Hundert Jahre, hundert Romane – 1990 bis 2024

Der 3. und letzte Teil der Liste "Hundert Romane aus hundert Jahren" - zusammengestellt und kommentiert von Erik Lehnert, Ellen Kositza und Götz Kubitschek. Alle Bücher sind für Ihre Bestellung hier in einem Bücherschrank zusammengefaßt - geordnet aufsteigend nach Jahrgangsempfehlung.

1990 Ange­la Krauß: Der Diensthier bestel­len

Die Welt der DDR in der Land­schaft des Erz­ge­bir­ges am Anfang der fünf­zi­ger Jah­re, als die Zeit still­zu­ste­hen schien, aber mit dem ers­ten sowje­ti­schen Was­ser­stoff­bom­ben­ver­such auch die Unschuld gegen­über dem radio­ak­ti­ven Gestein in den Hän­gen des Gebir­ges ver­lo­ren­ging. Eine Toch­ter por­trä­tiert ein Vater­le­ben: “In mei­ner aus­ge­hen­den Kind­heit war er der voll­kom­me­ne Ent­wurf der Welt, die mich erwar­te­te.“ Mit unter 50 Sei­ten einer der welt­weit kür­zes­ten Roma­ne, aber so nach­drück­lich! (EK)

1991 Moni­ka Maron: Stil­le Zei­le sechs - hier bestel­len

1992 Hans Joa­chim Schäd­lich: Die Sache mit B.

Was für ein kras­ses Stück, und dabei lite­ra­risch auch noch beein­dru­ckend! Hans Joa­chim Schäd­lichs Bru­der Karl­heinz war von 1975 an unter dem Deck­na­men „IM Schä­fer“ inof­fi­zi­el­ler Mit­ar­bei­ter des Minis­te­ri­ums für Staats­si­cher­heit der DDR. In die­ser Funk­ti­on berich­te­te er über sei­nen regime­kri­ti­schen Bekann­ten­kreis und auch über sei­nen Bru­der Hans Joa­chim, gegen den von Sei­ten des MfS seit 1976 ein Ope­ra­ti­ver Vor­gang unter dem Namen „Schäd­ling“ lief. Schäd­lich erzählt lako­nisch, karg, emo­ti­ons­frei. (EK)

1993 Har­ry Thürk: Som­mer der toten Träu­mehier bestel­len

Thürk war ein DDR-Autor, bekannt für Tri­vi­al­li­te­ra­tur, abso­lu­te Treue zum SED-Staat und Doku­ro­ma­ne über den Fer­nen Osten. Auch der Som­mer der toten Träu­me erfüllt jedes Merk­mal der Tri­vi­al­li­te­ra­tur, hat aber ein The­ma, das in der Lite­ra­tur nur sel­ten und in der DDR gar nicht vor­kam: die Behand­lung der Deut­schen durch Rus­sen und Polen zwi­schen Kriegs­en­de und end­gül­ti­ger Ver­trei­bung. Thürk hat das in Schle­si­en selbst erlebt, was das Buch über den Durch­schnitt sei­nes Schaf­fens erhebt. (EL)

1994 Bri­git­te Kro­nau­er: Das Taschen­tuchhier bestel­len

West­deutsch­land, 1990, die “DDR” ist gaanz weit weg. Vol­ler bril­lan­ter Beob­ach­tun­gen – wer braucht da einen Plot? Kro­nau­er war eine der ganz gro­ßen, viel zu wenig beach­te­ten Schrift­stel­le­rin­nen. (EK)

1995 Chris­ti­an Kracht: Faser­landhier bestel­len

Natür­lich war „Faser­land“ DER Roman für die nicht­lin­ke Gene­ra­ti­on X! Exklu­siv für West­deut­sche. Ein jun­ger Mann, bar aller Geld­sor­gen, reist von Sylt über Ham­burg, Frankfurt/Main, Hei­del­berg und Mün­chen nach Zürich. Er kokst und kotzt, er hat diver­sen Sex und fühlt sich nicht gut dabei, weil er weiß, daß es eigent­lich Schrott ist…  Es war ein­fach der kul­tur­pes­si­mis­ti­sche Sound die­ser Nach­wen­de­jah­re. (EK)

