Sind es die Kommunisten, so haben Sie einen von Grund harmlosen Menschen vor sich.«
Dieser im Eingangssatz des in der reihe kaplaken erschienen Traktates Gegen die Liberalen von Armin Mohler beschriebene Typus des Beschwichtigungskonservativen erfährt über die letzten Wochen und Monate speziell im neu (zu schnell?) gewachsenen AfD-Umfeld Hochkonjunktur.
Den jüngsten Anstoß zu seinem hysterischen Schäumen und Krampfen lieferten die Überlegungen des Juso-Chefs Kevin Kühnert zur Kollektivierung (Achtung: keine Verstaatlichung!) von Betrieben quasi ihrer Vergenossenschaftung.
Sezession-Redakteur Benedikt Kaiser summiert die grassierende ideologische Wirrnis hier präzise. Im Unterholz der bundesrepublikanischer Konservatismus-Definitionen scheint man sich im liberalkonservativen respektive wertkonservativen Gestrüpp verfangen zu haben.
Erster gravierender Fehlschluß ist die Gleichsetzung der neoliberalen Wirtschaftsordnung in ihrer finanzkapitalistischen Ausprägung, die seit den 1990ern in Europa und global an Wucht gewann und die aktuell das Momentum auf ihrer Seite hat, mit konservativen Wirtschaftsprinzipien. Erschwerend kommt hinzu, daß man in der Europäischen Union nicht die supranationale Trägerkonstruktion der Liberalisierung der nationalen Märkte erkennt, sondern sich in EUdSSR-Fantasien versteigt.
Ganz im Einklang mit der „Ideologielosigkeit“ der neoliberalen Ideologie (näheres dazu in Marx von rechts) wird vergessen, daß vor allem die bundesrepublikanische Spielart des Kapitalismus erhebliche Unterschiede zum angelsächsischen laissez-faire Markt aufwies, der heute als dominantes Kapitalismusprinzip auftritt. In dem von Wolfgang Streeck und Martin Höpner herausgegeben Band Alle Macht dem Markt? Fallstudien zur Abwicklung der Deutschland AG im Campus Verlag wird der sukzessive Umbau des bewährten deutschen Wirtschaftssystems anschaulich nachvollzogen.
Ein Akteur dieser Entfesselung „freier“ Marktkräfte ist zweifelsohne die Europäische Union. Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften subsumieren diesen Prozeß unter dem Begriff der „Europäisierung“ – exemplifiziert zum Beispiel im Sammelband Governance in der politischen Ökonomie. Struktur und Wandel des modernen Kapitalismus von der Politikwissenschaftlerin Susanne K. Schmidt. Für Leser, die des Englischen mächtig sind, empfiehlt sich außerdem folgendes Werk aus dem Hause Palgrave: Public Sector Employment Regimes. Transformations of the State as an Employer.
Die Europäisierung respektive Liberalisierung des deutschen Wirtschaftsgeschehens läßt sich nun begrüßen oder ablehnen – es bleibt aber eine deskriptive Tatsache und straft jegliches EUdSSR-Geunke Lügen.
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Genauso kurzsichtig ist die allseits beliebte, kategorische Verteufelung des Islam im patriotischen Milieu, wodurch man sich schlußendlich nur zum nützlichen Vehikel westlich-liberaler Gesellschaftsordnungen macht, die rechten Gemeinschaftsvorstellungen diametral zuwiderlaufen. Derweil findet man auf Sezession im Netz zuhauf differenzierte Betrachtungen einer komplexen Kulturgemeinschaft, die den aufmerksamen Leser eines Besseren belehren sollten.
Das beginnt bei Dr. Seyed Alireza Mousavis Artikel zum schiitischen Gottesstaat im Iran unter dem Titel Schiitischer Staat und Säkularisierung und endet bei Dr. Thor von Waldsteins achtzehn Thesen zum Islam.
