Doch einiges ist diesmal anders. Die Massaker, die die Hamas auf israelischem Staatsgebiet begangen hat, sind von einer bislang ungekannten Größenordnung und Grausamkeit, ja Barbarei.
Der übliche Ablauf war so: Hamas feuert Raketen aus dem Gaza-Streifen nach Israel, worauf Israel überproportionale Vergeltung übt, bis wieder für einige Zeit halbwegs Ruhe herrscht, während der Kriegszustand auf einem niedrigen Level weiterschwelt und das Spiel von vorne beginnen kann.
Israelische Gegenangriffe sind auch dieses Mal im Gange, und sie werden wohl alles in den Schatten stellen, was man von früheren Aktionen kennt, insbesondere aus den Kriegen von 2008/9 und 2014. Der Angriff vom 7. Oktober wird von israelischer Seite als “9/11” oder “Pearl Harbor” bezeichnet, Ereignisse, die kollektive Schocks auslösten und Kriege größeren Maßstabs zur Folge hatten.
Die Hamas hat selbstverständlich, wie immer, gewußt, welche Folgen ihr Angriff haben wird. Die „Operation al-Aqsa-Flut“ inszenierte eine Art “symbolische” Wiedereroberung des Landes, auf dessen Besitz sie Anspruch erhebt, als eine Art terroristischer Vorgeschmack dessen, was sie tun würde, wenn sie könnte.
Hat sie es darauf angelegt, eine großangelegte Eskalation zu provozieren und die gesamte arabische Welt in den Konflikt hineinzuziehen, den seit einigen Jahren laufenden israelisch-arabischen “Normalisierungsprozeß” zu sabotieren? Der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen verbreitete auf seinem Twitter-Account ein Video, auf dem (angeblich) Hamas-Mitglieder zu sehen sind, die sich vollmundig bei “Individuen, Gruppen, Ländern”, insbesondere beim Iran, für die großzügige Unterstützung mit Geld und Waffen bedanken.
Prahlerei dieser Art ist offenes Zündeln. Andere Hamas-Repräsentanten halten sich diesbezüglich eher zurück, deuten jedoch an, daß sie im Falle eines weiter eskalierenden Kriegs die Hisbollah und den Iran auf ihrer Seite hätten.
Eine andere Möglichkeit ist, daß die Hamas-Attentäter tatsächlich aus reinem Haß und Vergeltungswut gehandelt haben, ungeachtet der Folgen für sich selbst und ihr eigenes Volk, oder diese ins Kalkül ziehend, um weitere Radikalisierungen zu beschleunigen.
Dieser Wunsch nach Rache sollte nach Jahrzehnten der brutalen Okkupation des Gazastreifens (dazu gehört auch die Vorgeschichte von 1948–67 und die “Nachgeschichte” seit Abzug der jüdischen Siedler und der Verlegung der israelischen Truppen an das Grenzgebiet), in denen tausende Palästinenser, Kombattanten wie Zivilisten, getötet und hunderttausende verwundet wurden (siehe etwa diese UN-Darstellung, die Tote und Verwundete auf beiden Seiten seit 2008 verzeichnet) niemanden verwundern. Aber jede Racheaktion führt dazu, daß noch mehr Palästinenser getötet werden und die “Spirale der Gewalt” am Laufen gehalten wird.
Die Kämpfer der Hamas agieren als Partisanen eines kraß asymmetrischen Krieges. Danach richtet sich auch ihre Art der Kriegsführung aus, inklusive des Terrors gegen Zivilisten. Hier ein paar “offizielle” Zahlen, um das Ungleichgewicht der Kräfte zu illustrieren: Die “Operation Gegossenes Blei” (2008/9) verzeichnet 13 Verluste auf israelischer Seite vs. 1417 auf palästinensischer Seite, “Operation Protective Edge” (2014) 73 vs. 2310 (wobei die UNO, die palästinensischen Behörden und Israel unterschiedliche Angaben machen, die aber nicht stark voneinander abweichen). Jede dieser “Operationen” hat neuen Haß gesät und neue Generationen von Hamaskämpfern und Anhängern hervorgebracht.
