Netzfundstücke (100) – Nackt, Farblos, Rund

Hundert.

Die Jubi­lä­ums­aus­ga­be der Netz­fund­stü­cke kam über die letz­ten Wochen bedroh­lich näher, jetzt ist sie da. Hun­dert Mal habe ich seit dem 11. März 2019 im »World­wi­de Web« gewühlt, um Sie auf Inter­es­san­tes und im bes­ten Fall für Sie Neu­es zum Wochen­en­de auf­merk­sam zu machen.

Dabei lernt man so man­ches, vor allem über das eige­ne Surf­ver­hal­ten und die Funk­ti­ons­wei­se von Netz­al­go­rith­men. Mal schnell bei Twit­ter was Aus­ge­fal­le­nes in der eige­nen »Time­line« fin­den, damit war ich meis­tens schlecht bera­ten. Eher wur­de ich auf­fäl­lig oft mit Tweets gefüt­tert, die Sezes­si­on-Redak­teur Bene­dikt Kai­ser gefallen.

You­Tube, fast noch schlech­ter. Sie wer­den es ken­nen: Ein Video über den Schwarz­wald ange­klickt und man bekommt, abge­se­hen von sofort auf­plop­pen­der Wer­bung zu Feri­en­woh­nun­gen im Schwarz­wald, gehäuft Vide­os von SWR und Co zum Mit­tel­ge­bir­ge in Süd­deutsch­land serviert.

Und je län­ger ich als »neu­rech­ter« Publi­zist arbei­te und schrei­be, des­to enger wer­den die Kor­ri­do­re. Wenn ich schlicht nach mei­nen unmit­tel­ba­ren Net­z­er­geb­nis­sen gin­ge, dann bekä­men Sie jede Woche eine Aus­wahl, die sich in etwa wie folgt glie­dern wür­de: Antai­os-Kos­mos, Jun­g­eu­ro­pa-Kos­mos, Ökologie.

Sie mer­ken, abge­se­hen von ers­te­rem, was, solan­ge es Neu­es aus dem Antai­os-Kos­mos gibt, für die Fund­stü­cke obli­ga­to­risch ist, schaf­fe ich es dann meis­tens, aus die­sen engen,vorgezeichneten Bah­nen aus­zu­bre­chen. Manch­mal gelingt es ein­fa­cher, manch­mal etwas schwerer.

Das Resü­mee nach hun­dert Netz­fund­stü­cken: Das Netz ist wohl einer der depri­mie­rends­ten Orte der Welt. Es lockt mit Frei­heit, der­weil es es einen mit Hil­fe von Coo­kies und Netz­al­go­rith­men in den eng­stir­nigs­ten Rea­li­täts­raum ein­sperrt, den man sich aus­ma­len kann.

Hun­dert Netz­fund­stü­cke haben vor allem eines vor Augen geführt: wie die eige­nen Inter­es­sen tech­nisch ein­ge­glie­dert wer­den und dar­aus resul­tie­rend eine tech­ni­sier­te Auf­merk­sam­keits­steue­rung erfolgt. Der Umwelt­his­to­ri­ker Rolf Peter Sie­fer­le beschrieb die­se Zwän­ge der Moder­ne in sei­nem Band Rück­blick auf die Natur wie folgt:

Per Sal­do hat in der Trans­for­ma­ti­ons­pha­se [Indus­tria­li­sie­rung] der Zwang zur Kon­for­mi­tät, zur Ein­glie­de­rung in umfas­sen­de­re tech­ni­sche und büro­kra­ti­sche Sys­te­me enorm zuge­nom­men, ohne daß man sich über die Dra­ma­tik die­ser Ent­wick­lung völ­lig im kla­ren wäre. Die Men­schen haben einen gro­ßen Teil der Frei­heit und Selb­stän­dig­keit ver­lo­ren, die sie in der bäu­er­li­chen Gesell­schaft, aber auch im Früh­sta­di­um der Trans­for­ma­ti­on noch beses­sen hatten.

