Als Veteran dieser Revisions-Diskussion denke ich, daß sie zwar in einem gewissen Sinne “wichtig” bleibt, aber untauglich ist als politischer Hebel, um den fatalen Selbstabschaffungskurs Deutschlands zu beenden.
Viele rechte Autoren und Aktivisten haben in ihr jahrzehntelang die entscheidende Nuß erblickt, die es zu knacken gilt, um den deutschen Wunsch nach Selbstauslöschung an der neurotisch-traumatischen Wurzel zu packen.
Denn es ist zweifellos richtig und zur Binsenweisheit geworden, daß der, nennen wir es so, deutsche Schuldkomplex dafür hauptverantwortlich ist, daß es in Deutschland unmöglich geworden ist, Politik für das deutsche Volk zu betreiben oder überhaupt souveränistisch-politisch zu denken und zu handeln.
So begründete das Auswärtige Amt gegenüber dem US-Außenminister Rubio die Stigmatisierung der AfD durch den Verfassungsschutz neulich mit den Worten: “We have learned from our history that rightwing extremism needs to be stopped.”
Ich kenne den Einwand, daß sich ähnliche Probleme in den alliierten “Siegerländern” Frankreich, Großbritannien, USA und teilweise sogar Rußland stellen. Die “weiße Schuld” ist ein weitverbreitetes Syndrom innerhalb der westlichen Welt. Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber eine davon ist, daß der deutsche Nationalsozialismus nicht nur in Deutschland, sondern praktisch global als Grund dient, warum “ethnonationalistische” Politik moralisch zu verwerfen und zu überwinden ist (je weiter weg man von Europa entfernt ist, umso schwächer wird diese Prämisse). Das wäre aber ein eigenes Thema.
Auch in Deutschland hat der “Schuldkomplex” mehrere Dimensionen und Ursachen, die sich nicht allesamt auf das Trauma von Nationalsozialismus, Krieg und Niederlage zurückführen lassen. Viele kluge Leute haben viele kluge Dinge darüber geschrieben, unlängst wieder Meister Klonovsky, der den „Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus” noch aus DDR-Zeiten kennt.
Für mich ist die Formulierung ‘Tag der Befreiung’ kommunistische Propaganda, Sklavensprache, Unterdrückungssemantik, deswegen lehne ich sie ab,
schreibt Klonovsky, und gleichzeitig weiß er auch, daß sie zumindest symbolisch einen Teil der Wahrheit beschreibt.
“Befreiung” gab es “für die überlebenden Häftlinge der Konzentrationslager, für die Juden, die irgendwo versteckt überlebt hatten, für die Völker, die unter den Nationalsozialisten gelitten hatten, für diejenigen Deutschen, die in Opposition zum Regime lebten”, nicht aber für die geschändeten “Frauen der Besiegten” und “die zwölf bis 14 Millionen Millionen Vertriebenen, von denen knapp zwei Millionen umkamen”, für die “Millionen Kriegsgefangenen, von denen viele oft erst Jahre später oder nie heimkehrten” und angesichts der Tatsache der “Errichtung einer zweiten deutschen Diktatur in Mitteldeutschland”.
Dieser Zwiespalt wurde noch in der berühmten Rede von Richard von Weizsäcker vom 8. Mai 1985 thematisiert, die auch für Westdeutschland die Parole “Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung” verbindlich festlegte. Dennoch betonte Weizsäcker:
Der 8. Mai ist für uns Deutsche kein Tag zum Feiern. Die Menschen, die ihn bewußt erlebt haben, denken an ganz persönliche und damit ganz unterschiedliche Erfahrungen zurück. Der eine kehrte heim, der andere wurde heimatlos. Dieser wurde befreit, für jenen begann die Gefangenschaft. Viele waren einfach nur dafür dankbar, daß Bombennächte und Angst vorüber und sie mit dem Leben davongekommen waren. Andere empfanden Schmerz über die vollständige Niederlage des eigenen Vaterlandes. Verbittert standen Deutsche vor zerrissenen Illusionen, dankbar andere Deutsche vor dem geschenkten neuen Anfang.
