüringen mit einer “Deutschen-Rente”, einem Zuschlag nur für – Überraschung – Beitragszahler mit deutschem Pass. Der Brandenburger Bundestagsabgeordnete René Springer tüftelt an einer Art Grundeinkommen. “Soziale Themen sind die Themen der Zukunft für unsere Partei”, sagt der Sachse Chrupalla,
wobei zu hoffen ist, daß er Recht behält. Das in Kalkar erarbeitete Sozialprogramm, mit dem es sich strömungsübergreifend arbeiten läßt, muß endlich ernstgenommen und der Wählerschaft bekannt gemacht werden; von entsprechender Vermittlungsarbeit Teile der Parteispitzen zur eigenen Sozialpolitik, mit der man zu fremdeln scheint, vernimmt man (noch?) zu wenig.
Machowecz und Middelhoff diagnostizieren nun Schnellrodas Rolle beim anhaltenden sozialpolitischen Wandel in der AfD:
Einer der Vordenker der AfD-Sozialpolitik ist der Publizist Benedikt Kaiser, der seine Jugend mitunter im Kreis von Neonazis in Chemnitz verbrachte. Heute arbeitet er für den rechtsextremen Antaios-Verlag aus Sachsen-Anhalt und hat das Buch Solidarischer Patriotismus verfasst.
Zeit-typische Begriffsnutzungen und Interpretationen ignorierend, bleibt der Eindruck zu korrigieren, daß ich nur »Einkommensschwache als natürliche Wählerklientel der Rechtsparteien« identifiziere. Das sind sie freilich auch, aber nicht alleine: 28 Prozent der »Prekären« wählten bei der Bundestagswahl 2017 AfD, aber eben auch 20 Prozent der unteren Mittelschicht (wenn man so will: »Kleinbürger«), die im Bereich von Selbständigen, Arbeitern und Angestellten aller Schattierung zu finden sind.
Ohnehin ist keineswegs nur die materielle Achse wichtig für die Wahlentscheidung. Die AfD ist auch die Kraft, die immaterielle Interessen ihrer Sympathisanten vertritt, indem sie die Partei des Normalen, des Gewöhnlichen, des Nicht-Repräsentierten in der Gesellschaft darstellt, eben jener Lebensentwürfe, die medial und establishmentpolitisch als zu gewöhnlich, zu spießig, zu reaktionär usw. ignoriert, wo nicht offen verworfen werden.
Richtig hingegen ist der Journalisten Zusammenfassung des Solidarischen Patriotismus, wonach ich darin »nach Antworten des AfD-Lagers auf Digitalisierung und Dienstleistungsgesellschaft« suche und – neben dem Modell der relativen sozialen Homogenität – auch die relative ethnische Homogenität affirmiere. Sie schließt Integrationsleistungen keineswegs pauschal aus, favorisiert lediglich eine anthropologisch naheliegende »landsmännische Parteilichkeit« (David Miller).
Wenig Widerspruch also beim Fazit:
So geht Sozialpolitik von rechts außen,
wenngleich das nicht im eigentlichen Sinne als »rechts außen« zu fassen wäre, sondern vielmehr eine Art Common Sense unter gemeinwohlorientierten Menschen abbilden sollte.
Bleibt indes zu hoffen, daß diese Erkenntnis sich weiter durch Bundespartei und Vorfeld frißt, so wie es in den »neuen Bundesländern« bereits weitgehend der Fall sein dürfte:
In der Ost-AfD haben sie längst erkannt, dass sich mit Kaisers Ideen Wahlen gewinnen lassen. Sie sind sogar überzeugt, dass eine sozial ausgerichtete Rechtspartei auch im Westen erfolgreich wäre. In den prekären Vorstädten von Duisburg oder Dortmund, so argumentieren ostdeutsche Parteimitglieder, könne man doch auch nicht mit Steuersenkungen und privater Rentenversicherung werben.
Wichtig zu betonen ist hierbei zum einen, daß der ostdeutsche Kurs eben nicht nur in Ostdeutschland funktioniert. Dort wird er getestet, ausgearbeitet, geformt – aber ohne den Westen würde der Nation dann doch was fehlen.
Gelänge es authentisch, kulturelle und materielle Interessen von Arbeitern und der abstiegsbedrohten (oder den Abstieg fürchtenden) Mittelschicht ebenso zu vertreten wie massenmigrationskritische Anliegen heimatbewußter Bürger aller Schichten, könnte auch im Westen an die Ostergebnisse angeknüpft werden.