Und Fried­rich Georg Jün­ger in Die Per­fek­ti­on der Tech­nik:

[…] Es ver­steht sich, daß der Auto­ma­tis­mus, der vom Men­schen beherrscht und bedient wird, Rück­wir­kun­gen auf den Men­schen aus­übt. Die Macht, die er durch ihn gewinnt, gewinnt ihrer­seits Macht über ihn. Er wird gezwun­gen, sei­ne Bewe­gun­gen, sei­ne Auf­merk­sam­keit, sein Den­ken ihm zuzu­wen­den. Sei­ne Arbeit, die mit der Maschi­ne ver­bun­den ist, wird mecha­nisch und wie­der­holt sich mit mecha­ni­scher Gleich­för­mig­keit. Der Auto­ma­tis­mus ergreift ihn nun selbst und gibt ihn nicht mehr frei.

Dar­auf ein Jubiläumsprost!


Ein Video, das in den oben beschrie­be­nen Algo­rith­men nicht mehr auf­ge­nom­men wird und damit der Pro­duk­ti­on von Rea­li­täts­räu­men ent­zo­gen wer­den soll, ist eine Ana­ly­se des Infor­ma­ti­kers Mar­cel Barz zu den Roh­da­ten der Corona-Pandemie.

Caro­li­ne Som­mer­feld hat ihm bereits hier einen eige­nen Arti­kel auf Sezes­si­on im Netz gewid­met. Auf­grund sei­ner Bri­sanz sei es in den Fund­stü­cken noch ein­mal auf­ge­grif­fen und sein Inhalt kurz zusammengefaßt:

An sei­nem ursprüng­li­chen Platz wur­de das Video gelöscht. Dank etli­cher Re-Uploads ist es jedoch wei­ter­hin ver­füg­bar. In rund 1 ½ Stun­den legt Barz nach­voll­zieh­bar dar, war­um er anhand der ent­schei­den­den Daten des RKI (Ster­be­fäl­le, Inzi­denz, Inten­siv­bet­ten), kei­ne pan­de­mi­sche Lage fest­stel­len konn­te und wie das Schreck­ge­spenst »Coro­na«, das für ihn bis Ende des Jah­res 2020 exis­tier­te, sich suk­zes­si­ve in Luft auflöste.

Ver­kür­zen­de und damit ver­fäl­schen­de Daten­aus­wer­tung bei den Ster­be­fäl­len, unge­naue und damit unbrauch­ba­re Daten­er­he­bung bei der Inten­siv­bet­ten­be­le­gung; sie wer­den die Kri­tik an den Zah­len der Pan­de­mie bereits ken­nen. Barz drö­selt die Pro­duk­ti­on feh­ler­haf­ter Infor­ma­ti­on anhand unzu­rei­chen­der Daten jedoch so minu­ti­ös auf, daß auch der Nicht­sta­tis­ti­ker durch­weg ver­steht, mit wel­chen sta­tis­ti­schen Fahr­läs­sig­kei­ten ein pan­de­mi­sches Bedro­hungs­sze­na­rio pro­du­ziert wird.

Hier einer der Re-Uploads auf dem You­Tube-Kanal »Kai­serTV«:


Indes exis­tie­ren aktu­ell zwei unter­schied­li­che deut­sche Coro­na-Staa­ten, die alten Bun­des­län­der mit rela­tiv hohen Inzi­denz­zah­len auf der einen Sei­te und die neu­en Bun­des­län­der mit gerin­gen Inzi­denz­zah­len auf der ande­ren Sei­te – ers­te­re mit Impf­quo­ten von bis zu 75 Pro­zent, letz­te­re mit Impf­quo­ten zwi­schen 55–63 Pro­zent (Ber­lin ausgenommen).

Am Ran­de der Gesell­schaft regis­triert man die­se neu­er­li­che Zwei­tei­lung nicht ohne eine gewis­sen Häme gegen­über den über­kor­rek­ten BRD-Bür­ger­tum, das sich über den gespritz­ten Impf­stoff defi­niert und zu Geimpf­ten-Par­tys lädt.