1996 Peter Hand­ke: Eine win­ter­li­che Rei­se zu den Flüs­sen Donau, Save, Mora­wa, oder: Gerech­tig­keit für Ser­bi­enhier bestel­len

Auf Ser­bi­en haben die Deut­schen am Ende nur noch durch „vor­ge­stanz­te Guck­lö­cher“ geschaut, schreibt Hand­ke. Sein Ver­such, als einer der weni­gen eine ande­re Per­spek­ti­ve in die kla­re Ver­tei­lung von Gut und Böse im Jugo­sla­wi­en­krieg zu brin­gen, ist unbe­schreib­lich wich­tig: Gera­de wir Rech­ten wer­den unent­wegt durch Guck­lö­cher ange­starrt. Dabei sind wir viel mehr und ganz anders. (GK)

1997 Chris­toph Hein: Von allem Anfang anhier bestel­len

Jugend­er­in­ne­run­gen des Pfar­rer­sohns Chris­toph Hein, der hier als „Dani­el“ spricht. Plan einer Repu­blik­flucht, irr­wit­zi­ge Puber­täts­ge­dan­ken, auch Rück­bli­cke in die ver­lo­re­ne schle­si­sche Hei­mat. Ich kann kaum begrei­fen, war­um der jün­ge­re Hein so phan­tas­tisch gute Bücher schrieb (wie auch Dra­chen­blut, Frau Pau­la Trous­se­au, Wil­len­b­rock) und der nun älte­re so schlech­te. (EK)

1998 Mar­tin Wal­ser: Ein sprin­gen­der Brun­nenhier bestel­len

Ein auto­bio­gra­phisch gefärb­ter Roman, ein Meis­ter­werk dar­über, wie es war, als es natio­nal­so­zia­lis­tisch wur­de, auch am Boden­see, in Was­ser­burg, auf dem Lan­de. Die­ses Buch ist so sehr viel rei­fer und ehr­li­cher als jede „gehäu­te­te Zwie­bel“ in den Hän­den des hyper­mo­ra­li­schen, heim­li­chen SS-Manns Gün­ter Grass – und es ist ein sehr schwä­bi­sches Buch, also auch ein dickes Stück Hei­mat. (GK)

1999 Tho­mas Brussig: Am kür­ze­ren Ende der Son­nen­al­leehier bestel­len

2000 Egi­nald Schlatt­ner: Rote Hand­schu­he

2001 Sher­ko Fatah: Grenz­land

2002 Jörg Ber­nig: Nie­mands­zeithier bestel­len

An die­sen Roman über ein Dorf, das erst spät von tsche­chi­schen Ein­satz­grup­pen ent­deckt wird, den­ke ich unter ande­rem des­we­gen, weil ich ihn zunächst nicht zuen­de lesen konn­te – so schlimm ist der Ein­bruch der Zeit in die Nie­mands­zeit. Denn zuletzt wird doch hem­mungs­los ver­trie­ben. (GK)

2003 Wolf­gang Büscher: Berlin–Moskau. Eine Rei­se zu Fußhier bestel­len

In der Glut eines Ber­li­ner Som­mer­abends wan­dert Büscher los – näm­lich durch eine höchst beson­de­re Kul­tur­land­schaft: Wege ent­lang der Rou­ten der Napo­leo­ni­schen und der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Armeen gen Osten und der Roten Armee in der umge­kehr­ten Rich­tung nach Wes­ten. Im bit­ter­kal­ten Win­ter, eisig wie damals, erreicht er Mos­kau. Inhalt­lich packend, sprach­lich groß. (EK)

2004 Sophie Dan­nen­berg: Das blei­che Herz der Revolution

Eine Aus­ein­an­der­set­zung mit den 68ern aus der Sicht ihrer Kin­der: Der ers­te Roman über 68 aus die­sem Blick­win­kel. All die gro­ßen Pro­jek­te wie anti­au­to­ri­tä­re Erzie­hung, Eman­zi­pa­ti­on, freie Sexua­li­tät wer­den von Grund auf in Zwei­fel gezo­gen. Mir war beim (begeis­ter­ten!) Lesen völ­lig klar, daß hin­ter die­sem Pseud­onym ein Mann ste­cken müs­se. Die gan­ze Gemenge­la­ge und wie sie geschil­dert wird: Viel zu cool für eine Autorin. Aber nein. (EK)