Der militärischen Übermacht Israels steht eine seine Existenz gefährdende demographische Macht der Palästinenser gegenüber. Ich habe diese Lage und ihre Konsequenzen für Europa und seine Einwanderungspolitik im Juni 2021 ausführlich beschrieben (eins, zwei, drei, vier, fünf). Die Zahlen haben sich seither nicht wesentlich geändert:
In Gaza leben zur Zeit rund 2,048 Millionen Menschen. Das Durchschnittsalter ist 18 Jahre, die Bevölkerungsdichte beträgt 5046 Einwohner pro km². Im Westjordanland (Westbank) inklusive Ost-Jerusalem leben rund 2,75 Millionen Araber und rund 592,200 Juden, die dort unter dem Schutz des Militärs eine völkerrechtswidrige Siedlungspolitik vorantreiben. Das wären rund 3,34 Millionen Menschen auf einer Landfläche von 5,640 km2, was eine Bevölkerungsdichte von 592 Einwohnern pro km² ergäbe.
Israel selbst hat eine Gesamtbevölkerung von rund 8,775 Millionen, das Durchschnittsalter beträgt 30 Jahre, die Bevölkerungsdichte 400 Einwohner pro km². Der Anteil der arabischen Staatsbürger beträgt etwa 21% (1,89 Millionen), und dem Vernehmen nach erwarten etliche sehnsüchtig den Tag, an dem sie in der Mehrheit sind und das Land übernehmen können. Laut diesem Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch vom 27. April 2021 leben im Gesamtraum Israel + besetzte Gebiete zwischen Mittelmeer und Jordan nun exakt 6,8 Millionen Juden und 6,8 Millionen Araber.
Im Gazastreifen herrschen Armut, Arbeitslosigkeit und Hoffnungslosigkeit. Überall sind noch Ruinen und zerstörte Häuser als Spuren der vorangehenden Zerstörungswellen zu sehen. Es gibt sehr viele Menschen, die im Zuge der israelischen Bombardements verkrüppelt wurden. Die Infrastruktur ist mangelhaft und weitgehend unter der Kontrolle Israels, das somit ein hartes Druckmittel gegen die Bevölkerung in der Hand hat.
Laut dieser Reportage von Al-Jazeera aus dem Jahr 2014 betrachten viele dort lebende Araber ihren Kinderreichtum als “demographische Waffe” gegen Israel (das seine Existenz einem “demographic engineering”, durchgeführt auch mit gewaltsamen Mitteln, verdankt); praktisch jeder, der im Gazastreifen lebt, ist der Ansicht, daß Israel gestohlenes Land ist und rechtmäßig dem eigenen, vertriebenen Volk zusteht.
Die Altersstruktur der Bevölkerung bedeutet auch, daß der kleine Landstrich an der Küste randvoll mit Kindern und Jugendlichen ist, die häufig Kollateralopfer der Bombenangriffe werden, die durch sie traumatisiert, verwundet, verstümmelt, getötet werden. Das ist es wohl, was in den Augen der Hamas-Mörder die Entführung und Tötung unschuldiger jüdischer Kinder rechtfertigt.
Die arabische Bevölkerung Israels und der besetzten Gebiete (und dazu muß man de facto auch den Gazastreifen zählen) wird immer zahlreicher, immer jünger und hat immer weniger Lebensraum zu Verfügung, über den sie außerdem keine souveräne Verfügungsgewalt hat. Zukunftsperspektiven gibt es praktisch keine, dafür aber einen über Generationen aufgestauten Zorn über das erlittene Unrecht. Die Mehrheit der dort lebenden Menschen ist in Gaza geboren und hat in ihrem Leben nie etwas anderes gesehen als dieses riesige Freiluftgefängnis, das ohne Genehmigung der Israelis niemand betreten oder verlassen darf. Wer Gunnar Heinsohns Söhne und Weltmacht gelesen hat, weiß, daß dies eine explosive und gewaltträchtige Mischung ist, die sich mit geradezu mathematischer Sicherheit entladen muß.