Außer­dem The­ma sind die farb­lo­sen Wahl­wer­be­spots in einem farb­lo­sen Bun­des­tags­wahl­kampf mit lau­ter farb­lo­sen Kan­di­da­ten. Die von mir hier in den letz­ten Netz­fund­stü­cken ange­sto­ße­ne Dis­kus­si­on über die Qua­li­tät des AfD-Wahl­wer­be­vi­de­os wird vor dem Mikro in Schnell­ro­da fortgeführt.

Hier ein­schal­ten:


Zum Jubi­lä­um darf König Fuß­ball nicht feh­len. Mei­ne Affi­ni­tät zum Sport, wo das Run­de in das Ecki­ge muß, soll­te nach mei­nen Arti­keln »Fuß­ball (1) – Volks­sport und gesell­schaft­li­cher Grad­mes­ser« »Fuß­ball (2) – Ultras, eine lin­ke Ver­ein­nah­mung « und »Noti­zen zu Diet­mar Hopp« bekannt sein.

Und natür­lich pro­du­ziert die brei­te Sub­kul­tur um den Sport Num­mer 1 in Euro­pa, wie sich das heu­te so gehört, Pod­casts. Inter­es­sant sind dabei weni­ger die For­ma­te der klas­si­schen Fuß­ball-Talk­run­de und Kom­men­ta­to­ren­for­ma­te, wie »Dop­pelpaß« oder »Reif ist live«, die sich an sport­li­chen Details oder Trans­fers abar­bei­ten, son­dern die Sen­dun­gen, die sich zuvor­derst mit der Sub­kul­tur auf den Rän­gen beschäftigen.

Einer die­ser Pod­casts ist »Foot­ball was my first love«. Nicht jede Fol­ge ist hier Gold, aber in Epi­so­den wie bei­spiels­wei­se der Zusam­men­fas­sung zum Inter­view mit den Uni­on ´99 Ultras von Aus­tria Salz­burg, bekommt man tie­fe Ein­bli­cke dar­in, was »Tra­di­ti­ons­ver­ein« wirk­lich bedeu­tet, wel­che Anzie­hungs­kraft die Fuß­ball­kul­tur aus­übt und wie Gras­wur­zel­ar­beit gegen einen über­mäch­ti­ge mil­li­ar­den­schwe­re Heu­schre­cke aussieht.

Hier die hörens­wer­te Trai­ler-Fol­ge zum Tra­di­ti­ons­ver­ein Aus­tria Salz­burg bei Apple:

Trai­ler: Inter­view mit Uni­on ´99 Ultra Salzburg

 

 

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Kommentare (21)

Mitleser2

5. September 2021 11:53

JS zitiert: "Industrialisierung --> Die Menschen haben einen großen Teil der Freiheit und Selbständigkeit verloren, die sie in der bäuerlichen Gesellschaft, aber auch im Frühstadium der Transformation noch besessen hatten."  und "Seine Arbeit, die mit der Maschine verbunden ist, wird mechanisch und wiederholt sich mit mechanischer Gleichförmigkeit. Der Automatismus ergreift ihn nun selbst und gibt ihn nicht mehr frei."

Selbst wenn man der Interpretation von Industrialiserung in dieser Schärfe zustimmen würde, wird nicht aufgezeigt, was die Alternative für die westlichen und östlichen Industriegesellschaften sein kann. Damit bleibt es ein stumpfes Schwert, und hört sich eher nach resignativem Jammern an, dass die Welt nun mal so geworden ist wie sie ist.

Laurenz

5. September 2021 12:46

@JS (1)

"Der Ausbruch in der Netzwelt"

Sie haben so Recht, die Reaktionen der Netzwelt auf das eigene Tun sind zum Kotzen. Vor 3 Jahren kaufte ich mir (ausnahmsweise im Netz) eine Matratze von Bett1. Danach wurde ich über Monate & überall von Matratzen-Werbung verfolgt. Ich rief dann bei Bett1 an & forderte, den Marketing-Chef zu feuern, der das Firmenvermögen völlig sinnlos verballere & ohne diesen Holzkopf könne man doch die Matratzen im Preis senken. Danach wurde es tatsächlich etwas besser.

