Wir sind alle noch hier. Tagebuch – Mittwoch, 30. 10.

Vier Monate sind seit meinem letzten Tagebuch-Eintrag vergangen. Der Sommer ist vorbei, die dunkle, die Nacht-Zeit des Jahres hat begonnen, was eine deutliche Wirkung auf meinen Gemütszustand hat, manchmal drückend, manchmal "heiter und tief wie ein Nachmittag im Oktober" (Nietzsche). Jede Jahreszeit hat ihre Schönheit und Mystik, und deswegen bin ich froh, in Mitteleuropa zu leben, wo wir gleich vier davon unterscheiden können.

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

Am Ster­nen­him­mel kann man die­ser Tage den Jupi­ter sehr gut sehen, einen unend­lich weit ent­fern­ten Pla­ne­ten, der um die­se Jah­res­zeit ver­blüf­fend hell strahlt. Nicht weit davon kann man mit blo­ßem Auge den Andro­me­da­ne­bel erspä­hen, eine 2, 5 Mil­lio­nen Licht­jah­re ent­fern­te Galaxie.

Vor lan­ger Zeit habe ich mich in man­chen Som­mer­näch­ten im “Nor­deck” des Gar­tens, in dem ich mich gera­de auf­hal­te, in die Wie­se gelegt und lan­ge in den Ster­nen­him­mel geblickt. Dort, wo der Gro­ße Wagen um den Polar­stern rotiert, ver­such­te ich mich an einer Medi­ta­ti­on, die ich einem Buch ent­nom­men hat­te, das den Unter­ti­tel “Ein­füh­rung in die Eso­te­rik” trug. Sie beinhal­te­te den alten Mys­ti­ker­spruch “Abyssus invo­cat abyssum”, den der Autor ver­deutscht wie­der­gab als: “Die Tie­fe des eige­nen Grun­des ruft der Tie­fe des gött­li­chen Grun­des und Abgrundes.”

Die­se “Wort­fol­ge” sei “sel­ten wie eine ande­re geeig­net, von dem, der die Fähig­keit wah­rer Medi­ta­ti­on erwer­ben will, belebt zu wer­den”. Er emp­fahl die­se Bele­bung zu voll­zie­hen, “wenn der Abend- oder Nacht­him­mel wol­ken­los ist, vor des­sen Sternenfülle”.

Auch wenn ich nicht sehr weit kam in der Ent­wick­lung mei­ner medi­ta­ti­ven Fähig­kei­ten, ist die­ser fas­zi­nie­ren­de Spruch (er spielt eine zen­tra­le Rol­le in dem Roman Amour noir der 2022 ver­stor­be­nen Hof­burg-Spi­ri­tis­tin Lot­te Ingrisch) seit­her für mich für immer mit dem Anblick des Ster­nen­him­mels verknüpft.

Der Autor, von dem die Rede ist, ist Her­bert Frit­sche (1911–1960), das Buch heißt Der gro­ße Holun­der­baum (Sezes­si­on-Bei­trä­ger Jörg Sei­del erin­ner­te an ihn bereits 2020). Frit­sche schreibt dar­in: “Die groß­ar­tigs­te Offen­ba­rung von Licht- und Lie­bes­mo­ti­ven aber ist der Kos­mos selbst, wenn wir ihn von höchs­ter War­te her betrach­ten”, und “sobald wir unse­ren Blick auf den Ster­nen­him­mel rich­ten”, erle­ben wir “wie die Gewal­ten des Bösen und des Has­ses ver­schwin­den ange­sichts des licht­erfüll­ten Abgrunds der Weltwerdung.”

Imma­nu­el Kant fühl­te eine Ver­bin­dung zwi­schen dem “gestirn­ten Him­mel” über sich und dem “mora­li­schen Gesetz” in sich. Blai­se Pas­cal hin­ge­gen erschau­er­te ange­sichts des “ewi­gen Schwei­gens die­ser unend­li­chen Räume”.

Man kann alles immer auch anders sehen. Vor Jah­ren ging ich ein­mal an der Sei­te von Micha­el Klo­novs­ky und zwei, drei ande­ren Gesel­len nachts zu einer Her­ber­ge in einem Dorf irgend­wo in der dun­kel­deut­schen Pam­pa. Über uns wölb­te sich ein spek­ta­ku­lä­rer Ster­nen­him­mel, viel deut­li­cher sicht­bar als in der von künst­li­chem Licht umstrahl­ten Groß­stadt. Ich tat einen ver­zück­ten Aus­ruf: “Seht mal, wie schön man die Ster­ne heu­te sieht.” Dar­auf Klo­novs­ky in sei­ner übli­chen staub­tro­cke­nen Art: “Und sie bedeu­ten nichts.” Ich bin für die­se Art von maka­brem Humor emp­fäng­lich und muß­te laut auflachen.

Bedeu­ten sie wirk­lich nichts? Bedeu­tet irgend­et­was etwas? Oder sind nur wir selbst es, die Bedeu­tung in die Din­ge hin­ein­le­sen, wie in die Stern­bil­der am Him­mel, in denen man mytho­lo­gi­sche Tie­re und Gestal­ten erken­nen woll­te, und deren Umris­se man auch durch­aus völ­lig anders zeich­nen könnte?

Her­bert Frit­sche, gebo­ren im spä­ten Kai­ser­reich in Rixdorf/Neukölln, gestor­ben im Alter von nur 49 Jah­ren in der frü­hen Bun­des­re­pu­blik in Mün­chen, war Dich­ter, Wis­sen­schaft­ler und Eso­te­ri­ker zugleich.

Als sol­cher glaub­te er, in einem zwar geheim­nis­vol­len, tra­gi­schen, aber sinn­erfüll­ten, deut­ba­ren, “erschaf­fe­nen” Kos­mos zu leben, in dem sich Leben und Tod, Tag und Nacht im ewi­gen Zyklus die Hand rei­chen, die Din­ge über “Signa­tu­ren” zu uns spre­chen, in dem “alles Ver­gäng­li­che nur ein Gleich­nis” ist und das indi­vi­du­el­le, per­so­na­le Men­schen­le­ben ein Schick­sal hat, des­sen fer­nes End­ziel eine wah­re, “höhe­re” Mensch­wer­dung ist, für, durch, mit und manch­mal (schein­bar) auch gegen Gott.

Ein Buch von ihm hat den Titel Sinn und Geheim­nis des Jah­res­laufs, erschie­nen 1949, mit einem sehr schö­nen Ein­band und Zeich­nun­gen von Paul Kurt Bartzsch. Es dreht sich um die “eso­te­ri­sche” Bedeu­tung der Mona­te und Jah­res­zei­ten. Im Kapi­tel “Okto­ber” kann man Sät­ze wie die­se lesen:

Das Feu­er der Schöp­fung durch­blitzt unse­re Näch­te, wärmt unser Blut, kriecht in die Samen der Kräu­ter, hat den Wein des Okto­bers reif gemacht und lodert nun sogar durch das Ster­ben des Lau­bes: bun­ter als die Fel­der im Febru­ar, wenn Tau­wind den Schnee ver­trieb, bren­nen die Far­ben über den Laub­wald dahin, ehe der Sturm sie zu Boden weht. Auch die­se Todes-Feu­er sind Feu­er des Lebens…

Man­che Bücher und Autoren sind wie Stern­schnup­pen oder Kome­ten, ande­re wie Fix­ster­ne. Frit­sche ist ein Autor, den ich seit 1992 lese. Nicht am lau­fen­den Band, aber alle paar Jah­re kehrt er wie­der, viel­leicht, damit ich anhand der wie­der­hol­ten Lek­tü­re prü­fen kann, wie sehr ich mich ver­än­dert habe.

Ab und zu scheint er mir einen Gruß aus dem Jen­seits zu schi­cken. 2015 fiel mir in einem Wie­ner Anti­qua­ri­at ein aus den zwan­zi­ger Jah­ren des letz­ten Jahr­hun­derts stam­men­der Fak­si­mi­lie-Band über Frei­mau­rer­tum aus dem 18. Jahr­hun­dert in die Hän­de, in dem sich ein hand­schrift­li­cher Besit­zer­ver­merk fand: “Dr. Her­bert Frit­sche, Bad Pyr­mont”. Ich kauf­te das nicht gera­de bil­li­ge Buch, um in den Besitz die­ses Auto­gramms zu kommen.

Im August die­ses Jah­res hielt ich mich für ein paar Tage in Ber­lin auf. In der Nähe der Muse­ums­in­sel traf ich mich mit Marc Pom­me­re­ning, der mir stolz einen Floh­markt­fund zeig­te, den ihm eben der Büche­ren­gel “für’n Appel und ’n Ei” zuge­spielt hat­te: Der 1970 als Pri­vat­druck in einer Auf­la­ge von 1000 nume­rier­ten Exem­pla­ren erschie­ne­ne Band Brie­fe an Freun­de, zusam­men­ge­stellt von Frit­sches treu­em, gleich­alt­ri­gen Freund, dem Ver­le­ger Ernst Klett, der auch Adres­sat der meis­ten dar­in ent­hal­te­nen Brie­fe ist.

Zu den in die­sem Band ver­sam­mel­ten illus­tren Brief­part­nern Frit­sches zäh­len unter ande­rem Gus­tav Mey­rink, Gott­fried Benn, Ernst Jün­ger, Mar­tin Buber, Hans Blü­her, Ger­hard Nebel, Lud­wig Meid­ner und der sagen­um­wit­ter­te Graf Hans-Has­so Mar­tin von Veltheim-Ostrau. 

Die­se unvoll­stän­di­ge Lis­te kann die erstaun­li­che geis­ti­ge Spann­wei­te und Viel­falt von Frit­sches Freun­den und Kor­re­spon­den­ten nur andeuten.

Mit Benn hat­te er bereits als Gym­na­si­ast Bekannt­schaft gemacht. Frit­sche schick­te dem lite­ra­risch damals noch kei­nes­wegs kano­ni­schen Haut­arzt eine Kopie eines Schul­auf­sat­zes zu, den er zum Leid­we­sen sei­ner um bür­ger­li­chen Anstand besorg­ten Leh­rer über sei­nen Lieb­lings­dich­ter ver­faßt hat­te. Benn war davon der­art ein­ge­nom­men, daß er den jun­gen Mann zu sich auf einen Kaf­fee ein­lud. Die Freund­schaft der bei­den hielt bis zum Tod Ben­ns im Jahr 1956.

Aus einer ganz ande­ren Rich­tung als Benn kam Gus­tav Mey­rink (1868–1932). Die­ser war nicht nur Sati­ri­ker und Ver­fas­ser erfolg­rei­cher okkult inspi­rier­ter Roma­ne wie Der Golem (1915), Wal­pur­gis­nacht (1917) oder Der wei­ße Domi­ni­ka­ner (1921), son­dern auch prak­ti­zie­ren­der Yogi, der dem nach Klett “genia­li­schen Jüng­ling” Frit­sche brief­li­che Anlei­tun­gen für ers­te Schrit­te auf dem “meta­phy­si­schen” Weg des “Erwa­chens” schickte.

Mey­rink war es auch, der mich selbst auf die “eso­te­ri­sche” Spur führ­te (die ich aller­dings abge­se­hen von etwas Astro­lo­gie, Tarot und Geo­man­tie nie ernst­haft “prak­tisch” ver­folgt habe). Mit vier­zehn ver­schlang ich den Golem, im sel­ben Jahr, 1990, besuch­te ich das Grab des Rab­bi Löw auf dem alten jüdi­schen Fried­hof im frisch aus der kom­mu­nis­ti­schen Herr­schaft ent­las­se­nen Prag, einer Stadt, von der Frit­sche zeit­le­bens geträumt, die er aber nie per­sön­lich betre­ten hat.

Als Andenken nahm ich mir einen klei­nen Stein mit, der neben (nicht auf!) dem Grab­stein lag: Erst zuhau­se ent­deck­te ich, daß auf ihm auf einer Sei­te die Züge eines fins­ter bli­cken­den bär­ti­gen Man­nes zu erken­nen waren, auf der ande­ren ein “mon­go­li­sches” Gesicht, das dem Golem der berühm­ten, kon­ge­nia­len Illus­tra­tio­nen von Hugo Stei­ner-Prag ähnel­te. Ich schwö­re, daß das wahr ist.

1992 las ich Thor­wald Deth­lef­sens Schick­sal als Chan­ce, eine leicht ver­ständ­li­che, packend geschrie­be­ne Dar­stel­lung des eso­te­ri­schen-her­me­ti­schen Welt­bil­des. Die­se für mich schock­ar­ti­ge Lek­tü­re mün­de­te in Lite­ra­tur­emp­feh­lun­gen, an deren obers­ter Stel­le die Wer­ke Frit­sches und Mey­rinks genannt wur­den. Kurz dar­auf schaff­te ich mir den Gro­ßen Holun­der­baum an. Auch auf den Namen Hans Blü­her stieß ich zum ers­ten Mal bei Dethlefsen.

Im sel­ben Jahr besuch­te ich auf dem Fried­hof Père Lachai­se in Paris das monu­men­ta­le Grab­mal Samu­el Hah­ne­manns, inspi­riert von Deth­lef­sen und Frit­sche, die bei­de im Simi­le-Prin­zip der Homöo­pa­thie “das allein objek­tiv gil­ti­ge Gesetz der Heil­kun­de” (Hans Blü­her) gefun­den zu haben glaub­ten. Frit­sche, der sein Leben lang mit schwe­ren Krank­hei­ten zu kämp­fen hat­te, war auch ein Theo­re­ti­ker (und wenn man so will: Theo­lo­ge) der Hei­lung und des Heils, und damit auch des Sün­den­falls und der Erlö­sung, aller­dings auf dezi­diert ket­ze­ri­schen, unor­tho­do­xen, man könn­te sagen: gnos­ti­schen Pfaden.

Anfang 1993 schick­ten mich mei­ne Eltern auf­grund von hart­nä­cki­gen Depres­sio­nen zu einem Homöo­pa­then namens Dr. Sell­ner, einem ent­fern­ten Ver­wand­ten, der damals noch in Wien ordi­nier­te. Als ich den Namen Frit­sches fal­len ließ, wink­te der gute Dok­tor ab: die­ser Herr Frit­sche habe “der Homoöpa­thie gro­ßen Scha­den zuge­fügt.” Damit war ich augen­blick­lich ver­stimmt und gegen den Dok­tor ein­ge­nom­men, was mei­ner Hei­lung durch Glo­bu­li wahr­schein­lich nicht zuträg­lich war (was genau in sei­nen Augen Frit­sches Ver­ge­hen war, weiß ich bis heu­te nicht).

Ein ange­mes­se­nes Autoren­por­trait Her­bert Frit­sches wür­de den Rah­men die­ses Tage­buchs spren­gen, wes­halb ich es mir für einen spä­te­ren Ein­trag auf­he­be. Ich habe ihn und sein Werk letz­te Woche, am 19. Okto­ber, in das Zen­trum des zwei­ten Abends “Mar­tin Licht­mesz prä­sen­tiert” mit anschlie­ßen­der Musik­be­schal­lung von “DJ Nacht­mesz” gestellt.

Den Bericht über die ers­te Ver­an­stal­tung die­ser Art am 24. Febru­ar die­ses Jah­res gibt es wei­ter unten in die­sem Tage­buch zu lesen. Das “Haus zur letz­ten Latern’ ” wan­der­te dies­mal von Thü­rin­gen in eine alte Müh­le in der Lüne­bur­ger Hei­de, auch dies­mal an einem dun­kel rau­schen­den Wald­rand gele­gen. Kür­bis­kopf­geis­ter und Ker­zen leuch­te­ten den “weit­ver­wan­der­ten Geschöp­fen der Mit­ter­näch­te”, die in die­ser “spä­ten Hei­mat­schen­ke” (um aus einem Gedicht Frit­sches zu zitie­ren) ein­ge­kehrt waren, in der war­me Kür­bis­sup­pe und reich­lich Trank aller Art ser­viert wurde.

Das letz­te Mal hat­te ich einen magi­schen Künst­ler vor­ge­stellt, den Fil­me­ma­cher Ken­neth Anger (1927–2023), dies­mal war ein magi­scher Schrift­stel­ler an der Rei­he, mit beson­de­rem Augen­merk auf den Dich­ter Her­bert Fritsche.

Für das Erin­ne­rungs-Pla­kat, das alle Besu­cher geschenkt beka­men, die es haben woll­ten, habe ich als Motiv eine Zeich­nung von John Uhl gewählt, eines eben­falls in Rixdorf/Neukölln gebo­re­nen Schul­freun­des und Weg­ge­fähr­ten Frit­sches, das letz­te­ren zeigt, wie er um 1930 in der Ber­li­ner Bohè­me, bei den “kes­sen Lite­ra­ten, hin­ter­grün­di­gen Mor­phi­nis­ten, Dun­kel- und Hell­män­nern, Inter­pre­ten eines hei­ßen Nihi­lis­mus” berühmt-berüch­tigt war: Mit einem lan­gen schwar­zen Man­tel, einem breit­krem­pi­gen Hut und einem Geh­stock, bei­na­he ein “Gruf­ti” avant la lettre.

Über sei­ne frü­hen Gedich­te schrieb John Uhl (in dem Band Die Vagan­ten, 1967):

Die Mehr­zahl der Gedich­te ist in der Däm­me­rung, im Zwie­licht und in der Nacht ent­stan­den, wo die All­tags­kon­tu­ren schwin­den und die Heer­schar dämo­ni­scher Gewal­ten und Gestal­ten erwacht. Die hier ver­ein­zelt auf­tau­chen­den beängs­ti­gen­den Gespens­ter, Nacht­ge­sich­te und selt­sa­men Wesen sind nicht Rudi­men­te abge­leb­ter Mensch­heits­epo­chen oder phan­tas­ti­sche Hirn­ge­spins­te eines ver­stie­ge­nen Welt­fremd­lings, son­dern Wesen von greif­ba­rer Rea­li­tät und bren­nen­der Aktua­li­tät, Gezie­fer eines gefähr­li­chen Welt­al­ters, des­sen vor­der­grün­di­ges, optisch sicht­ba­res Haupt­kenn­zei­chen welt­wei­te Herr­schaft poli­ti­scher und tech­ni­scher Dämo­nen ist.

Für den lyri­schen Teil des Vor­trags­abends kam mir Ger­hard Hall­statt von Aller­see­len zu Hil­fe. Ich gab ihm zwei Gedich­te zu lesen, die, wie ich fin­de, gut zu ihm paß­ten: Die Hym­ne “Alfred Kubin” aus dem Gedicht­band Durch heim­li­che Türen (1932) und das Gedicht “Intro­itus”, abge­druckt im Anhang zum Holun­der­baum. Das Gedicht “Advents­be­kennt­nis”, in dem Stim­men ver­schie­de­ner, nach Erlö­sung suchen­der Reli­gio­nen zum Erklin­gen kom­men, lasen wir gemein­sam, mit abwech­seln­den Strophen.

Es war ein Glücks­fall, daß Ger­hard dabei war. Ins­be­son­de­re dem “Intro­itus” wuß­te er gera­de­zu unheim­li­ches Leben ein­zu­hau­chen. Dar­in spricht ein dem Schei­ter­hau­fen ent­kom­me­ner Katha­rer (man lese nach bei Otto Rahn) einen Fluch auf die “klu­ge Klerisei”:

Die Brü­der, deren Aschenrest
Noch heut den Hang des Montségur
Ver­färbt, sind mir ins Herz gepresst
Als Eid auf Gott: Wer kann dafür,

Wenn ihn der Geist der Frei­heit weiht,
Der Ket­zer­geist, der Geist des GRAL?

Am Schluß der Lesung ließ ich Frit­sche sel­ber spre­chen, gleich­sam “nekro­man­tisch” über eine Ton­auf­nah­me, ein­ge­spro­chen 1959, in sei­nem letz­ten Lebens­jahr. Das Gedicht, publi­ziert in dem Band Zeit der Lilie (1947), ist eine “Grab­in­schrift”, die Ver­fas­ser für sich selbst geschrie­ben hat. Dar­in ver­gleicht er sich mit einer Fle­der­maus, die dazu ver­dammt ist, für immer im Zwie­licht zu flat­tern, an der Gren­ze zwi­schen Tag und Nacht, Dies­seits und Jen­seits, sich seh­nend nach den Ster­nen, die aber uner­reich­bar in wei­ter Fer­ne bleiben:

Er woll­te leben aus dem Vollen.
Das hät­te er nicht wol­len sollen:
Zum Dienst am Geist war er verflucht.
Und den­noch hat er es – versucht.

Dem Ver­neh­men nach ist es gelun­gen, daß sich auch dies­mal eine “magi­sche” Stim­mung ein­ge­stellt hat, und wenn eini­ge Zuhö­rer nun zu Frit­sche und Mey­rink grei­fen soll­ten, wäre mei­ne Mis­si­on erfüllt. Danach begann wie gehabt der “dio­ny­si­sche” Teil des Abends.

Zum Schluß noch ein paar Zei­len aus dem Gedicht “Okto­ber­trost”:

Wenn das Leben sich zur Nei­ge wendet,
Wenn vor­bei ist, was der Mai verhieß,
Wenn wir wis­sen, daß es bald nun endet,
Fra­gen wir ins Nichts: War’s alles, dies?

Sich auf sol­che Fra­gen vorbereiten
Lehrt uns der Okto­ber Jahr um Jahr:
Wäh­rend Wär­me, Licht und Laub entgleiten,
Fragt das Herz, ob wirk­lich Som­mer war?

Längst schon sind die Vögel auf der Reise,
Längst schon weht der Nebel nachts durchs Tal,
Längst schon flüs­tert durch die Stun­den leise
Herbst­lich herb das Wort: Es war einmal…

Aber wäh­rend wir uns heimbegeben,
In den gro­ßen Tod, dem nichts entrinnt,
Sehn wir Ster­ne durch den Abend schweben,
Fun­keln­der denn je.…

.…
Ster­ne stei­gen aus der Finsternis,

Ster­ne über­schim­mern, süd­lich große,
Alles Eis der win­ter­wei­ßen Nacht,
Bis aus ihrem lei­chen­kal­ten Schoße
Keimt, was neu den Früh­ling macht.

Sämt­li­che Wer­ke von Her­bert Frit­sche (in 17 Bän­den!) kann man auf Ama­zon oder hier bestellen.

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Mitt­woch, 26. Juni

Wäh­rend man­che mei­ner Zeit­ge­nos­sen unter „Gen­der-Dys­pho­rie“ lei­den, so habe ich mir selbst die Dia­gno­se „Kul­tur-Dys­pho­rie“ gestellt –  also eine Unver­ein­bar­keit zwi­schen mei­ner inner­see­li­schen Vor­stel­lung von Kul­tur und Zivi­li­sa­ti­on und dem dys­to­pi­schen Clown­welt­alptraum um mich her­um, in dem ich lei­der und mit wach­sen­der Ent­frem­dung leben muß (nicht, daß ich mich jemals beson­ders “kon­gru­ent” oder “inte­griert” gefühlt hätte).Ich bin also eine Art Trans-Kul­tu­rel­ler. Inso­fern mag es ein Leich­tes sein, die fol­gen­den Beob­ach­tun­gen mei­nem frei­wil­lig-unfrei­wil­lig selbst-abge­häng­ten und krank­haft über­emp­find­li­chen Cha­rak­ter zuzuschreiben.

Ein wesent­li­cher Teil mei­nes kul­tur­dys­pho­ri­schen Lei­dens (der Begriff kommt aus dem Grie­chi­schen δύσφορος = schwer zu tra­gen­des Leid) nährt sich vom täg­li­chen Anblick der Smart­phoni­sie­rung der mensch­li­chen Spe­zi­es,  ein erschre­cken­der Pro­zeß anthro­po­lo­gi­scher Ver­krüp­pe­lung und Dege­ne­ra­ti­on, der Tag für Tag uner­bitt­lich und ohne jeg­li­chen Gegen­wind voranschreitet.

Dar­über woll­te ich schon seit über einem Jahr (genau­er gesagt, seit dem Tod Ted Kac­zynskis) einen län­ge­ren Arti­kel schrei­ben, aber ich schie­be ihn stän­dig hin­aus, aus purer, fei­ger Schmerzvermeidung.

Beson­ders beun­ru­hi­gend fin­de ich den Gleich­schal­tungs­ef­fekt die­ser neu­en uni­ver­sel­len Grund­aus­stat­tung, die so unent­behr­lich und selbst­ver­ständ­lich gewor­den ist wie Schu­he, Hem­den oder Hosen.

Buch­stäb­lich jeder Mensch, dem man auf der Stra­ße begeg­net, führt sicht­bar ein Smart­phone (oder ipho­ne, ist ja g’hupft wie g’sprungen) mit sich, meis­tens in die Hand­flä­che geklebt, ent­we­der in Bereit­schafts­hal­tung oder in Akti­on, indem er tele­fo­niert, mit einem trance­ar­ti­gen Blick auf den Bild­schirm starrt oder über des­sen Ober­flä­che mit den Fin­gern tip­pelt oder wischt, ohne Pau­se, beim Ste­hen, Gehen und Sit­zen, beim Kin­der­wa­gen­füh­ren und Gas­si­ge­hen mit dem Hund, beim Jog­gen, Rad­fah­ren, Ein­kau­fen, Essen oder Kuscheln mit der bes­se­ren Hälfte.

Erspäht man end­lich ein­mal jeman­den “ohne”, kann man sich in der Regel das Auf­at­men spa­ren, denn man muß nur ein paar Sekun­den war­ten, bis sei­ne oder ihre Fin­ger wie von selbst, bei­na­he unbe­wußt, in die Hosen- oder Hand­ta­sche wan­dern und das klei­ne teuf­li­sche Ding her­vor­grif­feln oder mit ihm unent­schlos­sen Raus-Rein spie­len. Bei ande­ren wie­der­um ver­rät ein wei­ßer Stöp­sel im Ohr, daß das Gehirn gera­de elek­tro­nisch geflu­tet wird.

Das sind für mich noch die erträg­lichs­ten Exem­pla­re. Schlim­mer emp­fin­de ich die­je­ni­gen, die mich in der voll­ge­stopf­ten U‑Bahn umzin­geln und dabei stän­dig wischen, tip­pen, scrol­len, glot­zen, labern oder zischen­de und kräch­zen­de Sound­bytes abspie­len. Soweit es mich betrifft, könn­ten sie genau so gut unge­niert vor sich hinona­nie­ren, so pein­lich ist es mir. Um die Wahr­heit zu sagen, wäre es mir fast schon lie­ber, wenn sie statt­des­sen ona­nie­ren würden.

Der Ein­druck, der sich mir auf­drängt, ist der­je­ni­ge einer pawlow’schen Kon­di­tio­nie­rung und sozia­len Dres­sur, zu der auch ein ziem­lich mani­fes­tes Sucht­ver­hal­ten gehört. Man kann es deut­lich sehen in den dopa­min­trun­ke­nen, tran­qui­li­sier­ten Gesich­tern (“wie Hin­du­kü­he”, heißt es in Fight Club) und den ner­vö­sen her­um­hu­schen­den, her­um­tas­ten­den Hän­den und Fin­gern, die fast schon eigen­stän­dig agie­ren und das Gerät wie von selbst zücken, weg­ste­cken, wie­der zücken, drauf gucken, wie­der weg­ste­cken, oder sonst­wie befin­gern, befum­meln und bewischen.

Das sind gar klar gehack­te oder zumin­dest hack­ba­re Gehir­ne, Men­schen, die süch­tig und damit schwach und abhän­gig, steu­er- und kon­trol­lier­bar gewor­den sind.

Des wei­te­ren frap­piert die all­um­fas­sen­de “Mas­sen­de­mo­kra­tie” des Smart­phone-Besit­zes, da an die­sem Ver­hal­ten lücken­los alle, wirk­lich alle teil­ha­ben und mit­ma­chen, egal wel­chen Geschlechts, wel­cher Ras­se, wel­cher Alters­klas­se, wel­cher sozia­ler Schicht, wel­cher Reli­gi­on und wel­chem Volk sie ange­hö­ren. Die­se tota­le Teil­nah­me und Ein­fü­gung erin­nert mich ein wenig an die Mas­ken­ge­sich­ter wäh­rend der “Pan­de­mie”, deren Anblick gewiß ungleich bedrü­cken­der war, die aber, so emp­fin­de ich es, eine ähn­li­che Schwä­che, Gleich­schal­tung und Kon­for­mi­tät signalisierten.

Beson­ders beklem­mend fin­de ich es, wenn schon klei­ne Kin­der auf die­sen Din­gern kle­ben wie Rosen­kä­fer auf Flie­der­blü­ten. Manch­mal sieht man auch Erwach­se­ne, die Säug­lin­gen und Klein­kin­dern im Kin­der­wa­gen ein Smart­phone in die Hand drü­cken, um sie ruhig zu stel­len und zu beschäf­ti­gen. Ande­re wie­der­um gehen mit “gutem” Bei­spiel vor­an, indem sie sich durch ihre Social Media wischen, statt den Kin­dern Auf­merk­sam­keit zu schenken.

Für mich ist das alles noch eine dys­to­pi­sche, sur­rea­le “Neue Nor­ma­li­tät”, nun aber wach­sen vor mei­nen Augen Gene­ra­tio­nen her­an, für die es selbst­ver­ständ­lich ist, daß man an jedem Ort und zu jeder Zeit und Gele­gen­heit mit dem Inter­net ver­bun­den ist, daß man den Mini­com­pu­ter immer mit sich trägt, als wäre er ein Kör­per­teil, daß man kein Gespräch füh­ren kann, ohne etwas zu gugeln oder dem ande­ren etwas vor­zu­spie­len oder auf dem Dis­play zu “zei­gen”.