Eine Analyse des amerikanischen Aspen-Instituts vom Juli 2023 konstatierte eine “tickende demographische Zeitbombe” im “großisraelischen” Raum.
Die israelischen Juden leiden unter der existentiellen Angst, von der palästinensischen Bevölkerung überflügelt zu werden, was von rechtsnationalistischen politischen Akteuren noch weiter instrumentalisiert wird. Die Demographie steht im Mittelpunkt des Territorialstreits zwischen Juden und Arabern, da die beiden Nationen einen großen Zahlenkrieg führen, der darauf abzielt, die Geburtenraten zu einer Waffe zu machen, die langfristig den Sieg garantieren soll.
Da die derzeitige israelische Rechtsregierung den Boden für die De-facto-Annexion der Zone C im Westjordanland bereitet, ist die Demographie eines der Instrumente, die eingesetzt werden, um die jüdische öffentliche Meinung zu beruhigen, dass “Judäa und Samaria” in den israelischen Staat integriert werden könnten und gleichzeitig die jüdische demographische Mehrheit zu erhalten.
Unterdessen treiben die Siedler im Westjordanland, deren Geburtenrate diejenige der dort lebenden Araber überholt hat, eine aggressive Landnahmepolitik voran:
Wie aus einer zunehmenden Zahl von Berichten hervorgeht, die sich seit den letzten israelischen Wahlen im November 2022 häufen, aber weit vor dem Amtsantritt der rechtesten und härtesten Regierung in der Geschichte Israels datieren, streben israelische Siedler die endgültige Vertreibung aller Palästinenser aus dem Westjordanland an. Eine der letzten Episoden dieses unkontrollierten Trends ereignete sich am 21. Mai, als 200 Beduinen über Nacht illegal aus ihren Häusern und ihrem Dorf in Ain Samia, nordöstlich von Ramallah, vertrieben wurden.
Diese Vertreibung ist kein Einzelfall, sondern Teil einer Strategie des “stillen Transfers”, bei der Siedler mit Zwang und Gewaltandrohung die palästinensische Bevölkerung ohne Eingreifen der IDF vertreiben. Die Siedler haben bereits eine teilweise Säuberung von Gebieten im Jordantal und auf dem südlichen Berg Hebron durchgeführt. Einige Palästinenser bezeichnen das, was sich vor Ort abspielt, als eine “zweite palästinensische Nakba”, die gewaltsame Vertreibung der Palästinenser aus ihren Herkunftsgebieten im Jahr 1948.
Auch in Israel selbst holen die Juden geburtenmäßig auf, vor allem in relativer Hinsicht, weil die Geburtenrate der Araber sinkt (wenn auch nur geringfügig). Innerhalb des Landes sind es heute die ultra-orthodoxen Haredim (oder Charedim), die mit einer Geburtenrate von 6,6 Kinder pro Frau am meisten zum jüdischen Bevölkerungswachstum beitragen.
Sie genießen Privilegien wie Befreiung vom Wehrdienst und erhalten Sozialhilfe, die es ihnen ermöglicht, anstelle von Erwerbsarbeit einem vollständig der Religion gewidmeten Leben nachgehen zu können. Überspitzt gesagt werden sie vom Staat dafür bezahlt, sich zu vermehren (eine Investition, die sich gewiß auch in Wählerstimmen niederschlägt). Zu diesem und zum Rest der Gesellschaft stehen sie allerdings in einem starken Spannungsverhältnis:
Obwohl die israelische Seite im demographischen Krieg gegen die Araber begünstigt wird, wird die Verdreifachung der israelischen ultraorthodoxen Bevölkerung eine Belastung für die israelische Wirtschaft und Gesellschaft darstellen, da die Haredim Nettoempfänger von Sozialausgaben sind und nicht dazu beitragen, die Sicherheits- oder Steuerlast zu tragen.