Interessant wird es, wenn im Netzt Algos aktiv sind, die gegeneinander arbeiten. Die Moonfaker-Videos des Mondflug-Leugners Jarrah White tun scheinbar richtig weh, können aber wohl nicht verboten werden. Man findet sie sehr schlecht & nur ungeordnet. Aber wenn man die sich ansieht, ploppen dann doch immer wieder Videos auf, die man noch nicht gesehen hat.

Was der Gesetzgeber hier versäumt, ist die Wahl des Nutzers zu Algos. Und eine Gewinnbeteiligung müßte für die Nutzer auch drin sein.

Laurenz

5. September 2021 13:00

@JS (2)

"Am Rande der Gesellschaft 21"

Diesmal sind die Gewichte verschoben. EK liegt wohl in der direkten Analyse von Video-Spots vorne, weil Sie hier wohl auch am meisten Fleiß an den Tag legt. Wie Frauen halt so sind. BK hat sein Ohr am optimalsten an den Puls der Zeit gelegt. In der Einschätzung der Polit-Wirkung auf Massen, ist Er am plausibelsten. GK & EL merkt man schon an, daß Beide eigentlich vom Thema angewidert sind, was sich vor allem dadurch kenntlich macht, daß sich EL nicht des Unterschiedes zwischen CDU & CDU-Bundesdelegierten bewußt ist oder bewußt sein will.

"Der Erbsenzähler"

Man merkt Herrn Barz an, daß Er es gewohnt ist, Vorträge zu halten, aber Video-Produktion ist ihm ungewohnt. 1,5h ist viel zu lang. Er hätte selbst eine auf 10 Min. geschnittene Version anfertigen sollen, damit es nicht andere tun.

"Brot & Spiele"

Da bin ich außen vor. Allerdings wage ich zu behaupten, der Fußball, den Sie hier präsentieren, ist im Sterben begriffen, beschleunigt durch die Fakedemie. Ihre Ultras kommen doch gar nicht mehr zum Zuge. Längst befindet sich der Volks-Mob in der virtuellen Spiele-Welt.

RMH

5. September 2021 13:24

Regelmäßig Cookies und Verläufe löschen hilft weiter, ebenso Programme wie ccleaner (da gibt es auch noch andere. Das sollte nur ein Beispiel sein). Facebook und Twitter meiden. Aber viele Leute wollen offenbar gerne in ihrer Blase bleiben und freuen sich über die Vorschläge, die bspw. youtube macht.

Anleitungen zum halbwegs "anonymen" Benutzen des Internets sollte auch jeder einmal studieren und sich für den Weg entscheiden, bei dem bei ihm dann die "Kiste" noch halbwegs schnell genug läuft.

Tipps & Tricks in diese Richtung könnten die Netzfundstücke gelegentlich auch gerne bereichern.

Aktuell läuft meiner Meinung nach bei der "Opposition" sehr viel über Telegram-Kanäle. B. Höckes Telegram Kanal ist bspw. informativ.

Nordlicht

5. September 2021 13:28

Einhundert anregende Lektüren mit Einblicken in die (letztlich deprimierende) Netzwelt.

Mit den Fußball-Hinweisen kann ich nichts anfangen; dieser Profisport geht mir am A** vorbei. 

Ein mE zu wenig behandeltes Thema ist "Sprache - Sprachpanschereien - Verbote".

Irgendwo las ich die Gedanken-Kette: Wer einem Volk die Freiheit einschränken will, beginne mit Denkverboten und -einengungen. Wer das Denken kontrollieren bzw engführen will, manipuliere die Sprache seiner Opfer und entziehe ihnen die passenden Worte.

Und wenn der Gegner (- das zu unterdrückende Volk) die Grammatik verlernt hat, ist es reif für die Übernahme.

 

Laurenz

5. September 2021 13:38

@Mitleser2

Es steht jedem frei, als Bauer in der Selbstversorgung zu leben & frei zu sein. Meine Mutter lebt übrigens glücklich ohne Netz. Das einzige, was ich ihr netztechnisch abnehme, sind die Geld-Transaktionen & alle 4 Wochen möchte Sie, daß ich Ihr Produkte, meist für Haus & Garten nachschlage, neulich einen Rosenbogen.