Frei nach Eric Blair: Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wol­len, so stel­len Sie sich ein Smart­phone vor, das einem unauf­hör­lich vor’s Gesicht gehal­ten wird. Ich ver­su­che mich inner­lich durch eine Art mor­ti­fi­ca­tio men­tis mit dem Gedan­ken abzu­fin­den, daß das nun für den Rest mei­nes Lebens so blei­ben (oder sogar schlim­mer kom­men) wird.

Nicht sel­ten (soll man mich halt gei­ßeln für mei­ne Mis­an­thro­pie und Men­schen­ver­ach­tung) sieht man golem­ar­ti­ge, vom Demi­ur­gen ver­pfusch­te Gestal­ten, an denen das Smar­tes­te die klei­ne, kom­ple­xe und doch so ein­fach zu bedie­nen­de Wun­der­ma­schi­ne ist.

Vor ein paar Tagen sah ich eine Grup­pe von Men­schen mit Down-Syn­drom auf einem Bahn­steig, alle­samt den Blick mit offe­nem Mund auf den schwar­zen Spie­gel in ihrer Hand­flä­che gerich­tet (nicht anders als jeder ande­re, der dort stand oder saß). Ich sage ehr­lich, daß ich bei die­sem Anblick erschrak. Es wirk­te wie eine Sze­ne aus einem Film von David Lynch oder Wer­ner Her­zog (oder Tod Brow­ning, falls den noch jemand kennt).

Wie gesagt: Man muß nicht auf mich hören oder mich ernst­neh­men, da ich ja bloß ein neu­ro­ti­scher Son­der­ling und Abseits­ste­her bin, dem es schwer­fällt, sich ins Unver­meid­li­che und Unauf­heb­ba­re zu fügen und “mit der Zeit zu gehen”.

In der Wie­ner Innen­stadt sah ich zwei Smart­phone­zom­bies (wie ich sie lie­be­voll nen­ne; sie sind in der Regel das ers­te, was ich auf der Stra­ße vor mei­nem Haus­ein­gang vor­bei­schlür­fen sehe, wenn ich mei­ne Woh­nung ver­las­se) aus ent­ge­gen­ge­setz­ten Rich­tun­gen auf­ein­an­der zuschrei­ten: Ein täto­wier­ter, stop­pel­bär­ti­ger Kurz­haa­ri­ger mit einem Plat­ten­co­ver von May­hem (die berüch­tig­te Debüt-EP „Death Crush“ von 1987) als T‑Shirt-Motiv, ein ande­rer, Typ Bobo-Hips­ter mit halb­lan­gen blon­den Haa­ren, mit einem Ed-Sheeran-Shirt (Sheeran ist soet­was wie der Elvis der algo­rith­men-opti­mier­ten NPC-Musik für Fit­ness­stu­di­os, Fahr­stüh­le und Bürodrohnen).

Bei­de, etwa gleich­alt (um die drei­ßig), hat­ten, wie heu­te üblich, den rech­ten Arm recht­win­ke­lig abge­bo­gen, und hiel­ten den Kopf gesenkt, den Blick auf den Bild­schirm im Hand­tel­ler fixiert. Bei­de hat­ten Stöp­sel im Ohr, der eine hör­te viel­leicht „Chain­saw Guts­fuck“ (Zugrif­fe auf You­tube: 3,2 Mill­lio­nen) der ande­re viel­leicht „Shape of You“ (Zugrif­fe auf You­tube: 6 Mil­li­ar­den, 282 Mil­lio­nen, 389,597). Ihre Kör­per­hal­tung und ihr Gesichts­aus­druck waren iden­tisch, gleich­sam syn­chro­ni­siert. Sie waren habi­tu­el­le Zwil­lin­ge, trotz ihres extrem kon­trä­ren Musik­ge­schmacks. Ohne auf­zu­bli­cken und den ande­ren zu beach­ten, gin­gen sie anein­an­der vorbei.

Die bei­den spuk­ten in mei­nem Kopf her­um, als mich die Redak­ti­on des Maga­zins frei­lich bat, für die nächs­te Aus­ga­be einen Text über den aktu­el­len Stand der Pop­kul­tur zu schreiben.

Ich sag­te zu, obwohl ich zu die­sem Bereich seit der Jahr­tau­send­wen­de nicht mehr viel Füh­lung habe. Ich ken­ne zwar Namen wie Brit­ney Spears, Jus­tin Tim­ber­bie­ber, Miley Cyrus, Bey­on­cé, Emi­nem, Lana del Rey, Rihan­na, Lady Gaga, Tay­lor Swift (letz­te­re haupt­säch­lich durch trol­li­ge Alt­right-Memes aus der Trump-Blü­te­zeit, die ihr Zita­te von A. Hit­ler in den Mund leg­ten, des wei­te­ren über die Ver­schwö­rungs­theo­rie, sie sei ein Klon von Zee­na Schreck-LaVey von Radio Werewolf).

Gleich­zei­tig habe ich, mit Aus­nah­me von Emi­nem, der noch aus den neun­zi­ger Jah­ren stammt, kein ein­zi­ges Lied der Genann­ten im Ohr. Kein einziges.

Na gut, das war jetzt ein biß­chen Ange­be­rei. Ich ken­ne zumin­dest “Wre­cking Ball”, aber auch nur des­we­gen, weil Death in Rome es “iro­nisch” geco­vert haben.

Ich habe mir auch ein paar Nicki-Mina­j‑, Miley-Cyrus‑, Tay­lor-Swift- und Céli­ne-Dion-Vide­os ange­se­hen, aus Stu­di­en­zwe­cken, ob die tat­säch­lich vol­ler okkul­ter MK-Ultra-Gedan­ken­kon­trol­le-Sym­bo­le sind, wie man­che Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker behaup­ten. Die Vide­os fand ich alle­samt gräß­lich, die Lie­der eben­falls, und kein ein­zi­ges hat sich in mich eingewurmt.

Abge­se­hen von mei­nem sub­jek­ti­ven, per­sön­li­chen, mino­ri­tä­ren Geschmack (trotz des bizar­ren, gigan­tes­ken Hyper-Hypes fin­de ich, daß Tay­lor Swift Bon­nie Tyler oder der ungleich see­len­vol­le­ren Kim Wil­de nicht das Was­ser rei­chen kann, sogar Jen­ni­fer Rush war viel bes­ser, erst recht natür­lich Madon­na in ihren bes­ten Jah­ren), ist es unbe­streit­bar, daß die Pop­kul­tur etwa seit Beginn die­ses Jahr­hun­derts ihre frü­he­re Kraft als Zeit­si­gna­tur und die Mas­sen ver­bin­den­des Kol­lek­tiv­erleb­nis ver­lo­ren hat. Wahr­schein­lich waren die neun­zi­ger Jah­re das letz­te Jahr­zehnt, das einen spe­zi­fi­schen audio­vi­su­el­len Zeit­stil (oder Clus­ter von Sti­len) her­vor­ge­bracht hat.

Heu­te herrscht eine Art „post­mo­der­nes“, zeit- und ort­lo­ses Hyper- und Meta-Epi­go­nen­tum vor, in dem alles und jedes aus dem gro­ßen Pool der Ver­gan­gen­heit immer wie­der neu kom­bi­niert, vari­iert, re-mixed, mas­hed-up, gesam­pelt und recy­celt wird (was auch im Kino­an­ge­bot zu beob­ach­ten ist, in dem Sequels, Fran­chi­ses und Remakes einen brei­ten, wenn nicht domi­nan­ten Raum ein­neh­men). Any­thing goes, und was dabei her­aus­kommt, kann gewiß auch gut, gele­gent­lich her­vor­ra­gend sein.

In den acht­zi­ger und neun­zi­ger Jah­ren, die ich als Kind und Jugend­li­cher mit­er­lebt habe, war es prak­tisch unmög­lich, den ange­sag­ten Plat­ten, Kino­fil­men und Fern­seh­se­ri­en zu ent­kom­men, wie sie im Rund­funk und den Medi­en gespielt und bewor­ben wur­den. Mir ist es nicht gelun­gen, obwohl ich schon früh in die sub­kul­tu­rel­len Kel­ler und Sei­ten­stra­ßen abge­taucht bin. Jeder kann­te die Hit­pa­ra­den-Hits, jeder erin­ner­te sich dar­an, ob frei­wil­lig oder unfrei­wil­lig, ob Fan oder Has­ser. Alle schau­ten die­sel­ben Seri­en, und wer das nicht konn­te, war im Kin­der­gar­ten und der Schu­le sozi­al stark benachteiligt.

Daß man heu­te (immer­hin, und glück­li­cher­wei­se) Jah­re ver­brin­gen kann, ohne sich ein ein­zi­ges Lied von Ed Sheeran oder Tay­lor Swift anhö­ren zu müs­sen, hat mit der durch das Inter­net ver­än­der­ten Art des Medi­en­kon­sums zu tun.

Man betrach­te etwa die off­zi­el­len Zah­len der Recor­ding Indus­try Asso­cia­ti­on of Ame­ri­ca (RIAA) für das Jahr 2023: Der Groß­teil der Ein­künf­te im Musik­ge­schäft (Jah­res­um­satz 17,1 Mil­li­ar­den Dol­lar) läuft über Strea­ming (84%), gefolgt von phy­si­schen Medi­en (11%), Down­loads (2%) und Sync-Lizen­zen (Ver­wen­dung in visu­el­len Medi­en, 2%).

“Phy­si­sche Medi­en” sind CDs und Vinyl-LPs (zum Teil auch wie­der Musik­kas­set­ten), wobei letz­te­re die ers­te­ren im Ver­kauf über­holt haben und eine Art Lieb­ha­ber-Renais­sance erfah­ren (das führt dazu, daß man, wie neu­lich mir pas­siert ist, heut­zu­ta­ge beim Libro unver­se­hens auf eine fun­kel­na­gel­neue Lieb­ha­ber­pres­sung des Debüt­al­bums von Vel­vet Under­ground inklu­si­ve abschäl­ba­rer War­hol-Bana­nen­scha­le sto­ßen kann).

Da Unter­hal­tungs­me­di­en heu­te vor allem via Inter­net kon­su­miert wer­den, kann sich jeder­mann sei­ne eige­ne, indi­vi­du­el­le Bespa­ßungs­bla­se ein­rich­ten, in der ihm die Algo­rith­men gleich unsicht­ba­ren Dschin­nen die pas­sen­de Kost aus einem inzwi­schen unüber­schau­bar rie­si­gen Oze­an aus digi­ta­len Ange­bo­ten und Über-Ange­bo­ten fischen und auf­ti­schen, und das oft in rascher Rei­hen­fol­ge und „quer durch den Gemü­se­gar­ten“, der frei­lich das Aus­maß und die Arten­viel­falt eines süd­ame­ri­ka­ni­schen Regen­wal­des hat.

Mit ein paar Klicks kann man in jedes nur erdenk­li­che Gen­re und Gesamt­werk, in jede belie­bi­ge Epo­che abtau­chen und die Zeit­ge­nos­sen igno­rie­ren, so lan­ge man möch­te (eti­am omnes, ego non).  Ich mache das auch so, nur eben per Lap­top und mit selbst­er­stel­len Win­dows-Media-Play­er-Play­lis­ten und ähn­li­chen Old-School-Tech­ni­ken (ich habe auch einen Plat­ten- und einen Kas­set­ten­spie­ler, die ich recht häu­fig benutze).

Das sind mei­ne “kul­tur­anglei­chen­den Maß­nah­men”, um mein Lei­den dar­an, in der fal­schen Kul­tur gebo­ren zu sein, per Ein­ige­lung und Flucht aus der (die­ser) Zeit in die schö­nen Din­ge ver­gan­ge­ner Zei­ten etwas zu mildern.

Auch die­se künst­li­chen Para­die­se sind schon klick‑, bild­schirm- und dopa­min­stoß-inten­siv genug. Ich stel­le mich jetzt also nicht hin wie ein Pha­ri­sä­er, weil ich berufs­tech­nisch das Glück habe, an mei­nem Dumbpho­ne fest­hal­ten zu kön­nen. Auch ohne Smart­phone-Upgrade schwim­me ich in der­sel­ben Sup­pe wie wir alle, und ver­su­che dabei zumin­dest, nicht ganz gar­ge­kocht zu werden.

Bei mei­ner Recher­che stieß ich auf einen 2019 erschie­ne­nen Arti­kel des Musik­jour­na­lis­ten Simon Rey­nolds (Jahr­gang 1963), der vor der Auf­ga­be kapi­tu­lie­ren muß­te, einen Deka­den­rück­blick auf die Pop­kul­tur der 2010er Jah­re zu schrei­ben. Er bringt es per­fekt auf den Punkt, was gesche­hen ist:

Der Grund, war­um es sich so anfühlt, als sei in den 2010er Jah­ren nichts pas­siert, ist, daß zu viel pas­siert ist. Jeder kul­tu­rel­le Mei­len­stein wur­de sofort durch den Ansturm des nächs­ten und des über­nächs­ten weg­ge­fegt. Die­ser Effekt der Erin­ne­rungs­er­o­si­on ist einer der Grün­de, war­um wir den Ein­druck haben, daß uns das  Zeit­ge­fühl abhan­den gekom­men ist.

Die­ser Pro­zeß hat­te bereits im ers­ten Jahr­zehnt des 21. Jahr­hun­derts begon­nen, als File­sha­ring und You­Tube ein rie­si­ges, unge­ord­ne­tes, frei zugäng­li­ches Archiv ver­gan­ge­ner Pop­kul­tur schu­fen, das sich mit aktu­el­len Ver­öf­fent­li­chun­gen ver­misch­te, was einen Effekt der Zeit­lo­sig­keit erzeugte.

Die­se schwin­del­erre­gen­de Macht des tota­len und sofor­ti­gen Abrufs hat sich in den 2010er Jah­ren dank Strea­ming-Diens­ten wie Spo­ti­fy, Net­flix und Ama­zon noch ver­stärkt. Die­se gigan­ti­schen Platt­for­men haben nicht ein­fach den Platz der alten Mono­kul­tur der Mas­sen­me­di­en ein­ge­nom­men, son­dern haben den merk­wür­di­gen Effekt, daß sie gleich­zei­tig ver­ein­heit­li­chen und zer­split­tern. (Her­vor­he­bung von mir. – ML).

Anstatt die Ver­brau­cher dazu ein­zu­la­den, sich zu einem bestimm­ten Zeit­punkt auf ein gemein­sa­mes kul­tu­rel­les Erleb­nis ein­zu­stim­men, för­dern sie indi­vi­du­el­le Wege durch eine Fül­le von Kunst- und Unterhaltungsangeboten.

Strea­ming ist wie Radio ohne oder nur gerin­ge öffent­li­che Dimen­si­on. Gele­gent­lich fällt unse­re Strea­ming-Aus­wahl mit jener einer gro­ßen Anzahl ande­rer Men­schen zusam­men – das schwin­den­de Fla­ckern der Mono­kul­tur zieht uns alle vor­über­ge­hend an den­sel­ben Ort. Aber meis­tens sind unse­re Rei­sen durch die Klang­bi­blio­the­ken ein­sam und asozial.

Das ist die Ant­wort: Was man heu­te als „Pop­kul­tur“ iden­ti­fi­zie­ren könn­te, ist aus­ufernd und frag­men­tiert zugleich, mäan­dernd, ver­schwom­men und zu einem gro­ßen Teil los­ge­löst von Raum und Zeit.  Der „Main­stream“  ist in zahl­lo­se Nischen zer­fal­len, ist sel­ber nur mehr eine Nische unter Nischen, auch wenn sich dar­in ein Mil­lio­nen­pu­bli­kum tum­melt, unbe­merkt von Mil­lio­nen ande­ren Men­schen, die in ande­ren Nischen ver­sun­ken sind.

Blie­be noch zu klä­ren, ob sich das „Mono­kul­tu­rel­le“, des­sen Auf­lö­sung Rey­nolds kon­sta­tiert, nicht auf ande­re Ebe­nen ver­scho­ben hat. Die habi­tu­el­le Ähn­lich­keit zwi­schen dem May­hem- und dem Ed-Sheeran-Fan, die ich beschrie­ben habe, mag dafür als Sym­bol die­nen. Was ich da sah, war wohl die “Ein­heit in der Zer­split­te­rung” oder die gegen­stre­bi­ge Fügung der Heraklit.

In Wahr­heit ist Plu­ra­li­tät in unse­rer Gesell­schaft nur in unver­fäng­li­chen, pri­va­ten Berei­chen “erlaubt”. Ted Kac­zyn­ski beschrieb es bereits in den neun­zi­ger Jah­ren: “Dem Sys­tem ist es egal, wel­che Art von Musik jemand hört, wie er sich klei­det oder wel­che Reli­gi­on er hat”, solan­ge er sich wider­stands­los ins Getrie­be einfügt.

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Mitt­woch, 10. April

Im Tages­spie­gel vom 5. 4. erschien ein Schmier­stück (“hit pie­ce”, wie man auf Eng­lisch sagt) wider die “Juden in der AfD”, ins­be­son­de­re den Genos­sen Artur Abra­mo­vych, der auch Lesern die­ser Netz­sei­te bekannt sein dürfte.

Im Okto­ber letz­ten Jah­res haben wir Tei­le eines Brief­wech­sels (Teil eins, zwei, drei) zwi­schen ihm und mir zum The­ma Israel/Zionismus ver­öf­fent­licht (einen vier­ten Teil habe ich einst­wei­len in der Schub­la­de lie­gen lassen).

Dar­aus desti­liert der Autor des Stücks (Bezahl­schran­ke, aber Sie müs­sen es nicht lesen, mein Kom­men­tar genügt), ein gewis­ser Ruben Ger­c­zi­kow (Jahr­gang 1997), folgendes:

Er [Abra­mo­vych] hat für die Zeit­schrift „Sezes­si­on“ geschrie­ben, die zum vom Ver­fas­sungs­schutz als „gesi­chert rechts­extrem“ ein­ge­stuf­ten „Insti­tut für Staats­po­li­tik“ des neu­rech­ten Vor­den­kers Götz Kubit­schek gehört.

Was genau er da eigent­lich geschrie­ben hat und in wel­chem Rah­men es geschah, ver­schweigt Gerzci­kow (ach, wie bequem doch der nun offi­zi­ell zur Ver­fü­gung gestell­te Stem­pel des Ver­fas­sungs­schut­zes ist! Man könn­te fast mei­nen, daß er extra zu die­sem Zweck erfun­den wurde.)

Wir erfah­ren nicht, daß es sich ledig­lich um einen Gast­bei­trag auf der Netz­sei­te (nicht im Druck­ma­ga­zin) han­del­te, daß die­ser die Form eines Streit­ge­sprächs mit Yours Tru­ly hat­te, und daß Abra­mo­vych und ich ein­an­der dabei ziem­lich scharf in die Man­gel genom­men haben. Wir erfah­ren nicht ein­mal, um wel­ches The­ma es über­haupt ging.

Die­ses sys­te­ma­ti­sche Aus­wei­chen vor kon­kre­ten Inhal­ten und Argu­men­ten hat (alt­be­kann­te, alt­be­währ­te) Metho­de. Gerzci­kow spult zwar ab, wer wann mit wem, aber “was” und “war­um” scheint ihn nicht zu inter­es­sie­ren. Obwohl er genau das irre­füh­ren­der­wei­se im Unter­ti­tel ankün­digt: “War­um ein jüdi­scher Netz­wer­ker sein Heil in der AfD sucht”. Was für eine sub­ti­le, hin­ter­grün­di­ge For­mu­lie­rung: Sein “Heil”! Hm, hm.

Inhalt­li­ches Inter­es­se soll­te man eigent­lich, wenn man immer noch so naiv ist wie ich, von einem Schrei­ber­ling erwar­ten, der laut Wiki­pip­pi zu span­nen­den The­men wie ” Rechts­extre­mis­mus, Isla­mis­mus, Anti­se­mi­tis­mus und Ver­schwö­rungs­ideo­lo­gien” publiziert.

Oder auch nicht, denn offen­bar haben wir es hier mit einem der übli­chen Denun­zi­an­ten und Akti­vis­ten auf Anti­fa-Niveau zu tun, die 200% auf der “rich­ti­gen” Sei­te sur­fen und bewähr­te, kar­rie­re­för­dern­de Maschen stricken.

Abra­mo­vych ist zwar der Haupt­schur­ke des Stücks, er taucht aber ledig­lich in Gestalt eines gesichts­lo­sen, phan­tom­haf­ten Dou­bles auf. Was wir über ihn erfah­ren, ist Klatsch etwa auf die­sem Level:

Ein Jugend­freund von ihm erzählt davon, dass er Abra­mo­vych zu sei­nen Uni­ver­si­täts­zei­ten in Frei­burg stu­di­en­be­dingt sich sehr stark für Phi­lo­so­phie inter­es­siert haben soll, aber auch „einen star­ken Bezug zum Natio­na­lis­mus“ gehabt haben soll. Vor allem das Kai­ser­reich habe es ihm ange­tan. Fer­ner soll er fas­zi­niert gewe­sen sein von den Grä­bern für die jüdi­schen Sol­da­ten aus dem Ers­ten Welt­krieg auf dem Sol­da­ten­fried­hof in Emmerndingen.

Huch!

Zusätz­lich erfah­ren wir, daß Abra­mo­vych “Sym­pa­thie­be­kun­dun­gen für den ehe­ma­li­gen SPD-Poli­ti­ker Thi­lo Sar­ra­zin geäu­ßert haben” soll, “der wegen sei­nen Aus­sa­gen zur Ein­wan­de­rungs­po­li­tik in die Kri­tik gera­ten ist”. (Kraß! Kan­tig! Rechtsextrem!)

Was wir, wie gesagt, nicht erfah­ren, ist, was er nun eigent­lich wirk­lich sel­ber denkt und wofür er kon­kret steht und ein­tritt und war­um. Das ein­zi­ge “Ver­bre­chen”, das er nach die­sem Bericht began­gen hat, ist Netz­wer­ke­rei inner­halb der AfD und gleich­ge­sinn­ter Juden, also im Grun­de eine ganz nor­ma­le Akti­vi­tät von Men­schen, die sich poli­tisch enga­gie­ren. Nach Ansicht von Fae­ser, Hal­den­wang & Co (sie­he hier und hier) frei­lich soll nun auch das schon kri­mi­na­li­siert wer­den, wenn es “von rechts” geschieht, weil es angeb­lich “die öffent­li­che Ord­nung” gefährdet.

War­um AfD-Netz­wer­ke­rei so böse ist, glaubt Gerzci­kow nicht wei­ter begrün­den zu müs­sen, weil die AfD aus sei­ner Sicht per se selbst­er­klä­rend böse ist und er das auch sei­nem Publi­kum nicht wei­ter erklä­ren muß. In der AfD sei­en eben die (wie auch immer defi­nier­ten) “Nazi­ver­harm­lo­ser” unter­wegs, wofür als Beleg etwa Gau­lands “Vogelschiß”-Zitat dient (das ich sel­ber für einen Fehl­griff hal­te; denn ein Zeit­raum von zwölf oder zwölf­hun­dert Jah­ren soll­te auch und vor allem qua­li­ta­tiv bemes­sen werden.)

Kein Wort etwa über Abra­mo­vychs lesens­wer­tes Buch Ent­ar­te­te Esprit­ju­den und heroi­sche Zio­nis­ten, eine lite­ra­tur­wis­sen­schaft­li­che Stu­die über Tho­mas Mann, Theo­dor Les­sing und den Kom­plex des “jüdi­schen Selbst­has­ses” (den ich per­sön­lich aus­ge­spro­chen unter­halt­sam fin­de). Kein Wort über sei­ne Über­set­zung des Romans Ita­mar K. von Iddo Net­an­ya­hu, kaum ein Zitat aus einem Arti­kel oder einer Rede von ihm, mit einer Aus­nah­me zu Beginn:

Die Teil­neh­mer der aktu­ell über­all im Land statt­fin­den­den Demons­tra­tio­nen gegen Rechts, behaup­tet er, woll­ten die „ein­zi­ge Oppo­si­ti­ons­par­tei“ ver­bie­ten las­sen und damit „de fac­to die Demo­kra­tie abschaf­fen“ – genau so, wie es auch die „Natio­nal­so­zia­lis­ten taten”.

Dies rubri­ziert Gerzci­kow unter “Rela­ti­vie­rung des Natio­nal­so­zia­lis­mus” (was offen­bar nicht der Fall ist, wenn mal wie­der irgend­je­mand aus der Regie­rung oder aus den Main­stream­m­e­di­en die AfD mit der NSPDAP “ver­gleicht”).

Eine wei­te­re vage inhalt­li­che Infor­ma­ti­on, die er anzu­bie­ten hat, ist, daß der anvi­sier­te Schur­ke bei der AfD Bochum zum The­ma „Auf­stieg des Isla­mis­mus und impor­tier­ter Anti­se­mi­tis­mus in Deutsch­land“ gespro­chen hat.

Nun: Man soll­te anneh­men, daß es doch für einen Juden in Deutsch­land hoch­in­ter­es­sant wäre, zu hören, was ein ande­rer Jude in Deutsch­land zu die­sem The­ma zu sagen hat, und mög­li­cher­wei­se, ich gestat­te mir den absei­ti­gen Gedan­ken, fin­det sich gera­de hier ein Schlüs­sel, war­um man­che Juden in Deutsch­land mit dem Main­stream jüdi­scher insti­tu­tio­nel­ler Reprä­sen­ta­ti­on unzu­frie­den sind und für die AfD optieren.

Für eine inhalt­li­che Aus­ein­an­der­set­zung ist sich Gerzci­kow jedoch offen­bar zu fein, nicht aber dafür, Ver­leum­dun­gen vom Hören­sa­gen aus der unters­ten Schub­la­de her­vor­zu­kra­men, wenn er etwa behaup­tet, Mit­glie­der der Deutsch-Israe­li­schen Gesell­schaft (DIG), bei der auch Abra­mo­vych Mit­glied ist, haben behaup­tet, letz­te­rer habe als Reak­ti­on auf Kri­tik an “extrem rech­ten Posi­tio­nen” “mit Gewalt gedroht”.

Was die Behaup­tung angeht, “eine Anfra­ge zu den Vor­wür­fen blieb vom JAfD-Vor­sit­zen­den unbe­ant­wor­tet”, so ist dies, nach per­sön­li­cher Aus­kunft von Abra­mo­vych, eine schlich­te Lüge. Dem­nach fand kein direk­ter Kon­takt­auf­nah­me­ver­such sei­tens Gerzci­kows statt (übri­gens “Poli­ti­cal Acti­vist of the Year” der Jah­re 2020 und 2021 der World Uni­on of Jewish Stu­dents). Abra­mo­vych hät­te gute Grün­de, recht­li­che Schrit­te einzuleiten.

Was mich inter­es­sie­ren wür­de, ist, ob wirk­lich stimmt, was die in dem Arti­kel zitier­te Psy­cho­lo­gin Mari­na Cher­ni­vs­ky, Lei­te­rin eines “Kom­pe­tenz­zen­trums” für “anti­se­mi­tis­mus­kri­ti­sche Bil­dung und For­schung”, behaup­tet, näm­lich, daß die “Mehr­heit der jüdi­schen Com­mu­ni­ty” die AfD als “abso­lu­te Bedro­hung” ein­stuft, und aus wel­chen Grün­den. Ratio­na­le Grün­de kann ich dafür jeden­falls nicht erkennen.

Wie den Lesern die­ses Blogs bekannt, habe ich etli­che Kri­tik­punk­te an dem Unter­neh­men JAfD (eine aktu­el­le eige­ne Netz­sei­te gibt es momen­tan offen­bar nicht).

Man kann gewiß kei­nem Juden zum Vor­wurf machen, daß er sich dem Staat oder zumin­dest dem Pro­jekt Isra­el ver­bun­den fühlt, und es über­rascht auch nicht, daß rechts­ge­rich­te­te oder kon­ser­va­ti­ve Juden, die Sym­pa­thien für die AfD haben, häu­fig Likud-affin sind. Aber weil die AfD nun ein­mal eine Par­tei für Deutsch­land und nicht für Isra­el sein soll, hal­te ich es ver­fehlt, ihr zio­nis­ti­sche Par­tei­nah­men unter­ju­beln zu wol­len, ein Ver­such, der inner­halb der Par­tei und ihres Umfelds zu unpro­duk­ti­ven Span­nun­gen und Spal­tun­gen führt.

Immer­hin ent­neh­me ich dem Arti­kel Gerzci­kows, was Jahr und Tag mei­ne Rede war und ist: Daß rechts­par­tei­ische Vor­stö­ße aller Art, sich an Isra­el ran­zu­hän­gen, auf kei­ne oder nur mar­gi­na­le Gegen­lie­be sto­ßen und dazu ver­dammt sind, illu­so­ri­sches Spar­ten­pro­gramm zu blei­ben (in ande­ren Län­dern, wie Ungarn, wo die domi­nan­te Rechs­par­tei die Regie­rung und nicht die Oppo­si­ti­on stellt, mag das anders sein.) Ich wür­de nicht emp­feh­len, die­sem Irr­licht zu folgen.

Eben­so hal­te ich das Hei­schen nach “Koscher­stem­peln” (wie Gerzci­kow for­mu­liert) aller Art für unwür­dig, weil man sich damit nur zum Spiel­ball von poli­ti­schen Mani­pu­la­tio­nen machen läßt. Die­se Nei­gung gibt es prak­tisch über­all, nicht nur in der AfD, da Koscher­stem­pel gewis­se Vor­tei­le brin­gen (aber eben auch ihren Preis haben). Es gibt aber kei­ne ver­bind­li­che Zen­tra­le, die ent­schei­det, wel­cher denn nun der “legi­ti­me” Koscher­stem­pel ist, und wer das Recht hat, ihn zu ver­ge­ben. Man kann ihn sich also bei ver­schie­de­nen, kon­kur­rie­ren­den jüdi­schen Frak­tio­nen holen. Ob er dann auch wirk­lich wei­ter­hilft, steht auf einem ande­ren Blatt.