Die bekannten relativen AfD-Erfolge in Gelsenkirchen, Duisburg und Mannheim oder auch in überwiegend von »Prekären« und Arbeitern bewohnten Wahlbezirken in West-Berlin, Hamburg, München und Co. unterstreichen die Bedeutung besagter These (»Je mehr Haushalte aus der Unter- und Mittelschicht in einem Stimmbezirk wohnen, umso besser schneidet die AfD ab«, weiß die Bertelsmann-Stiftung.)
Der Blaue-FDP‑2.0‑Kurs in Teilen Westdeutschlands hat im Gegensatz dazu nirgends bewiesen, daß er Erfolge einfahren kann, so mantrahaft auch betont wird, man müsse dies so betreiben, weil man andernfalls das Bürgertum nicht erreiche. Nun, man erreicht es ganz offensichtlich auch so nicht. Überall, wo das längst nach links gekippte westdeutsche Bürgertum den politischen Ton angibt, spielen AfD und die politische Rechte an sich keine Rolle. Diese Jahr für Jahr bitter bestätigte Erkenntnis gilt es spätestens jetzt in eigene strategische Erwägungen einzubetten – ausführlicher dazu hier.
Wichtig zu betonen ist zum anderen, daß grundsätzliche, volksverbundene und alternative Politik nicht bedeutet, polternd und vulgär aufzutreten.
Weil man im Osten überpotent und überradikal auftritt, vergrault man die Wähler im Westen,
fürchtet man vielerorts. Machowecz und Middelhoff erkennen hierin ein »Paradox in den AfD-Landesverbänden im Osten«, das sie so charakterisieren:
Da ist, einerseits, der stete Wille, sich abzugrenzen, immer noch heftiger zu wüten gegen “das System” und “die Altparteien”. Andererseits drängt die AfD darauf, endlich im Regierungsgeschäft mitzumischen. Und die CDU-Verbände in Kooperationen zu verwickeln. (…) Gerade deshalb, sagt ein CDU-Funktionär aus einem Ost-Bundesland, sei es ein Glück, dass die AfD im Osten so brutal auftrete. So könne die CDU-Spitze ihre Fraktionen beisammenhalten – weil selbst erzkonservative CDU-Abgeordnete sich schütteln müssten, wenn sie sähen, was manche ostdeutsche AfD-Leute da von sich geben.
Abgesehen davon, daß fehlerhafte bis peinliche Äußerungen durch alle Strömungen und Landesverbände der AfD gehen, parteischädigende Verhaltensweisen also keineswegs als »Ost-Spezifika« zu klassifizieren wären, bietet diese Passage doch die Gelegenheit, Gewichtiges in Erinnerung zu rufen.
Erstens beinhaltet der idealtypische (und damit auch im Osten zu vertiefende, professionalisierende) »Ostdeutsche Weg« habituelle und inhaltliche Wegmarken.
Habituell erfolgt die Besinnung auf klare Kante und beherzte Offensive. Das erfordert volksnahes Auftreten, aber keine künstliche Anbiederung; unmißverständliche Aussagen, aber kein Gepolter; kämpferischen Gestus, aber keine Vulgärismen; entschlossene Selbstbehauptung, aber kein peinliches Harakiri; Disziplin nach innen und außen, aber keine stupide Selbstverzwergung.
Inhaltlich muß die Besinnung sowohl auf die absehbaren als auch kontingenten Folgen der Coronapolitik erfolgen, nicht auf die schwankende Bewertung des Virus als solches. Das erfordert zuallererst das beherzte Reaktivieren des Migrationsthemas als verstärkender Selbstläufer für die eigene Klientel und das produktive Bearbeiten von bundesweit zirkulierenden Themen sozialer Sicherheit (Rente, Wohnen, Familienpolitik, Kurz- und Leiharbeit usw.) als virulenten Feldern kommender Zeiten, denn: »Soziale Themen sind die Themen der Zukunft für unsere Partei.« (Chrupalla)
Zweitens bedeutet habituelle und inhaltliche Zuspitzung im Zeichen einer grundsätzlichen Alternative für Deutschland nicht, daß man auf ewig Fundamentalopposition bleiben will und muß. Wer nicht »regional radikal« und grundsätzlich (gemeint ist nicht: radauhaft, hyperventilierend, pöbelnd usf.) beginnt, kann seine Positionen später nicht mehr moderat abschwächen.
Aber genau dies vollzöge sich ohnehin in jedweder Verhandlungskonstellation. Die Grünen machen es einmal mehr vor: Maximalforderungen und selbstbewußt-kämpferisches Auftreten motivieren die eigenen Sympathisanten, beeindrucken Wechsel- und Nichtwähler und gefallen »der Jugend«*; abrücken – zum Wohle der Verhandlungsstimmung mit dem eventuellen Gegenüber – kann man freilich immer noch später. Andersherum geschieht bzw. funktioniert das: nie.