Laurenz

5. September 2021 13:45

@RMH

Sie können davon ausgehen, daß wir alle CC-Cleaner benutzen, auch wenn man sich dann für die SiN neu anmelden muß. Aber das Netz vergißt nichts. Die Videos, die uns Jutjub präsentiert bleiben dieselben, einfach schon aufgrund der Abos & weil Gugel tiefer eingreift. Man kann es nur dadurch durchbrechen, in dem man selbst neue Inhalte sucht.

Mitleser2

5. September 2021 15:05

@Laurenz: "Es steht jedem frei, als Bauer in der Selbstversorgung zu leben & frei zu sein"

Individuell natürlich möglich. Aber die Industrieländer haben ca. 700 Mio. Einwohner, ich sehe nicht, dass das für die Masse umsetzbar wäre. Der Anspruch von Sieferle et al. müsste doch sein, nicht nur einer (ökologischen) Avantgarde Lösungen zu bieten? In der Großstadt steht es eben nicht jedem frei, Bauer zu sein.

 

Monika

5. September 2021 15:22

@Laurenz

Vermaledeite Algorithmen. Sie haben noch Glück mit der Matratze . Ich bekomme regelmäßig Werbung für eine kostengünstige Bestattung im hiesigen Ruheforst. Keine Ahnung, warum. Ich bin kein großer Waldgänger und  tendiere eher zur Seebestattung. Vielleicht liegt es an der Impfung, die ich mir aus Übermut habe verpassen lassen. Wollte noch einmal Jerusalem sehen. Wird wohl auch nix. Vielleicht werde ich von einem Afghanen im Vorgarten abgestochen. Man kann als Frau ja nicht mehr sorglos gärtnern. Hier  in der Gegend werden die in Ramstein „zwischengeparkten“ Afghanen teils  schon in Putzerkolonnen beschäftigt. Ungeimpft. Das hört man jedenfalls im Eiscafé. Die höher qualifizierten Afghanen fliegen in die USA weiter. Das analoge Leben ist eigenartiger als jeder Algorithmus. 

Laurenz

5. September 2021 17:57

@Mitleser2 @L.

Die Bauern, die hier historisch gemeint waren, waren auch nur bis zu den Kreuzzügen meist Freie. Danach waren es mehrheitlich Leibeigene, keine Freiheit, die man sich wünscht.

@Monika @L.

Die Welt der Algos ist im Grunde was für Blöde, vor allem der blöden Manager, welche die Algos installieren lassen. Sie reagieren im Grunde immer zu spät. Okt '19 starb mein Vater. Er hat mittlerweile das schönste Grab auf dem Friedhof, obwohl es nur improvisiert ist. Ab und an bittet mich meine Mutter mit Ihr zusammen nach Grabsteinen im Netz zu stöbern. Und natürlich bekomme ich hier & da Bestattungs-Werbung zu Gesichte, aber mein Vater ist längst bestattet. Wahrscheinlich wird es Carrara-Marmor werden. Da aber mein Vater (aus einer christlichen Hardcore-Familie stammend) sich auch schriftlich nicht schlüssig war, was Er denn wirklich glauben sollte, tendiere ich zumindest eher zur antiken Klassik. Aber da es da, bis auf das Grab von Mooshammer, kaum oder nur wenig gibt, lassen mich da auch die Algos in Ruhe.

Andreas Walter

5. September 2021 19:52

@Jonas Schick

Das vorindustrielle Zeitalter war auch nicht frei von Zwängen, Automatismen und Konformität, weder in Deutschland noch in Lateinamerika. Ganz im Gegenteil, wenn man auch noch ein paar Nutztiere hatte. Schweinchen, Schafe, Ziege, Huhn, Pferde, Katzen, Kuh und Hund. Alpakas, Lamas, Vikunjas und Guanakos. Und die kleinen Esel - und Truthahn natürlich. Alles Tiere die verwildern, wenn man sich nicht um sie kümmert.