Das unheilvolle Wort war nun aber gefallen. Anders als in der DDR, wo das deutsche Volk von “Hitlerfaschisten” befreit worden war, wähnte man sich in der BRD auch noch von sich selbst oder zumindest von einem unheilvollen Teil des eigenen Wesens befreit. Und was davon noch übrig war, galt es, systematisch auszurotten (wofür sich, wie Robert Hepp aufzeigte, die Multikulturalisierung und die Umwandlung Deutschlands in einen Vielvölkerstaat als verheißungsvolles Mittel wie auch Endziel anbot).
Weizsäcker wußte und betonte noch, daß die Rede von der “Befreiung” nur die halbe Wahrheit erfassen konnte. Die Grauzone, die Ambivalenz, das Sowohl-als-auch sind der deutschen Seele jedoch zutiefst zuwider. Sie fühlt sich erst in einem Entweder-Oder wohl.
Heute ist die “Debatte”, sofern sie überhaupt noch wenigstens zum Schein geführt wird, weit hinter Weizsäcker zurückgefallen. Man ist endgültig in die Knie gegangen, mit denen er zumindest noch gewackelt hat. 2025 soll der “8. Mai ist für uns Deutsche ein Tag zum Feiern” sein.
Aber wem ist denn noch ernsthaft nach “Feiern” zumute? Es lebt heute fast niemand mehr, der sich persönlich an diesen Tag erinnern kann, und daran, daß es für die meisten Deutschen an diesem Frühlingstag des Jahres 1945 nichts zu Feiern gab.
Weizsäcker war es auch, der eine (vermutlich) edel gemeinte, aber langfristig äußerst fatale Lehre aus der Geschichte der befreienden Niederlage ziehen zu können glaubte:
Hitler hat stets damit gearbeitet, Vorurteile, Feindschaften und Haß zu schüren.
Die Bitte an die jungen Menschen lautet:
Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Haß
gegen andere Menschen,
gegen Russen oder Amerikaner,
gegen Juden oder gegen Türken,
gegen Alternative oder gegen Konservative,
gegen Schwarz oder gegen Weiß.
Lernen Sie, miteinander zu leben, nicht gegeneinander.
Auch diesen frommen Wunsch hat man inzwischen revidiert: “Feindschaft und Haß” gegen Russen ist wieder per Staatsdekret en vogue, zunehmend auch gegen manche Amerikaner, gegen “Konservative” sowieso, und ebenso gegen “Alternative”, weil die “Alternativen” in Deutschland heute sämtlich rechts stehen oder dort einsortiert werden, sobald sie dem System ernsthaft unbequem werden.
Was sollen wir nun tun mit diesem eingefleischten Syndrom? Höcke sprach zwar davon, daß die Debatte nur mehr “wissenschaftlich geführt werden” möge, meinte aber auch:
Wir müssen uns um die Heilung der kollektiven seelischen Zerstörung unseres Volkes bemühen, indem wir jenseits deutscher Hybris und deutscher Unterwürfigkeit Maß und Mitte suchen, finden, vorleben und einfordern.
Nun mögen manche einwenden, das sei ja schön und gut, aber wie soll dies denn möglich sein, ohne eine Klärung und Revision der Deutungsmuster des zweiten Weltkriegs, die Deutschland einseitig belasten? Wie kann man die Volksseele “therapieren” ohne die Wahrheit anzuerkennen, die Erinnerung aufrecht zu erhalten, die Trauer über das Verlorene zuzulassen?
Und genügt es, dies bloß im privaten und familiären Bereich zu tun und, wie Höcke sagt, vorzuleben und einzufordern, oder muß nicht auch auf der nationalen Repräsentationsebene etwas geschehen, um das kollektive Bewußtsein nachhaltig zu verändern?
Wie viele andere, die im rechten Spektrum gelandet sind, hat mich diese Frage früher außerordentlich stark beschäftigt (siehe etwa hier, hier, hier, hier, hier, hier und hier). Im September feiere ich mein 20jähriges Jubiläum als Autor dieser Sparte. Damals wurde ich vom begeisterten Junge-Freiheit-Leser zum aktiven Beiträger, zunächst vor allem als Filmkritiker “von rechts”.
Wer in jenen lang verflossenen, insgesamt eher bleiernen Jahren mit dabei war, wird sich gut erinnern, was für eine enorme Rolle die Korrektur des herrschenden einseitigen Geschichtsbildes in der konservativen Publizistik gespielt hat, und wie stark das emotionale Engagement dahinter war. Man hatte das Gefühl,sich auf einer Mission zu befinden, einer gerechten Sache zu dienen, die unmittelbar mit einem selbst und seiner Herkunft und Zukunft zu tun hatte.