Ohnehin gilt ja: Die ostdeutsche AfD befindet sich in bezug auf Koalitionsverhandlungen in bequemer Lage. Sie kann und muß akribisch beobachten, was die CDU treibt und welche Seite sie entblößt. Dort, wo die Union erneut mit den identitätspolitisch irrlichternden Grünen handelseinig wird (oder, wie etwas verklausuliert in Thüringen, gar der Linkspartei), verprellt die CDU weiterhin konservative Wählerschichten und treibt sie endgültig der AfD entgegen oder in die Wahlenthaltung.
Wird die Union hingegen (eher später als früher) in irgendeinem Bundesland (wie wäre es mit Sachsen-Anhalt?) dazu neigen, mit der AfD eine Art Kompromiß, etwa eine tolerierte Minderheitsregierung, einzugehen, wäre die AfD »salonfähiger«; der von Linken aller Couleur seit Jahren herbei fabulierte Tabubruch wäre in dem Falle vollzogen. Voraussetzungen für beides: ein angemessenes AfD-Ergebnis. Und das gibt es bisher nur im Osten.
Übrigens: Bereits im Juni wird in Sachsen-Anhalt gewählt. Die AfD steht in aktuellen Umfragen bei 23 Prozent (Wahl 2016: 24,3 Prozent). Ich lege mich fest: 25 Prozent sind machbar. Die ostdeutsche Erfolgsgeschichte wird fortgeschrieben – in der »Sammelstelle für Gedrucktes« wird pünktlich berichtet werden.
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* Nachtrag zur Jugend:
Der Meuthen-Kurs in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz führte unter anderem dazu, daß die AfD bei Jungwählern auf den letzten Platz zurück fiel, wohingegen man in Sachsen und Thüringen die stärkste Kraft bei den 18–30jährigen bleibt (dazu hier und hier), ja mehr noch: Die AfD in Thüringen ist in allen Altersgruppen zwischen 18 und 60 Jahren die führende Partei, eben weil sie »radikale« (d. h.: grundsätzliche, an die Wurzel gehende) Arbeit mit Graswurzelstrategie, persönlicher Kompetenz der Mandatsträger und fachpolitischer Professionalisierung verknüpft.
Bei aller Verschiedenheit von Ost und West, die es stets bei lokaler und regionaler Arbeit zu bedenken gilt, spricht auch dies Bände über das Verhältnis zwischen der Zukunftsfähigkeit des Meuthen-Kurses und dem ostdeutschen Alternativvorschlag.
Am 10. April, schon übermorgen also, beginnt der 12. Parteitag der AfD. Man darf hoffen, daß die Delegierten aus Nord und Süd, Ost und West den Ernst der Lage und die Brisanz derartiger Zahlen erkannt haben. Noch kann das Krisenjahr 2021 zum Jahr der Alternative werden – man muß dafür aber die richtigen Weichen stellen: Dazu zählt zuallererst ein repräsentierendes Gesicht für den für viele Jahre richtungsweisenden Bundestagswahlkampf.
Bedenkt man, daß Sachsen bundesweit die besten AfD-Ergebnisse einfährt und schon bald die symbolträchtige 30-Prozent-Marke durchbrechen könnte, drängt sich hierbei eine Spitzenkandidatur Tino Chrupallas förmlich auf. Man kann nur mit Wahlgewinnern Erfolgshunger ausstrahlen – ambitionierte Köpfe aus Hessen und anderswo können dann bei diesen demütig und wißbegierig in die Lehre gehen.
Dietrichs Bern
Ich halte Herrn Poschardt zugute, dass er sich in breiter Öffentlichkeit durchaus widerständig gegenüber den Anforderungen der Merkel-Grünen-FFM-Queer-BLM-Regierung zeigt - man hat ja erst beim Bild-Chefredakteur gesehen, wie schnell man mit welchen Bandagen bekämpft wird.
Deshalb muss ich ja nicht alles gut finden, was er so von sich gibt.
Ich stimme Herrn Kaiser in der Bewertung zu, dass die kleinteilige Besetzung vor-politischer Räume erstaunlich wenig Beachtung als Erfolgsrezept findet -inwieweit die AFD hier im Osten wirklich erfolgreicher ist, kann ich nicht beurteilen - fände es aber nachahmenswert.
Über den - mittlerweile auch optisch - aus der Form geratenen Herrn Meuthen ist auch alles gesagt - kaum jemand ist so in seinem Amt geschrumpft wie er und Frau Weidel.
Die restliche Analyse greift mir zu kurz und nennt nur die sattsam bekannten Ost-West -Schuldzuschreibungen - wenn man immer an der Schwelle zur Halbierung des BTW-Ergebnisses klebt, gibt es doch einiges mehr an Gründen.