Deswegen haben sowohl die Azteken, die Maya wie auch die Inkas auch die Sterne und den Sonnenverlauf beobachtet, extra dafür sogar Anlagen aus Stein gebaut. Dort um den Beginn der Regenzeit möglichst genau zu "berechnen", abschätzen zu können. Zum Teil wegen dem Terrassenfeldbau, aber immer auch wegen dem richtigen Aussaattermin und Ernte.

Bei uns bestimmte die Temperatur, was wir zu welcher Jahreszeit zu machen hatten, machen mussten, um nicht zu verhungern. Sind das etwa keine Zwänge? Wir haben sie lediglich auch schon vergessen, wie so vieles andere auch, was wir heute alles für selbstverständlich halten.

 

 

Herold

6. September 2021 12:47

Wohin soll diese Diksussion eigentlich führen? "Algos" sind, auch wenn wir eine KI haben, auf historische Daten bezogen. Das ist eine Binsenweisheit. Auch eine KI lernt aus Mustern der Vergangenheit bis sie Entscheidungen treffen kann, die so aussehen, als hätte sie keine KI getroffen (sog. imitation game, Alan Turing). 

Die tristesse du net, die Herr Schick hier beschreibt, ist Ausdruck der Tristesse der Mehrheit die durch Algorithmen nur aufgedeckt wird, schamlos. Die ganze Digitalisierung ist ein Brennglas, ein Brandbeschleuniger, auf gesellschaftliche Prozesse und Probleme. So wie Corona.

Und niemand, auch nicht die Oma im Landhaus, kann sich entziehen, wenn sie auch nur die kleinste Verbindung zur Außenwelt hat. Strom, Wasser, Verkehr, Einkaufen, alles inzwischen unmöglich ohne IT und ohne diese Algorithmen. Die sozialen Medien gehören glücklicherweise nicht dazu, da kann man Kontrolle ausüben. Man müsste nur wissen wie. 

Andrenio

6. September 2021 13:12

Grosse Leistung, Herr Schick!
Das Durchhaltevermögen scheint der gemeinsame Nenner der Antaios-Mannschaft zu sein.

Vielen Dank und weiter so.

Laurenz

6. September 2021 13:43

@Herold

"Das triste Netz"

&

die "Tristesse der Mehrheit".

Das ist diametral falsch analysiert. Es ist die Naivität einer Minderheit. Die Frage ist, kaufen die Konsumenten einen Weber-Grill, weil Weber die bekannteste Marke ist? Hierzu bräuchte man Zahlen, welche die Kosten der Werbung in Relation zu mehr Umsatz ist. In der Kunst macht das noch Sinn, aber im Gewerbe? Ist der Konsument tatsächlich so blöd, nur die obersten Links, für viel Geld an Gugel dort platziert, zu eruieren?

Diese Methodik wird von einer kleinen Minderheit gesteuert. Ein Zweifel daran würde ganze Imperien zerbrechen lassen.

Andreas Walter

6. September 2021 15:41

Das liegt nicht an Ihnen, Herr Schick.

Mein "Erwachen" war im Winter 2008/2009. Ich hatte also 7 Jahre, um mich im Netz kundig zu machen, bis 2011 unter ständiger Furcht. Ab 2016 aber hat sich das Netz zunehmend verändert, jetzt muss man bereits wissen, wonach man sucht. Doch auch dann muss man heute deutlich tiefer graben (dran bleiben, noch hartnäckiger sein) als noch vor 10 Jahren.

Das Netz ist mittlerweile so wie wenn WikiLeaks von der NSA betreut, administriert werden würde.

Wobei Sie die besten Sachen, das ging mir auch früher schon so, per Zufall finden. Wobei ich damit nicht Zufall im Sinn von random meine, sondern nebenbei. Auf der gezielten Suche nach etwas anderem.