Ich habe frei­lich aber nichts dage­gen, wenn sich Juden (und auch “Migra­ti­ons­hin­ter­gründ­ler”) aus ehr­li­cher Über­zeu­gung für die AfD engagieren.

Jeden­falls mag die Num­mer aus dem Tages­spie­gel als Beleg dafür die­nen, daß man auch als Jude unter Juden nicht sicher vor per­sön­li­cher Dif­fa­mie­rung und Brand­mar­kung ist, wenn man “häre­ti­sche” Posi­tio­nen vertritt.

Wie ich bereits sag­te, kommt Abra­mo­vych selbst in dem Arti­kel im Grun­de gar nicht vor, son­dern nur ein abs­trak­ter, pas­send zurecht­ge­schnit­te­ner Buh­mann, der zufäl­lig den­sel­ben Namen trägt. So läuft es immer, und eben­so kur­sie­ren im Netz ent­spre­chen­de Dop­pel­gän­ger von Sell­ner, Kubit­schek, Höcke oder auch mei­ner Wenig­keit. Weil sie zu fei­ge sind, sich uns auf argu­men­ta­ti­ver Ebe­ne zu stel­len, müs­sen sie uns per­sön­lich angrei­fen und unse­re Argu­men­te entstellen.

Trotz unse­rer Dif­fe­ren­zen ver­ste­he ich mich mit Abra­mo­vych per­sön­lich recht gut. Er ist ein klas­sisch mer­ku­ria­ler Cha­rak­ter (mit dio­ny­si­schem Ein­schlag), der alles und jeden kennt, und auf alles und jeden neu­gie­rig ist. Er ist außer­dem ein amü­san­ter und aus­dau­ern­der Trink­part­ner (weit­aus aus­dau­ern­der und hart­ge­sot­te­ner als ich), und wenn sich mal wie­der eine ent­spre­chen­de Gele­gen­heit ergibt, mei­den wir halt die “Reiz­the­men” und reden statt­des­sen über Kubrick- und Woo­dy-Allen-Fil­me. Daß er irgend­je­man­dem “Gewalt andro­hen” wür­de oder könn­te, ist eine völ­lig lächer­li­che Vorstellung.

Viel­leicht soll­te Gerzci­kow, der etwa gleich alt ist wie Abra­mo­vych, mal ein Bier mit ihm trin­ken gehen, aber das wür­de wohl sei­ner künf­ti­gen Kar­rie­re als ZdJ-Appa­rat­schik scha­den. Ent­spre­chen­de Ambi­tio­nen läßt er jeden­falls deut­lich heraushängen.

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Mitt­woch, 28. Februar

Nach einer lan­gen Zug­fahrt mit mehr­ma­li­gem Umstei­gen war ich dem klei­nen Ort am Ran­de des Thü­rin­ger Wal­des ange­kom­men, an dem die Ver­an­stal­tung statt­fin­den soll­te. Rot­mi­la­ne kreis­ten lang­sam und laut­los über die noch blät­ter­lo­sen Baum­wip­fel. Schnee­glöck­chen und Kro­kus­se kün­dig­ten den Früh­ling an.

Was sich mir dar­bot, hät­te genau­so gut ein Dorf im tiefs­ten Rumä­ni­en, etwa in Sie­ben­bür­gen, sein kön­nen. Das ver­fal­le­ne Bahn­hofs­ge­bäu­de war geschlos­sen und erin­ner­te mich an das Spuk­haus in Murnaus Nos­fe­ra­tu (in Wahr­heit die alten Salz­spei­cher von Lübeck).

Nun fehl­te nur noch die Kut­sche mit den ver­hüll­ten Pfer­den und dem kobold­ar­ti­gen Len­ker, um mich mit über­sinn­li­cher Geschwin­dig­keit an mein Ziel zu brin­gen. Statt­des­sen kam ein Auto, um mich abzu­ho­len. Der Fah­rer war ein jun­ger Mann mit lan­gen, locki­gen Haa­ren und einem zier­li­chen Bärt­chen. Optisch hät­te er gut in eine Prog- oder Psy­che­de­lic-Rock-Band der sieb­zi­ger Jah­re pas­sen können.

Er war Mit­glied eines Künst­ler­kol­lek­tivs aus Musi­kern, Malern, Gra­phi­kern, Dich­tern und Cine­as­ten, das mich ein­ge­la­den hat­te, einen Vor­trag zu einem The­ma mei­ner Wahl zu halten.

Ich schlug vor, einen Film­re­gis­seur vor­zu­stel­len, der seit nun fast 30 Jah­ren eine andau­ern­de Fas­zi­na­ti­on auf mich aus­übt und mein Leben maß­geb­lich beein­flußt hat: Ken­neth Anger, der im Mai letz­ten Jah­res im hohen Alter von 96 Jah­ren gestor­ben ist, gefolgt von einer Vor­füh­rung eines oder meh­re­rer sei­ner Filme.

Der Ver­an­stal­tungs­ort war etwa zehn Minu­ten Auto­fahrt vom Bahn­hof ent­fernt. Was sich mir dar­bot, war ein Stück unwahr­schein­li­ches Gehei­mes Deutsch­land am Wal­des­rand, das bei­na­he sur­rea­le Qua­li­tä­ten hatte.

Von außen war es ein mehr­stö­cki­ges, unge­fähr fünf­zehn Meter hohes Eisen­be­ton­ge­bäu­de aus der Zeit vor dem ers­ten Welt­krieg, das frü­her zu land­wirt­schaft­li­chen Zwe­cken, etwa als Korn­kam­mer, genutzt wor­den war. In DDR-Zei­ten dien­te es eine zeit­lang als eine Art “Jugend­treff”. Optisch beson­ders schön und auf­fäl­lig war ein ehe­ma­li­ger Was­ser­turm, der mit dem Haupt­ge­bäu­de ver­bun­den war.

Wenn man es von außen sah, war man kaum vor­be­rei­tet auf den Anblick, der sich im Inne­ren bot. Die Stock­wer­ke erreich­te man zu Fuß durch eine Wen­del­trep­pe. Dort befan­den sich Lager­räu­me, Gäs­te­zim­mer, Bade­zim­mer, Ate­liers für die Künst­ler, ein klei­nes Ton­stu­dio, eine Biblio­thek, eine Küche, eine reich­lich bestück­te Bar, sowie ein gro­ßer Raum, der für Vor­trä­ge, Kon­zer­te und Par­tys ein­ge­rich­tet war.

Die Mit­glie­der des Kol­lek­tivs hat­ten sich hier mit stu­pen­dem Auf­wand einen Traum von einem Refu­gi­um ins Anders­wo und Anders­wie erfüllt. Da es sich bei ihnen um eine Art Geheim­bund han­delt, in den nicht jeder hin­ein­kommt, wer­de ich nicht mehr über sie erzäh­len. Jeden­falls habe ich sel­ten eine sol­che Ansamm­lung an eigen­wil­li­gen Cha­rak­te­ren gesehen.

Mit ihrer Erlaub­nis erwäh­ne ich nur eine feline, rus­si­sche Sän­ge­rin und Bal­let­tän­ze­rin, die sich “Grisch­kin” nann­te. In ihrem Zim­mer im obers­ten Stock­werk beher­berg­te sie eine Gar­de­ro­be aus extra­va­gan­ten Kos­tü­men, die sie zum Teil von ihrer Groß­mutter aus St. Peters­burg geerbt hatte.

Ich erblick­te eine Leo­par­den­fell­ja­cke, die mich an Rai­ner Wer­ner Fass­bin­ders Out­fit in dem Film Kami­ka­ze 1989 erin­ner­te. Aus Spaß pro­bier­te ich sie an, und muß­te fest­stel­len, daß sie mir wie ange­gos­sen paß­te. Grisch­kin beschloß spon­tan, sie mir zum Geschenk zu machen; sie selbst zie­he sie kaum an, da sie dar­in wie eine “pro­sti­tutka” aussehe.

Der Leo­pard ist ein tra­di­tio­nel­ler Beglei­ter des Dio­ny­sos, und so ergrif­fen in die­ser Voll­mond­nacht mit dem mys­ti­schen Datum 24. 2. 2024 ent­spre­chen­de Ener­gien von mir Besitz.

Auch über die Gäs­te gelob­te ich zu schwei­gen. Sie waren hand­ver­le­sen und kamen aus ganz Deutsch­land ange­reist, unter ihnen so man­cher Star­gast “unse­res” Spek­trums. Die Frau­en­quo­te war für eine Ver­an­stal­tung die­ser Art erstaun­lich hoch. Etli­che hat­ten, eben­so wie ich, Wur­zeln in der “schwar­zen Sze­ne” und im Neofolk.

Beson­ders bewe­gend war für mich das Wie­der­tref­fen mit einem musi­ka­lisch akti­ven Paar, das ich zuletzt im Win­ter 2005 in einer ver­schnei­ten Berg­hüt­te, eben­falls im Thü­rin­ger Wald, getrof­fen hat­te. Sie zeig­ten mir auf einem Smart­phone Fotos, die ich noch nie zuvor gese­hen hatte.

Damals hat­te ich in einer klei­nen Run­de von Neo­folk-Enthu­si­as­ten bei Ker­zen­licht ein paar Tex­te vor­ge­tra­gen, die ich zusam­men­ge­stellt hat­te: unter ande­rem von Höl­der­lin, Heid­eg­ger, Rein­hold Schnei­der, Ste­fan Geor­ge, Tho­mas Tra­her­ne und Gott­fried Benn.

Per Foto­ko­pie­rer hat­te ich dar­aus ein klei­nes Heft her­ge­stellt, von dem jeder Anwe­sen­de ein Exem­plar bekam. Die­ses Heft war die Keim­zel­le (oder Ur-Ur-Ver­si­on) mei­nes Buches Kann nur ein Gott uns ret­ten?, das neun Jah­re spä­ter erschei­nen sollte.

Über Ken­neth Anger und sein schil­lern­des, extra­va­gan­tes Leben wer­de ich eines Tages noch einen eige­nen Arti­kel schrei­ben müs­sen. Er war ein soge­nann­ter “Avant­gar­de”-, “Expe­ri­men­tal”- oder “Underground”-Filmer, Eti­ket­ten, die er selbst abge­lehnt hat (eben­so wie die Kate­go­rie “gay”, in die er heu­te wegen sei­ner Homo­se­xua­li­tät ein­sor­tiert wird). Er arbei­te­te als Außen­sei­ter kom­plett abseits der gro­ßen Film­in­dus­trie, der er mit einer Art Haß­li­e­be gegen­über stand.

Sei­ne Fil­me, deren längs­ter nur etwa vier­zig Minu­ten dau­ert, sind kom­ple­xe visu­el­le Poe­me ohne Dia­lo­ge und mit nur rudi­men­tä­rer Hand­lung, Neo-Stumm­fil­me mit Musik, die von Rhyth­mus und Far­be leben, die in ers­ter Linie sinn­li­che, nicht intel­lek­tu­el­le Erleb­nis­se sind. Sie sind hoch­ar­ti­fi­zi­el­le, deka­den­te “Blu­men des Bösen”, die Anger zu einem Hel­den all jener gemacht haben, die einen eher düs­te­ren und absei­ti­gen Geschmack pflegen.

Ich habe sei­nen “Magick Lan­tern Cycle”, einen Zyklus aus neun Fil­men, enstan­den zwi­schen 1947 und 1980, zum ers­ten Mal auf VHS-Kas­set­ten im Alter von acht­zehn Jah­ren gese­hen und war voll­kom­men weg­ge­bla­sen: Nicht nur ihre Ästhe­tik und The­ma­tik zogen mich in ihren Bann, son­dern auch ihre ima­gi­na­ti­ve, phan­ta­sie­vol­le Machart.

Bis auf eine Aus­nah­me sind sie alle­samt auf 16mm-Film gedreht, mit sehr gerin­gen bis gar nicht vor­han­de­nen Bud­gets. Die Dar­stel­ler sind stets Lai­en, Freun­de Angers oder Men­schen, die er auf­grund ihrer see­li­schen Aus­strah­lung, kör­per­li­chen Erschei­nung und Phy­sio­gno­mie besetz­te. Das wirk­te trü­ge­risch ein­fach und weck­te in mir den Wunsch, selbst Fil­me zu machen. Ich begann, mit Freun­den aus der “schwar­zen Sze­ne” heu­te eher pein­li­che Kurz­film­chen auf Hi-8-Video zu dre­hen, die Angers Stil zu imi­tie­ren ver­such­ten (so habe ich eine Art Gruf­ti-Remake von Puce Moment gedreht).

Ich hat­te zu die­ser Zeit einen gro­ßen Hun­ger nach spi­ri­tu­el­len, meta­phy­si­schen Din­gen, ein schwär­me­ri­sches Inter­es­se an Reli­gi­on, Okkul­tis­mus und Eso­te­rik, las Jung und Elia­de, Gus­tav Mey­rink und sei­nen heu­te ver­ges­se­nen Schü­ler Her­bert Frit­sche, Hes­ses Demi­an, Wal­ter Schub­arts Reli­gi­on und Eros, Rudolf Ottos Das Hei­li­ge, die herr­lich obsku­ren Aor­ta-Trak­ta­te von “Kad­mon” Ger­hard Hall­statt, Wil­liam Bla­ke und den Nietz­sche der “Dio­ny­sos-Dithryam­ben”. So war es kein Wun­der, daß ich zum fana­ti­schen Fan von ein­schlä­gig ori­en­tier­ten Bands wie Cur­rent 93, Death in June oder Coil wurde.

Ich möch­te beto­nen, daß ich dabei zu kei­nem Zeit­punkt “anti­christ­lich” oder gar “sata­nis­tisch” ein­ge­stellt war, ganz im Gegen­teil. Es war eine Art per­sön­li­cher, eigen­wil­li­ger Syn­kre­tis­mus, der sich in mir zusam­men­ge­braut hat­te. Ich fühl­te mich als das, was Colin Wil­son einen “Fähr­ten­su­cher Got­tes” nann­te, und es waren vor allem die Spu­ren der Schön­heit und des Geheim­nis­ses, “eksta­ti­sche Wahr­hei­ten”, nach denen ich suchte.

Angers Werk paß­te per­fekt zu die­sen Nei­gun­gen und Pas­sio­nen. Sei­ne spi­ri­tu­el­le Leit­fi­gur war der skan­dal­um­wit­ter­te Magi­er und Liber­tin Aleis­ter Crow­ley, er selbst beken­nen­der “Thel­emit”. Vor allem sei­ne Fil­me Inau­gu­ra­ti­on of the Plea­su­re Dome, Invo­ca­ti­on of my Demon Brot­her und Luci­fer Rising sind stark von der “Crow­leyani­ty” beein­flußt, die mich selbst nie beson­ders ange­zo­gen (eher abge­stos­sen) hat, und die ich (größ­ten­teils) für Hum­bug hal­te. Im Fal­le Angers hat sie immer­hin bemer­kens­wer­te Kunst­wer­ke inspiriert.

Am 30. und 31. Mai 1995 sah ich sämt­li­che Fil­me von Anger im Wie­ner Stadt­ki­no als Film­pro­jek­tio­nen auf der Lein­wand – also so, wie sie opti­ma­ler­wei­se gese­hen wer­den soll­ten. Der opti­sche Ein­druck war über­wäl­ti­gend, berauschend.

Anger selbst war an bei­den Aben­den anwe­send und stell­te sich Fra­gen aus dem Publi­kum. Ich hat­te einen wüs­ten, schwu­len, sado­ma­so­chis­ti­schen Sata­nis­ten in schwar­zer Leder­ja­cke erwar­tet, und war etwas scho­ckiert, statt­des­sen einen freund­li­chen Opa im Schlab­ber­woll­pul­li mit Pla­ne­ten-Moti­ven zu erle­ben (der Wolf im Schafspelz?).

Nach einer der bei­den Vor­stel­lun­gen wag­te ich mich an ihn her­an, und bat ihn, den Kata­log einer Aus­stel­lung zu signie­ren, die par­al­lel zu den Film­vor­füh­run­gen in Wien zu sehen war. Naiv, wie ich war, woll­te ich ihn fra­gen, ob er sich als “reli­giö­ser” Fil­me­ma­cher sehe, was ich für eine sehr schlaue und bedeu­tungs­vol­le Fra­ge hielt, brach­te es aber aus Schüch­tern­heit nicht über mich.

Der Film, den ich im Refu­gi­um im Thü­rin­ger Wald einem Publi­kum von etwa drei­ßig Leu­ten vor­führ­te, war Angers Opus magnum Luci­fer Rising, des­sen Ver­wirk­li­chung ein­ein­halb Jahr­zehn­te in Anspruch nahm (von 1966 bis 1980) und das den Fil­me­ma­cher mehr oder weni­ger aus­ge­laugt zurück­ließ. In den fol­gen­den vier­ein­halb Jahr­zehn­ten sei­nes Lebens soll­te er kein bedeu­ten­des Werk mehr schaf­fen. Ab und zu brach­te er belang­lo­se Kurz- und Kür­zest­fil­me (auf Video) her­aus, die nichts mehr von sei­nem frü­he­ren Genie erah­nen ließen.

Der “Luci­fer” des Films, der sich als neo-heid­ni­sche Visi­on ver­steht, ist im Sin­ne der Crow­ley-Leh­re nicht der Teu­fel der Chris­ten­tums, son­dern eine Art Licht- und Son­nen­gott eines kom­men­den “Äons”, das das “judäo­christ­li­che” Zeit­al­ter ablö­sen soll (ähn­lich dem “Age of Aqua­ri­us” der Hip­pies). Er wird im Film gleich­ge­setzt mit Horus, dem Sohn von Isis und Osi­ris, die als Per­so­ni­fi­ka­tio­nen von Leben und Tod auftauchen.

Der Groß­teil des Films wur­de in Ägyp­ten, in Gizeh, Luxor und Kar­nak gedreht, ande­re, unver­geß­li­che Sze­nen in Stone­henge und bei den Extern­stei­nen im Teu­to­bur­ger Wald. Mari­an­ne Faithfull, die zeit­wei­li­ge Gelieb­te Mick Jag­gers, taucht in einer Dop­pel­rol­le als Lilith, die “ers­te Frau Adams”, und als teil­wei­se etwas ver­stör­te wir­ken­de Initia­tin eines magi­schen Kults auf.

Vul­ka­ne, Lava­mas­sen, Wald­brän­de, Stür­me, Mee­res­wel­len, wil­de Tie­re wie Kro­ko­di­le, Ele­fan­ten, Schlan­gen und Tiger evo­zie­ren die Urkräf­te des Lebens. Magi­er in bun­ten Klei­dern beschwö­ren kos­mi­sche Energien.

Luzi­fer erscheint mit brau­nen Locken im Habi­tus eines jugend­li­chen Rock­stars, am Ende des Films tau­chen sogar oran­ge­ne UFOs als Boten des “neu­en Zeit­al­ters” auf (Sera­phim Rose und der Tra­di­tio­na­list Charles Upt­on deu­te­ten UFOs als “Dämo­nen” bzw. Dschin­nen).

Dies alles unter­legt mit der phan­tas­ti­schen, hyp­no­tisch-psy­che­de­li­schen Musik von Bob­by Beausoleil.

Wie es der Zufall will, starb kurz zuvor, am 19. Febru­ar, der Ägyp­to­lo­ge Jan Ass­mann im Alter von 85 Jah­ren. Sei­ne Gegen­über­stel­lung von jüdisch-christ­lich-isla­mi­schem Mono­the­is­mus und heid­ni­schem “Kos­mo­the­is­mus” bie­tet mei­ner Ansicht nach einen her­vor­ra­gen­den Schlüs­sel zu Angers Film, den ich als in die­sem Sin­ne “kos­mo­the­is­tisch” (und nicht als “sata­nis­tisch”) klas­si­fi­zie­ren wür­de (er hat jeden­falls gewiß mehr mit Lud­wig Kla­ges als mit Anton LaVey zu tun).

Im Tanach, der hebräi­schen Bibel, sind die Ägyp­ter die “Bösen”, die Zau­be­rer und Göt­zen­an­be­ter par excel­lence. In Luci­fer Rising sind sie die “Guten”, wie auch über­haupt in der in der Renais­sance wie­der­ent­deck­ten her­me­ti­schen Tra­di­ti­on, die, ver­mit­telt über die Frei­mau­re­rei, auch in der Zau­ber­flö­te mit ihrem ägyp­ti­schen “Set­ting” auftaucht.

Auch in der “Thelema”-Bewegung, einem wil­den Misch­masch aus okkul­ten Tra­di­tio­nen und Fabri­ka­tio­nen, spie­len ägyp­ti­sche Moti­ve als vor­christ­lich-heid­ni­sches Para­dig­ma eine ent­schei­den­de Rol­le: Crow­ley behaup­te­te, sein “Buch des Geset­zes”, eine Art “Bibel” des neu­en Zeit­al­ters, medi­um­is­tisch vor einer Ste­le im Ägyp­ti­schen Muse­um in Kai­ro emp­fan­gen zu haben.

In die­sem Zusam­men­hang ist eine sehr küh­ne The­se bemer­kens­wert, die Ass­mann etwa in Moses der Ägyp­ter dar­ge­legt hat: Kurz gefaßt wäre die jüdi­sche Reli­gi­on eine Art Inver­si­on der ägyp­ti­schen Reli­gi­on, nicht unähn­lich dem “klas­si­schen” Sata­nis­mus (nach­zu­le­sen etwa bei Huys­mans), der alles, was im Chris­ten­tum hei­lig ist, auf den Kopf stellt. Ihr Vor­bild fin­det Ass­mann im ägyp­ti­schen Häre­ti­ker Ech­na­ton, der den ägyp­ti­schen Pan­the­on durch einen Mono­the­is­mus erset­zen wollte.

All dies wären The­men für künf­ti­ge Essays. Ich selbst hal­te, wie gesagt, nichts von der “Crow­leyani­ty” und den­ke, daß zere­mo­ni­el­le Magie, sofern sie denn “funk­tio­niert”, eine eher gefähr­li­che Sache ist. Wor­an ich aber glau­be, ist die “Magie” der Kunst, die mit Licht, Far­be und Bewe­gung Kraft­fel­der erzeu­gen und die Welt “wie­der­ver­zau­bern” kann.

Zu Beginn der Ver­an­stal­tung bekam jeder Gast, der es wünsch­te, einen knall­ro­ten, von der Bar­da­me ad hoc erfun­de­nen “Luci­fer Shot”, zum Abschied einen von Tris­tan Glas­zwist ent­wor­fe­nen Pos­ter mit Signa­tur von Lichtmesz.

Nach der Film­vor­füh­rung, die sehr gut ankam, begab ich mich ans DJ-Pult und beschall­te die Gäs­te mit Neofolk‑, Postpunk‑, Dark­wa­ve- und Gothic-Musik. Getanzt wur­de enthu­si­as­tisch bis halb fünf Uhr morgens.

Am Ende die­ser Nacht fühl­te ich mich, als wäre auf magi­sche Wei­se ein Wunsch in Erfül­lung gegangen.

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Don­ners­tag, 21. Dezem­ber 2023

Letz­tes Wochen­en­de war ich zu einer klei­nen Run­de im gemüt­li­chen Jagd­pa­vil­lon des Gra­fen von P. nahe der öst­li­chen Gren­ze ein­ge­la­den. Die Stil­le, Abge­schie­den­heit und Men­schen­lee­re des Ortes stan­den in wohl­tu­en­dem Kon­trast zum Getö­se der Groß­stadt, aus der ich mit dem Zug spät­abends ange­reist war.

Die rück­wär­ti­ge Wand des Pavil­lons lehn­te sich an den dunk­len Rand eines Tan­nen­wal­des, in dem noch etwas Schnee vom gro­ßen Win­ter­ein­bruch vor zwei Wochen lie­gen­ge­blie­ben war. Die Innen­aus­stat­tung spie­gel­te den zuwei­len exzen­tri­schen Geschmack des Besit­zers wider. An der Wand hin­gen, neben den obli­ga­ten Hirsch­ge­wei­hen und Eber­köp­fen, Gemäl­de von öster­rei­chi­schen phan­tas­ti­schen Rea­lis­ten und pol­ni­schen Sur­rea­lis­ten sowie etli­che ita­lie­ni­sche Art-Deco-Drucke.

Im Bücher­stän­der däm­mer­ten, dem Ambi­en­te gemäß, anti­ke Bän­de in Gold und Braun, aber auch die gesam­mel­ten Wer­ke von Jules Ver­ne in der schö­nen (von mir per­sön­lich favo­ri­sier­ten) gel­ben Taschen­buch­aus­ga­be des Dio­ge­nes-Ver­lags aus den sieb­zi­ger Jah­ren mit den Kup­fer­sti­chen der Originalausgaben.

Auf den Rega­len stan­den neben geschmack­vol­len Skulp­tu­ren aller­lei pit­to­res­ke alchi­mis­ti­sche Appa­ra­tu­ren, Röh­ren, Phio­len, Alem­biks, Brenn­bla­sen, Mör­ser und glä­ser­ne Behäl­ter. Es war dem Gra­fen aller­dings, so teil­te er uns mit Bedau­ern mit, bis­lang noch nicht gelun­gen, “auch nur ein Stäub­chen Gold” her­zu­stel­len. Auf­ge­ge­ben hat­te er aller­dings noch nicht. Kapi­tu­la­ti­on ist nicht Teil sei­nes Charakters.

Nach einem üppi­gen Abend­essen nah­men wir Her­ren am Kamin­feu­er Platz, bedien­ten uns aus einem reich­li­chen Sor­ti­ment von Zigar­ren und Ziga­ril­los und schwenk­ten bau­chi­ge Cognac-Glä­ser. Obwohl sie Nicht­rau­che­rin­nen waren und abge­se­hen von ein, zwei Weiß­wein­sprit­zern abs­ti­nent blie­ben, gesell­ten sich zwei klu­ge, jun­ge Damen zu uns (die Gesamt­run­de war etwa zu glei­chen Tei­len mit Män­nern und Frau­en besetzt, auch ein paar Kin­der waren anwesend).

Eine der bei­den betrieb ein merk­wür­di­ges Kunst­hand­werk: Ihre Spe­zia­li­tät war die Anfer­ti­gung von Schmuck, Lam­pen, Aschen­be­chern, Gar­de­ro­ben­stän­dern und unde­fi­nier­ba­ren deko­ra­ti­ven Gegen­stän­den aus den Kno­chen aller nur erdenk­li­chen Tie­re, ins­be­son­de­re deren Schä­del. Sie hat­te es dar­in zu einer stu­pen­den Meis­ter­schaft gebracht. Man­che fan­den ihren Humor etwas makaber.

Die ande­re war nicht weni­ger eigen­wil­lig. Sie hat­te mir zuvor gestan­den, daß sie davon träu­me, sich das iko­ni­sche Kon­ter­fei eines düs­te­ren Phi­lo­so­phen der Kon­ser­va­ti­ven Revo­lu­ti­on auf den rech­ten Ober­schen­kel täto­wie­ren zu las­sen, mit einem Schrift­zug in Frak­tur: “Oswald Speng­ler Ultras”.

Wir hat­ten schon den gan­zen Abend mit hei­te­ren und erns­ten Gesprä­chen ver­bracht, die in größ­ter Frei­heit und Offen­heit geführt wur­den, wie es heu­te nur mehr in spe­zi­el­len Refu­gi­en mög­lich ist.

Jeder ein­zel­ne Gast hat­te min­des­tens eine haar­sträu­ben­de Anek­do­te über die “Corona”-Jahre bei­zu­steu­ern, die wir alle­samt im hart­nä­cki­gen Wider­stands­mo­dus ver­bracht hat­ten. Auch ich hat­te aus die­sem Gen­re etli­ches bei­zu­steu­ern, ver­spür­te aber einen inne­ren Wider­wil­len, an die­se gera­de­zu trau­ma­ti­sche Zeit auch nur zu den­ken. Den­noch will und wer­de ich mein Leben lang nicht ver­ges­sen (und auch nicht ver­ge­ben), was damals gesche­hen ist.

Mit dem Fort­schrei­ten des Abends wur­de unse­re Stim­mung aus­ge­las­se­ner, unser Geläch­ter schal­len­der und home­ri­scher. Dann aber gelang­ten wir bei einem The­ma an, das unse­re Mie­nen schlag­ar­tig ver­fins­tern ließ und einen glü­hen­den, extre­mis­ti­schen, radi­ka­len, unver­söhn­li­chen, gren­zen­lo­sen Haß ohne Boden weckte.

Nun war der Spaß zu Ende. Sogar aus dem Ant­litz unse­res stets jovia­len Gast­ge­bers waren Iro­nie und Humor ver­schwun­den. Sei­ne Augen ver­eng­ten sich zu bedroh­li­chen Schlit­zen, Clint East­wood gleich, bevor er sei­ne Magnum zückt.

Denn nun blick­ten wir dem Unter­gang der Welt direkt ins Auge: Die Rede war auf die Ver­bre­chen der zeit­ge­nös­si­schen Archi­tek­tur gekommen.

Auf die Ver­schan­de­lung und Zer­stö­rung von Stadt- und Dorf­bild­ern. Auf den archi­tek­to­ni­schen Ver­nich­tungs­krieg gegen alles Gewach­se­ne, Orga­ni­sche und Über­lie­fer­te. Die Aus­lö­schung der in Räu­men bewahr­ten Spu­ren der Zeit, um die Gefäng­nis­se einer tyran­ni­schen, geschichts­lo­sen All-Gegen­wart zu errich­ten. Die Ver­flüs­si­gung kon­kre­ter Orte in ein unter­schieds­lo­ses Über­all und Nirgendwo.