Zeitgleich wurde Siegfried Gerlich die Möglichkeit zur Gegenrede in drei Teilen hier, hier und hier gegeben, die wiederum von Waldstein eine Erwiderung erfuhren. Ferner hatte von Waldstein im Jahr 2016 bei einer Compact-Veranstaltung die Möglichkeit, seine Positionen bezüglich des Islams vor einem breiten Publikum zu referieren:
Wer den Islam in seiner Gesamtheit verstehen will, der wird wiederum bei Tilman Nagel fündig. In seinem Buch Was ist der Islam? Grundzüge einer Weltreligion gibt der renommierte Islamwissenschaftler einen fundierten Einblick in die muslimische Lebenswelt.
Nicht vergessen werden sollte auch die IfS-Studie Ist der Islam unser Feind?, die eine differenzierte Feindbestimmung im Detail vornimmt. Alle hier bisher aufgeführten Bücher und Studien können natürlich direkt bei Antaios, dem größten konservativen Versandbuchhandel, bestellt werden.
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Damit aber nicht genug, greift die neo-konservative Hybris auf die Faschismus-Definition über und macht ihre Protagonisten dadurch erneut zu willfährigen Idioten des Feindes. Indem man Antifa-Schläger und Konsorten zur neuen Sturmabteilung erklärt und sie in eine Reihe mit dem Faschismus stellt, spinnt man das linke Märchen weiter, das totalitäre und gewalttätige Politik nur von rechts ausgehen könne.
Es wird in perfider Weise die eigene Stigmatisierung reproduziert – ganz davon abgesehen, daß man die plumpen Faschismusvorstellungen linker „Extremismusexperten“ gleich mit übernimmt.
Dabei hat Hans-Helmuth Knütter das Herrschaftsinstrument der Linken, die „Faschismuskeule“, für das Institut für Staatspolitik bereits in seine Einzelteile zerlegt und seine totalitären Wesenszüge demaskiert.
Außerdem existiert eine Klarstellung zum Faschismus in Form eines kaplaken Bandes von Karlheinz Weißmann, die sich dem politischen Phänomen außerhalb des vorgefaßt antifaschistischen Korridors nähert. Ferner beschäftigt sich eine ganze Ausgabe der Sezession mit dem Faschismus, die hier im Archiv frei verfügbar ist. Das bessere Wissen gibt es also zu genüge; nur genutzt werden muß es!
Kurz vor der Europawahl und den in diesem Jahr anstehenden und überaus wichtigen Landtagswahlen sei in Anlehnung an den konservativen Vordenker Armin Mohler einem Teil der AfD und ihrer Fackelträger dies nachdrücklich und fett ins Stammbuch geschrieben: Der Feind agiert bereits innerhalb der Burg und macht unsere Abwehr so weich, daß der äußere Feind eindringen kann.
Es bleibt daher zu konstatieren: eine fundierte ideologische Selbstverortung und Feindbestimmung tuen nach dem Zulauf, den unser Lager seit 2015 erfahren hat, dringlichst Not.
Niekisch
"Es bleibt daher zu konstatieren: eine fundierte ideologische Selbstverortung und Feindbestimmung tuen nach dem Zulauf, den unser Lager seit 2015 erfahren hat, dringlichst Not."
Von wem, so frage ich provokativ, ist ein solches Werk zu erwarten? Mehrfach habe ich auf SiN ansatzweise, schlagwortartig, solches in den Ring geworfen. Reaktion gleich null. Auf dem früheren "Gesamtrechts"-Blog und auf "Metapolitika" wurde es unter der Kategorie "Metapolitisches" über einen längeren Zeitraum hinweg sogar unter Begleitung von Fachleuten mit hoher Beteiligung von Autoren und Kommentatoren versucht und bereits "das große Ziel" und ein "Weltanschauliches Minimum" sowie ein Verhaltenskodex erarbeitet.
Da ist es hier aber dann an der Zeit!