Ganz oft hilft dabei auch die reine Bildersuche, wobei ich, um mein eigentliches Ziel dabei nicht aus den Augen zu verlieren, interessante oder seltsame Nebenentdeckungen dann einfach erstmal in einem neuen Tab zwischenspeicher. Die Tabs arbeite ich aber erst danach ab, wenn ich meine Primärfrage ausreichend geklärt habe (oder abbreche, weil ich über diesen Pfad nichts finde). Die Überraschungen entdeckt man dann aber oft in den Tabs, weil das sozusagen die Durchrutscher sind. Also ein Bild von/über ..., obwohl sie doch auf der Suche nach das und das waren. Haha, korrekte Bilderkennung und Einordnung ist für die Algos nämlich wesentlich schwieriger und aufwendiger als Texterkennung:

https://www.welt.de/vermischtes/article233584240/Facebook-Algorithmus-verwechselt-schwarze-Menschen-mit-Affen.html 

 

Herold

6. September 2021 16:37

@Laurenz

Beim targeted advertising, so nennt man verschiedene Strategien zum Adressieren von Werbung, werden User typischerweise anhand verschiedener "Signale" (signals) in eine Kohorte eingeteilt. Das kann, und das ist wirklich nur ein sehr grobes Beispiel, der verwendete Browser, das physische Endgerät, ein Facebook-Cookie, ein HSTS-Flag etc. sein - im Schnitt kann man . Aus diesen Daten wird ein Modell des Users erstellt und eine passende Kohorte gesucht. Besucht nun jemand eine Website mit Werbung, wird der Werbeplatz, der angezeigt werden soll, in Rahmen einer Echtzeitversteigerung (real time bid, RTB) anhand dieser Kohorte bewertet (customer value) und dann an den meistbietenden versteigert (grob gesagt, es gibt verschiedene Modelle, u.a. mit festem Ausgang dieser Versteigerung). Das ist unter dem Oberbegriff "programmatic advertising" subsummiert.

Diese Kohorten stellen die Mehrheit der Bevölkerung in all ihrer Tristesse dar.

ff.

Herold

6. September 2021 16:45

Die Kosten-Nutzen-Relation kann man, insbesondere online, sehr genau messen - die Kette vom Anschauen einer Anzeige (impression) bis zum endgültigen Verkauf (lead) kann lückenlos verfolgt werden - online sowieso, offline schwieriger, aber auch noch genau genug.

Das ist einer der Gründe, warum man lieber im Internet wirbt als per TV (auch dort hat man schon tracking versucht, Google hält einige Patente, aber es ist eben deutlich schwieriger).

Der Wert eines Werbeplatzes im RTB berechnet sich u.a. daraus, wie er in der Vergangenheit performt hat. Das weiß man ja nur, weil man die Erfolgsquote kennt, eben aus dem performance tracking einer Anzeige.

Man geht übrigens, und das ist in vielen Studien bewiesen, davon aus, dass praktisch nur die ersten fünf bis acht Links auf einer Google SERP (search engine result page) überhaupt wahrgenommen und nur die obersten drei eine signifikante Chance haben, geklickt zu werden. Darum kümmert sich dann SEO (search engine optimization, ein Euphemismus weil nicht die Suchmaschine optimiert, sondern für die Suchmaschine optimiert wird).

Ich war jahrelang in der Peripherie dieser Branche beschäftigt und habe wirklich jede Illusion über die Werber, die Beworbenen und die Umworbenen verloren. Ganz vorne mit dabei übrigens das Verlagswesen.

Andreas Walter

6. September 2021 17:04

Ein anderes Beispiel:

[Wann auch immer] einen Link angeklickt, der als einzige Quelle in einem Artikel bei .......... [keine Ahnung mehr wo] für eine bestimmte Behauptung angeführt war. Doch nanu, der war nicht mehr da.

Also mir den ganzen Link in HTML angesehen und dann den Namen nur der Datei gesucht (einschließlich Endung). [schon der war irgendwie seltsam nichtssagend]

Wow! Der "Link" ist jetzt also ein Trojaner, ein Platzhalter, bei dem der ursprüngliche Inhalt (des Ordners) nachträglich ausgewechselt wurde. Mit Literatur, die Sie 100% nicht im Bahnhofskiosk und auch nicht in der Uni-Bibliothek finden. So funktioniert also Subversion.

Dann noch die ursprünglichen Schlagwörter des Links eingegeben (der Pfad, zum Ordner der Datei), später das auch bei Google gemacht, und dort wurde dann sofort klar, welches Buch nur die ursprüngliche Original-Quelle gewesen sein konnte.