Die schwach­sin­ni­gen, scheuß­li­chen, defor­mier­ten, stüm­per­haf­ten, teu­ren Skulp­tu­ren im öffent­li­chen Raum. Das Wuchern von bil­li­gen, schmuck­lo­sen, men­schen­un­wür­di­gen Beton­klöt­zen, deren Anblick Sui­zid­wün­sche weckt. Die meta­sta­sen­ar­tig vor­an­schrei­ten­de Boden­ver­sie­ge­lung und das ste­ti­ge Schwin­den von grü­nen und unbe­sie­del­ten Flä­chen. Gebäu­de, die vor ego­zen­tri­scher Wich­tig­tue­rei oder stumpf­sin­ni­ger Aso­zia­li­tät strot­zen, sich wie Rüpel oder stein­ge­wor­de­ner Pöbel auf Orten breit­ma­chen, an denen sie nichts ver­lo­ren haben.

Jeder ein­zel­ne Teil­neh­mer der Kamin­run­de konn­te ein Bei­spiel nen­nen, das sein ästhe­ti­sches und mora­li­sches Emp­fin­den zutiefst belei­digt hat­te. Die meis­ten Bei­spie­le, die genannt wur­den, stamm­ten nicht aus der Groß­stadt (wo der­lei ohne­hin kaum mehr wahr­ge­nom­men wird), son­dern aus der ver­meint­lich hei­len Pro­vinz, wo die archi­tek­to­ni­sche Ver­we­sung, die eine inne­re, geis­ti­ge Ver­we­sung wider­spie­gelt, beson­ders schmerz­lich sicht­bar wird.

Die einst beschau­li­che Haupt­stra­ße eines Dor­fes, in die ein form­lo­ses Ein­kaufs­cen­ter mit einem brei­ten Ein­gang gleich einem gäh­nen­den Maul hin­ein­ge­preßt und die mit vul­gä­ren, ver­schwen­de­ri­schen Beleuch­tungs­exzes­sen ver­un­stal­tet wur­de. Zusätz­lich säu­men den Geh­steig dümm­li­che, sinn­lo­se Stein­ku­geln, die in regel­mä­ßi­gen Abstän­den von­ein­an­der auf­ge­stellt wurden.

Eine Barock­kir­che, die ste­ril­sa­niert und mit Glas­tü­ren und einem schie­fen, wür­de­lo­sen Mar­mor­le­se­pult in idio­ti­scher Zick­zack­form aus­ge­stat­tet wur­de. Der Gast, der die­ses Bei­spiel nann­te, litt dar­un­ter tief: Frü­her hat­te er immer, wenn er in sei­nem Hei­mat­ort weil­te, die Kir­che zu einem stil­len Gebet besucht. Nun bräch­te er es vor Schmerz nicht mehr über sich, das Gebäu­de zu betre­ten, es käme ihm vor, es wäre ein Sakri­leg gesche­hen, das alle guten Geis­ter und mys­ti­schen Kind­heits­er­in­ne­run­gen aus­ge­trie­ben habe, allein durch die Anwe­sen­heit des miß­ra­te­nen Lese­pults, die von unbe­greif­li­cher Dumm­heit sei.

Das ältes­te Haus eines Dor­fes, stam­mend aus dem Hoch­mit­tel­al­ter, ein ein­fa­cher, aber har­mo­ni­scher und anhei­meln­der Bau mit klei­nen Spros­sen­fens­tern, einer uralten Holz­tür und schrä­gen Dächern, ange­leimt an einen eckig-zacki­gen Stahl-Glas-Wohn­haus­kas­ten mit fla­chen Dächern, gleich einem archi­tek­to­ni­schen Ken­taur, in dem das Unver­ein­ba­re gewalt­sam zusam­men­ge­zwun­gen wurde.

Ein Wirts­haus aus dem 19. Jahr­hun­dert, das über vie­le Gene­ra­tio­nen hin­weg unzäh­li­ge Hoch­zei­ten, Tau­fen, Begräb­nis­se und Geburts­tags­fei­ern gese­hen hat­te, auf­grund der Dezen­tra­li­sie­rung und Auf­lö­sung des sozia­len Lebens im Dorf nicht mehr ren­ta­bel, geschlos­sen, abge­ris­sen und ersetzt durch einen wei­te­ren ecki­gen, lieb­los hin­ge­klotz­ten Wohn­bau­kas­ten mit einem mar­kan­ten Vor­bau, der auf dicken, run­den, metal­lisch glän­zen­den Säu­len ruht. Er wur­de gera­de so hoch gebaut, daß den Ein­woh­nern der dahin­ter gele­ge­nen Häu­ser, die zum Teil über zwei­hun­dert Jah­re alt sind, der Blick auf die Kir­che aus dem Spät­ba­rock ver­sperrt wird.

Der Graf von P., ein wider­stän­di­ger Idea­list und Schön­geist am Ran­de der Selbst­schä­di­gung, gestand, daß er im nahe­lie­gen­den Ort bereits ein hal­bes Dut­zend Häu­ser auf­ge­kauft habe, nur um sie vor dem Abriß und der Erset­zung durch moder­nis­ti­sche Scheuß­lich­kei­ten zu retten.

Wel­che Art von Mensch ent­schei­det über die­se Din­ge? Ich wer­de es nie begrei­fen. Was geht in Gehir­nen vor, die es fer­tig brin­gen, sich sab­bernd däm­li­che  Mons­trö­si­tä­ten wie den unlängst in Wien prä­sen­tier­ten “WirWasser”-Brunnen, der 1,8 Mil­lio­nen Euro gekos­tet hat, aus­zu­den­ken und ihnen Bau­ge­neh­mi­gung zu ertei­len? (Wobei ein Blick in das schnit­zel­ar­ti­ge Ant­litz von Bür­ger­meis­ter Lud­wig genügt, um törich­te Fra­gen die­ser Art jäh ver­stum­men zu lassen.)

Ein Bei­spiel aus einer Groß­stadt wur­de auf­ge­bracht, das alle kann­ten und alle glei­cher­ma­ßen lei­den­schaft­lich haß­ten: Das “Kunst­haus Graz”, ein schwarz­glän­zen­des, behä­bi­ges, in “bio­mor­phen” Frei­form­kur­ven wabern­des Exkre­ment in Gebäu­de­form (soge­nann­te “Blob-Archi­tek­tur”) mit saug­na­pf­ar­ti­gen Aus­stül­pun­gen auf dem “Dach” (sie nen­nen es “Licht­ein­lass-Rüs­sel”), das 2003 mit­ten in die Alt­stadt geko­tet wur­de, wo es sich, Zitat Wiki­pe­dia, “bewusst von der baro­cken Dach­land­schaft mit ihren roten Zie­gel­dä­chern” abhe­ben soll.

Mit ande­ren Wor­ten han­delt es sich ein­ge­stan­de­ner­ma­ßen um einen gezielt bös­wil­li­gen, minus­be­seel­ten, sadis­ti­schen Akt von Van­da­lis­mus, wor­an ein Blick vom Schloß­berg hin­ab in die Alt­stadt nicht den gerings­ten Zwei­fel übrig läßt. Die­se hämi­sche opti­sche Beschmut­zung wur­de also, wie man in Öster­reich sagt, tat­säch­lich “z’Fleiß” gemacht.

Es ist auch kein Zufall, daß es eine Art “Ali­en” dar­stel­len soll. Es hat kei­ne Haf­tung auf und kei­nen Bezug zu dem Boden, auf den es gestellt wur­de; es ist aus dem Nichts des Ort- und Geschichts­lo­sen her­ab­ge­stürzt, um einen kon­kre­ten, geschicht­lich gewach­se­nen Ort zu zer­stö­ren, zu zer­set­zen, zu “dekon­stru­ie­ren”; es ist nicht gleich­gül­tig gegen­über den benach­bar­ten Gebäu­den, son­dern ver­hält sich ihnen gegen­über offen feindselig.

Innen wird natür­lich nur sub­ven­tio­nier­ter Dreck ausgestellt.

Als ich es 2013 zum ers­ten Mal mit eige­nen Augen sah, stie­gen mir Trä­nen in die Augen, wobei es mir schwer fiel, zu ent­schei­den, ob mich die Häß­lich­keit, die Dumm­heit oder die nack­te Bos­haf­tig­keit mehr erzürn­te. Das war aber letz­ten Endes egal, da die­se Din­ge flie­ßend inein­an­der über­ge­hen, und ger­ne ver­eint auf­tau­chen wie eine unhei­li­ge Dreifaltigkeit.

Der wie eine Flam­me jäh auf­glü­hen­de Haß auf das frag­li­che Objekt hat­te einen toni­schen, exal­tie­ren­den Effekt auf die Run­de. So man­ches Auge glänz­te feucht, so man­che Wan­ge röte­te sich heiß bei der freu­di­gen Vor­stel­lung, die­ses wider­wär­ti­ge Ding eines schö­nen Tages nach der meta­po­li­ti­schen Wen­de von Abriß­bir­nen, Bohr­ge­rä­ten, Spreng­stoff und Flam­men drang­sa­liert zu sehen wie den “Brain Bug” aus dem Film Star­ship Tro­o­pers, um die geschän­de­te Alt­stadt ange­mes­sen zu rächen.

Nun wärm­te uns in die­ser kal­ten Win­ter­nacht nicht nur das Feu­er im Kamin, son­dern die Glut in unse­ren Her­zen. Ja, es war genau dort, wo wir unse­ren Haß lodern fühl­ten, gera­de rich­tig und pas­send zum her­an­na­hen­den “Fest der Liebe”.

Was uns gleich zum nächs­ten Gedan­ken führ­te, dem alle ein­hel­lig zustimm­ten: Daß der Haß, mit­samt sei­nen nahen Ver­wand­ten Wut, Zorn und Ent­rüs­tung, eine völ­lig zu Unrecht ver­leum­de­te Emo­ti­on ist.

Besof­fen von unse­rem woh­lig lodern­den Haß und sei­ner mor­phi­um­ar­ti­gen Wir­kung, ver­spür­ten wir kei­ne Lust auf Nuan­cen. Als geis­tig rege und dif­fe­ren­zier­te Men­schen wären wir dazu wohl imstan­de gewesen.

Wir alle ken­nen die Bin­sen­weis­hei­ten, daß Haß “häß­lich macht”, daß Haß “blind macht” (das­sel­be sagt man von der Lie­be), daß es unge­sund ist, aus sei­nem Her­zen eine Mör­der­gru­be zu machen und daß es reich­lich nie­de­ren Haß aus nie­de­ren Moti­ven gibt. “Tief ist der Haß, der in den nie­de­ren Her­zen dem Schö­nen gegen­über brennt”, heißt es in Jün­gers Mar­mor­klip­pen, und die­se Art von Haß ist es wohl auch, der in etli­chen archi­tek­to­ni­schen Schand­ta­ten gewü­tet hat.

Der Haß, den wir nun fühl­ten, erleb­ten wir als vom Herr­gott gege­be­ne und gewoll­te, gesun­de, “thy­mo­ti­sche” Abwehr­re­ak­ti­on ange­sichts des Bösen, Nied­ri­gen und Gemeinen.

“Haß” gilt heu­te als Nied­rig­sta­tus­emo­ti­on. Sie ist das Kenn­zei­chen der Unge­wa­sche­nen, Unge­bil­de­ten und Unauf­ge­klär­ten, der “deplo­rables”, “Abge­häng­te”, “Wut­bür­ger”, Social-Media-Trol­le und Rechts­par­tei­en­wäh­ler, die alle­samt ein­fach so, ohne wirk­li­chen Grund, frei fluk­tu­ie­rend vor sich hin has­sen, weil sie nichts bes­se­res zu tun haben. Wer hin­ge­gen zur geho­be­ne­ren Klas­se der “Welt­of­fe­nen” gehö­ren und Anschluß an die “Eli­ten” haben will, muß so tun, als ob er kei­nen Haß ken­ne und vor dis­kri­mi­nie­rungs­frei­er Men­schen­lie­be aus allen Näh­ten platze.

2017 schrie­ben Licht­mesz & Som­mer­feld:

Alles, was über »Angst« und »Pho­bie« gesagt wur­de, gilt auch für den »Haß«. Auch hier­bei han­delt es sich um ein durch Ent­dif­fe­ren­zie­rung gewon­ne­nes Logo-Toxin, das zur poli­ti­schen Schäd­lings­be­kämp­fung ein­ge­setzt wird. »Haß« gehört in die­sem Zusam­men­hang vor allem in das Gen­re des poli­ti­schen Kitsches.(…)

Wer die Poli­tik der Lin­ken, Glo­ba­lis­ten und Mul­ti­kul­tu­ra­lis­ten kri­ti­siert, ist ein »Has­ser« und »Het­zer«, der sich in einem fins­te­ren natio­na­lis­ti­schen Kel­ler­as­sel­loch »abschot­ten« will. »Haß« ist sozu­sa­gen deren Meis­ter-Frame, mit dem sie jede Form der Abgren­zung, Unter­schei­dung und »Dis­kri­mi­nie­rung« brand­mar­ken.(…) »Haß« und »Het­ze« sind Wör­ter, die auch pho­ne­tisch schön zischen und fau­chen. Das Wort »Haß« selbst erweckt nega­ti­ve Emo­tio­nen. Wen man des »Has­ses« beschul­digt, den will man auch »häß­lich, so gräß­lich häß­lich« (frei nach dem alten Hit von DÖF) machen.

Wir leg­ten noch eins drauf, und for­mu­lier­ten eine Ehren­ret­tung des Hasses:

Sei­ne lau­fen­de Ver­leum­dung basiert nicht nur auf einer fal­schen Anthro­po­lo­gie, die ihre Ver­tre­ter zur Lüge und Heu­che­lei zwingt, sie ver­fälscht auch die Ethik und das Wesen der Lie­be. Faßt man mit dem Ver­hal­tens­for­scher Ire­nä­us Eibl-Eibes­feldt den Haß als eine Form des Aggres­si­ons­trie­bes auf, so hat er grund­sätz­lich eine posi­ti­ve, lebens­er­hal­ten­de, nütz­li­che Funktion.

Er hängt eng mit der Lie­be zusam­men. Wir alle sind berech­tigt, zu has­sen, was unser Leben, das unse­rer Fami­li­en und alle Din­ge und Men­schen, die wir lie­ben, schä­di­gen, ver­nich­ten und zer­stö­ren will. (…) Zwei­fel­los emp­fiehlt es sich, ihn im Zaum zu hal­ten, aber ihn pau­schal zu ver­dam­men, ist unsin­nig. Haß ist eine natür­li­che Reak­ti­on auf belas­ten­de, quä­len­de, bedroh­li­che Din­ge, und in den meis­ten Fäl­len ver­geht er rasch wie­der, wenn die Ursa­che besei­tigt ist.

Wir zitier­ten Tho­mas von Aquin:

»Wird also nur das Böse, das Übel, geh­aßt, so folgt, daß jeder Haß Lob ver­dient.« Haß sei »das Wider­stre­ben gegen das als ver­derb­lich und schädigend Auf­ge­faß­te.« (Sum­ma theo­lo­gi­ca, Quaes­tio 29, 1. Hälf­te des 2. Teils) 

Mein Rede­bei­trag zu die­sem The­ma war im Gro­ßen und Gan­zen eine Zusam­men­fas­sung die­ses Abschnitts aus unse­rem Best­sel­ler aus tur­bu­len­te­ren Zeiten. 

“Haß ist mit­hin nicht selbst ‘das Böse’, son­dern er rich­tet sich auf das Böse”, fuhr ich fort. “Er kann aber böse wer­den, wenn etwa dieses Böse kein Böses ist oder wenn er das richtige Maß ver­liert. Ich jeden­falls hal­te es grund­sätz­lich mit Boyd Rice, ‘My hate is like love to me.’ ”

“Es ist doch ganz ein­fach”, sag­te nun die sonst eher schweig­sa­me Speng­le­ria­ne­rin, die das Gra­zer “Fri­end­ly Ali­en”, das sie von innen wie von außen aus eige­ner Anschau­ung kann­te, mit beson­de­rer Ins­brunst haß­te. “Haß auf das Häß­li­che ist Lie­be zum Schönen.”

Sie hat­te voll­kom­men recht, wes­halb ich hof­fe, daß sie nur gescherzt hat, als sie über ihre Täto­wie­rungs­ab­sich­ten sprach.

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Frei­tag, 1. Dezember

Nach zwei Jah­ren ist Gil Ofa­rims Lügen­fas­sa­de end­lich zusam­men­ge­bro­chen. Er hat gestan­den, daß er die “anti­se­mi­ti­schen” Über­grif­fe des Per­so­nals des Grand-Westin-Hotels in Leip­zig frei erfun­den hat.

Ange­sichts sei­ner von Anfang gerin­gen Glaub­wür­dig­keit wun­dert es mich ein wenig, daß er über­haupt so lan­ge durch­ge­hal­ten hat. Oder daß er ernst­haft dach­te, daß er damit auf Dau­er durch­kom­men wird. Das hat wohl mit sei­ner offen­sicht­lich nar­ziß­ti­schen Cha­rak­ter­dis­po­si­ti­on zu tun, die in sei­ner Berufs­spar­te weit ver­brei­tet ist.

Ich selbst habe ihm das thea­tra­li­sche Geheu­le kei­ne Sekun­de abge­kauft. Es war mir von Anfang an klar, daß wir es hier mit einem “Fall” von Opfer­rol­len­spiel zu tun haben, das ich Ende Okto­ber 2021 in einem Arti­kel ana­ly­siert habe. Ofa­rims Ein­trag auf Insta­gram vom 5. Okto­ber (inzwi­schen gelöscht) war gro­ßes Melodrama:

… ANTISEMITISMUS in Deutsch­land 2021 !..
… ges­tern in Leipzig…
… war­um?.. haben wir denn nichts nichts aus der ver­gan­gen­heit gelernt?..bin sprach­los!.. es ist nicht das ers­te mal, aber irgend­wann reicht es …

Nicht nur das Hotel­per­so­nal saß auf der Ankla­ge­bank, son­dern GANZ DEUTSCHLAND, die “Mit­te der Gesell­schaft”!

Man darf die­sen Vor­fall nicht iso­liert betrach­ten. Ofa­rim hat die Trumpf­kar­te der herr­schen­den Opfer­hier­ar­chien aus­ge­spielt, den “Anti­se­mi­tis­mus”. Die­ser ist so etwas wie die Ur-Blau­pau­se aller ande­ren gän­gi­gen ‑pho­bien und ‑ismen, inso­fern er auf einem ange­nom­me­nen abso­lu­ten Opfer­sta­tus per Zuge­hö­rig­keit zu einem Kol­lek­tiv beruht, der Unan­tast­bar­keit garan­tie­ren und Pri­vi­le­gi­en ermög­li­chen soll.

Mit dem “Antisemitismus”-Vorwurf kann man auch noch semi-gerot­pill­te “Kon­ser­va­ti­ve” täu­schen, die zwar durch­schaut haben, was für einen poli­ti­schen Zweck Schlag­wor­te wie “Ras­sis­mus, Homo­pho­bie, Sexis­mus” haben, sich jedoch ängst­lich vor der Erkennt­nis ver­schlie­ßen, daß “Anti­se­mi­tis­mus” in ein- und das­sel­be Gen­re gehört. Die­se Furcht ist vor allem bei der “Boomer”-Generation ein­ge­fleischt und hat wohl vor­ran­gig mit gewis­sen his­to­risch beding­ten Kon­di­tio­nie­run­gen zu tun.

Einer, der damals auf Ofa­rim rein­ge­fal­len ist, war Alex­an­der Wal­l­asch in einem Gast­bei­trag für Boris Reit­schus­ter. Er schrieb damals:

Der Musi­ker Gil Ofa­rim sagt, er sei in einem Hotel in Leip­zig ver­bal anti­se­mi­tisch ange­grif­fen wor­den. Und er sagt es offen und geht damit an die Medi­en – gut so! Wer Ofa­rim hier reflex­ar­tig Wer­bung in eige­ner Sache unter­stellt, des­sen Geschichts­be­wusst­sein ist eben­so nur rudi­men­tär, wie hier jed­we­de Empa­thie beer­digt wur­de: Ja, Jude sein in Deutsch­land ist für Nicht­ju­den schwer vor­stell­bar, aber es gibt genug Berich­te, die sehr anschau­lich machen, was das noch heu­te bedeu­ten kann.

Ich kom­men­tier­te dies so:

Na ja: Vor allem bedeu­tet es, daß man als eine Art höhe­res Lebe­we­sen wahr­ge­nom­men wird, des­sen Kla­gen, Mei­nun­gen und Wün­sche ganz beson­de­re Auf­merk­sam­keit und Hoch­ach­tung ver­dient haben. Da ist es dann auch schon völ­lig wurscht, ob Ofa­rim gelo­gen, Ein­zel­per­so­nen und ein gan­zes Land ver­leum­det oder ein Thea­ter in eige­ner Sache insze­niert hat – von wegen “Geschichts­be­wußt­sein”, “Empa­thie” usw. muß er mit ande­ren Maß­stä­ben gemes­sen wer­den als nor­mal­sterb­li­che Menschen.

Ofa­rims Pas­si­ons­ge­schich­te mach­te aus dem ein­zi­gen Grund Schlag­zei­len, weil er in Deutsch­land als Ange­hö­ri­ger der Alpha-Opfer­grup­pe sicher sein kann, maxi­ma­le Auf­merk­sam­keits­re­fle­xe zu trig­gern. Da er kein Polit-Akti­vist ist und berufs­mä­ßig im Ram­pen­licht steht, kann man hier getrost von eher bana­len Moti­ven ausgehen.

Ofa­rim muß nun 10,000 Euro Buß­geld zah­len – nicht an die Nicht­ju­den, die er vor­sätz­lich ver­leum­det hat, son­dern an die Israe­li­ti­sche Reli­gi­ons­ge­mein­de zu Leip­zig und den Trä­ger­ver­ein des Hau­ses der Wann­see­kon­fe­renz. Damit wur­de das Signal gesetzt, daß er mit sei­nen Lügen vor allem der Sache der Juden gescha­det hat und dafür bestraft wer­den muß.

In die­sem Sin­ne äußer­te sich auch der Zen­tral­rat der Juden:

Zwei Jah­re lang hat #GilO­fa­rim Mit­ar­bei­ter eines Leip­zi­ger Hotels des Anti­se­mi­tis­mus beschul­digt. Nun hat er gestan­den, dass er gelo­gen hat. Damit hat Gil Ofa­rim all denen, die tat­säch­lich von Anti­se­mi­tis­mus betrof­fen sind, gro­ßen Scha­den zuge­fügt. Neben der Öffent­lich­keit hat er auch die jüdi­sche Gemein­schaft belo­gen. Wir haben in unse­rer Gesell­schaft ein Anti­se­mi­tis­mus-Pro­blem, vie­le sind gera­de in der jet­zi­gen auf­ge­heiz­ten gesell­schaft­li­chen Situa­ti­on ver­un­si­chert und erle­ben Juden­hass und Ablehnung.

Auch hier: Kein Wort des Bedau­erns über den Scha­den, der den Nicht­ju­den, den Mit­ar­bei­tern des Hotels zuge­fügt wur­de. Auch dies eine Opfer­hier­ar­chie, auch dies eine Art von nar­ziß­ti­scher Selbstbezogenheit.

Ich bestrei­te natür­lich auch das Mär­chen, “wir” hät­ten “in unse­rer Gesell­schaft ein Anti­se­mi­tis­mus-Pro­blem”. Wenn über­haupt, dann hat “unse­re Gesell­schaft” ein Pro­blem mit dem “impor­tier­ten” Anti­se­mi­tis­mus nah­öst­li­cher Ein­wan­de­rer, der pri­mär von der Gewalt­po­li­tik Isra­els und der USA im Nahen Osten ver­ur­sacht wird (und nicht von Koran-Lek­tü­re, wie man­che “Islam­kri­ti­ker” behaup­ten). Die­sen Import zu för­dern und sei­ne Fol­gen (auch und vor allem für Nicht­ju­den) zu beschwich­ti­gen, hat der ZdJ kräf­tig bei­getra­gen. Er beschwert sich hier also über Pro­ble­me, die er sel­ber mit­ver­ant­wor­tet hat.

Nicht unpas­send zu den Nach­rich­ten über Ofa­rim hat mich Frau Ronai Cha­ker-Sichert, ihrer­seits eine recht unge­nier­te Spie­le­rin inter­sek­tio­na­ler Opfer­kar­ten, (mal wie­der) auf Twit­ter verleumdet:

Licht­mesz ist für mich im übri­gen ein lupen­rei­ner Anti­se­mit, denn er hat sich in einer Dis­kus­si­on mit mir, vor Jah­ren schon hin­ter die Hamas gestellt und deren Vor­ge­hen befürwortet.

Das ist natür­lich eine lupen­rei­ne Lüge ohne jeg­li­chen Beweis (Ofa­rim läßt grü­ßen). Viel­leicht auch eine, die sie sel­ber glaubt, denn in frü­he­ren Twit­ter-Inter­ak­tio­nen mit ihr habe ich die Erfah­rung gemacht, daß sie äußerst talen­tiert ist, ein Argu­ment bös­wil­lig miß­zu­ver­ste­hen oder zu ver­dre­hen. Außer­halb von Schwarz-Weiß-Kate­go­rien zu den­ken, scheint ihr nicht mög­lich zu sein.

Über “Schnell­ro­da” (oder bes­ser gesagt: was sie dafür hält und aus­gibt bzw. in eige­ner Sache aus­ge­ben muß), schrieb sie, eben­falls ver­leum­de­risch und kraß verzerrend:

Der Kon­flikt zwi­schen Schnell­ro­da herrscht schon lan­ge. Ihnen geht es um Bio­lo­gie, Haut­far­ben, eth­ni­sche Rein­heit, Kol­lek­ti­vis­mus, Aus­gren­zung und Ent­rech­tung von nicht Auto­chtho­nen. Was für mich zählt, ist: Die Frei­heit vor tota­li­tä­ren Ideologien!

Hier­zu ver­link­te sie einen Bei­trag, den sie im Juni 2019 auf fischundfleisch.com ver­öf­fent­licht hat, zum The­ma “Licht­mesz wie auch Kubit­schek”. Dar­in hat sie einen Text von mir aus dem Jahr 2010 (!) sinn­ent­stel­lend zitiert, wor­auf ich sie in den Kom­men­tar­spal­ten auf­merk­sam gemacht habe, natür­lich ohne irgend­ei­ne Wir­kung zu erzielen.

Die­ses “Sam­ple” soll­te aus­rei­chen, um zu demons­trie­ren, mit wel­chen Mit­tel Cha­ker vor­zu­ge­hen pflegt. Es ist cha­rak­te­ris­tisch, daß sie auf mei­nen letz­ten Tage­buch­ein­trag, in dem ich die Cho­se Utlu bespro­chen und ihr Ver­hal­ten inner­halb der AfD kri­ti­siert habe, erneut nur mit Lügen, Denun­zia­tio­nen und maxi­ma­len Anschwär­zun­gen reagie­ren kann. Und dies, obwohl ich und ande­re ver­sucht haben, ihr gegen­über gerecht zu blei­ben, dies, obwohl es von “Schnell­ro­da” aus Ange­bo­te zu klä­ren­den Gesprä­chen gab.

Es gibt Men­schen, denen Wahr­heit, Red­lich­keit und Fair Play völ­lig egal sind. Lei­der kom­men sie häu­fig damit durch, wäh­rend Bauch­lan­dun­gen à la Gil Ofa­rim eher die Aus­nah­me sind.

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Mon­tag, 27. Novem­ber 2023

Nun habe ich also auch eine Tage­buch-Kolum­ne. Der Titel ist einem Vers aus der Apos­tel­ge­schich­te ent­nom­men, der mir viel bedeu­tet. Ich habe ihn mei­nem Buch Kann nur ein Gott uns ret­ten? vorangestellt.

Ursprüng­lich auf ihn gesto­ßen bin ich nicht im Zuge einer Bibel­lek­tü­re, son­dern in einer Epi­so­de des acht­tei­li­gen Video-Essays Histoire(s) du ciné­ma von Jean-Luc Godard: “Ne te fais pas de mal, car nous som­mes tous enco­re ici.”

Die Ton­spur ver­bin­det den Vers mit der berühm­ten Pas­sa­ge von Mar­tin Heid­eg­ger über den “Fehl Got­tes” aus den Holz­we­gen, gele­sen in fran­zö­si­scher Über­set­zung von der Schau­spie­le­rin Maria Casarès.

Godard hat ihn frei­lich, eben­so wie ich, ein wenig aus dem Kon­text gerissen.

In der Apos­tel­ge­schich­te wer­den Pau­lus und sein Beglei­ter Silas in Phil­ip­pi gefan­gen­ge­nom­men, nach­dem bei­na­he ein wüten­der Mob über sie her­ge­fal­len wäre. Dann ereig­net sich fol­gen­de merk­wür­di­ge Geschichte:

Gegen Mit­ter­nacht bete­ten Pau­lus und Silas; sie prie­sen Gott mit Lob­lie­dern, und die Mit­ge­fan­ge­nen hör­ten ihnen zu. Plötz­lich beb­te die Erde so hef­tig, daß das Gebäu­de bis in sei­ne Grund­mau­ern erschüt­tert wur­de. Im sel­ben Augen­blick spran­gen sämt­li­che Türen auf, und die Ket­ten aller Gefan­ge­nen fie­len zu Boden. Der Auf­se­her fuhr aus dem Schlaf hoch, und als er die Türen des Gefäng­nis­ses offen ste­hen sah, zog er sein Schwert und woll­te sich töten, denn er dach­te, die Gefan­ge­nen sei­en geflo­hen. Doch Pau­lus rief, so laut er konn­te: »Tu dir nichts an! Wir sind alle noch hier!« 

Die meis­ten älte­ren Über­set­zun­gen las­sen das “noch” aus; ich den­ke, es drängt sich unwei­ger­lich auf und zwi­schen die Wor­te hinein.