Ihr Wachstum führt laut Aspen-Institut zu einer
… immer stärkeren Trennung zwischen säkularem und religiösem Bildungssystem, die sich in Kulturkämpfen und zunehmenden sozialen Spannungen zwischen Haredim und liberalen Juden niederschlagen wird, die zwar demographisch gesehen schrumpfen, auf deren Schultern aber die Last der Landesverteidigung durch den Pflichtdienst in den israelischen Verteidigungsstreitkräften (IDF) ruht und die auch für die Steuereinnahmen verantwortlich sind.
Dies führt dazu, daß manche liberale Kommentatoren in den Haredim eine größere Bedrohung für den Staat Israel in seiner jetzigen Form sehen, als es Palästinenser oder der Iran sind. Hinzu kommt, daß diese Ultra-Orthodoxen zwar demographisch die jüdische Substanz stärken, aber aus religiösen Gründen den Zionismus ablehnen, zumindest in seiner säkularen Form.
Das demographische Wettrüsten wird auf beiden Seiten emsig betrieben, aber es hat zur Folge, daß sich dadurch ein eng begrenzter Raum mit immer mehr und mehr Menschenmassen füllt. Für das Jahr 2050 wurde für Israel eine Bevölkerungszahl von 17,5 Millionen Einwohnern mit einer Bevölkerungsdichte von 800 Einwohnern pro km² geschätzt. Die Bevölkerung der palästinensischen Gebiete könnte sich bis dahin auf 8,8 Millionen verdoppelt haben.
Aber auch die Nachbarländer Israels wachsen. Ägypten (109,3 Millionen) könnte im Jahr 2050 157 Millionen Einwohner haben, Jordanien (11) 15 Millionen. Israel ist schon jetzt ein kleiner Fleck in einem Meer voller Araber, und auch wenn es ihm gelingt, wachstumsmäßig mitzuhalten, sind mehr Menschen (vor allem junge Männer), weniger Lebensraum, und darum mehr Konflikte um Ressourcen, zu denen eben auch Land und Boden gehören, die Zukunft des Nahen Ostens.
Ich höre von den Parteigängern Israels immer wieder Einwände, die diese Tatsachen zu bagatellisieren versuchen. Es herrscht allgemein Konsens, daß der Gazastreifen einer der am dichtesten besiedelten Orte der Welt ist; aber Paris (so höre ich), das ungefähr so viele Einwohner wie der Gazastreifen hat, habe doch eine viel größere Bevölkerungsdichte (20,641 Einwohner/km²), ergo könne man doch theoretisch noch fünf Mal so viele Bewohner in letzteren hineinquetschen. Anders sieht die Lage aus, wenn man etwa das Al-Shati-Flüchtlingslager mit einer Bevölkerungsdichte mit 170,000 Einwohnern/km² als Vergleich heranzieht, um aufzuzeigen, unter welchen Bedingungen die Menschen im Gazastreifen teilweise leben.
Dann gibt es den Einwand, der Gazastreifen ginge Israel doch seit der “Abkoppelung” 2005 nichts mehr an. Geschützt vom Iron Dome können die Hamas-Raketen ohnehin nicht mehr viel anrichten, Gebietsansprüche werden nicht mehr gestellt und damit wäre für die meisten Juden ein Status quo erreicht, mit dem sie zufrieden sein können.
Wenn das wirklich die Annahme war, dann ist sie durch den 7. Oktober schmerzhaft widerlegt worden. Das Problem Gaza ist noch lange nicht gelöst, Israel weder aus der Verantwortung entlassen noch von der ständigen Bedrohung befreit. Es ist sogar vielmehr so, daß Gaza für Israel eine Schicksalsfrage bedeutet.