Nein, tut mir leid. Um was es da ging kann ich mich beim besten Willen heute nicht mehr erinnern. Ist ja auch nur ein Beispiel. Womöglich habe ich das sogar nur geträumt.

Hatte was mit, nee, ich bin mir nicht sicher. Haben aber auch schon ........., ................... Journalisten ausgeplaudert. Auch so ein Zufallsfund, bei Google Books.

https://youtu.be/eQ8ixlQT_20

Andreas Walter

6. September 2021 17:55

Und, zum Schluss:

In anderen Sprachen suchen (Google translator hilft). Das Gefundene ist dann zwar auch in einer anderen Sprache, doch die Links auf diesen Seiten führen dann oft wieder zu Quellen in Englisch (von mir aus dann auf Tuvalu oder Vanuatu). Oder auf einen Server in Afghanistan.

Die Königsklasse ist aber, Geschichten einfach komplett selbst erfinden. Einschließlich irgendwelcher vermeintlicher Quellen. Müssen ja nicht gleich die Hitlertagebücher sein, doch auch die waren tagelang [wochenlang?] in der Presse. Corona, CO2, Irak, Ukraine, alles darum erfundene Geschichten - und nur 4 Beispiele von Hunderten.

Ganz wichtig auch: Emotionen dabei ansprechen. Effektive Propaganda funktionier nur über Emotionen (das Stammhirn, Reflexhirn). Drama-Queens wie [SPD-Mann Para Neuer] darum unbezahlbar. Darum laden die den auch so gerne beim Fernsehen ein. Kino, Presse, Funk und Fernsehen funktioniert nur über Emotionen (Sensationen). Das ist ihr Geschäft. Ihre Ware.

Ein einfaches Verbot über Terror zu berichten würde ihn sofort wirkungslos machen. Doch das ist ja gar nicht gewollt. Der Hirte möchte ja, dass Ihr euch fürchtet, damit er sich als euer Beschützer auf-spielen kann. Dem deutschen Wähler (Bürger) eigene Waffen anvertrauen? Sind denn die in den VSA nicht auch Europäer? Oder die Schweizer? Die Israelis? Ach so.

Laurenz

6. September 2021 18:10

@Herold

Hab auch eine Bekannte, die bei einer Agentur arbeitet, die Werbekampagnen im Netz oder Druck platziert. Die einzelnen Projekte kosten so zwischen 30 & 200k, erzielen eine Reichweite von 1-2%. Empfinde ich als nicht so prickelnd. Als Querulant zähle ich allerdings nicht wirklich zu irgendeiner Zielgruppe. 99 von 100 Werbe-like-Anfragen auf Jutjub bekommen ein Daumen runter.

Und natürlich sitzen auch Sie in einer Blase. Das, was Sie schreiben & auch ich beschrieben hatte, gilt nur für Produkte, die keiner braucht. Ein Schreiner oder Gärtner braucht im Netz nur seine Existenz kenntlich machen.

Herold

7. September 2021 21:14

@Laurenz

Gärtnerei und Schreiner werben dafür um Nachwuchs, auch online, im gleichen Markt wie Konsumgüterhersteller. 

Die Reichweite ist ja eigentlich egal für eine Kampagne, entscheidend ist die Relation von Einsatz zu Gewinn. Die ist insb. online meist sehr gut, da die Werbung kaum kostet und eben besonders gut überwacht werden kann. Noch mal ein anderes Thema ist Influence-Marketing, das noch weniger kostet und noch mehr bringt. Frau Kositza kann (mit Töchtern im typ. Zielgruppenalter) vielleicht leidvoll berichten.

Aber auch hier drehen wir uns im Kreis: Die Werbung wird für Blasen gemacht und diese Blasen sind nicht so verschieden wie man glaubt, aber ausreichend um abgegrenzt beworben werden zu können. Das macht die Tristesse aus. Die mangelnden Fähigkeiten dazu, Produzent zu sein, macht den Rest. Damit ist das Netz ja mal angetreten und das ist auch die große Enttäuschung.

September that never ended ...