Pau­lus ver­hin­dert hier einen Selbst­mord. Zwei Selbst­mör­der aus “spi­ri­tu­el­len Grün­den” spie­len in mei­nem Buch eine gro­ße Rol­le: Domi­ni­que Ven­ner und ein fik­ti­ver jun­ger Mann aus dem Film Le dia­ble pro­ba­blem­ent von Robert Bres­son. Ein drit­ter Prot­ago­nist mei­nes Buches, Leo Tol­stoi, war nahe dar­an, sich den Kopf mit einer Jagd­flin­te weg­zu­schie­ßen, ehe er sei­ne Ret­tung im Glau­ben fand.

Die­ses Zitat hat für mich also ein “mys­ti­sches” Echo. Es legt eine Spur zum Ret­ten­den, oder wenigs­tens zum bloß Tröst­li­chen, den Daseins­schmerz Mil­dern­den, erträg­lich Machen­den. Es kann auf jedes Ding und jedes Lebe­we­sen (ich den­ke auch an Tie­re, Pflan­zen, Bäu­me) auf der Welt ver­wei­sen, das “noch hier” ist und eine Bedeu­tung für uns hat, auch wenn wir wis­sen, daß es eines Tages nicht mehr “hier” sein wird (wie wir selbst auch).

Das gilt eben­so für Men­schen wie auch für Schöp­fun­gen, die die kurz bemes­se­ne mensch­li­che Lebens­zeit über­dau­ern und ihren Schöp­fern eine Art der Unsterb­lich­keit ver­lei­hen sol­len: Auch die Pyra­mi­den von Gizeh, die Kathe­dra­le von Char­tres, die Dich­tun­gen von Dan­te und Shake­speare, die Kom­po­si­tio­nen von Bach und Mozart wer­den eines Tages ver­schwun­den sein. Die Kunst ist sterb­lich und die Küns­te sind sterb­lich, befand Oswald Spengler.

Irgend­et­was, irgend­je­mand ver­schwin­det immer, aber es ist auch immer irgend­et­was, irgend­je­mand “noch” hier. Ich bin noch hier, du bist noch hier, und solan­ge wir hier sind, ist es gut.

– –

Jubel und Scha­den­freu­de herrscht in der AfD-feind­li­chen Pres­se. Hier ein paar aus dem Netz gefisch­te Schlagzeilen:

Ein Ali will in AfD ein­tre­ten – Rech­te ticken prompt aus: „Gehört abge­scho­ben“ (Der Wes­ten)… Ein Mann namens Ali tritt der AfD bei – Par­tei zer­fällt in zwei Lager (Focus)… Quee­rer Deutsch-Tür­ke will in die AfD (Stutt­gar­ter Nachrichten)…

Ein Autor der Welt zeigt sich ein biß­chen schlau­er und spricht gar von einer “all­mäh­li­chen Isla­mi­sie­rung der AfD”:

Tei­le der AfD haben Mus­li­me und Erdo­ga­nis­ten als Wäh­ler ent­deckt. Nun mutie­ren sie zu deutsch­na­tio­na­len „Islam­kusch­lern“, wie kri­ti­sche Par­tei­freun­de kla­gen – und haben Skru­pel, den Islam­kri­ti­ker Ali Utlu aufzunehmen.

Mehr als die­sen “Teaser” habe ich nicht gele­sen, da ich kei­ne Lust habe, die Bezahl­schran­ke zu über­que­ren. Eine auf­rich­ti­ge oder gar “kon­struk­ti­ve” Aus­ein­an­der­set­zung ist ohne­hin in Pos­ch­ardts Tor­wäch­ter-Blatt nicht zu erwarten.

Die Fra­ge, ob “Erdo­gan nicht unser Feind” ist (Maxi­mil­li­an Krah) oder ob das “Feind­bild Islam” eine “Sack­gas­se” ist (Fre­de­ric Höfer) las­se ich an die­ser Stel­le außen vor. Ich wer­de die­ses Faß dem­nächst auf­ma­chen, und einen kri­ti­schen Rück­blick auf die soge­nann­te “Islam­kri­tik” schrei­ben, der schon lan­ge in mir gärt.

Unsinn ist natür­lich, daß Rech­te jetzt “aus­flip­pen”, nur weil einer “Ali” heißt. Utlu ist bei­lei­be nicht der ers­te Mensch mit “Mihi­gru” und ver­gleichs­wei­se “exo­ti­schem” Namen, der in der AfD mit­mischt, und ganz gewiß nicht der ers­te Schwu­le. Es wird hier ein­fach ver­sucht, das Kli­schee­bild vom Rech­ten als xeno­pho­ben Hys­te­ri­ker im Umlauf zu bringen.

Die Pro­ble­me mit Utlu sind viel grund­sätz­li­che­rer Natur. Ich habe sein Trei­ben auf Twit­ter (den bescheu­er­ten Namens­wech­sel “X” igno­rie­re ich) frü­her ver­folgt, beson­ders in der Zeit von 2017–18, in der er mir inso­fern inter­es­sant erschien, als er eine von vie­len “Kipp­fi­gu­ren” war, die Indi­ka­to­ren für einen Wan­del des Zeit­geis­tes zu sein schienen.

Alle Welt ist in die­sen Jah­ren “nach rechts gerückt”, sogar etli­che “Que­e­re” und “Trans­se­xu­el­le”, die die Nase voll hat­ten von “Sprech­ver­bo­ten” und woker Inqui­si­ti­on. Das war natür­lich auch für unse­re Sache hilf­reich: Pro­ble­me, die lager­über­grei­fend kon­sta­tiert wer­den, bekom­men grö­ße­res objek­ti­ves Gewicht.

Utlu hat jedoch nie­mals irgend­et­was pro­du­ziert, was einen ana­ly­ti­schen Wert hat oder in irgend einer Wei­se dazu bei­tra­gen könn­te, posi­ti­ve Ver­än­de­run­gen anzu­stos­sen. Statt­des­sen hat er sich stän­dig von der AfD “distan­ziert”, das Stück vom “Mann in der libe­ra­len Mit­te”, den “Rech­te und Lin­ke glei­cher­ma­ßen has­sen” gespielt und dabei halb Twit­ter geblockt.

Man begreift rasch, daß man es mit einer ego­zen­tri­schen Per­son zu tun hat, die süch­tig nach Auf­merk­sam­keit, Pro­fi­lie­rung und Pro­vo­ka­ti­on ist, und irgend­wann gemerkt hat, daß es viel mehr Spaß macht, die (eige­ne) lin­ke als die rech­te Kli­en­tel zu ärgern. Sein The­ma war immer nur er selbst, als “Schwu­ler”, “Tür­ke”, “Ex-Mus­lim” und “Ich als schwu­ler Ex-Mus­lim”. Sei­ne Selbst­ge­fäl­lig­keit zeigt sich deut­lich in einem ange­hef­te­ten Tweet aus sei­ner Seite:

Wer hät­te jemals gedacht, dass aus­ge­rech­net ein schwu­ler Tür­ke der größ­te Alp­traum und das Hass­ob­jekt von anti­ras­sis­ti­schen und que­er­freund­li­chen Lin­ken sein würde. 

Hier bin ich.

Sei­ne Ankün­di­gung, der AfD bei­zu­tre­ten (das wäre nun sein fünf­ter oder sechs­ter Par­tei­wech­sel, wenn ich das recht ver­stan­den habe) ist nur ein wei­te­rer Stunt in der end­lo­sen Ali-Utli-Per­sön­lich­keits-Show. Bezeich­nend ist auch die­se Reak­ti­on auf eine nega­ti­ve Rückmeldung:

Und genau des­we­gen bin ich rich­tig in die­ser Par­tei. Um die­je­ni­gen zu trig­gern, die mit die­ser Ein­stel­lung dafür sor­gen, dass wei­te Tei­le der Bevöl­ke­rung die Par­tei für unwähl­bar hal­ten. Gewöh­ne dich dar­an, das A in AfD steht auch für Ali.

Was Bes­se­res als Gegen­wind von rechts konn­te ihm kaum pas­sie­ren, um sich nun wie­der selbst in den Mit­tel­punkt zu stel­len und zum The­ma zu machen. Als “Top 5 Grün­de, war­um man mich nicht der AfD haben will”, nann­te er:

1. Islam­kri­tik 2. Homo­se­xu­ell 3. Tür­ki­sches und nicht deut­sches Blut 4. Nicht rechts(extrem) genug 5. Ich existiere 

Quo vadis AfD?

Momen­tan sieht es danach aus, als ob er gleich die Pha­se der Par­tei­mit­glied­schaft über­sprin­gen und direkt zur Rol­le als “Aus­stei­ger” und Feind­zeu­ge über­ge­hen will:

Ja, ihr könnt nun wochen­lang über mich lachen, das inter­es­siert mich nicht, aber ihr soll­tet aner­ken­nen, dass ich mit mei­ner Akti­on gro­ße Tei­le demas­kiert habe. Das Man­tra, die AfD sei im gro­ßen & gan­zen freund­lich zu Migran­ten, ist nicht halt­bar. Das Glei­che gilt für mei­ne Homo­se­xua­li­tät, die immer wie­der The­ma ist. (…) Ich wer­de hun­der­te Screen­shots sam­meln und die­se auf einer Web­site ver­öf­fent­li­chen, damit sich kei­ner mehr her­aus­re­den kann. Was in 2 Wochen zusam­men­kam, glaubt sonst kei­ner, vor allem die von gro­ßen Accounts, bevor wie­der behaup­tet wird, es wären nur Trol­le, die der AfD scha­den wol­len. Ich weiß, dass es vie­le Mit­glie­der gibt, die weder homo­phob noch ras­sis­tisch sind. Wer­det laut, auf Par­tei­ta­gen und Par­tei­tref­fen, schreibt unter sol­che Kom­men­ta­re eure Mei­nung dazu. Über­lasst die­sen Men­schen nicht eure Par­tei. Und nein, ich spie­le hier kei­ne Opfer­rol­le, ich zei­ge nur den Hass auf. Es ist nichts, was ich nicht schon durch ande­re Grup­pen seit Jah­ren abbekomme.

Sekun­diert wur­de Utlu von der “Deutsch-Jesi­din” (oder nun “Ezi­din”) Ronai Cha­ker, die cha­rak­ter­lich ähn­lich gela­gert ist. Auch ihr Pro­gramm für die Öffent­lich­keit ist in ers­ter Linie sie selbst und ihre eth­ni­sche Iden­ti­tät. Ihre Lieb­lings­rol­le ist die der von gerech­tem Zorn erfüll­ten, uner­schro­cke­nen Kämp­fe­rin mit dem hei­ßen Her­zen, die von Isla­mis­ten und “Extre­mis­ten” geh­aßt wird und sich nie­mals unter­krie­gen läßt.

Trotz ihrer häu­fi­gen, eher tak­tisch anmu­ten­den Beteue­run­gen, daß sie eben­so “deutsch” sei wie alle ande­ren Hän­se und Gre­tels, schlägt ihr Herz offen­sicht­lich vor­ran­gig für ihren eige­nen Stamm, für den sie als eine Art Lob­by­is­tin tätig ist. Auch ihren Ehe­mann Mar­tin Sichert hat sie für die­se pri­mä­re Auf­ga­be mobi­li­siert, die er eben­so artig wie emsig erfüllt, wofür er dann auch von sei­ner Frau öffent­lich mit Herz­chen-Pos­tings belohnt wird (immer­hin hat sie mit einer wich­ti­gen Tra­di­ti­on ihres Vol­kes gebro­chen, dem Gebot der Endo­ga­mie).

Sie behaup­tet, ihr Enga­ge­ment für Ezi­den die­ne auch “deut­schen Inter­es­sen”, weil:

1. Sie sind wirk­lich ver­folgt! 2. Sie arbei­ten mehr­heit­lich und zah­len ihre Steu­ern. Selbst ihre Arbeit­ge­ber set­zen sich ein.

Das ist ziem­lich mager. Grund eins hat nichts mit “deut­schen Inter­es­sen” zu tun, und bei Grund zwei müß­te man bissl tie­fer boh­ren, ob migran­ti­sche Steu­er­zah­ler an und für sich schon “deut­schen Inter­es­sen” dienen.

Man kann ihr aus rech­ter Sicht schlecht vor­wer­fen, sich für die Inter­es­sen ihrer eige­nen Volks­grup­pe ein­zu­set­zen. Ich den­ke, daß dies auch im Rah­men der AfD prin­zi­pi­ell mög­lich und legi­tim wäre. Es wird kon­tra­pro­duk­tiv, wenn dar­über die Prio­ri­tä­ten die­ser Par­tei ver­ges­sen werden.

Und es wird destruk­tiv, wenn man wie Cha­ker unun­ter­bro­chen Leu­te im eige­nen Spek­trum als “völ­ki­sche Ras­sis­ten” beschimpft, wenn die­se sie dar­an erin­nern, daß die AfD vor­ran­gig dem deut­schen Volk die­nen sol­len (auf­ge­faßt als eth­no­kul­tu­rel­le Abstam­mungs­ge­mein­schaft, und kein Sam­mel­su­ri­um von Paßinhabern.)

Ich pflich­te Mar­vin Neu­mann bei:

Man kann und muss als deut­sche Rechts­par­tei in der Gegen­wart frei­lich die eth­no­par­ti­ku­la­ren Inter­es­sen ver­schie­de­ner Völ­ker berück­sich­ti­gen und kann sich (stra­te­gisch) auch in einem bestimm­ten Rah­men für die­se ein­set­zen. Nicht aber, wenn dies mit anti­deut­schen Nar­ra­ti­ven gerahmt wird, die eine gleich­wer­ti­ge Poli­tik im (eth­no­kul­tu­rel­len) Inter­es­se der Deut­schen delegitimiert. 

Frau Cha­kers Ein­satz für ihr Volk ist ehr­wür­dig. Dass sie dies aber aus­ge­rech­net in der letz­ten deut­schen Rechts­par­tei von Hoff­nung betrei­ben und den Deut­schen dabei mit den typi­schen Angrif­fen (Ras­sis­mus­keu­le, eth­nisch-deut­sche Inter­es­sen sei­en unmo­ra­lisch und aus­gren­zend etc.) das­sel­be ver­weh­ren möch­te, ist nicht akzep­ta­bel. Daher der Gegenwind.

Das ist eine fai­re Hal­tung, die die Bereit­schaft zeigt, auch den Inter­es­sen von Men­schen wie Cha­ker entgegenzukommen.

Cha­kers Pro­blem ist wie bei Utlu vor allem cha­rak­ter­li­cher Natur: Sie wirft stän­dig mit blind­wü­ti­gen Anfein­dun­gen um sich, ist nicht imstan­de, auch kon­struk­ti­ve Gesprächs­an­ge­bo­te anzu­neh­men, und “fischt” aktiv nach Wut­pos­tings, um sich anschlie­ßend als unschul­di­ges Opfer von Anfein­dun­gen zu prä­sen­tie­ren, denen sie dann “mutig” trotzt wie eine ori­en­ta­li­sche Jean­ne d’Arc. Sie kommt dabei nie aus dem pole­mi­schen Modus her­aus, der alle Din­ge schwarz-weiß malt (weiß sich selbst, schwarz die ande­ren), und ent­spre­chen­den Zorn zieht sie  auch auf sich (was wie­der­um ihre Müh­len wässert).

Gewiß ist hier auch eine tie­fe­re Pro­ble­ma­tik im Spiel, die über per­sön­li­che Cha­rak­ter­schwä­chen hinausgeht.

Cha­kers Ide­al ist ein Poli­ti­ker wie Geert Wil­ders:

Jüdi­sche Frau, Mut­ter aus Indo­ne­si­en, bes­te Freun­din Ex Mus­li­ma Ayan Hir­si, die Opfer von Zwangs­be­schnei­dung wur­de. Ein Mann der für Frei­heit, Wer­te, Kul­tur und gegen Faschis­mus steht. Davon kön­nen sich vie­le angeb­li­chen “Patrio­ten” in Deutsch­land eine Schei­be abschneiden.

Es ist eben so: Men­schen, die selbst eine hybri­de eth­no­kul­tu­rel­le Iden­ti­tät haben, füh­len sich in der Regel woh­ler in einer Gesell­schaft, die eben­falls eth­no­kul­tu­rell mög­lichst hybri­de ist. Das ist psy­cho­lo­gisch und mensch­lich nach­voll­zieh­bar, eben­so, daß sie sich auch Poli­ti­ker wün­schen, die die­ses Hybri­de (also sie selbst) reprä­sen­tie­ren. Aber was ist mit den Inter­es­sen jener, deren Iden­ti­tät weni­ger “divers” zusam­men­ge­setzt ist?

Ende 2020 habe ich mich mit die­ser Fra­ge in einem zwei­tei­li­gen Bei­trag aus­ein­an­der­ge­setzt: “Soll die AfD eine mul­ti­eth­ni­sche Par­tei wer­den?” (eins, zwei). Ich habe lei­der auch kei­ne ein­fa­che Ant­wort drauf.

Aber ich den­ke nicht, daß man sich an die­sen Punk­ten vor­bei­schum­meln kann, ohne Wesent­li­ches preiszugeben:

Es spricht nichts dage­gen, wenn die AfD unter bestimm­ten Migran­ten­grup­pen Ver­bün­de­te und Sym­pa­thi­san­ten sucht. Dabei soll­te es aber weder um die blo­ße “Optik” gehen, um Ras­sis­mus­vor­wür­fe abzu­schmet­tern, was erfah­rungs­ge­mäß ein aus­sichts­lo­ses Unter­fan­gen ist, noch soll­te ver­sucht wer­den, aus der AfD eine wei­te­re Mul­ti­kul­ti- oder Viel­völ­ker­par­tei zu machen, die den Bevöl­ke­rungs­aus­tausch als unver­meid­lich hin­nimmt und ihn ledig­lich ver­lang­sa­men und ein wenig erträg­li­cher regu­lie­ren will. Das lie­fe auf nichts ande­res hin­aus, als Yascha Mounk aktiv dabei zu unter­stüt­zen, daß sein berüch­tig­tes “Expe­ri­ment” doch noch funk­tio­nie­ren kann. (…)

… es soll­te klar blei­ben, daß die AfD vor­ran­gig dazu da ist, den Inter­es­sen einer bestimm­ten eth­ni­schen Grup­pe, näm­lich den Deut­schen eine Stim­me zu geben. (…) Und ich mei­ne hier natür­lich jene Deut­sche, die Deut­sche sein und blei­ben wol­len. Also jene, die sich nicht natio­nal­ma­so­chis­tisch-pseu­do­welt­bür­ger­lich auf­lö­sen, die noch Volk statt Bevöl­ke­rung sein wol­len, und die mutig genug sind, per­sön­lich dafür ein­zu­ste­hen oder die­se Hal­tung zumin­dest durch AfD-Wahl zu bekräftigen.

Wenn die AfD eine wirk­li­che Alter­na­ti­ve sein und ernst­haft das Natio­nal­staats­mo­dell ver­tei­di­gen will, dann muß sie hier ein­ha­ken und die Fra­ge nach dem Volk stel­len und den eth­ni­schen Volks­be­griff ver­tei­di­gen, der von der herr­schen­den poli­ti­schen Klas­se ver­femt wird, um das eth­nisch deut­sche Volk selbst abzuschaffen.

 

Martin Lichtmesz ist freier Publizist und Übersetzer.

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Kommentare (117)

brueckenbauer

30. Oktober 2024 21:31

Was die Juden betrifft, so haben Marine Le Pen und Donald Trump die jüdische Community in ihren Ländern wirkungsvoll gespalten. Es ist also nicht auszuschließen, dass das auch der AfD gelingt.

Gracchus

31. Oktober 2024 00:06

Bei dem Abend wäre ich gern dabei gewesen. Machen Sie doch eine Tour! 
Zufall: ich wurde auch (in meiner späten Jugend) wegen Depressionen zu Homöopathen, einem Ehepaar, geschickt. Fritsche habe ich erst vor ein paar Jahren entdeckt (vermittels "Seidwalk"). Den großen Holunderbaum fand ich gut, auch was er über Ketzer sagt, so krass würd ich's nur nicht formulieren. Ich habe das Buch verschenkt, weil ich dachte, es könnte dem Beschenkten auf die Sprünge helfen. Was ich nicht verstehe: anscheinend hält Fritsche Crowley für einen großen Eingeweihten. (Ich habe mich bisher nur vordergründig mit Crowley befasst). Können Sie sagen, warum? Dagegen kommt Steiner bei Fritsche schlecht weg - ich erinnere aber nur Kommentare en passant. Gibt es von Fritsche einen längeren, seine Kritik kondensierenden Text zu Steiner? 

ML: Ich denke, Fritsche hatte ein äußerst idealisiertes Bild von Crowley und ist auch auf dessen selbstgestrickte Legenden hereingefallen. Er erschien ihm als ein veritabler "Faust unserer Zeit", der tatsächlich über enormes theoretisches und praktisches okkultes Wissen verfügt. Man muß bedenken, daß er Crowley gelesen und rezipiert hat, lange, lange bevor er zur popkulturellen Kultfigur wurde und seine Texte überall als Taschenbücher greifbar waren. Er bekennt sich zu ihm, während er nur ganz wenigen Leuten ein Begriff ist, in der Adenauer-Zeit, die er für ihren biedermeierlich-bürgerlichkonservativen-christdemokratischen Materialismus verachtet. Fritsche sah in Crowley eine exemplarisch ketzerische, antibürgerliche Figur, die "das Schicksal trägt, Ärgernis zu sein", und eine Art Gnosis durch bewußtes, rituelles Hindurchgehen durch das Anstößige, Abseitige, ja sogar Perverse vollzieht. Dabei hielt er den "skandalösen" Crowley, der sich ganz unverholen zum "Mega Therion" erklärt, für eine Art Maskerade oder schwarzhumorige Eulenspiegelei, die alle Spießer und kleinen Seelen vor dem Zugang zu seinen im Kern erhabenen und aristokratischen initiatischen Lehren abschrecken sollte.

Was Steiner angeht, so gibt es meines Wissens keinen Text, der gezielt mit ihm abrechnet. Fritsche scheint den oberlehrerhaften, besser- und alleswissenden Gestus Steiners verabscheut zu haben. Eine zeitlang stand er selbst der Anthroposophie recht nahe, bzw. ihrem Ableger "Christengemeinschaft" unter Friedrich Rittelmeyer und Emil Bock. Seine spätere Abneigung nach dem Bruch mit der Gruppe hatte gewiß auch mit persönlichen Affekten und Enttäuschungen zu tun.

FraAimerich

31. Oktober 2024 08:30

Hier eine interessante Einlassung Fritsches aus einem Brief an E.S. vom 22.X.1952:
 
"Da Gott Welten will und innerhalb der Welten Sich Selber in mannigfach verteilter Form - als Saat freier 'Fünklein' -, ist Magie das Wagnis Gottes quer durch den Menschen hindurch. Der Nur-Mystiker hat es einfach: er geht lediglich zurück zum Ursprung. Wir Magier haben's schwerer; wir gehen mit Gott von Gott fort zu Gott hin. Dieser Weg führt durch die Kosmen und ist - Gott sei's gedankt und geklagt! - gefährlich. Aber wir wagen es, weil Er es offenkundig so wollte. Anderenfalls hätte er uns nämlich im Marionettenzustand belassen. Näheres bei Kleist in dessen Schrift über das Puppentheater. (…) Magie ist das, was von uns verlangt wird, trotz Fausts und Prosperos Kummer. Wer den Zauberstab nicht zerbricht, der landet einst beim Magus Maximus Solipsissimus, d.h. beim 'atthik jonim'. Mystik ist entweder Vorbereitung auf Magie, oder sie ist Fahnenflucht. Gott liebt (dies ganz unter uns) die magischen Teufel weit mehr als die mystischen Engel – und (noch mehr unter uns!) das große Geschrei im Hinblick auf die 'schwarze Magie' dient recht eigentlich nur der wünschenswerten Fernhaltung theo- und anthroposophischer ****** aus unseren Kreisen."
 
(Ganz am Rande: Fritsches "Flirt" mit der Christengemeinschaft dürfte wohl eher "persönlich" als "weltanschaulich" motiviert gewesen sein.)

MarkusMagnus

31. Oktober 2024 09:04

“Und sie bedeuten nichts"
Oder sie bedeuten alles. Es wäre vermessen anzunehmen das wir alleine im Universum sind. Vielleicht hat von Däniken recht.
Da Herr Lichtmesz ja auch ein grosser Filmfan und Kenner ist schlage ich vor im Sommer 2025 mal ein patriotisches Open-Air Filmfestival zu veranstalten.

Diogenes

31. Oktober 2024 09:52

"(...) Blaise Pascal hingegen erschauerte angesichts des “ewigen Schweigens dieser unendlichen Räume". - Lichtmesz
 
Nun schweigen sie nur für das menschliche Hörorgan, aber jedes Masseobjekt dort oben am Sternenhimmel hat eine eigene Vibration, einen eigenen Grundklang, welcher neben der Gravitation die Sphärenharmonie bestimmt (Abstände zwischen den Massen, Umlaufbahnen, etc.). Die nach seinem Entdecker benannte Schumann-Frequenz ist jener Grundton in dem das irdische Leben vibriert/schwingt. Ohne diese Frequenz künstlich zu erzeugen werden Raumfahrer (Auslandsbezeichnung: Astronaut/Kosmonaut/Taikonaut) krank. Die Sowjetrussen hatten dazu Studien gemacht. 
 
So still ist es also nicht, wie Pascal meint. Es gibt mehr das in direktem Zusammenhang steht, als unsere Sinneswahrnehmung erfassen oder das im Endlichen wurzelnde Gehirn begreifen kann. In welchem Zusammenhang steht das ägyptische Horus-Auge (Querschnitt der Zirbeldrüse) zur Sonne? Ist es Empfänger und die Sonne Sender? Ist das Herz Überträger unseres Spiritus? Je mehr Geistiges in Kriegsstimmung, desto wahrscheinlicher der Kriegsfall? Massen-Meditation, Bio-Photonen... was weiß die Mythologie davon zu berichten? Von Finsternis als Abwesenheit des Lichts(?) Vom Begreifen der Finsternis um sich des eigenen Lichts bewusst zu sein? Licht ohne Finsternis ist Stillstand. Daher die Fesselung der Beobachtung des Sternenhimmels in der Einsamkeit der Nacht? 

Ein gebuertiger Hesse

31. Oktober 2024 11:15

Was diesen Utlu angeht: Aussteigen kann er ja, ist ja ein freier Mann (hüstel), aber publikumswirksam dann nochmal nachtreten? Wer sowas tut, hat kein Format. Gut, DASS er ausgestiegen ist.
Davon abseits: Der Himmel, das Hohe, das wir nicht einsehen können, aber das uns doch ständig Ahnungen einflößt ... wir können dergleichen auf dieser einen Erde, gottverursacht oder nicht, nur im direkten Anblick perspektivieren (du guckst hoch, der Himmel guckt, wenn er mag, zurück). Aber wir sollten es tun. Schon deshalb sind wir "Rechte".
 
 

Laurenz

31. Oktober 2024 12:10

@FraAimerich ... obwohl mich beim Lesen des ML-Artikels eine gewisse Skepsis beschlich (, denn Zauberer handeln in der Regel & schreiben wenig), ist mir Ihre Einlassung aus Fritsches Brief sehr sympathisch. Woraus ziehen Sie den Flirt Fritsches mit der Christengemeinschaft? Weil Er Oberhaupt der Gnostisch-Katholischen Kirche für Deutschland war? Nehmen Sie das ernst? Hatte im Frühjahr häufig mit einem Briten auf (dem leider heruntergekommenen) VT zu tun, der Deutsch gelernt hatte, um Steiner im Original lesen zu können & mich, als Muttersprachler, dauernd nach Bedeutungsoptionen Deutscher Wörter fragte. Den Debatten mit diesem Steineristen wich ich aus. Da waren Dispute von Ecos Bernardo Gui Kindergeburtstag.

Franz Bettinger

31. Oktober 2024 14:46

@ML: Welches Sternzeichen sind Sie? Könnten sie es hinzeichnen? Würden sie es finden, am Nachthimmel? Erstaunlich, selbst Astrologen konnten mir die Sternzeichen am Himmel nicht zeigen, nicht mal das eigene. Nur drüber quasseln. Den Andromeda-Nebel habe ich noch nie mit bloßem Auge gesehen, ja nicht mal im Fernglas. Allerdings, wenig beindruckend: die Magellanschen Wolken. Was ist die Rangfolge der Sternzeichen auf Ihrer persönlichen Schönheits-Skala? Ich bete den Skorpion an, ein großes Sternbild (das größte?), das man in D nie sieht, gefolgt vom bekanntmarkanten Orion. / @Laurenz: Der mondlose Sternenhimmel ist nicht total dunkel. Bei einem solch mondlosen Himmel schlug ich mich (nach Kenterung) mal durch die griechische Nacht querfeldein durch die Steilschlucht des Bärenbach (oberster Aoos) zum Lager der Frauen durch. Unsere Augen adaptieren sehr gut. Sonst gäbe es ja keine Eulen und Katzen. 

ML: Also ich kann das Sternbild zu meinem Sternzeichen auch zeichnen. Mein Lieblingssternbild ist die Cassiopeia, gefolgt vom Großen Wagen.