Ich war fasziniert davon, jene Seiten und Kapitel des 2. Weltkriegs und seiner Vorgeschichte zu entdecken, die mir in der Schule verschwiegen worden waren. Ich empfand diese Entdeckung als regelrechte “Befreiung” (um beim Thema zu bleiben), da mir der “Schuldkult” ziemlich in die Knochen gefahren war (aber niemals so tief, als daß ich jemals auf die Idee gekommen wäre, meine geliebten Großeltern für irgendetwas zu verurteilen oder gar zu verdammen).
Besonders interessierte ich mich für das Thema Flucht und Vertreibung, das auch im Film deutlich unterrepräsentiert war. Ich begann 2004, einen Dokumentarfilm darüber zu drehen, der allerdings aus verschiedenen Gründen nie fertiggestellt wurde. Ich habe in dieser Zeit noch mit vielen Zeitzeugen sprechen und Interviews mit ihnen aufnehmen können (sie existieren noch irgendwo in meinen Archiven, verstreut auf etwa zwei Dutzend Camcorder-Kassetten).
Ich kann mich an ein Treffen heimatvertriebener Niederschlesier erinnern, das ich etwa 2006 besuchte, ich glaube, es war irgendwo in Niedersachsen. Ich kann mich an kaum mehr etwas erinnern, aber ein Bild hat sich mir eingeprägt.
Die Veranstaltung fand im Freien statt, es war im Spätsommer oder Frühherbst. Die versammelten Teilnehmer saßen nebeneinander aufgereiht auf Stühlen und hörten einem Redner auf einer Tribüne zu. Die meisten von ihnen waren Kinder oder Jugendliche gewesen, als sie vertrieben wurden.
Ich stand etwas abseits und sah vor mir Reihen von weiß- und grauhaarigen Hinterköpfen, auf die das Licht der Herbstsonne fiel. Vor langer Zeit waren sie Opfer eines schrecklichen Krieges gewesen. Die Geschichte war wie eine Feuerwalze über sie und ihre Familien hinweggerollt, aber heute wollte niemand mehr etwas von ihnen und ihrem Schicksal wissen. Schlimmstenfalls wurden sie als “Revanchisten” oder “Nazis” beschimpft, als “deutsche Täter”, die “keine Opfer” sein konnten und durften.
Ein Gedanke schoß mir durch den Kopf: In zehn bis zwanzig Jahren, dachte ich, werden all diese Menschen tot sein. Nun sind fast zwanzig Jahre vergangen, und wahrscheinlich sind all diese weiß- und grauhaarigen Menschen inzwischen tatsächlich tot.
Das Kriegsende lag 2005 sechzig Jahre zurück. Das entspricht aus heutiger Sicht dem Jahr 1965, das ich mit Beatles und James-Bond-Filmen assoziiere (Friedrich Merz war damals zehn Jahre alt). Wer damals in der rechten Szene aktiv war, hatte noch direkten Kontakt mit der Kriegsgeneration und ihren Erzählungen gehabt, und war zum Teil stark von diesen Beziehungen und Begegnungen geprägt worden.
Viele waren zornig, als sie herausfanden, wie stark entstellt und manipulativ volkspädagogisch die Geschichtsdarstellungen in unseren Schulbüchern waren, und sie waren empört, wie das Leiden des deutschen Volkes und der deutschen Opfer unterschlagen, heruntergespielt oder gar ideologisch und moralisch gerechtfertigt wurde.
Als Dokument aus dieser Zeit siehe etwa hier ein Video aus dem Jahr 2005 von einem Gedenkzug in historischen Kostümen durch Berlin, der von der JF beworben wurde und an dem Kositza-Kubitschek samt Kinderschar teilnahmen.
Das ist nun ebenso selbst zur Zeitgeschichte geworden wie die alljährliche Schlacht um das Gedenken von Dresden, an der 2010 Kositza, Kubitschek und ich auf verschiedene Weise teilgenommen hatten. Inzwischen könnte man so etwas wie eine Geschichte des konservativen Widerstands gegen das bundesdeutsche “Befreiungs”-Gedenken (und den “Schuldkult” im allgemeinen) schreiben.