2005 Micha­el Klo­novs­ky: Land der Wun­derhier bestel­len

Johan­nes, dem Hoch­geis­ti­gen in jeder Form sowie weib­li­chen Rei­zen kei­nes­wegs abge­neigt, lebt in der “von Alko­ho­li­kern, Spaß­vö­geln und Bon­zen bevöl­ker­ten Kloa­ke namens DDR.” Er kennt die Mühen der Arbeit in der Pro­duk­ti­on, ein Stu­di­um bleibt ihm ver­wehrt. Nach dem Novem­ber­wun­der 1989 wech­selt unser Prot­ago­nist – zufäl­lig ähn­li­chen Jahr­gangs wie Autor Klo­novs­ky – in das von “Gesin­nungs­hu­ren und End­ver­brau­chern bevöl­ker­te Casi­no namens Bun­des­re­pu­blik”. Da bleibt kein Auge trocken.

2006 Hans Ber­gel: Die Wie­der­kehr der Wöl­fe - hier bestellen

Band zwei der als Tri­lo­gie geplan­ten Fami­li­en-Saga aus Sie­ben­bür­gen. Einer der weni­gen Roma­ne, die den Geist einer kon­ser­va­tiv-revo­lu­tio­nä­ren, nicht aber natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ein­stel­lung the­ma­ti­sie­ren. Zugleich ein Doku­ment ver­lo­re­nen rumä­ni­en­deut­schen Lebens. (GK)

2007 Richard Wag­ner: Das rei­che Mäd­chen – hier bestellen

Da hei­ra­tet eine einen Aus­län­der, einen ganz Frem­den, und es geht gründ­lich schief, also: es endet schlimm. Wag­ners Roman war eine Pro­vo­ka­ti­on, ein Ereig­nis, war das Schrei­ben über ein Tabu. Ich durf­te mit ihm einen aus­führ­li­chen Brief­wech­sel füh­ren, das war damals noch mög­lich. (GK)

2008 Uwe Tell­kamp: Der Turmhier bestel­len

Seit sei­ner Ver­öf­fent­li­chung steht er da, Der Turm Tell­kamps, der gro­ße Roman aus den DDR-Jah­ren vor der Wen­de, preis­ge­krönt, ver­filmt, gül­tig. Er ist ein­ge­färbt, mitt­ler­wei­le, denn der Autor äußer­te sich zum Tages­ge­sche­hen nicht so, wie man das von einem ver­meint­lich ins Feuil­le­ton Ein­ge­mein­de­ten erwar­tet. Aber dem Turm kann das nichts anha­ben. Er über­ragt, und man kommt an ihm nicht vor­bei. (GK)

2009 Iris Hanika: Das Eigent­li­che – hier bestellen

2010 Theo­dor Buhl: Win­ne­tou August – hier bestellen

Die Fami­lie Buhl floh Anfang 1945 aus Nie­der­schle­si­en nach Dres­den, über­stand dort im Febru­ar die Zer­stö­rung der Stadt, zog zurück und leb­te ein Jahr unter pol­ni­scher Mili­tär­herr­schaft, bis sie end­gül­tig ver­trie­ben wur­de. Buhl hat im wesent­li­chen nur die­sen einen Roman vor­ge­legt – ein Meis­ter­werk. Alles ist so lako­nisch beschrie­ben, wie das wohl nur ein Kind kann: noch ohne his­to­ri­sche Dimen­si­on und mit nai­vem Inter­es­se selbst dort, wo es grau­en­voll ist. (GK)

2011 Eugen Ruge: In Zei­ten abneh­men­den Lichtshier bestel­len

Einer der wirk­lich gro­ßen Roma­ne, die den Kip­punkt aus der End­pha­se der DDR in die ers­te Nach­wen­de­zeit beschrei­ben. Zwei­er­lei an Ruges Zugriff ist bestechend: Er schil­der­te die ein­ge­üb­te Ord­nung einer Welt, die von ihrem Zusam­men­bruch nichts ahn­te – und das nach­ge­reich­te Bes­ser­wis­sen einer »Frei­heit«, die wie­der­um bloß aus anders gela­ger­ten Unfrei­hei­ten bestand. (EK)