Aus diesem Grund halte ich es für denkbar, daß die israelischen Autoritäten den Hamas-Angriff geschehen ließen, um (vor allem vor der Weltöffentlichkeit) einen moralischen Vorwand zu haben, den Dauerbrandherd Gaza endgültig zu löschen und eventuell erneut militärisch zu besetzen, vielleicht sogar eine Flüchtlingswelle auszulösen, die den Landstrich demographisch “ausdünnt”.
Kaum denkbar scheint mir, daß der Mossad, einer der effektivsten, gefürchtetsten und technisch am besten ausgerüsteten Geheimdienste der Welt, von einem Angriff in einer derartigen Größenordnung “überrascht” werden kann, oder daß er Warnungen, wie sie offenbar aus Ägypten kamen, einfach in den Wind schlug. (Hier kann man die Meinung eines amerikanischen Islam-Konvertiten lesen, daß die Hamas wirklich so “cool” und kompetent ist, den Mossad zu überlisten.)
Benjamin Netanjahu ist einer der ruchlosesten, intelligentesten und härtesten unter den lebenden Staatsmännern. Es bereitet mir keinerlei Schwierigkeiten, mir vorzustellen, daß er und ähnlich gesinnte Männer bereit wären, auch jüdisches Leben zu opfern, um langfristige politische Ziele zu erreichen – nicht anders, wie auch die Hamas den Tod der eigenen Volksgenossen in Kauf nimmt oder gar ins Kalkül zieht. Denn in beiden Fällen geht es um das Überleben der Gruppe, und nicht um das einzelner Individuen. (Ein weiterer Vorteil für die Netanjahu-Regierung wäre die Ablenkung von innenpolitischen Spannungen, die im Zuge der Justizreform hochgekocht sind).
Es gibt etliche Zionisten, die schon lange auf eine Chance dieser Art warten. Das Hauptproblem Israels sind zu viele und zu feindselige Araber, die in seinem Staats- und Einflußgebiet leben und einen hartnäckigen Anspruch darauf erheben. Es hat ein Interesse daran, möglichst viele davon loszuwerden.
Berüchtigt und viel zitiert ist ein Interview aus dem Jahr 2004 mit dem israelischen Historiker Benny Morris, der bedauerte, daß die “Säuberung” von 1948 nicht gründlich genug durchgeführt wurde:
Da [Ben-Gurion] die Vertreibung sowieso schon begonnen hatte, hätte er vielleicht ganzere Arbeit leisten sollen. Ich weiß, daß die Araber, die Liberalen und die politisch korrekten Leute diesen Gedanken verstörend finden. Aber ich habe das Gefühl, daß dieses Land ruhiger wäre und weniger Leid erfahren würde, wenn die Sache damals ein für alle Mal erledigt worden wäre, wenn Ben-Gurion eine große Vertreibung durchgeführt und das ganze Land gesäubert hätte – das ganze Land Israel, bis hin zum Jordan.
Es könnte sich noch herausstellen, daß dies sein großer fataler Fehler war. Hätte er eine vollständige Vertreibung – und nicht nur eine teilweise – durchgeführt, hätte er den Staat Israel für Generationen stabilisiert. Sollte diese Geschichte für die Juden düster enden, dann deshalb, weil Ben-Gurion den Transfer 1948 nicht abgeschlossen hat. Weil er eine große und unbeständige demografische Reserve im Westjordanland und im Gazastreifen sowie in Israel selbst hinterlassen hat.
So brutal es klingt: Morris hat damit natürlich völlig Recht. Die Zionisten hätten 1948 ebenso dauerhafte Tatsachen schaffen können, wie es anderswo mit der Vertreibung der Deutschen aus dem Osten nach 1945 geschehen ist. Aber sie sind auf halbem Weg stehengeblieben.
Es leuchtet ein, wenn heutige Zionisten davon träumen, das arabische Problem ein für alle Mal loszuwerden und einen geschlossenen israelischen Raum vom Jordan bis zum Mittelmeer zu schaffen. Das wäre aber, so wie die Dinge heute stehen und vermutlich auch lange stehenbleiben, nur mit Gewalt und im Rahmen eines Ausnahmezustandes wie eines Krieges möglich.