Es gab kluge und tiefschürfende Betrachtungen über das Thema, die heute noch relevant und lesenswert sind. Dabei konnte man grob gesagt zwei Fraktionen unterscheiden: Eine, die dachte, man könne die in die Selbstzerstörung führenden geschichtspolitischen Dogmen mit historischen Fakten und Differenzierungen aus den Angeln heben (in diese Sparte gehörte am Rand auch die härter “geschichtsrevisionistische” Fraktion, die dachte, mit diversen chemischen Gutachten eine wahre Wunderwaffe in den Händen zu halten), und eine andere, die sich gleichsam “psychoanalytisch” einer Erforschung der “Seelengeschichte” der Deutschen widmete, in der Hoffnung, Heilung durch Bewußtmachung erwirken zu können.
In diese Richtung forschten auch verdienstvolle Autoren ohne politische Interessen, wie etwa Sabine Bode (Die vergessene Generation, Kriegsenkel) oder Svenja Goltermann (Die Gesellschaft der Überlebenden).
Zu ersteren Schule zählte als herausragender, damals sehr einflußreicher Vertreter Karlheinz Weißmann, etwa mit seinem unentbehrlichen Buch Die Besiegten. Andere wichtige Autoren waren Alfred de Zayas, beide Uhle-Wetters, Stefan Scheil, Gerd Schultze-Rhonhof, Franz W. Seidler, Hellmut Diwald, Werner Maser, Rolf-Josef Eibicht, Wolfgang Venohr oder Rudolf Czernin (sein Buch Das Ende der Tabus verkündete einen “Aufbruch in der Zeitgeschichte”, von dem sich bis heute nichts spüren läßt). Über all diesen thronte der große Ernst Nolte, der allerdings keine direkten politischen Interessen verfolgte.
Ein Autor, der virtuose Synthesen aus beiden Ansätzen, dem historischen und dem psychologischen, zu bilden vermochte, war Thorsten Hinz. Von ihm stammte eines der (auch stilistisch) besten Bücher zu diesem Thema, Die Psychologie der Niederlage, eine Studie “über die deutsche Mentalität” aus dem Jahr 2010, gefolgt von der monumentalen Untersuchung Der Weizsäcker-Komplex, untertitelt “eine politische Archäologie”.
Inbesondere Hinz und Weißmann haben intellektuelle Leistungen erbracht, denen die Anerkennung außerhalb unseres Spektrums so gut wie völlig versagt blieb. Gleichzeitig wurden mediokre Gestalten mit Rezensentenlob und Staatspreisen überhäuft, nicht weil sie Hinz und Weißmann überlegen oder auch nur ebenbürtig gewesen wären, sondern weil sie ein “von oben” erwünschtes Geschichtsbild und Staatsverständnis stützen und affirmierten.
Die Kritik an der “Vergangenheitsbewältigung”, wie sie Armin Mohler nannte, zog mich nicht nur deswegen in ihren Bann, weil ich in ihr den Meisterschlüssel zur Überwindung der deutschen Selbstschädigungspathologie erblickte, sondern auch, weil sie die besseren moralischen und faktischen Argumente auf ihrer Seite zu haben schien.
Sie war nicht nur politisch zweckmäßig, sie war auch zutreffend, wahr und vor allem gerecht. Ich führte einen gerechten Kampf. Ich wollte nicht so sehr Entlastung, als Gerechtigkeit für mein Land, mein Volk und seine Geschichte. Ich wollte ein Ende der politischen Ideen und Praktiken (und der unerträgliche Sprache), die dem Geschichtsbild der “Befreiung” entsprangen. Und damals glaubte ich noch leidenschaftlich an die Macht des Faktischen und des besseren Arguments, nicht nur in Bezug auf das schuldstolze Geschichtsbild, sondern auf die gesamte linke Ideologie und das ihr zu Grunde liegende Menschenbild.
Nun, da ich das Lebensstadium erreicht habe, in dem sich die Desillusionierung nach Beendigung der altersbedingten Anpassungskämpfe zu konsolidieren pflegt, habe ich begriffen, daß die besten Argumente nichts nützen, wenn der Wille fehlt, sie anzunehmen und die Macht, sie umzusetzen.