2012 Mat­thi­as Wege­haupt: Schwar­zes Schilf – hier bestellen

2013 Micha­el Köhl­mei­er: Die Aben­teu­er des Joel Spa­zie­rerhier bestel­len

Joel Spa­zie­rer ist ein aus­ge­dach­ter Name. Als Kind hieß er András Fülöp, spä­ter And­res Phil­ip, kurz­zei­tig Robert Rosen­ber­ger, dann Ernst-Thäl­mann Koch, kein Tipp­feh­ler: Thäl­mann ist der zwei­te Teil des Vor­na­mens. »Spa­zie­rer« wur­de zur Iden­ti­täts­ver­schleie­rung von einem ver­trau­ten lin­ken Pfar­rer für gut befun­den: »Es ist nicht schlecht, wenn die Leu­te mei­nen, es sei ein jüdi­scher Name. Dann fra­gen sie nicht. …Viel­leicht wäre es nicht schlecht, wenn du das Jüdi­sche mit einem jüdi­schen Vor­na­men betonst.« Was für ein hoch­ge­lehr­tes Lese­ver­gnü­gen! Hier ist die Rezen­si­on, die ich über den Roman für die Sezes­si­on schrieb. (EK)

2014 Lutz Sei­ler: Kru­sohier bestel­len

2015 Leif Randt: Pla­net Magnonhier bestel­len

Es gab in Ber­lin jun­ge Autoren, die sich in einem „Jun­gen Salon“ sam­mel­ten und zuletzt über Kon­zep­te wie „Ultraro­man­tik“ nach­dach­ten – alles ziem­lich läp­pisch. Das, was sie woll­ten, ist in Pla­net Magnon for­mu­liert: Die Leu­te dort sind Post-Prag­ma­ti­ker und ver­fol­gen Stra­te­gien einer »ambi­va­len­ten Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung«: Die Grund­hal­tung ist empa­thisch und unter­kühlt zugleich, also: ein­füh­lend in den Zusam­men­hang, den es per­ma­nent zu ana­ly­sie­ren und zu opti­mie­ren gilt. Das Ziel: ein psy­chi­scher Zwi­schen­zu­stand, »der gemäß dem post­prag­ma­ti­schen Schwe­beide­al nie abschlie­ßend zu defi­nie­ren ist«. Mit die­sem Besteck läßt sich unse­re Zeit lesen. Man macht sich nach der Lek­tü­re weni­ger vor. (GK)

2016 Mar­tin Mose­bach: Moga­dorhier bestel­len

Die­ser Mose­bach – oder ein ande­rer? Zunächst stan­den drei sei­ner Roma­ne auf unse­rer Lis­te, ich habe die­sen durch­ge­setzt. Er beschreibt eine Sip­pe in Marok­ko, die matri­ar­chal geführt wird, in einem Durch­ein­an­der aus Fleiß, Geschick, Zuhäl­te­rei, Hamam, Stolz, Befrei­ung und Wei­ter­ga­be. Ein lebens­s­at­tes, plas­ti­sches Buch, hell­sich­ti­ge Unklar­heit, ver­baut wie die Stadt selbst. (GK)

2017 Jonas Lüscher: Krafthier bestel­len

Richard Kraft ist Rhe­to­rik­pro­fes­sor in Tübin­gen. Ein glän­zen­der Den­ker, dabei ein viri­ler Typ. Und kei­nes­falls ein strom­li­ni­en­för­mi­ger Kar­rie­rist! Bei­spiels­wei­se stand er als Stu­dent den ton­an­ge­ben­den Ideen der Lin­ken immer kri­tisch, gar spöt­tisch gegen­über, und zwar aus einer Mischung aus Klug­heit, Über­zeu­gung, Trotz, Wider­spruchs­geist und Diskt­ink­ti­ons­wil­len. Jetzt will er sich aus­ge­rech­net in Kali­for­ni­en behaup­ten… Hier ist die Rezen­si­on, die ich über den Roman für die Sezes­si­on schrieb. (EK)