Hier ist ein weitere Stelle aus dem Interview mit Morris, die aufhorchen läßt. Gefragt, ob er heute eine Vertreibung befürworte, antwortet er:
Ich bin nicht bereit, mich an einer solchen Tat zu beteiligen. Unter den gegenwärtigen Umständen wäre sie weder moralisch noch realistisch. Die Welt würde es nicht zulassen, die arabische Welt würde es nicht zulassen, es würde die jüdische Gesellschaft von innen heraus zerstören. Aber ich bin bereit, Ihnen zu sagen, daß ich mir unter anderen, apokalyptischen Umständen, die in fünf oder zehn Jahren eintreten könnten, Vertreibungen vorstellen kann. Wenn wir mit Atomwaffen um uns herum konfrontiert werden, oder wenn es einen allgemeinen arabischen Angriff auf uns gibt und eine Kriegssituation mit Arabern, die im Hinterland in Konvois auf dem Weg zur Front das Feuer eröffnen, werden Vertreibungsaktionen völlig vernünftig sein. Sie können sogar unabdingbar sein.
Noch sind die israelischen Nationalisten weit davon entfernt, diesen Wunsch zu verwirklichen, und wir müssen abwarten, wie sich dieser Krieg entwickelt, um weitere Urteile zu fällen. Wenn es kommt wie immer, landen erneut tausende Flüchtlinge in Deutschland, dem Ablageplatz-to-go für solche Probleme.
Sollte es so weit kommen, wäre ich gespannt auf die rhetorische Akrobatik, mit der man dann die massenhafte Aufnahme von “Antisemiten” und Israelhassern, die dem Konsens der herrschenden Zivilreligion zuwiderlaufen, rechtfertigen wird. Momentan sind die Palästinenser in den Medien so etwas wie die “neuen Russen”, aber sollten sie im Zuge des Krieges Richtung Europa flüchten (wie sie es unweigerlich tun werden), wird man sie wieder zu “Goldstücken” ummünzen.
Diese Art von Einwanderer, die aus ihrer Israel-Feindlichkeit und ihren Hamas-Sympathien keinen Hehl macht, ist schon seit geraumer Zeit ein Schizo-Problem für das schuldkultgespeiste herrschende Narrativ, das verlangt, sowohl den Juden als auch den Migranten anzubeten.
Uns sollte allerdings weniger bekümmern, was die Einwanderer über Israel denken, sondern wie sie unsere eigene demographische Zusammensetzung verändern.
MARCEL
Ein weiterer Krieg auf dem Weg zu einer (auch durch Überbevölkerung vorangetriebenen) globalen Anarchie.
Die Konstellation ist hier wiederum anders, als beim Ukraine-Krieg, auch ein Dilemma für BRICS (Iran).
Ein fast biblisches Problem für das es keine Lösung gibt, außer die der Friedhofsruhe. Wie von ML dargestellt, haben beide Seiten ihre verstehbaren Gründe. Man kann sich aber fragen, welcher Grund zu jedweder Grenzverletzung berechtigt?
Auch Israelis trauen Netanjahu einiges zu, vor allem seinem ungedienten, unfähigen, aber großmäuligen Innenminister Itamar Ben-Gvir!
Was es brenzlig hält, ist das religiöse Sendungsbewusstsein sowohl der jüdischen Siedler als auch der radikalen Muslime. Für Letztere geht es wohlgemerkt nicht nur um den Tempelberg, sondern um Unterwerfung der Welt unter das koranische Joch.
Daher sind (u. waren bereits) solche Angriffe auch in Westeuropa möglich und daher hält sich mein Verständnis für arabische Belange in Grenzen! Ich gehöre nicht zu jenem (kleinen?) Teil der Rechten (und zur Shemagh-Linken ohnehin nicht), die da auf ein Trittbrett springen.