Und der Wille hat seine Wurzel meistens nicht im “Kopf”, also im rationalen Bereich der Seele. Ich habe die Entdeckung gemacht, daß viele Deutsche, insbesondere die Vertreter der politisch-medialen Klasse diese ewige Schuld wollen, daß sie aus ihr eine sinnstiftende, beinah religiöse Erzählung schöpfen, daß sie eine Bedingung ihrer Macht und (vermeintlichen) moralischen Autorität ist.
Aber ich merke auch, daß das bundesdeutsche Geschichtsgedenken unerbittlich den Weg allen Fleisches geht und mit jedem Jahrzehnt an Verve und Überzeugungskraft verliert, immer mehr zum Ritual erstarrt, dessen moralischer, politischer und emotionaler Sinn für immer mehr Menschen an Bedeutung verliert.
Einer der ersten Amtsakte des zwielichtigen neuen Kanzlers zweiter Wahl war der Vollzug des Schuldrituals. Das Bundeskanzleramt zwitscherte anläßlich eines Besuchs in Polen:
Die große Verantwortung, die aus unserer Schuld erwächst, bleibt. Wir nehmen sie an. Deutschland wird die Millionen Opfer der Besetzung Polens niemals vergessen.
Das ist angesichts der Stigmatisierung des ethnischen Volksbegriffes natürlich witzig, denn wessen Schuld ist denn “unsere” Schuld, die “wir” annehmen müssen? Logischerweise nur die Schuld jener, die von den Besiegten/Befreiten/Verbrechern von 1933–45 genetisch abstammen, und gewiß nicht von frischgebackenen Paßdeutschen “of color” wie z. B. Fräulein Ayesha Khan, die sich auf Twitter “Migrantifa” nennt, und darüber jubelt, daß ihr Heimatort Frankfurt “zum Glück bald ausgedeutscht” ist.
Am “Tag der Befreiung” gab das Bundeskanzleramt kund:
Die Befreiung Deutschlands und Europas von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft hat uns eine Zukunft gegeben. Der 8. Mai ist für uns ein Tag der Dankbarkeit. Dass wir in einem freien Land in Freundschaft mit unseren Nachbarn leben, ist ein Geschenk – und ein Auftrag.
Diese sklerotische Kriecherei vor den Nachfahren der längst verstorbenen Sieger des Krieges, die die Tragik Deutschlands im 20. Jahrhundert auf ein paar simple, salbungsvolle Schlagwörter reduziert, ist es, was “uns” die Zukunft nimmt und unfrei und politisch dumm macht.
Wir wissen das zur Genüge, und wir haben es oft analysiert. Es hat am Überbau der Bundesrepublik wenig verändert. Stärkere Wirkung hatten konkrete Erschütterungen, wie die “Flüchtlingskrise” und das Pandemie-Regime.
Heute erkennen wir, daß sich das Problem, brutal gesagt, vor allem biologisch erledigen wird. Es ist unmöglich, das Gedenken an ein historisches Ereignis jahrzehntelang mit der gleichen Intensität und emotionalen Identifikation aufrechtzuerhalten. Wird man noch 2035 im geistigen Büßerhemd auf dem Boden kriechen und sich bei aller Welt für den Nationalsozialismus entschuldigen? 2045, wenn ein vollles Jahrhundert vergangen sein wird? In welcher Welt werden wir dann leben?
Es ist denkbar, aber die Vorstellung erscheint mir trotzdem absurd und gespenstisch. Die entsprechenden Zeremonien wirken schon heute absurd und gespenstisch genug. Die Geschichte ist seit 1945 auch in Deutschland nicht stehengeblieben, auch wenn wir in einem Zeitalter leben, in dem die großen Spektakel und Wendepunkte spärlich gesät sind und nicht mehr die gleiche Dramatik besitzen wie in früheren Epochen (das wird wohl nicht für immer so bleiben; das “Ende der Geschichte” ist eine Illusion).
Achtzig Jahre sind eine verdammt lange Zeit. Irgendwann wird auch den russischen Siegesfeiern, die von Putin für tagesaktuelle Zwecke angeheizt und ideologisch aufgeladen werden, die Luft ausgehen. Irgendwann wird niemand mehr etwas mit den routiniert gekrümmten Rücken der deutschen Politikerkaste etwas anfangen, geschweige denn sie respektieren können. Der Spuk wird irgendwann vorbei sein, und etliche von uns werden es noch erleben.