2018 Nor­bert Gst­rein: Die kom­men­den Jah­rehier bestel­len

Richard und sei­ne schö­ne Frau Nata­scha sind „in den Medi­en“, weil sie in ihrem hüb­schen Haus in Nord­west­meck­len­burg (mut­maß­lich) syri­sche Flücht­lin­ge unter­ge­bracht haben. Nata­scha stei­gert sich in eine pri­va­te Huma­ni­täts­ak­ti­on… Ein schö­nes Bei­spiel, wie man als Autor „hin­ter den Lini­en“ blei­ben kann. Und hier ist die Rezen­si­on, die ich über den Roman für die Sezes­si­on schrieb. (EK)

2019 Stef­fen Kopetz­ky: Pro­pa­gan­dahier bestel­len

Von Ernst Jün­ger stammt der Satz, man­che Bücher explo­dier­ten wie laut­lo­se Minen. Pro­pa­gan­da ist so ein Buch. Das geschichts­po­li­ti­sche Poten­ti­al ist gewal­tig. Es faßt die Aller­see­len­schlacht 1944, den Agent-Oran­ge-Ein­satz in Viet­nam, Kriegs­ver­bre­chen der Ame­ri­ka­ner im 2. Welt­krieg und den huma­ni­tä­ren Ein­satz des deut­schen Arz­tes Stütt­gen im Hürt­gen­wald unter dem Aspekt der Pro­pa­gan­da, also der Bericht­erstat­tung und ein­ge­färb­ten Erzäh­lung ins Auge: kei­ne Moral, berich­tet, ver­tuscht, ver­dreht wird, wie es nützt. Ein gro­ßes Lese­er­leb­nis! (GK)

2020 Mat­thi­as Poli­ty­cki: Das kann uns kei­ner neh­menhier bestel­len

Das ist ein­fach ein herz­er­fri­schen­der, inkor­rek­ter, mensch­li­cher Roman: Ein bay­ri­scher Lebens­künst­ler rüpelt sich den Kili­man­dscha­ro hin­auf und weder hin­un­ter und bleibt im Schlepp­tau eines deut­schen Gut­men­schen, der nicht begreift, daß man auf die­se Art Afri­ka nicht nur berei­sen, son­dern sehr ehr­lich viel tun kann, wenn man ein­an­der nicht asep­tisch begeg­net. Man möch­te nach der Lek­tü­re nach Tan­sa­nia und auf San­si­bar… (GK)

2021 John Hoe­wer: Euro­pa­Power­bru­talhier bestel­len

Wer bit­te hät­te gedacht, daß ein rech­ter Sze­ne-Roman nach 1945 je zu einem Ver­kaufs­schla­ger wer­den wür­de? Wir fol­gen hier einem namen­lo­sen Erzäh­ler auf der Suche nach dem Geist eines ande­ren Euro­pas. Eines Euro­pas, das nur dem offen steht, der bereit ist, mit den Leu­ten um die Häu­ser zu zie­hen, vor denen die »Tages­schau« immer gewarnt hat. Euro­pa­Power­bru­tal ist eine zeit­ge­nös­si­sche Fla­neurs- und Sze­nege­schich­te, ein Rei­se­ro­man, rauh, betrun­ken, scho­nungs­los, aber­wit­zig und mit gro­ßen Talent für Selbst­iro­nie! (EK)

2022 Rein­hard Kai­ser-Mühle­cker: Wil­de­rerhier bestel­len

In den Roma­nen des Schrift­stel­lers Rein­hard Kai­ser-Mühle­cker (*1982) geht es um ech­te, geer­de­te Exis­ten­zen, es geht um Exis­ten­ti­el­les. Kein Wun­der, daß der Autor wei­ter­hin sei­nen Erb­hof in Ober­ös­ter­reich bewirt­schaf­tet. Hier geht um den jun­gen Jakob, einen miß­traui­schen Typen, grob­schläch­tig, aber kern­haft gut, wenn­gleich mit autis­ti­scher Akzen­tu­ie­rung. Er wür­de sei­nen Erb­hof gern in „alt­mo­di­scher Wei­se“ wei­te­füh­ren. Aber so sind die Zei­ten nicht. Es gibt Tin­der, und es gibt die­ses ererb­te Gewalt­po­ten­ti­al. Ganz gran­di­os. Hier ist die Rezen­si­on, die ich über den Roman für die Sezes­si­on schrieb. (EK)