Franz Bettinger

31. Oktober 2024 15:02

Ich war vor 20 Jahren mal eine gute Weile down, als mich ein Freund - ein Homöopath, ein berühmter gar - besuchte und mir nach längerem Gespräch seine magischen Globuli aufdrückte. „Ich weiß, du hältst nichts davon, aber nimm sie heute Abend nur so zum Spaß mal ein! Schaden kann’s nicht.“ Ich nahm sie entgegen, aber nicht ein. Als ich am nächste Tag aufwachte, hatte ich keine Sorgen mehr, und das blieb auch so, bis heute. - Was soll man davon halten? Zufälle gibt's? Oder: Ein Geist-Heiler! ;-) 

Laurenz

31. Oktober 2024 15:42

@Franz Bettinger @L. ... Du bist innerlich zerrissen, denkst & liest hier bei dem Magie-Thema MLs nicht richtig. Habe mich, entsprechend MLs Erfahrungssuche, öfters dem Astral-Himmel, wie auch dem Vollmond hingegeben, aber nie wirklich dem Neumond, auch nichts darüber geschrieben. Magie ist nichts anderes, als (Castaneda-Buchtitel) Eine andere Wirklichkeit (Realität). Man darf es auch als eine andere Wahrnehmungs-Ebene bezeichnen. Du hast Dich (als Arzt) noch nie mit Homöopathie beschäftigt, urteilst aber darüber, wie üblich, als Pseudo-Wissenschaft. Da geht es nicht nur um Globulis. Bei Deiner Ablehnung großer Teile der Schulmedizin, wirst Du glaubwürdiger, weil Du da wirklich viel durchgekaut, geprüft, hinterfragt hast. Die Astrologen mögen mit dem Einfluß der Astrologie auf Deine Wirklichkeit übertreiben, aber Du wiederum unterschätzt den Einfluß der Sterne. In dem Film https://www.youtube.com/watch?v=A24fWmNA6lM Climate: The Movie, erklärt ein Experte in Deiner Realität, wie das All, abseits der Sonne, unser Wetter, die Wolkenbildung, beeinflußt. Man kann den intellektuellen Ansatz MLs mit Fritsche machen, aber vom Denken alleine passiert aber nix. Das meinte ich mit Skepsis. Mach einfach mal eine Familien-Aufstellung. Das ist einfache Magie fürs Volk.

ML: Wobei Astrologie, wie ich sie (mit Fritsche) verstehe, nichts mit "Einflüßen" der Sterne zu tun hat, sondern eine Signaturenlehre ist.

Franz Bettinger

31. Oktober 2024 15:55

@Laurenz: Butter bei die Fisch: Was ist dein Sternzeichen? Kannst du es zeichnen? Und findest du’s am Himmel? Die meisten finden ihr Sternzeichen nicht & die anderen Zeichen sowieso nicht. Also: Was soll der Schwindel? Wenn sie so wichtig sind, die Zeichen, wieso  erkennt ihr sie dann nur in blöden Büchern, am realen Himmel aber nicht?! - Mein bester Freund ist (war; seit er während des Corona-Schwindels zum Impfenden Homöopathen H wurde, muss ich sagen: war) ein berühmter H. Zwangsläufig habe ich mich intensiv mit dem Quatsch beschäftigt. Fazit: H ist immer noch besser (wirksam nur über die Psyche; warum auch nicht?!) als Schulmedizin SM. Deshalb empfehle ich sie, wann immer die SM nichts als gefährlichen Unsinn anzubieten hat, und das ist in 80% der Fälle so. 

Franz Bettinger

31. Oktober 2024 16:13

@Diogenes: Wenn man die Zirpeldrüse (der Zapfen aka Glandula epinalis) chemisch oder elekrisch stimuliert, passiert: Nichts. Wenn man sie operativ entfernt, passiert: Nichts. Daraus, das habe ich es an der UCL gelernt, schließen die Forscher: Sie ist so unnötig wie der Blinddarm. Melatonin wird nämlich noch in vielen anderen Körperregionen produziert, ist also auf die Z nicht angewiesen. Auf Wiki liest man: "Eine Fehlfunktion der Z kann sexuelle Frühreife oder das Gegenteil bewirken, eine Verzögerung der Geschlechtsentwicklung." Herrlich dumm! Ich hoffe, im Rahmen des C-Schwindels haben endlich endlich viele das selbständige Denken gelernt. Sorry to be so apodiktisch! 

Der Gehenkte

31. Oktober 2024 17:28

@ Franz Bettinger
Ja, das ist komplett überzeugend - die Homöopathie haben Sie damit widerlegt und erledigt ... ohnehin eine Ihrer Spezialitäten! 
Es ist so wohlfeil, dieses da-ist-ja-nichts-drin-Argument. Hätten Sie sich die Mühe gemacht, Fritsches Arbeiten zum Thema zu lesen - die große Hahnemann-Biographie oder seine "Homöopathia Divina", die "Iatrosophia" oder "Die unbekannten Gesundheiten" nebst einer Reihe kleinerer Arbeiten ("Heilkundliches"), dann hätten Sie begreifen können, daß er von einem geistigen Prinzip spricht und daß die materialistische Deutung der Homöopathie gerade das Prinzip zum Gegenargument macht, so als wollte man Wodka vorwerfen, daß das Alkohol sei. 
Es ist sicher kein Zufall, daß Sloterdijk immer wieder die Homöomedizin als eine Form der Homöotechnik der Allomedizin als veraltetes Prinzip gegenüberstellt und Hahnemann als einen großen Innovator bezeichnet. Komischerweise akzeptiert man das bei der Impfung - da soll das Allo dann gelten ..., versteht aber das Große Ganze nicht. 

FraAimerich

31. Oktober 2024 18:41

@Laurenz (1)
 
Fritsches Rolle und Stellung als "Patriarch" innerhalb der GKK/FRA des "mexikanischen Rosenkreuzers" Arnold Krumm-Hellers ist umstritten. Eine "Bischofsweihe" macht noch kein Oberhaupt, kann ich Ihnen versichern. - Hermann Joseph Metzger wiederum wäre eine solche bei der Führung des Schweizer OTO gerade recht gekommen. So berichtet die Fama denn auch, er habe sie "rechtzeitig" kurz vor Fritsches Tod noch erhalten. Keinesfalls nehme ich derlei ernster als Fritsche selbst. Wie dieser über Ordensquerelen, Sukzessionen und Hochgradverkäufer dachte, klingt in seinen Briefen immer wieder an. 

ML: Besitzen Sie denn die drei dicken Briefbände?

FraAimerich

31. Oktober 2024 18:44

@Laurenz (2)
 
 
Von Crowley war Fritsche früh fasziniert - richtig überzeugt und zum Anhänger wurde er aber wohl erst durch Friedrich Lekve, der schon mit Crowley in Kontakt stand, als Fritsche noch "anthroposophisch" in der Christengemeinschaft verkehrte; ich vermute, nicht zuletzt seiner (ersten) Ehefrau zuliebe. Die zweite Ehe brachte Fritsche dann vorübergehend in "liberal-katholisches" Fahrwasser, das 1949 in der GKK/FRA mündete. Fortan galt Fritsche unter Anthroposophen als unschicklich, ließ in seinem Magazin "Merlin" für das "Thelemische Gesetz" werben und begann als Nathan Prager in Lekves innerem Orden der "Thelem Chassidim" zu verkehren, einem "Traumreich jenseits unserer Daseinsebene"...
 
 
Lekve war übrigens zeitweilig Oberbürgermeister von Hildesheim und stand in engem Kontakt mit der berüchtigten Agape-Loge des kalifornischen ONT, die vom Raketenforscher Jack Parsons geleitet wurde. Lesen Sie seine durchaus ernstzunehmende Biographie "Raumfahrt, Sex und Rituale. Die okkulte Welt des Jack Parsons". 

Diogenes

31. Oktober 2024 21:16

"(...) Nichts (...)" - Franz Bettinger
 
Manche Dinge können (noch) nicht nachgestellt werden (wenn es nicht nachgestellt werden kann, hat es keinen Nutzen; existiert in der materialistischen Wissenschaft nicht) und wenn es der hochnäsige Materialist doch tut passiert, wie Sie richtig schreiben: Nichts. 

FraAimerich

31. Oktober 2024 22:36

"Agape-Loge des kalifornischen ONT"
OTO muß es oben natürlich heißen - der ONT war der Neutempler-Orden, dem einst der Vater des Nibelungen-Regisseurs H. Reinl zuneigte, erwähnt im Nachbarstrang. Aber Lekve schließt auch diese Brücke: er stand in Kontakt mit Heinrich Miener, mit dem er sich über feentantrische Konzeptionen innerhalb des Nachkriegs-ONT austauschte. 

anatol broder

1. November 2024 00:59

aus dem kontingenten folgt das unmögliche, das auch als nichts unbekannt ist. der sternehimmel ist kontingent. also hat klonovsky recht.

Gracchus

1. November 2024 01:54

Danke, @ML, für die Erläuterungen. So ähnlich habe ich es mir gedacht. Ich habe mich zwischenzeitlich erinnert - ist noch abrufbar - an eine wahre Crowley-Eloge von Fritsche in der ZEIT (!) von 1950. 
Die Kritik an Steiner: durchaus verständlich. Mich haut's bei Steiner auch oft raus, man fragt sich, woher er das alles weiß (klar, aus der Akasha-Chronik - er muss sich deren bedient haben wie wir des Internets). 
Auch wenn Fritsche nur kurz mit der Christengemeinschaft geflirtet hat, war mein Eindruck doch (und die Zeit der Lilie-Gedichte, in denen ich soeben gelesen habe, bestätigen das), dass er an Christus orientiert ist, so dass ich ihn unter christlicher Hermetik subsumiert habe. Oder irre ich?

ML: Keineswegs, seine Schriften bis zu seiner zunehmenden Abkehr vom Christentum in den späten 40er Jahren kann man durchaus so subsumieren. Christus spielt aber auch danach in seinem Denken eine enorme Rolle. Wobei er "Christus" nur sehr bedingt mit Jeschua ben Josef, wie er Jesus von Nazareth nennt, identifiziert.

Gracchus

1. November 2024 02:05

Ad Magie: als Magie würde ich das Wirken aus der "anderen Wirklichkeit" (Laurenz) in hiesige bezeichnen. Hierbei wird der normale mechanische Kausalverlauf durchbrochen. Im übertragenen Sinne könnte man von einer creatio ex nihilo sprechen. Solches Wirken verdankt sich mystischer Eingebung und Gnosis. Alles kann zur magischen Tat werden - schreiben auch ( "Ach alles, was du schriebst, blieb immerdar Magie" - An Hans Leip). Dieses magische Wirken zielt aber wiederum auf die Einswerdung mit Gott. Die gesamte Schöpfung wird heimgebracht in dir Einheit mit Gott. 

Umlautkombinat

1. November 2024 07:54

@Der Gehenkte
 
> Hätten Sie sich die Mühe gemacht, Fritsches Arbeiten zum Thema zu lesen
 
Das ist wohlfeil.

ML: Ist es keineswegs. Ein sehr berechtigter Einwand.

Man muss nicht jeden Unsinn lesen, der schon bestehenden Unsinn - und das das Grundprinzip bildet nun mal "nicht-drin-sein" - weiter aufblaest und dann daraus versucht Nichteingeweihte zu postulieren, denen man  Nichtbegreifen unterstellt. Als ob "geistiges Prinzip" a priori irgendeinen Naehrwert haette. Uebrigens war schon die Stufe "Gedaechtnis des Wassers" ein nachgewiesener Schwindel. 
 
Ich finde uebrigens interessant wie Sie mittlerweile mit dem Begriff "materialistisch" umgehen. Ich erwarte offizielle Konversion in was auch immer innerhalb der naechsten 6 Monate :).
 
Sie muessen sich schon einmal den realen Dingen aussetzen und bereit sein die oft berauschenden Blasen des Gehirns ueberpruefen zu lassen. Leider lassen sich haessliche Begriffe wie Doppelblindversuch nicht aus der Welt schaffen. Kann aber durchaus sein - bin natuerlich auch unbelesener Ignorant des Autors - dass der Herr F. das auf eine Stufe geschoben hat, die solche Primitivitaeten ignorieren kann. Vielleicht gerade deswegen. Das ist dann aber Etikettenschwindel, denn klassische Homoeopathie kann sich dem gerade nicht entziehen.
 
 

Majestyk

1. November 2024 13:20

Mich dünkt Herr Chesterton hatte recht. Wenn Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben sie nicht an nichts, sondern an alles Mögliche.

ML: Es gibt eben verschiedene Vorstellungen, wer oder was "Gott" ist.

Vielen ist die nackte Realität wohl zu schnöde, weswegen die einen in eine konstruierte Wirklichkeit fliehen, die anderen ins mystische. Es sei jedem vergönnt, ein jeder eskapiert auf seine Art.
Nur im Alltag da würde ich mir wünschen, daß viele nicht allzusehr mit offenen Augen träumen. Aber wer weiß, vielleicht entfliehen die Eloi eh bald in die Matrix, falls sich genug Morlocks finden die Strom produzieren.

FraAimerich

1. November 2024 13:40

@ML  -  Ja, man kann aber durchaus auch schon in Kletts Privatdruck fündig werden. Etwa, wenn Fritsche seinen Verleger unter Hinweis darauf, daß "Frederic Mellinger aufs beschnittenste in Stein ist, frisch von Amerika herbeigeeilt, vermutlich um neue Hochgrade zu verteilen", zu einem gemeinsamen Besuch der Schweizer Abtei Thelema überreden will. (Brief vom 18.VII.1956)

MarkusMagnus

1. November 2024 14:50

@ Diogenes
"Manche Dinge können (noch) nicht nachgestellt werden (wenn es nicht nachgestellt werden kann, hat es keinen Nutzen; existiert in der materialistischen Wissenschaft nicht)"
Wie meinen Sie das? Reden Sie von bestimmten Vorgängen in der Natur wie z.B. der Photosynthese oder der Kernfusion?
Also Dinge die funktionieren, wir wissen sogar wie und sind dennoch nicht in der Lage sie zu reproduzieren? Jedenfalls noch nicht so das sie wirklich zur Lösung der Energieprobleme beitragen, nur Spielereien in Laboren und Test-Reaktoren.
Für mich ist die Lösung des Energieproblems der Schlüssel dazu das der Planet nicht den Bach runtergeht.

Diogenes

1. November 2024 15:23

"(...) "Gedaechtnis des Wassers" ein nachgewiesener Schwindel. (...)" - Umlautkombinat
 
Es gibt unter dem Mikroskop einen Unterschied in der kristallinen Struktur zwischen Wasser das Bewegung hat (also natürliche Wirbelungen bilden kann) und dem stehenden Leitungswasser ohne Bewegung das verklumpt/kaputt im Vergleich aussieht. Das kann man schon als Strukturgedächtnis bezeichnen. Als Stichwort darf beim Thema Wasserwirbel/Energiegewinnung darf auch ein Schauberger nicht fehlen oder ein Tesla. Und hier beginnt die Einsicht in die ganzheitliche Geometrie (oder Heilige als Gegenteil von Fehlend/Halb/Kaputt) da die Spiralwirbelstrukturen die das Wasser bildet immer wieder in der Natur auftauchen, so im Aufbau von Schneckenhäusern/Muschelhäusern. 

Umlautkombinat

1. November 2024 19:47

> ML: Ist es keineswegs. Ein sehr berechtigter Einwand.
 
Eine Begruendung haette das Weitere verkuerzen koennen. So fange ich dort an, wo es mir aufstiess. Bettinger bezog sich auf die materiellen Dinge, die in der Definition von Homoeopathie eine Rolle spielen. Darauf wurde ihm um die Ohren gehauen, dass er ein paar Regalmeter Fritsche nicht gelesen haette. 
 
Muss er dafuer nicht. Sollte Fritsche den Begriff Homoeopathie soweit abgeaendert haben, dass diese Begriffe in seiner Fassung verschwinden, dann redet man ueber etwas anderes. Dazu hatte ich meine Meinung schon gesagt.
 
Aber auch wenn man es nicht tut, sind Geschuetze wie vorgeblich unverstandenes "geistiges Prinzip" vs "materialistischer Auffassung"  Unsinn, wenn nicht gar unter der Guertellinie . Nicht explizit steht hier, dass Bettinger irgendwie materialistische Auffassungen vertreten wuerde, die baeh sind. Tut er aber in seinem Kommentar nicht, er greift materiell bezogene Begrifflichkeiten auf, die der Definition von Homoeopathie nicht einfach entziehbar sind. Materiell ist nicht Materialismus, so wie sozial nicht Sozialismus, feminin nicht Feminismus ist (ich bin mittlerweile soweit, dass jeder -ismus sein Grundwort nicht nur verdreht, sondern regelrecht gezielt gerade dessen definierende, in jedem Fall jede positive oder neutrale, Bedeutung angreift). 
 

Majestyk

1. November 2024 20:12

@ Martin Lichtmesz:
"Es gibt eben verschiedene Vorstellungen, wer oder was "Gott" ist."
Stimmt. Genau genommen gilt für Juden wie Christen:
"Du sollst dir kein Bildnis (...) machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist." - 2. Mose 20,4
Ich denke, Chesterton ging es darum, daß Menschen die nicht mehr an Gott glauben ihre Sehnsucht nach Glauben auf andere Glaubensquellen übertragen, siehe Marx, Feminismus, Apokalypsephantasien oder meinetwegen die Heilkraft von bei Mondschein abgezapftem Wasser. In all dem findet sich kein Gott.
Dies führt zur Aufsplitterung von Glauben und so erodiert ein verbindendes Element. Man kann zudem von den großen Religionen halten was man will, eine Bibel mag ihre Macken haben, aber als Wertenorm und Lebenskompaß war diese allemal besser als alles was der Zeitgeist so hergibt.
Die Menschen sind seitdem Sie Gott getötet haben und Ihre Kirchen verlassen eben nicht rationaler geworden und weniger verführbar, sondern eher noch verwundbarer gegenüber Scharlatanen. Und wenn ich mir anschaue aus welcher Ecke gegen den christlichen Glauben geschossen wurde, vermute ich stark, jene Orientierungslosigkeit und die damit einhergehende Entwurzelung sind nicht unbeabsichtigt. 
Man entfremdete Europäer ja nicht nur ihres Glauben, man nahm ihnen damit einen großen Teil ihrer Kultur. Was ist christliches-Abendland ohne Christentum und was füllt die entstandene Lücke?

Franz Bettinger

1. November 2024 21:07

Homöopathie behauptet, Wasser bekäme durch die Berührung (+ Verschüttelung) mit einem bestimmten Stoff, sagen wir Phosphor, eine Information, die es wirksam weitergeben könnte. Dem liegen mehrere logische Fehler zugrunde. Hier mal einer: Das so behandelte Wasser ist ja nicht jungfräulich, d.h. ohne jede Information. Es hat Vorinformation, existiert es doch bereits Milliarden Jahre lang und kam in dieser langen Zeit immer wieder mit ALLEN (rund > 100) Elementen in Berührung; wurde enorm oft geschüttelt (durch Regen, Gezeiten ...) und müsste also schon über eine irrwitzige Zahl an Vor-Informationen verfügen, bevor es in die Hände eines Homöopathen fällt. Das homöopathisch aufgepeppte Wasser wäre geradezu vermüllt mit Information. Und jetzt schüttelt einer dieses Müll-Wasser noch 20 mal (mit Phosphor) & verdünnt und schüttelt und glaubt, das mache einen Unterschied?! Der 1000ste Fick verändert die Erlebniswelt einer Hure, so dass sie zur Heiligen wird? Soll es geben. Nicht mein Ding. 

ML: Es ist kein Wasser, sondern eine Alkohollösung.

Blue Angel

1. November 2024 22:24

Danke für den interessanten und spannenden Bericht und die, teils auch sehr lehrreichen, Kommentare dazu: Wieder viel dazu gelernt und ein bißchen traurig darüber, daß solche Veranstaltungen nicht auch in näherem Umkreis stattfinden. - Wichtig und schön aber, daß sie stattfinden: Ich freue mich auf weitere Berichte darüber. 

Ingelore

1. November 2024 23:03

@Majestyk ich finde , das haben Sie wirklich gut gesagt , kann ich nur unterstreichen. Apokalypse heißt übrigens "Enthüllung", und das passiert zur Zeit. Erstens , weil die Menschen wieder nach der Wahrheit suchen und sie merken , das der "Zeitgeist"  dem natürlichen Wesen widerspricht , zweitens , weil die Eliten mehr und mehr ihre Absichten  offenbaren , weil sie annehmen  , ihre Pläne  seien  nicht mehr rückgängig zu machen , darum werden sie auch immer unverschämter.

Franz Bettinger

1. November 2024 23:20

@ML: Ändert die Tatsache, dass es Alkohol statt Wasser ist, etwas an meinem Argument? Ob es nun H20, C2H5OH oder ein anderer (länger-kettiger) Alkohol ist --> alle Moleküle haben Vor-Informationen. Keins ist unberührt, ungeschüttelt, jungfäulich. 

Diogenes

1. November 2024 23:23

@MarkusMagnus
Die Rede ist von der genauen Funktionsweise und Wechselwirkung der Zirbeldrüse (das ist das Organ das im Embryo nach dem Herzen ausgebildet wird) mit ihrer Umgebung (dazu gehören auch Photonen (Teilchen/Welle) unseres Zentralgestirns) als DMT-Produzent und Bio-Taktgeber, ähnlich wie die Schilddrüse (es kommt wohl nicht aus dem Ungefähr/Ungenau einer reinen Märchengeschichte heraus die in den Mythologien als Drittes/Inneres Auge Erwähnung findet und selbst in der indischen Nationalflagge Symbolik hat). Man könnte es auch Schwarze Sonne nennen (Innere Ordnung). 
 
Nein, nein, das Spiel der Sonne als Hochzeit der Teilchen (Atomkerne) bzw. Elternwerden in der Kraftfreisetzung des Prozesses, metaphorisch gesprochen (Implo/Fu -sion als "Kinderkriegen/Neubildung") oder das kontrollierte Explodieren (destruktive Kraftfreisetzung im Wirkprinzip wie beim Verbrennungsmotor) durch das Kerneknacken in der Reaktionskammer ist etwas anderes in der Technik als unsere Körper/Bioroboter bzw. dessen Steuerungsplatine in Naturtreue nachzustellen, denn dazu müssten wir bzw. Materialisten anerkennen das Bewusstsein nicht im Gehirn an sich entsteht, sondern eine Sendung/Empfang ist die erst durch das Gehirn in Filterung/Ichwerdung kommt. Nehmen Sie die dort (https://www.youtube.com/watch?v=gdTgx-nRvUM) erwähnten Informationen als Referenzpunkt zur weiteren Recherche in der Sache, wenn sie Interesse an der Sache habe. 

Waldgaenger aus Schwaben

1. November 2024 23:27

 Für viele Generationen war der gestirnte Himmel von Göttern und Geistern bevölkert. Im Judentum und später im Christentum zeigt Gott im Universum seine Größe, aber er ist nicht dort. "Brüder – überm Sternenzelt / muß ein lieber Vater wohnen", heißt es bei Schiller.
Viele der Heutigen im ehemals christlichen Abendland sehen ein dunkles, leeres und kaltes Universum. 
Manchmal dünkt es mich, dass das Universum immer ein Spiegel der Seele, dessen ist, der es betrachtet.
 

Franz Bettinger

1. November 2024 23:33

Bitte nicht missverstehen!  -  Ich bin ja für Homöopathie. Nur bin ich es aus anderen, von H.pathen in-akzeptablen, Gründen. Ich bin auch für die Beobachtung des Vogelflugs, Stuhl-Betrachtungen und für das Werfen von Runen und Knöchelchen. Alles ist besser als 80 % der klassischen Medizin! Da sehr viele Krankheiten psychosomatischer Natur sind, wirkt alles Mögliche, insofern auch die Psyche (und sei es nur nebenher) traitiert wird. Jede Zuwendung (und Pflege) hilft dem Menschen, dem Tier und vielleicht auch den Pflanzen.

Ingelore

1. November 2024 23:44

Die Gedichte von Herbert Fritsche sind sehr tief und bewegend , so eine Gabe  kann  einem Menschen  geschenkt werden , sofern der Blick in den Abgrund gewagt wird. Ich kenne nicht viele solch gute Gedichte und ich lese viele!. Auch die Leseprobe fand ich sehr spannend , auch da läßt er tief in sein Inneres blicken.Ich kannte ihn nicht , werde  mich aber sicherlich noch mit Ihm beschäftigen.Thorwald Detlevsen kenne ich , ich hatte mich vor 40 Jahren viele Jahre  mit Esotherik beschäftigt , ich habe auch das Buch " Krankheit als Weg" zu der Zeit gelesen. In dem Buch wurde sehr Eindrücklich der Zusammenhang zwischen Gelenkentzündungen und Geiz beschrieben.Da meine Mutter an Gelenkentzündungen litt, Arthritis, habe ich Ihr das Buch wohlwollend weitergereicht , um ihr etwas auf die Sprünge zu helfen.Das war allerdings  nicht so eine gute Idee , sie hat mich am Ende  enterbt.

Gracchus

2. November 2024 01:22

Die Bettinger-Anekdote unterstreicht aber doch die Heilpotenz des Geistes, getreu dem Spruch: Den Seinen gibt's der Herr (= Geist) im Schlaf - so dass diese tendenziell für die Wirksamkeit der Homöopathie spricht. Das materielle Prinzip, von dem Sie @Umlautkombinat sprechen, sind doch Heilerfolge, und offenbar sind die individuellen Heilerfolge von Homöopathen hoch genug, dass Patienten hierauf vertrauen. Hieran ändern auch Doppelblindstudien nichts, die m. E. eher ungeeignet sind, weil sie Dinge ausklammern müssen, ohne die Homöopathie nunmal nicht funktioniert. Überhaupt: Sie haben sich ja schon festgelegt, wenn Sie geistigen Prinzipien keine Wirklichkeit (und Wirksamkeit) zubilligen. 

MARCEL

2. November 2024 08:56

Von Giorgio Agamben gibt es einen kleinen Text über Zeitgenossenschaft. Diese versteht er nicht als Sympathie für die Tagesaktualität sondern als Bezeugen des vergehenden Lichtes in der Gegenwart, ähnlich dem Leuchten der Sterne, das aus der Vergangenheit zu uns herrüberschimmert.

Majestyk

2. November 2024 11:37

@ Ingelore:
Danke. Ich denke die Kirchen haben ebenfalls einen Marsch durch die Institutionen erfahren müssen. Damit kamen andere Themen, Werte, ein anderes Menschenbild und auch eine völlig andere Sexualmoral. Nachfolgend auch der Vertrauensverlust. 
Hinzu kommt eine verfälschende Geschichtsbetrachtung die Kirche gerne als den bösen Buben darstellt, was weder bezüglich Kreuzzügen, Hexen oder Missionierung derart einseitig stimmt. 
Das Chistentum und dessen Menschenbild stört bei der Transformation, vor allem wenn man islamisieren will. Im Christentum gibt es nämlich eine Akzeptanz des freien Willen. Der Islam hingegen basiert auf den Glauben an Vorherbestimmung, genau wie der Sozialismus. Freier Wille steht derzeit aber nicht so hoch im Kurs.
 

Umlautkombinat

2. November 2024 11:43

@Gracchus
 
> Das materielle Prinzip, von dem Sie @Umlautkombinat sprechen, sind doch Heilerfolge
 
Das ist die klassische Auseinandersetzung. Und da stehe ich nun ganz auf Seite der Placebointerpretation (was die genannten Doppelblindversuche auch unterstuetzen) und damit dem Nichteinfluss der materiellen Komponente. Gar nichts ist dabei dazu gesagt, wie stark ein placebo Heilung triggern kann. Ich persoenlich denke, sehr stark. Sie koennen nur die Formalisierung - also in dem Fall die geglaubte Homoeopathiebeschreibung - nicht wegnehmen, weil der "Patient" ohne sie die notwendigen inneren Kraefte zur Heilung nicht aufbringen  kann. Deswegen wehrt sich der Homoeopathieglaeubige auch i.a.R. sehr vehement gegen die Placebointerpretation. Das muss er, weil er sonst auf sich zurueckgeworfen wird, was ihn auf Grund seiner Persoenlichkeitsstruktur laehmt. Die Externalisierung in eine "Theorie" ist zwingend fuer das Mobilisieren des eigenen Koerpers. 

Majestyk

2. November 2024 13:13

@ Ingelore:
Habe nochmal nachgedacht. Es gibt noch etwas das Sozialismus und Islam eint und das ist der Antichristmus. 
Links ist wo Gott nicht ist und da ist dann Platz für dessen Konkurrenz.

Gracchus

2. November 2024 13:37

@Umlautkombinat:
Hier ein m. E. fairer und ausgewogener Text (https://harald-walach.de/2016/02/29/die-wiederentdeckung-des-rades-macht-es-selten-runder-homoeopathiekritik-geht-in-eine-neue-runde/). Zitat: 
"Man muss nämlich unterscheiden zwischen drei Typen von Aussagen:
1) Die eine Aussage behauptet, es wurde bislang noch kein zwingender, robuster Unterschied zwischen Homöopathie und Placebo gefunden.2) Die zweite Aussage konstruiert daraus: es ist belegt, dass Homöopathie Placebo ist.3) Die dritte Aussage macht daraus: daher ist Homöopathie untauglich.
Einen vierten Typ von Aussage, der von Homöopathiegläubigen gerne bemüht wird, lasse ich weg, weil ich sie für falsch halte: 4) Homöopathie hat wissenschaftlich bewiesen, dass sie von Placebo verschieden ist (und es ist nur allen möglichen menschlichen und Machtfaktoren geschuldet, dass sich dieses Wissen nicht durchsetzt).
Aussage 1 halte ich für diejenige, die den momentanen Stand unseres Wissens am besten wiedergibt. Daraus 2 und 3 zu machen, ist aus meiner Sicht wissenschaftlich unsauber und ethisch unredlich. Denn auch 1 ist durchaus strittig. Es gibt Belege in die eine und in die andere Richtung."