Die Kriegsgeneration ist fast ausgestorben, und auch die Nachkriegsgenerationen (heute als “Boomer” etikettiert und abgetan), die an ihren Eltern und der “Re-Education” besonders hart zu kauen hatten, haben bereits ein hohes Alter erreicht.
Die “Zoomer”, die dem Vernehmen nach immer noch geschichtspolitisch hart gehirngewaschen werden, sollen sich nun für ihre Urgroßväter und Urgroßmütter und deren Taten schuldig und “verantwortlich” fühlen: Also auf keinen Fall an Selbstbehauptung denken, stattdessen sich ihrer Abstammung schämen (obwohl es doch laut Verfassungsschutz nur mehr gleichberechtigte Paßdeutsche geben darf) und emotional erpressbar bleiben.
Meine Urgroßväter kämpften für den österreichischen Kaiser im 1. Weltkrieg, einer davon in den Isonzoschlachten. Ich weiß nur wenig über sie, und von ihnen sind, wenn überhaupt, maximal zwei bis drei Fotographien überliefert. Was sollen Zoomer mit Urgroßvätern in Wehrmacht oder Waffen-SS anfangen, oder auch mit vergewaltigten und vertriebenen Urgroßmüttern, die sie nie gekannt haben?
Es wird also zu Ende gehen; es ist bereits jetzt nur mehr eine Farce und eine Fassade, so hohl und so flach wie das gesamte politische Establishment Deutschlands. Damit ist freilich nicht gesagt, daß nicht immer noch entlang des “Befreiungs”-Paradigmas gewertet, gefördert und entschieden wird.
Was soll man auch sonst als Maßstab nehmen? Für welche “Werte” steht Blackrock? Wofür ist man noch da, wenn das “deutsche Volk” kein Dasein und keine Interessen mehr haben soll? Für seine möglichst gründliche Abschaffung? Was wären denn all diese Leute ohne “Nazis”, vergangene und (angeblich) gegenwärtige?
Irgendeine moralische Rechtfertigung braucht jede Politik. Aber ihre sinnstiftenden Zeremonien in Deutschland werden immer routinierter, fadenscheiniger und müder. (Irre ich mich? Bin ich es, der müder und desinteressierter geworden ist?)
Unsere klugen Argumente, unsere profunden Analysen, unser historisches Wissen, unsere beharrlich aufrecht erhaltene Erinnerung, unser Protestaktivismus haben dazu wenig beigetragen. Eine natürliche Altersschwäche hat eingesetzt.
Aber ich denke dennoch, daß unsere Bemühungen nicht umsonst waren.
Wir haben einen Überlieferungschatz angehäuft, der seine Erben finden wird, darunter Menschen, die eben erst geboren wurden.
Maiordomus
Eines ist und bleibt sicher: wer die Geschichte nur aus Schulbüchern kenntn, selbst "gut gemeinten", bleibt historischer Analphabet mit bestenfalls rudimentärem Geschichtsbewusstsein. @Lichtmesz. Was Familiengeschichte betrifft, auch die Ihre, genügen zwei Fotos wie Sie wohl selber andeuten natürlich nicht. Man müsste in die Tiefe recherchieren. Ein Kollege von mir, auch schon über 80, fand ein Tagebuch seines Urgrossvaters aus Schweizer Kriegsdiensten für das Königreich Neapel gegen Garibaldi, vernahm dabei endlich was über die realen Hintergründe dieser Dienste und warum dieser Mann, später Polizeiwachrmeister im Kanton Schwyz, für diese Erfahrungen sehr dankbar war. Desgleichen sind schriftliche Überlieferungen aus der Familie einer aus Schlesien stammenden Schweizer Akademikerin, Vater bis 1933 Zentrums-Abgeordneter, betr. deutsch-polnische Spannungen 1921 von höchstem Wert. Die Dame hatte sogar über den Ausbruch des 2. Weltkrieges ihre eigene, durchaus konkrete Version, selber natürlich eine Vertriebene, streng katholisch, Vater Anti-Nazi, aber nun mal alles andere als ein Polen-Freund. Also alles komplexer als im Schulbuch politisch korrekt dargestellt!