2023 Cle­mens J. Setz: Mon­de vor der Lan­dunghier bestel­len

Büch­nerpreis­trä­ger (2021) Cle­mens J. Setz zeich­net die Geschich­te des Hohl­welt­pro­phe­ten Peter Ben­der auf. Er unter­füt­tert die­se schier unglaub­li­che, wah­re und trau­ri­ge Bio­gra­phie hier und da mit ech­ten Doku­men­ten, Abbil­dun­gen von Brie­fen und Fotos. Was wirk­lich los war in Peters Ben­ders Kopf, ist frei­lich aus­ge­dacht – aller­dings in unge­heu­rer Kunst­fer­tig­keit. Ein Genie­streich! Hier ist die Rezen­si­on, die ich über den Roman für die Sezes­si­on schrieb. (EK)

2024 Sebas­ti­an Schwär­zel: Schi­zo­id Manhier bestel­len

Die­ser Ich-Erzäh­ler nennt sich »Faschist«, obwohl oder weil er weiß, daß er eine Null ist. Der Welt- und Lebens­ekel unse­res Prot­ago­nis­ten drückt sich viel­fäl­tig aus. Das ist „Faser­land 2.0“, obwohl die­ser Ver­gleich offen­kun­dig nicht beab­sich­tigt ist. »In einem fit­ten Kör­per wohnt ein fit­ter Geist, lese ich in einem Insta­gram-Post«, sekun­diert unser Erzäh­ler. Es ist blan­ker Hohn. Hier ist die Rezen­si­on, die ich über den Roman für die Sezes­si­on schrieb. (EK)

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Kommentare (2)

RMH

26. November 2024 16:17

Wieder eine interessante Auswahl, wieder wird vermutlich das eine oder andere Werk, welches ich noch nicht gelesen habe (bspw. v. Bergel & Schlattner), den Weg in meinen Bücherschrank finden. Bemerkenswert ist, wie viele von den aufgelisteten Büchern sich noch mit Themen aus der Vergangenheit zuvor bis hin zum WK II beschäftigten. Meine Favoriten aus der Liste: "Faserland", L. Randts "Planet Magnon" (würde ich klar noch über "Faserland" ansetzen) &, für mich eigentlich komplett außer jeder Wertung, "Der Turm" von Tellkamp (der auch `22 Platz 1 verdient hätte). Was für ein Autor, was für ein Erzähler! Auch wenn ich persönlich das Buch gekürzt hätte (die Militärerzählung ist zu ausufernd, wobei es für mich, Wehrdienstleistender der BRD, doch interessant war, wie viele Parallelen es zum Wehrdienst in Mitteldeutschland gab). Auf dem klar letzten Platz (hätte es bei mir nie auf eine Liste geschafft): "Das bleiche Herz d. Rev.". Selten so ein schlechtes Buch gelesen, welches ich nur aufgrund der posit. Rez. der Sezession gekauft habe. Da gibt es aber bedeutend bessere Abrechnungen mit 68, bspw, wenn auch nicht deutsch, Houllebecqs "Elementarteilchen" - und eigentlich ist das 2024er "Schizoid Man" auch eine Abrechnung mit dem, was 68 erzeugte, wenn ich auch den Eindruck habe, die "rechte Szene" missversteht den Autor sehr gründlich.

Boreas

26. November 2024 18:27

Meine Ergänzungen:
1991 Russell McCloud „Die Schwarze Sonne von Tashi Lhunpo“1999 Helmut Krausser „Der große Bagarozy“2000 Alexander Osang „Die Nachrichten“2004 Thor Kunkel „Endstufe“2005 Uwe Tellkamp „Der Eisvogel“2007 Germar Grimsen „Hinter Büchern.Ein Großroman“2012 Mathias Gatza „Der Augentäuscher“2014 Bernhard Schlink „Die Frau auf der Treppe“
2016 Julie Zeh „Unterleuten“2018 Ditterich von Euler-Donnersperg „Durch das besetzte Europa“
 

Kositza: Juli Zeh war unter uns sowas von hart umkämpft. Bedaure sehr, daß sie fallen mußte.