Gracchus

2. November 2024 13:53

Ergänzung @Umlautkombinat: ob homöopathische Präparate "nur" einen Placebo-Effekt zeitigen, ist für mich offen. Ob der Placebo-Effekt dann tatsächlich von der Gläubigkeit abhängt? Aus meiner Patienten-Erfahrung mit Homöopathie kann ich folgendes berichten: 1. Ich habe durchaus eine Wirkung verspürt, wenn auch nicht immer eine durchschlagende, also eher psychisch - diese gespürte "Wirkung" auf die Alkohollösung zurückzuführen, schließe ich bei 3 Tröpfchen eher aus, zumal die Wirkung auch unterschiedlich war. 2. Hat das theoretische "Gequatsche" von Homöopathen mich zumindest eher skeptisch gestimmt - und evtl. - nach Ihrer Theorie - den Erfolg gemindert. Daher reicht es m. E. das Hamlet-Zitat von der Schulweisheit aus. Anders gesagt: Das Geheimnisvolle kann viel eher wirken als ein explizites Aussprechen. 

Le Chasseur

2. November 2024 17:33

@Majestyk"Habe nochmal nachgedacht. Es gibt noch etwas das Sozialismus und Islam eint und das ist der Antichristmus. Links ist wo Gott nicht ist und da ist dann Platz für dessen Konkurrenz."
Gähn!
"Im Islam wird Jesus neben Adam, Noah, Abraham, Moses und Mohammed als einer der großen Propheten und Gesandten Gottes verehrt. Im Koran, der heiligen Schrift des Islam, findet er in 15 Suren und 108 Versen Erwähnung. (...) Der muslimische Glaube lehnt die göttliche Verehrung Jesu (Sohn Gottes) und der "Mutter Gottes" ab. Der Koran sieht Jesus lediglich als einen der Boten Gottes, zwischen denen kein Unterschied gemacht werden darf. Der Kern der Botschaft Jesu im Koran lautet: "Gott ist mein Herr und euer Herr, so dient ihm. Das ist ein gerader Weg." (Sure 3:51)" https://www.planet-wissen.de/kultur/religion/jesus_von_nazareth/pwiewissensfrage370.html

Majestyk

2. November 2024 19:11

@ Le Chasseur:
Kenne ich, ich habe auch eine Koranübersetzung im Regal stehen. Ich kenne alle Argumente von Islambeschwichtigern und dennoch zeigt sich der Islam intolerant gegenüber Christen und die Agenda der ICESCO zielt auch nicht auf ein friedliches Nebeneinander ab. 
Es ist aber sowieso ein Problem auf Basis einer Schrift argumentieren zu wollen, wenn die Realität eine komplett andere Sprache spricht.
Nur weil der Islam Jesus als Boten anerkennt, hat er es noch lange nicht mit Christen. Da können Leute wie Sie relativieren, abwiegeln und gähnen soviel sie wollen, wo der Islam sich breit macht stellt der früher oder später die Machtfrage und die Türöffner bekommen hinterher kein Fleißkärtchen.
Es gibt kein muslimisches Land wo Christen ihre Religion offen ausleben können. Nur der Westen hat es zugelassen, daß eine kulturfremde Religion hier eindringt und sich breit macht. Toleranz ist ein Zeichen von Schwäche und genauso wird das Appeasement verweichlichter Europäer von den Muslimen auch betrachtet. 
 
 
 

links ist wo der daumen rechts ist

2. November 2024 19:19

@ FraAimerich
Sie scheinen ja ein Kenner der „Szene“ zu sein. Vermutlich ist Ihnen auch der Schweizer „Okkultismusforscher“ Peter-Robert König ein Begriff; ich hatte eine zeitlang mit ihm Gedanken-und Dokumentenaustausch betrieben, da ich familiär etwas „vorbelastet“ bin (v.a. Richtung Rosenkreuzerei).
Sollten Sie genauere Auskünfte wünschen (konkret ging es u.a. um die Krumm-Heller-Sukzession), könnte Ihnen ja eventuell die Redaktion – ganz im esoterischen Sinne - meine Mailadresse zukommen lassen.
Ich hatte um dieses ganze Thema lange einen großen Bogen gemacht (ein Erbe dieser Art belastet ja auch), nähere mich aber in den letzten Jahren immer mehr an.
Daher Dank an Jörg Seidel und ML, die an Fritsche erinnern (seinen „Holunderbusch“ hatte ich genau ein Jahr vor diesem Artikel antiquarisch gefunden…).
Koinzidenz am Rande: ausgerechnet von Guido von List fand ich vor einiger Zeit Bücher mit seinem Exlibris.
Und unsere abendländische Geistesverfassung ist ja ohne diesen okkulten Unterstrom gar nicht denkbar (vgl. dazu etwa die Arbeiten von Frances Yates zum Rosenkreuzertum).

Franz Bettinger

2. November 2024 19:30

@Gracchus schreibt: „Offenbar sind die Heilerfolge von Homöopathen hoch genug, dass Patienten hierauf vertrauen.“ Dasselbe gilt für Aderlässe, von deren Wirksamkeit Therapeuten wie Patienten 1000 Jahre lang überzeugt waren. Selbstverständlich waren  auch Hexen überzeugt, Hexen zu sein. Wie geht Wissenschaft? So jedenfalls nicht.
@Meine Anekdote: Man stelle sich vor, ich hätte die Globuli tatsächlich eingenommen, wie empfohlen, und hätte nächsten Morgen festgestellt: meine Sorgen sind (und bleiben) verschwunden. Wer wäre dadurch nicht 100% von der H überzeugt worden! Fazit: Man kann sich täuschen. @Inge: Das Buch Krankheit als Weg kann ich nur empfehlen.

Ingelore

2. November 2024 19:40

Majestrik , ich habe Sie richtig verstanden und stimme ihnen auch in diesem Punkt zu , der Antichrist kommt aus dem Linkssozialismus und dem Islam .Leider sind die Kirchen auch auf diesen linksliberalen Zug aufgesprungen (siehe Regenbogenfahnen) und es gibt eine Spaltung wie nie zuvor.Die Bischöfe , die das erkannt haben , wurden exkommuniziert. , einer erst kürzlich.Er war der ehemalige Nuntius  in den Vereinigten Staaten und hat  sehr klar  durchschaut  , wie  der Hase dort  läuft und differenziert aufgeschlüsselt ,was zur Zeit politisch gewollt passiert , wir wissen das! Auch hat er öffentlich vor dem Tiefenstaat gewarnt.Darüber hinaus  hat er auch den Coronairrsinn erkannt und auch dazu  öffentlich Stellung bezogen.Natürlich hatte das keine mediale Wirksamkeit , so etwas geht völlig unter.Solche Informationen muß man sich zusammensuchen.

FraAimerich

2. November 2024 19:48

@ML - "Christus spielt aber auch danach in seinem Denken eine enorme Rolle. Wobei er 'Christus' nur sehr bedingt mit Jeschua ben Josef, wie er Jesus von Nazareth nennt, identifiziert."
Ein wertvoller Hinweis, denn Fritsche ging es als "Esoteriker"/Gnostiker um die "Erhöhung der Schlange am Holze", das als "Geheimnis" des "inneren Christus" auch mit den hier bereits angedeuteten Mystifikationen des "Dritten Auges" bzw. der Zirbeldrüse zusammenhängt. Jenem im westlichen Kulturkreis von Theosophen und Rosenkreuzern bewahrten "Geheimwissen", das bereits in der Theosophia practica des Mystikers und Herausgebers der Werke Jakob Böhmes, Johann Peter Gichtel (1638-1710) aufscheint, von dessen pietistischen Anhängern jedoch früh asketisch verflacht wurde.
Als Kenner gewisser kabbalistischer und gnostischer Überlieferungen wußte Fritsche sinnvoll auch den geopferten Ben Josef vom erlösenden Ben David zu unterscheiden, wo die christliche Überlieferung herumdruckst, über die beiden unterschiedlichen Stammbäume rätselt - und keinesfalls an die Apokalypse des Abraham erinnert werden will, die manchen die Wiederkunft des Messias herbeisehnenden Christenmenschen verunsichern könnte.

herbstlicht

2. November 2024 22:00

»Homöopathie«; kleimer Nachtrag zur fortgeschrittenen Debatte:1) Es geht mir nur um homöopathische Mittel in hohen Potenzen; nur diese sind, von der modernen Theorie der Struktur der Materie her, prinzipiell unverständlich.2) Der Placeboeffekt ist bekannt und ich kenne keinen Grund zu vermuten, daß er bei homöopathischer Behandlung nicht wirksam ist.  Auch hat @FB dankenswerter Weise auf die vergleichsweise Harmlosigkeit von H. hingewiesen; dazu die körpereigene Abwehr.  Weiteres siehe @Umlaut... 11:43.3) Wenn mir jemand von seiner/der Katze wundersamer Heilung durch H. erzählt, frage ich nach der Wahrscheinlichkeit, einer zufälligen Koinzidenz.  Manchmal habe ich dann grob abgeschätzt und dann stets Werte der Größenordnung 1/100 erhalten.  4) Die Wahrscheinlichkeit, auf dem Niveau Chemie/Moleküle eine Abweichung von der gründlich erprobten Theorie zu  beobachten, ist aber kleiner als 1/100000.  Leuten mit "Katzenheilung" empfehle ich, ihre Sache mit entsprechender Sicherheit zu belegen.  Sie dürften dann wohl bald eine Reise nach Stockholm unternehmen, um den Nobelpreis in Physik entgegen zu nehmen: sie hätten nachgewiesen, daß die Quantenmechanik wesentlich unvollständig ist.
@Gracchus, 13:37:  auch ich bin mit (1) einverstanden.

Gracchus

2. November 2024 22:13

@Fra Aimerich: Was hat es mit der Apokalypse des Abraham auf sich? Wie erklären Sie die beiden Stammbaume (Steiner nimmt zwei Jesusknaben an, erscheint mir ein wenig bizarr)? Heißt das, der Jesus am Kreuz, der Auferstandene ist nicht der Christus? 

Le Chasseur

2. November 2024 22:49

@Majestyk
Sie müssen doch zugeben, dass Ihr Argument "Es gibt noch etwas das Sozialismus und Islam eint und das ist der Antichristmus. Links ist wo Gott nicht ist und da ist dann Platz für dessen Konkurrenz." wenig stichhaltig ist, nachdem es im Islam ja auch einen Gott gibt. Und wäre ich Linker (also ein echter Linker), und müsste mich zwischen dem in Deutschland vorherrschenden weichgespülten Christentum und dem tendeziell doch eher strengeren Islam - “Moslems sind Menschen, die ihre Religion ernst nehmen.” (Volker Pispers) - entscheiden, dann wüsste ich, wie meine Wahl ausfallen würde.

Gracchus

3. November 2024 00:55

@Majestyk, Ingelore: Das mag sein. Aber was sind die Gründe dafür? Um den Bogen zu hiesigem Artikel zu schlagen: Bis ins Spätmittalter, auch noch bei Jacob Böhme, herrschte die Vorstellung, dass sich Gott neben der Bibel auch im Buch der Natur offenbart. Das Buch der Natur hat sich die (offizielle) Theologie durch die Naturwissenschaft komplett entwenden lassen. Sie hat sich mit der "Übernatur" als ihrem Bereich begnügt, so dass seitdem keine Brücke mehr zwischen Natur und Übernatur besteht. Der arme Christ sitzt - und darauf spielt das Pascal-Zitat an - in einem bedeutungslosen Universum. Innen und außen sind zerrissen, oben und unten, (Geist-)Seele und Körper. Unabhängig davon, ob Kügelchen wirken, bietet das homöopathische Setting einen Rahmen, dass sich der Mensch als leibseelische Einheit erfährt.  

Majestyk

3. November 2024 01:09

@ Le Chasseur:
Das schrieb ich 11:37:
"Ich denke die Kirchen haben ebenfalls einen Marsch durch die Institutionen erfahren müssen. (...) Nachfolgend auch der Vertrauensverlust."
Linke zerstörten die Kirchen von innen, wie auch andere Lebensbereiche, allen voran Ehe und Familie. 
Was genau die Faszination von Linken für den Islam ausmacht wäre noch zu ergründen. Vielleicht ist es sogar der Wunsch nach strengeren Regeln und Unterwerfung. Eigentlich sind Linke ja auch geistig wie Kinder. Die Begeisterung von deutschen Sozialisten für den Islam reicht jedenfalls bis ins Dritte Reich zurück und auch Muslime haben keine grundsätzliche Abneigung gegen linke Ideologie, siehe Arabischer Sozialismus. Die Einnistung des politischen Islam in Deutschland reicht übrigens bis in die Nachriegszeit zurück. 
"Links ist wo Gott nicht ist und da ist dann Platz für dessen Konkurrenz"
Der Satz ist doppelsinnig eindeutig. Die Linken haben Gott verbannt und zwar den Gott des Abendlandes. Deswegen sollen auch Kreuze aus dem öffentlichen Leben verschwinden. Und wie in eine leerstehende Wohnung kann jemand anderes einziehen, einerseits eben der Gott des Orients, andererseits all das was die einen Entgleisungen des Zeitgeistes nennen, worin andere Satanismus erkennen: Frau gleich Mann, Freiheit ist Sklaverei und Genitalverstümmelung nennt man jetzt Geschlechtsangleichung. 

Fonce

3. November 2024 02:28

"die mich in der vollgestopften U‑Bahn umzingeln und dabei ständig wischen, tippen, scrollen, glotzen ... Um die Wahrheit zu sagen, wäre es mir fast schon lieber, wenn sie stattdessen onanieren würden."
Die Zeitung kostet halt auf dem Smartphone nur 1/5. -- Früher war es auch nicht anders, da haben die Leute ständig mit der Zeitung geraschelt und in der Strassenbahn mit den damals grossformatigen Zeitungen dem vor ihnen Sitzenden am Kopf herumgewuschelt. Das ist bereits eine Vorstufe von Frottieren.
Manchmal hat es auch echte Frotteure in der Strassenbahn oder Exhibitionisten im Freihandmagazin der Bibliothek. Sind die Ihnen auch schon fast lieber?
 

Diogenes

3. November 2024 10:10

@Fonce
Sie haben sich jetzt ein Zitat aus einem Kontext geschnappt um daran Ihre Kritik aufzuhängen. Aber die Glozofon-Kritik geht ja noch weiter im Text. Ich denke nicht das die Zeitungsleute die Sie mit den Glozofon-Leuten in den Vergleich stellen an die Hohlheit der Homunkuli heranreicht, oder haben Sie schon mal einen Zeitungsleser gehend auf dem Bürgersteig angetroffen der außer der Druckerschwätzer auf dem Papier vor seiner Nase nichts mehr mitbekommt? 

Le Chasseur

3. November 2024 10:47

@Majestyk
"Was genau die Faszination von Linken für den Islam ausmacht wäre noch zu ergründen. Vielleicht ist es sogar der Wunsch nach strengeren Regeln und Unterwerfung."
Sind Mönche Ihrer Ansicht nach dann Linke?
Ich denke, was viele Linke am Islam faszinieren mag, ist die Bereitschaft zur Askese und die Opferbereitschaft für eine höhere Sache. Aber Zucht, Disziplin, Hierarchie, Opferbereitschaft sind doch alles Dinge, die eigentlich von den Rechten hochgehalten werden. Würden Sie den Kölner Karneval als rechts bezeichnen?
"Und wie in eine leerstehende Wohnung kann jemand anderes einziehen, einerseits eben der Gott des Orients, andererseits all das was die einen Entgleisungen des Zeitgeistes nennen, worin andere Satanismus erkennen: Frau gleich Mann, Freiheit ist Sklaverei und Genitalverstümmelung nennt man jetzt Geschlechtsangleichung."
Zeigen Sie mir den Muslim, der Geschlechtsumwandlungen nicht ablehnt. Das passt doch alles nicht zusammen.

Majestyk

3. November 2024 12:08

@ Le Chasseur:
Mir ist noch nie ein politisch Linker begegnet der tatsächlich in Askese lebt. Für andere fordern ja, selber so leben niemals. 
Und als letztes Jahr am 7. Oktober beim Kultur bereichernden Barbier auf unserer Hauptstraße ein Freudenfest abgehalten wurde parkten dort mehr BMW M und AMG als auf der IAA. 
Eigentlich kenne ich eh kaum Menschen, die wirklich so leben wie sie reden oder wie es ihre Glaubensvorschrift vorgibt. Ich kenne ja auch keine einzige Partei die nach der Wahl noch ihr Parteiprogramm ernst meint. 
Ich schrieb übrigens einerseits und andererseits. Wenn Sie aber nicht lesen wollen was ich schreibe, brauche ich ja nicht Aussagen kommentieren, die ich nicht getroffen habe. Es paßt für Sie nicht zusammen, weil Sie andere Standpunkte vertreten. 
Linke wie Muslime zerstören unsere Kultur und zwar Hand in Hand und jeder von denen benutzt den anderen. Für die Linken ist der Islam ein Werkzeug die eigene Kultur und Traditionen planzuschleifen, für Muslime sind Linke willkommen Türöffner, die ihnen die Eroberung Europas erleichtern und die man auch mal schmieren kann. 

Fonce

3. November 2024 14:08

"Ich denke nicht das die Zeitungsleute die Sie mit den Glozofon-Leuten in den Vergleich stellen an die Hohlheit der Homunkuli heranreicht" (@Diogenes)
Das Smartphone ist z.B. für viele Handwerker ein unverzichtbares Allround-Werkzeug als Kommunikationszentrale und Online-Büro für unterwegs. Sind jetzt alle Handwerker hohl, bloss weil sie konkurrenzfähig sein wollen? 
Ich glaube nicht, dass der Gebrauch des Smartphone (das ich selber nicht benützte) eine Art Indiz oder Gradmesser für die Hohlheit ist. -- Zuerst müsste man die Ursachen der Hohlheit herausfinden, und das wäre folglich die Sherlock Holmes Aufgabe, mit der ich Sie hiermit, sozusagen als Meisterstück, beauftrage.

FraAimerich

3. November 2024 18:25

@Gracchus  -  Die Frage nach den "widersprüchlichen" Geschlechtsregistern läßt sich theologisch nicht befriedigend beantworten. Es liegt auch der Verdacht manipulativer Texteingriffe nicht ganz fern; schließlich hatten beide Seiten im Streit um den wahren Messias etwas zu verbergen.
So konnte selbst Steiner, trotz Akasha-Chronik, letztlich nur "reimen"; denn er hatte wohl etwas läuten hören, wußte aber nicht recht, wo die Glocken hingen. In der Tat gibt es im Judentum eine frühe Vorstellung von zwei Messiassen. Die Gemeinderegel von Qumran spricht explizit davon. Besagte Abraham-Apokalypse wird ebenfalls Essenerkreisen zugeschrieben. Der Text erinnert seine Leser an die uralte Arbeitsgemeinschaft von Gott und "Satan" und eröffnet die überraschende Erkenntnis, mit welcher Frucht die am Baum der Erkenntnis erhöhte Schlange den Sündenfall bewirkt - und zu welchem Zweck (23,3ff u. 29,4ff)...
Ergänzend sei auf Moshe Idel verwiesen, der die kabbalistische Überlieferung erläutert, wonach es sich bei Jesus von Nazareth um einen "spirituellen Nachfahren" Samaels und Esaus handeln soll, der einst als "Reinkarnation" von "Gog/Magog" wiederkehren muß, um dem eigentlichen Erlöser den Weg zu bereiten. Die eigentliche Auferstehung des Gekreuzigten stünde womöglich also erst noch bevor.
Übrigens mußte sich auch schon Jacob der Vorzüge seines Bruders Esau (hebr. 'Asu!) bemächtigen, um das Volk Israel seiner Erlösung näher zu bringen.

Ingelore

3. November 2024 19:18

@ Le Chasseur @ Gracchus , es ging doch nicht darum , was Linke und Muslime gemeinsam haben und ob sie sie kompatibel sind , sondern darum , was einen Antichristen ausmacht.Sowohl die Linken als auch die Moslems verbannen das Kreuz aus ihrem Leben , sehen in Ihm einen  Skandal eine ,Dummheit , eine Schwäche. In Ländern , in denen der Politische Islam herrscht , werden die Christen verfolgt , die Linken setzen an die Stelle des Christlichen Opfergedankens ihre Ideologien , den linken  Sozialismus  . Auch Satanismus ist in unserer Kultur gesellschaftsfähig geworden  z.B. teilweise auch in der Rockszene.Das Symbol des Regenbogens , der einst die Verbindung  zwischen Welt und Himmel , Körper und Geist war , wurde zum "Alles ist erlaubt" pervertiert ,zum Relativismus und falscher Freiheit und macht auch vor den Kirchen nicht halt , vor den Kindern schon gar nicht .Mit viel Rethorik werden die Werte ins Gegenteil verkehrt .Gott wird aus unserer Gesellschaft verbannt ,und öffnet dem Teufel(Verdreher)alle Türen.Der Gott der Muslime ist nicht der Gott , der sich opfert und hingibt ,ein Erlösungsgedanke spielt in dieser Religion keine Rolle.Man muß nicht unbedingt katholisch sein , um das zu verstehen ,Intelligenz und Hausverstand reichen schon aus.

FraAimerich

3. November 2024 19:49

@l.i.w.d.d.r.i - Meine Streif- und Beutezüge durch die Okkultur habe ich bereits vor mehr als 10, eigentlich eher schon 20 Jahren eingestellt. Den OTO-Fachmann kenne ich natürlich. Besonders sympathisch waren wir uns gegenseitig nie - aber er hat Beachtliches geleistet und verwertbar gemacht.
Mir wurden Neid, Mißgunst und Intrigen unter Dokumentenjägern und Gerüchtesammlern irgendwann zu viel. Man erfuhr über die Protagonisten oft auch wenig Schmeichelhaftes - dazu diese unwahrscheinliche Häufung von Charakteren, mit denen man, jedenfalls ich, privat eigentlich ohnehin so wenig wie möglich zu tun haben wollte. Ausnahmen konnte man an einer Hand abzählen.
Letztlich habe ich, wie Fritsche und sein "Herr von der Sulzburg" - "viel alchymeit ... und viel vertan". Wenn Sie König "bedient" haben, hat dieser die Informationen doch sicher auch in sein Lebenswerk in progress aufgenommen? - Bin gar nicht sicher, ob ich die Sache mit der Sukzession noch genauer wissen möchte. Hätte ja fast gar nichts erreicht in meinem Leben, wenn der, der mir die Hand aufgelegt hat, sie seinerseits nur von einem aufgelegt bekommen hätte, der sie selbst nie wirklich aufgelegt bekam. Nicht auszudenken!

FraAimerich

3. November 2024 19:59

@Gracchus
Hier noch der vergessene Link zu Moshe Idel/Sefer Ha-Meshiv.

Majestyk

3. November 2024 20:30

@ Ingelore:
"Sowohl die Linken als auch die Moslems verbannen das Kreuz aus ihrem Leben"
Dies schon sehr lange, siehe Kruzifixstreit in Bayern und verdreht wurde das Kreuz schon in den 80ern in der Kölner Stunksitzung. Aber Muslime darf man bloß nicht provozieren und keinen Mohammed karikieren. Vorbei die Zeit als ein Rudi Carell sich traute den Ayatollah durch den Kakao zu ziehen und dies auch öffentlich durfte.
Aber gegenüber Christen darf man alles, da darf man auch mal nackt auf den Altar des Kölner Dom springen und kommt mit einer lächerlichen GEldstrafe davon. Letzte Woche wurde im ZDF gegen Trump gehetzt und gegen amerikanische Christen, man hätte meinen können die reden von den Taliban.
Mit dem Hausverstand ist das aber so eine Sache. Zumal, wenn selbst in rechten Kreisen auf innerliche Distanz zur christlichen Prägung des Abendlandes gegangen wird oder man gegen Katholiken wettert als wäre man noch im Dreißigjährigen Krieg.
Was Europa bräuchte wäre eine Art geistiger Reconquista, schwierig ohne Kreuz.

Diogenes

3. November 2024 21:02

@Fonce
"Das Smartphone ist z.B. für viele Handwerker ein unverzichtbares Allround-Werkzeug als Kommunikationszentrale und Online-Büro für unterwegs. Sind jetzt alle Handwerker hohl, bloss weil sie konkurrenzfähig sein wollen? (...)"
 
Ich möchte die im Artikel erwähnte Kritik nicht an der Stelle wiederholen. Man kann herauslesen welch tiefstehender Geist den Kern der Kritik bildet/bestimmt (die Ausführungen/Beschreibungen sind ja nur die Typologie des Phänomens). Es ist die Kernfrage: Wer/was ist Werkzeug vom wem? Die Frage was/wer Macht über einen hat. Die Gewichtung. Die Beschwerung auf der einen Seite gibt den Ausschlag auf der anderen Seite, was auch Ihre letztliche Frage beantwortet. Ist es der „Digitus“ (doppeldeutig sowohl das Digitale meinend als auch den Finger) des Demiurgen, der hier unsere Welt verdirbt/pervertiert, der von der Welt entfremden will, weil er Leben nicht als Leben begreift, da sein Wesen blind ohne „uns“ als Sklaven wäre (als Sklavendasein bezeichne ich mechanisch-oberflächliches Begreifen, eben was einen Homunkulus als Nachäffen niederer Handlung ausmacht).

Gracchus

3. November 2024 21:49

@Fra Aimerich: Das ist interessant. Nur erschließen sich mir die von Ihnen genannten Stellen nicht vollständig. Und ich frage mich, was den Text der Abraham-Apokalypse im Rang über z. B. das Johannes-Evangelium oder den christlichen Glauben erhebt bzw. was seine Wahrheit beglaubigt. Und was wäre das Kriterium? Dass die jüdische Kabbala Jesus nicht als Messias akzeptiert, ist nicht verwunderlich, aber auch hier: was ist wahr? Und verliert man sich dergestalt nicht in end- und fruchtlosen Spekulationen und Reflexionen - und ist am Ende doch, auf den "Sprung in den Glauben" angewiesen?

Gracchus

3. November 2024 22:01

@Ingelore: Ich habe ja gar nicht Unterschiede zum Islam in Abrede gestellt. Mir sind die Unterschiede, was Jesus angeht, natürlich bewusst. Dass Sie an das Kreuz erinnern, ist natürlich wesentlich. Auch in hiesigem Zusammenhang, weil - so mein Eindruck - gnostische Strömungen Gefahr laufen, das Kreuz zu umgehen.  

Laurenz

3. November 2024 22:41

@Ingelore, Le Chasseur & Gracchus ... Ihre Debatte ist völlig müßig, jetzt schon viele Beiträge lang, weil Ihre Debatte einseitig verläuft. Eine echte Debatte wird es hier nicht geben. Der Teilnehmer @Ingelore hat seine Niederlage längst eingestanden. Zitat: In Ländern, in denen der Politische Islam herrscht, werden die Christen verfolgt, die Linken setzen an die Stelle des Christlichen Opfergedankens ihre Ideologien, den linken Sozialismus. -Zitatende ... Tja, Ingelore, niemand bei Verstand will Opfer sein. Warum machen Sie es nicht umgekehrt & vernichten weltweit all dieses Teufelszeug, anstatt sich selbst vernichten zu lassen?

Diogenes

3. November 2024 23:02

Teil 1/2
"(...) Sie den Kölner Karneval als rechts bezeichnen?" - Fonce
Sie beschreiben treffend die Unschärfen die wabernd-plastisch als Horizont-Definitionen erscheinen und sich künstlich-krampfhaft versuchen einander abzugrenzen, obwohl ihre Kernfragestellung einander in der Antwortfindung bedingen; sie also aus dieser wie jener Ganggehung gestellt werden müssen ineinander übergehend als Sym-biose (einander-ergänzend-gedeihlich als Wirkprinzip) die "Syntaxis"-Antwortgebung begreifen lassen zu können. Der Ort an dem der Wohl und Heil gebende und tragende Baum wächst und wurzelt, dessen Sämling/Sproß man ist und von dem daher die Schauung der Welt stattfindet. Aus diesem Ort den wir Heim-at nennen heraus, stellt sich nun also der Sproß von seiner Wurzel (also Radikal wie das Radieschen) kommend dem Begreifen dessen was sich wirklich hinter den Worten "Soziales" und "Nationales" verbirgt - er aus seinem Selbst(-verstehen) heraus, aus dem er/es kräftig/mächtig/tragend (wie seine Abstammung vom Baume Wurzel her) wurde? "Sozialismus" und "Nationalismus" sind also, jeder Ismus für sich alleine genommen,wie auch als theoretische Denkschule zusammen-gedacht, von der Warte der/des Betrachtung/Begreifens abhängig und können nicht in verfestigt-dogmatischen Ideologien/Religionen abgekoppelt ein "Eigenleben" als Abstraktum/Entwurzeltes beginnen

Diogenes

3. November 2024 23:03

Teil 2/2
Das ergibt Denkfehler wie: Es gebe eine Universal-Antwort als Generalschlüssel der unabhängig der Unterschiede der Persönlichkeiten/Gemeinschaften-Menschenvölker überall gleich als „Gesellschaft“ funktionieren/passen muss (eben von diesem Unsinn/Idiotie ausgehend: "Der Mensch", "Die Kultur", die keine Wurzel kennt und damit auch keinen "Vater" und keine "Mutter"). Das weibliche und männliche Prinzip der Schöpfung: Soziales (Füreinander, Fürsorge) kommt eher aus dem weiblichen Geschlecht und Nationales (Pragmatischer Festungsbau um diesen liebenden Kern der alleine ungeschützt/wehrlos ist) aus dem männlichen Geschlecht und beide Prinzipien brauchen einander zum gegenseitigen Begreifen um Neuschöpfung (eben Vater/Mutter) zu er-wirken. 

Majestyk

4. November 2024 10:27

@ Laurenz:
"vernichten weltweit all dieses Teufelszeug"
Sie reden wie Brock Chisholm. Seines Zeichens Eugeniker und Gründer der WHO. Der war nicht nur der festen Überzeugung, daß es eine Weltregierung braucht, sondern wollte zu diesem Zweck auch jede Moral, Tradition, Kultur und Religion schleifen. Auf die Idee, daß all dies gut ist, weil es Menschen Halt und Orientierung gibt wäre der nie gekommen.
Im Übrigen ist das was Sie fordern, die Aufgabe der eigenen Kultur zu der eben auch Religion gehört nur um nicht überrannt zu werden, auch nichts anderes als Selbstmord um nicht sterben zu müssen.

FraAimerich

4. November 2024 11:45

@Gracchus  -  Glaube ist letztlich ein Willensakt - darum ging es mir nicht, da bin ich mal "ganz liberal". Auch nicht um "Rangordnungen". Aber Fritsche bewegte sich nun mal in der kabbalistisch-gnostischen Tradition und ich habe verrückterweise versucht anzudeuten, was der darin oszillierende Begriff "Christus" bedeutet und mit welchen eschatologischen Vorstellungen er verknüpft ist, weil Sie in die Richtung und zu den "zwei Abstammungslinien" gefragt hatten. Auch Fritsches geistiger Hauptvorbehalt gegen Steiner gründet m.E. darin.
(Und keine Sorge, dem Kreuz entgeht in diesem Jammertal nicht mal der Gnostiker; allenfalls macht er sich eine andere Vorstellung davon, aus welchem Holz es geschnitzt ist und wie man davon loskommt.) 

Fonce

4. November 2024 11:53

Der einzige Grund, warum ich das Smartphone nicht benütze ist, dass es mir zu klein ist (ich benütze PC und Festnetztelefon). Ich bekomme Platzangst, wenn ein ganzes Büro fast an einem Punkt stattfindet, so wie beim Smartphone.  Ich könnte selber auch nicht durch eine enge Höhle kriechen, weil ich sonst Angst hätte, dass ich stecken bleibe und nachher weder vor- noch rückwärts kann.
 
Wenn jemand aber frei ist von dieser Beklemmung, und sich also frei fühlt, wenn er immer nur an einem Punkt ist, wieso sollte er dann, weil er das Smartphone benützt, abgekancelt und -gecancelt werden von woke-altklugen Kritikern (@Diogenes)?

Ingelore

4. November 2024 11:57

@ laurenz , ihnen geht es um Sieg oder Niederlage , mir geht es um die Wahrheitsfindung , und dafür braucht es eine Debatte. Das Wesen einer Debatte ist , dass sie eben nicht einseitig verläuft , sondern Wiedersprüche zulässt. Eine Debatte über solche Themen ist kein Fußballtunier. Alles , was Sie nicht verstehen , sollte aus ihrer Sicht möglichst  nicht zum Thema gemacht werden und wird von Ihnen verächtlich gemacht .Sie können gerne über mich spotten , damit stellen Sie sich selbst blos.Ich erwähne das Kreuz und das Opfer,  weil es  in der Katholischen Lehre wesentlich ist , als Sieg über den Tod , darin liegt die wahre Freiheit des Menschen. Das als Teufelszeug zu betrachten ist absurd . @Gracchus Glauben heißt ja nicht , alles für wahr halten , sondern erst einmal einen Teil einer Lehre anzunehmen und zu prüfen , ob sie sich als wahr bestätigt ,auch durch die Vernunft, in der Rückschau oder auch ob es ein tiefes , inneres für Wahr halten gibt ,auf das man aufbauen kann .Gerade das Übernatürliche sind Begebenheiten  , die  mit dem natürlichen Verstand nicht zu begreifen sind.Ich habe mich auch  eingehend mit  Esoterik beschäftigt , aber schon lange davon verabschiedet , weil es nur zur Verwirrung und Spekulation führt , und nicht zu fundamentalen Antworten. Jakob Böhme taucht  in einem sehr schönen Gedicht von Novalis auf  , darum habe ich ihn gegoogelt , war mir aber nicht bekannt.

Diogenes

4. November 2024 15:08

 
@Ingelore "(...) als Sieg über den Tod (...)"
Wer denkt in menschlichen Kategorien, wie Sie meinten? Es kann keinen Sieg über den Tod geben, weil der Tod nur das Gefäß betrifft, nicht den wiederkehrenden Bewusstseinsaspekt als Gefäßbeseelung/Gefäßbewegung.
 
Übrigens finde ich die Wortschöpfung "Quantenphilosophie" recht gelungen… https://www.youtube.com/watch?v=1orsXw84ciY ("Quantenphilosophie und »Interwelt«, Religion und Naturwissenschaft | Ulrich Warnke im Gespräch"), man könnte es erkenntnistheoretisch auf "Quantentheosophie" ausweiten - die Wechselwirkung zwischen Quanten und Erkenntnisprozess/Bewusstwerdung dessen was beobachtet wird (sich einen Begriff davon machend woher Schöpfung kommt bevor es Materie/Form wird; die Verfestigung). 
 

Fonce

4. November 2024 15:16

Der Terrorist Theodore Kaczynski, der in diesem Tagebuch als Führungsperson vorgeschlagen wird, hat einen verkrampften Ausdruck um den Mund herum (vgl. Wikipedia-Photo). D.h. er ist nicht gelassen. Gemäss General Hammerstein-Equord* taugt jemand für höchste Führungsaufgaben (wie sie Kaczynski für sich offensichtlich in Anspruch nimmt) nur, wenn er klug und entspannt ist. Also ist Herr Lichtmesz' Verweis auf Kaczynskis PDF, das wie ein Schlagrahm auf den Smartphone-Teil aufgesetzt wird, ein Irrlicht.
 
---------------------------------------------------------------
*  @Gracchus’ Kommentar sowie meiner Erklärung dazu, beide in: https://sezession.de/69634/kritik-der-woche-65-muslimische-immigration

Laurenz

4. November 2024 16:28

@Ingelore @L. ... Verfolgen Sie die Debatte unter dem durchaus guten ML-Artikel. Daß ein 2ter Beitrag von mir veröffentlicht wurde, grenzt schon an ein biblisches Wunder. Hieran erkennen Sie die Wahrheit über die Funktionsweise von Religionen.​​​​​​​@Majestyk @L. ... WHO ... Sie leugnen also den Globalismus des Papstes, der Protestantischen Mission, der Islamischen Mission, des Jüdischen Weltkongresses & der erfolgreichsten Sekte, die us amerikanischen Buchhalter?

Ingelore

4. November 2024 20:17

@ Diogenes , das muß Sie ja sehr getroffen haben , dass ich Sie als Mensch und nicht als übergeordnete Bewußtseinseinheit betrachte.So etwas vergißt man nicht.Ich glaube nicht an Reinkarnation , sondern daran ,dass ich nur dieses eine Leben und damit auch eine besondere Verantwortung habe .Meine Zeit ist also begrenzt , wie alles in dieser Welt. Wenn ich sterbe , dann ist das Leben im Raum und Zeit beendet , ich kehre nicht zurück in ein neues "Gefäß", wie sie es nennen. Das Leben ist darum einzigartig .Der Leib verwest und die Seele kehrt zu Gott zurück , von dem sie ausgegangen ist und nach dem sie sich sehnt.Die Seele lebt in der Ewigkeit ,in einer Dimension außerhalb von Zeit und Raum weiter, und zwar ewig. Sie hat aber nur hier im Raum-Zeitlichen die Gnade und die Freiheit sich zu entwickeln  und zu heiligen.Nach dem "Tod" sind keine Endscheidungen mehr möglich (End-Scheidung), das gibt es in der Un-Endlichkeit nicht mehr.Darum ist es so wichtig , sich darauf vorzubereiten und dafür Sorge zu tragen, in welchem Zustand die Seele zurückkehrt zu Gott. Wenn die Seele " versifft" ist ,kann sie es in der Anschauung Gottes gar nicht aushalten und sucht sich freiwillig ihre Entsprechung.Ist sie geheiligt , geht sie an einen anderen Ort, der um Einiges schöner ist und einer geheiligten Seele entspricht.Oder sie muß erstmal durch die himmlische Reinigungsanlage mit Schleudergang!

Ingelore

4. November 2024 20:46

@Majestyk , es stimmt , was Sie sagen ,die Dominanz der Selbstgerechtigkeit ist wohl das größte Übel dieser Zeit, sie sucht immer nur sich selbst, das eigene Konzept , das eigene Denkmuster , das eigene Prinzip.Sie nährt sich von Dummheit , Faulheit und Größenwahn und kommt meistens laut daher.Sie kann nicht für sich alleine stehen , sondern braucht die Zustimmung der anderen. Ihr Werkzeug ist die Manipulation.                                                                              Die Wahrheit spricht für sich selbst , sie ist subtil und leise , braucht sich nicht erklären , folgt einer unbestechlichen Logik ,kann mutig alleine da stehen , hat Zeit und kann warten. Sie will immer das Gute für alle und wird darum immer zum Sieg führen.

Diogenes

4. November 2024 21:54

"(...) das muß Sie ja sehr getroffen haben (...) - Ingelore
 
Ich erinnere Sie nur unabhängig von Ihrem Religionskanon an Ihre eigenen Worte soweit Sie den Dialog betreffen. Was Sie daraus rückschließen geht soweit auf Ihr Ich/Ego zurück, also die Filterung Allbewusstseins durch das Gehirn. 
 
 

Laurenz

4. November 2024 22:10

@Ingelore @Majestyk ... Wahrheit kann warten. Sie will immer das Gute für alle & wird darum immer zum Sieg führen. ... Wann führte denn bitte die Wahrheit in den letzten 2.000 Jahren zum Sieg & zum Guten? Vergeben Sie mir bitte meine sündhafte Neugierde...

Ingelore

4. November 2024 22:58

@laurenz , ich lese alle Beiträge , und zwar sehr gründlich.Ich freue mich für Sie , dass Ihre Beiträge veröffenlicht worden sind , ich habe ja auch für Sie gebetet.!!Aber auch was man in Wikipedia so findet , muß geprüft weden.Vom Protestantismus habe ich mich verabschiedet , die Enscheidungen das Papstes sind  teilweise sehr weltlich angepasst Der bessere Theologe war Papst Benedikt. Wemm ich etwas über das Christentum oder andere Religionen , Theologie oder Philosophie wissen möchte , steht mir eine umfangreiche Bibliothek zur Verfügumg (6000)Stück , unter anderem auch alle Werke von Fichte, von dem hier auch schon die Rede war.Ein gutes Buch , das ich empfehlen würde hat den Titel    "Liberalismus ist Sünde"von Monsignor Dr. Felx Sarda Y Silvani geschrieben 1880, ist vielleicht noch antiquarisch zu bekommen.Ein weiteres empfehle ich "Der Sündenboch "von Rene`Girard.Beschreibung: Was bereits Myhten erzählen und bis heute gültig ist:Die Geschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Gewalt, der Ausstoßung und Vernichtung von Sündenböcken zum Wohle der Gemeinschaft. Girard  beschreibt und analysiert verschiedene Mechanismen der Gewaltausübung und zeigt,wie sie durchbrochen werden können. 

Gracchus

5. November 2024 00:00

@Fra Aimerich: den - krassen - Idel-Text habe ich nun zumindest quer gelesen. Mir war nicht so klar, dass sie nur Anschauungen Fritsches referieren. Es wäre natürlich interessant zu erfahren, wo sie selber stehen oder gehen, wenn Sie sagen, der okkulten Szene adieu gesagt zu haben. 
Glauben ist ein Willensakt, aber nicht nur. Denn m. E. ist es in erster Linie Vertrauen, und es unterliegt nicht allein dem Willen, wem oder was man vertraut. 

Nath56

5. November 2024 00:04

I.
@Ingelore Ihre Unsterblichkeitskonzeption ist zwar durch die katholische Dogmatik gedeckt, nicht jedoch durch die altestamentarische Bibel. Die Hebraer kannten keine Unsterblichkeit der Seele, mit dem Tod des Koerpers erlischt auch sie, bzw sie geht ein in das schattenhafte Reich des Sheol, in welchem sich Gerechte ebenso wie Ungerechte nach dem Ableben wiederfinden. Im gesamten Tanach werden sie keine Stelle finden, die auf ein nachtodliches ("himmlisches") Dasein verweist. Lohn bzw. Strafe laesst Jahwe den N a c h k o m m e n  der Betreffenden auf Erden zukommen. Was fuer ein subtiles Gerechtigkeitsempfinden! Erst durch den Einfluss der persischen Besatzungsmacht und die von dort stammende Zarathustra-Religion sickerte langsam die Idee der Auferstehung des Leibes (wie auch die stetig zunehmende Bedeutung Satans als ernstzunehmender kosmischer Gegenmacht zu El) ins Judentum ein. (Religionen sind keine monolithischen Entitaeten aus einem Guss.) In diesem Zusammenhang sind auch die von den Sadduzaeern abgelehnten messianischen Bewegungen des spaeten Judentums zu verstehen: Der Messias erkaempft ein neues Gottesreich auf E r d e n - die Frommen erlangen danach das ewige Leben, die Frevler nicht (von ewigen Hoellenstrafen ist hier nicht die Rede). So ist auch das ganze Aufhebens zu begreifen, das Juden wie Christen um die Auferstehung des Koerpers machen. Die Seele kann naemlich nicht ohne ihn existieren. Wenn der Mensch weiterleben soll, dann nur in demselben einen Koerper, den Jahwe fuer ihn geschaffen hat, deshalb ist auch die Erdbestattung so wichtig. 

Diogenes

5. November 2024 08:25

@FraAimerich
"(Und keine Sorge, dem Kreuz entgeht in diesem Jammertal nicht mal der Gnostiker; allenfalls macht er sich eine andere Vorstellung davon, aus welchem Holz es geschnitzt ist und wie man davon loskommt.)"
 
Erkenntnis, das was der Gnostiker in seiner Philosophie sucht, findet sich im Quellenstudium; so denn der Ursprung des "Kreuzes" im "Anch" seine Bedeutung als ewige Wiederkehr der "Seele/Aspekt" des Allbewussten im irdischen Gefäß findet. Juden, Christen, Mohammedaner - sie sollen sich nicht immer so wichtig in ihren religiösen Egoismen nehmen. Ihre Geschichte ist jung (selbst das Judentum als altägyptischer Kult). 

FraAimerich

5. November 2024 10:33

@Gracchus  -  Ich bin nur ein bescheidener Tagelöhner im Weinberg des Herren! Daß das Christentum für mich esoterische Wahrheiten birgt, deren Erkenntnis einen an den Rand der Häresie und darüber hinaus bringen können, habe ich bereits einmal festgestellt. Letzteres gilt es auch und gerade zu beachten, wenn man sich mit christlicher Hermetik befaßt. Hier wurden häretische/gnostische Vorstellungen hinter christlicher Symbolik nicht selten bewußt verborgen - im besten Fall zur subtilen Korrektur christlicher Irrtümer.
Wahrheiten sind ja nicht automatisch "befreiend", sie können bestürzen und erdrücken, wenn man ihnen unvorbereitet ausgesetzt wird. Einige Wahrheiten sind geradezu entsetzlich. Drum richtet man sich meist in den Wahrheiten ein, die einem entsprechen und die man gerad noch so ertragen kann.

Ingelore

5. November 2024 11:05

@Laurenz , der Drang nach Bildung und Wissen ist  keine Sünde, sondern etwas Natürliches .Eine grenzverletzende Neugierde schon ,das muss man unterscheiden. Von Sieg kann ich sprechen , wenn ich ein Ziel gewählt und für mich gesetzt habe. Die Ziele können sehr unterschiedlich sein. Ich könnte z.B.das persönliche Ziel haben , eine Sucht zu überwinden, dafür muß ich mir jedoch die Sucht eingestehen, mich also mit der Wahrheit konfrontieren. Als Sieg über die Lüge betrachte ich auch die Veröffentlichung der Coronaprotokolle, es gab sogar  einen zusätzlichen whistleblover , der das Ganze noch ergänzen konnte ,was von den Gerichten als Beweis anerkannt wird , sodaß die Wahrheit auf den Tisch kommt .Dr.Homburg referierte darüber.Das hat viele Menschen aufwachen lassen und und zum Nachdenken gebracht und wirft weitere Fragen auf, z.B.warum lügen die Medien.In welcher Meziehungen stehen die Medien zur Politik , welche Rolle spielen die Eliten?Die Geschichte ist voll von Niederlagen , aber auch von Siegen. Kriege entstehen in der Regel aus niederen Beweggründen der Menschen , das ist die Logik eines  Krieges. Das kann er aber erkennen und ändern , wenn er es will .Das wäre auch ein Sieg.Gott läßt uns die Freiheit , das Böse oder das Gute zu wählen , er lässt das Böse zu , sonst wäre der Mensch nicht frei.Auch Sie haben Ziele die Sie anstreben und wollen Siege erringen,sonst würden Sie die Hände in den Schoß legen , und nicht so fleißig kommentieren.

Ingelore

5. November 2024 11:44

@nat 56 , es ist alles richtig , was sie schreiben , nur lassen Sie das entscheidene Ereignis weg , auf das unsere ganze Zeitrechnung zurückgeht , es gibt ein vor Christus und ein nach Christus, Altes und Neues Testamen.Das neue Testament hebt nicht das alte auf , sondern ordnet  die Würdenhirachie komplett neu.Es ist Gott , der sich in Menschengestalt offenbart  und opfert, der in das Totenreich hinabsteigt und die Menschen aus diesem Tod erlöst .Er öffnet damit für alle Menschen , die an ihn glauben den Zugang zum  Himmelreich .Er ist auch leiblich auferstanden und hat sich seinen Jüngern gezeigt.Auf diesen Erlöser haben die Juden seit Moses gewartet und die Propheten haben ihn immer wieder angekündigt.Sie haben darauf gehofft , dass ein Retter kommt , der ein friedliches Gottesreich auf Erden schafft.Sein Reich war jedoch nicht von dieser Welt. Die Juden warten immer noch auf das Kommen des Messias und bereiten sich ganz konkret darauf vor!!Die Seele kann auch ohne Körper existieren , ist jedoch auf Leibhaftigkeit angelegt und wird am Ende der Zeiten auch leibhaftig auferstehen.Diese Wahrheit wollen die Menschen nicht annehmen , weil sie sich diesm Gott nicht unterordnen wollen und verbannen das Kreuz(subtiles Zeichen)aus dem öffentlichen Raum.Dabei vergessen sie , das Gott sich selbst geopfert hat , aus Liebe zu uns ,die niemals Macht missbrauchen kann.Er ist sowohl barmherzig , als auch gerecht.

Majestyk

5. November 2024 13:37

@ Laurenz: 04. 11. 2024 16:28
"Sie leugnen also"
Streichen Sie die Vokabel "leugnen" aus Ihrem Wortschaftz, es sei denn Sie möchten Häretiker verfolgen.
Ich unterwerfe mich keinem Bekenntniszwang, auch dem Ihren nicht. 
Meine Aussage war klar erkennbar, Zerstörung von Traditionen und Kultur zur Verwirklichung einer Agenda, gleich wie die derzeit benannt wird. Weswegen jene die den Kulturraum Europa erhalten wollen eben nicht ins selbe Horn stoßen sollten und Kulturkampf gegenüber jener Religion betreiben, die europäisches, abendländisches Selbstverständnis überhaupt erst mit erschaffen hat. Jetzt wo das Chistentum in Westeuopa schwächelt braucht man auch nicht nachtreten.
Ihre Relativierung, daß auch andere missionieren ist nicht hilfreich. Es geht um den Islam, Kulturzerstörung und Wegbereiter eines physischen Austauschs zugleich und es geht um jene Kräfte die den Islam als ihr Werkzeug benutzen (und vermutlich glauben diesen kontrollieren zu können) und das sind nicht die Juden, keine konservativen Amerikaner und auch nicht der Papst.

Diogenes

5. November 2024 17:12

@Nath56
Danke für Ihre Beweisführung das Materialismus den Kern der jüdischen Weltanschauung ausmacht (die Weltbegrenzung auf das Wiegen und Messen im Welterfassen). 

FraAimerich

5. November 2024 18:38

@ Gracchus  -  In seiner Schrift "Erlösung durch die Schlange" zitiert Fritsche die Schlußzeilen von Kleists "Marionettentheater" übrigens wie folgt:
 
"Mithin", sagte ich ein wenig zerstreut, "müßten wir wieder vom Baum der Erkenntnis essen, um in den Stand der Unschuld zurückzufallen?"
"Allerdings", antwortete er, "das ist das letzte Kapitel von der Geschichte der Welt."
 

Nath56

5. November 2024 18:55

II. @Ingelore
Ohne den Einfluss des Platonismus (z.T. auch der Stoa) auf die Diaspora-Juden (siehe z.B. Philon v. Alexandria) waere es nicht zu einer teilweisen Adaption der hellenistischen Unsterblichkeitslehre gekommen, die in der ontologischen Ungleichartigkeit von Psyche und Soma begruendet ist. Nur weil Erstere aufgrund ihrer Abkuenftigkeit aus dem eigentlich Seienden (bei Platon der kosmos noetos) v o r der Verbindung mit dem Koerper existiert, besteht sie auch n a c h dem Zerfall des Letzteren weiter. Ex nihilo nihil fit – Ex ente nihil fieri non potest. Post-Existenz setzt Prae-Existenz voraus und umgekehrt. Nur das Ungeborene bleibt vom Sterben unbetroffen. Dem indischen Denken und Erfahren ist dies von je her bekannt gewesen, ebenso den mystischen bzw. schamanischen Traditionen unterschiedlicher Herkunft, den griechischen Vorsokratikern ohnehin (z.B. Pythagoras, Empedokles). 
 

Nath56

5. November 2024 19:34

III.
@Ingelore Zur Verteidigung der altjuedischen Religion sei angemerkt: Auf die Idee der Christen waeren sie nicht gekommen, die platonische Unsterblichkeitslehre den "Heiden" gleichsam unter den Fuessen wegzuziehen und in der Weise  fuer sich zu vereinnahmen, dass man nun behauptete, es seien zwar a l l e Seelen – obwohl aus dem Nichts enstanden -  unsterblich, die Verruchten aber haetten unendliche jenseitige Torturen fuer ihr Fehlverhalten zu ertragen. Es handelt sich hier um ein Konglomerat inkompatibler Dogmen: Aus einem begrenzten Sich-schuldig-Machen in endlicher Zeit - und man bedenke, bereits der Unglaube ist fuer Christen unverzeihliche Schuld -  kann keine unbegrenzte  Bestrafung in unendlicher Zeit erfolgen. (Paulus allerdings kennt die damnatio aeterna noch nicht, der endgueltige Tod der Unglaubigen ist fuer ihn Strafe genug). Dieses Dogma bildet sich erst im 2. Jahrhundert heraus, bevor es dann grosse Popularitaet unter Kirchenvaetern erlangt (Tertullian. Irenaeus, Augustinus) und seither zum Hausrat rechtglaubiger christlicher Dogmatik gehoert.
Humoristische Abschlussbemerkung: Ihren Terminus "End-Scheidung" koennte man als Beitrag zu einer Art Sekt-oder-Selters-Theologie auffassen. 
PS Auf das Unsterblichkeitskonzept der Evangelien kann ich aus Platzgruenden nicht eingehen. 

Ingelore

5. November 2024 22:04

@nath 56 Sie können gerne an die Unsterblichkeit der Seele antiker Philosophen glauben , keiner will Ihnen das streitig machen.Sokrates , Platon , Aristotoles , sie haben an das absolut Gute geglaubt , es angestrebt , Gott war ihrer Ansicht nach nicht beweisbar , die Existens der Seele ließ sich jedoch ableiten aus dem Verlauf der Wandlung natürlicher Prozesse  und daraus leiteten sie die Reinkarnation ab.Und dann kamen die Christen und hatten die geniale Idee , den Menschen den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele wegzunehmen und sie für sich mißbräuchlich zu nutzen? Das ist völlig absurd.!Jetzt verstehe ich wenigstens , was Sie mit Sekt und Selters-Philosophie meinen . Dass die antiken   Philosophen eine Hochkultur des Denkens , der Tugenden und der Moral  geschaffen haben , stelle ich nicht in Abrede, aber es war Menschenwerk und ging nicht darüber hinaus.Es ist auch kein Zufall , dass in dieser Zeit geistiger Blüte und dem Gipfel menschlicher moralischer Errungenschaften wie z.B.auch die Gerechtigkeit , Gott sich  und seine Grechtigkeit offenbart hat.Dieses Offenbarungsereignis fügte sich nach dem Willen Gottes in die Geschichte. Die Kirchenväter haben es  ,in desse Rahmen unzählige übernatürliche Wunder geschahen, aufgegriffen und darauf aufgebaut .Sie waren Christen , sowie auch Paulus ein Christ war.Übrigens greift sowohl das Judentum als auch der Islam auf diese geistige Blüte der Antike zurück.

FraAimerich

5. November 2024 22:52

@Diogenes  -  Ihr Einwand ist berechtigt. Aber das war im obigen Kontext nicht gemeint. Und für wichtig erachtet jeder das Seine. Im Zusammenhang mit Fritsche war von den zwei "Erlösern" die Rede, dem leidenden Jeshua ben Josef aus Galiläa und dem herrschenden Messias ben David. Christen sind da oft erstaunt, schon gar nichts wissen sie von den eschatologischen Hintergründen und der ihnen für das Leuchten der Menorah zum Heile Israels zugedachten Aufgabe. Juden reden meist nicht davon. Da wollte ich etwas propädeutische Abhilfe schaffen.
 
 

FraAimerich

6. November 2024 08:29

Vor dem dräuenden Badeschluß noch eine Literaturempfehlung für Leute ohne Geldprobleme, die sich für die Geschichte und die geistigen Grundlagen der GKK in Deitschland, von der christlichen Gnosis Pastor Peithmanns über das Phänomen Krumm-Heller bis zur berüchtigten, unter Metzger "schwärzlich zelebrierenden" Abtei Thelema interessieren:
 
Olaf Räderer, Mysterien der Gnosis, Zürich 2023, 1049 S. 
 
Das Buch enthält neben einer Vielzahl von (Brief-)Dokumenten aus Privatarchiven auch ein eigenes Kapitel zu Herbert Fritsche (mit dem wohl aktuellen/formalen Stand der leidigen Sukzessionsfrage; persönlich bleibe ich aus den bereits angedeuteten Gründen gleichwohl skeptisch). Es wird zusammen mit einem Nachdruck von Peithmanns "Gnostischem Katechismus" (1904/05) als "Bonusband" von knapp 300 S. ausgeliefert (unter Sammlern eine - vollständig - kaum aufzutreibende Rarität).

Nath56

6. November 2024 21:58

@FraAimerich
Ihrer nuetzlichen Literaturempfehlung zum Thema Gnosis laesst sich eine weitere hinzuzufuegen, allerdings in englischer Sprache: 
Arthur Versluis, The New Inquisitions: Heretic Hunting and the Intellectual Origins of Modern Totaliarianism, Oxford University Press, 2006.
Angesichts der auch in diesem Forum zuweilen vernehmlichen Polemik gegen die christliche gnostische Tradition ist Versluis' Abhandlung sehr erhellend. Sie hebt an mit einer Sichtung der fruehchristlichen bzw. spaetantiken Quellen und geht danach ueber zu einer Auseinandersetzung mit der anti-gnostischen Polemik bestimmter Autoren, die seit der Aufklaerung zu einer gewissen Populariataet gelangten: De Maistre, Cortes, Sorel, Maurras, Schmitt, Voegelin, Cohn - und schliesslich Adorno. Wie der leztere Name zeigt, geht es also nicht nur um rechtskatholische Autoren sondern um einen neomarxistischen Soziologen. (Bei letzterem lautet allerdings das perhorreszierte Reizwort nicht "Gnosis" sondern "Okkultismus".) 
 Audiatur et altera pars. Es ist an der Zeit.

M: Welcher Cohn?

Nath56

7. November 2024 13:12

@ML Es ist nicht der Filmregisseur.
Norman Cohn (1915-2007), englischer Historiker, 
The Pursuit of the Millenium (1957) 
Europe's Inner Demons (1975)
 
 
  
 

FraAimerich

7. November 2024 18:32

@Nath56  -  Für primär politisch interessierte Leser ist der mitunter allenfalls etwas kecke Versluis sogar sicher die ergiebigere Lektüre. Schon wegen der Kritik an Voegelein, der m.E. überschätzt wird und seinen Teil dazu beigetragen hat, daß Gnosis mit Vulgärgnostizismus und primitivem Dualismus gleichgesetzt wird. Abscheu erregt freilich stets und vor allem die Feindpropaganda und der Totalitarismus der Anderen. Bei den eigenen Säulenheiligen drückt man schon gern mal ein Auge zu und konzidiert "inquisitorische Intelligenz"...

Nath56

7. November 2024 22:17

@FraAimerich. Vielen Dank fuer den Link. In der Tat muss Schmitts extrem reaktionaerer Katholizismus, nicht zuletzt seine von der "Katechon -Theologie" her motivierte Staatsauffassung auf alle spirituell anders verorteten Menschen in höchstem Maße befremdlich wirken. Fuer Voegelin gilt aehnliches. 

Gracchus

8. November 2024 00:13

@Fra Aimerich: Der Aufsatz über das Marionettentheater, insbesondere das Ende, hat mich mit 15, 16 stark berührt und beschäftigt, wie überhaupt Kleist (den auch Carl Schmitt schätzte). Das Zitat soll bei Fritsche für das Simile-Prinzip streiten - so ähnlich wie Moses erhöhte Schlange, die ja auch in den Gekreuzigten hineingespiegelt wird. Daraus indes eine vom "Satan" inspirierte Mission abzuleiten, erscheint mir nicht stimmig, zumal Jesus due satanischen Versuchungen gemeistert hat. Ich sehe es umgekehrt: dass selbst Satan am Ende noch durch Christus erlöst wird. Der satanische Impuls - zwischen gut und böse zu unterscheiden - wird aufgenommen und zurückverwandelt in die göttliche Einheit. Auch die zwei Messiase konnten mich bislang nicht "affizieren" (= mein "Instinkt" schlägt nicht an, nimmt keine Witterung auf) - ergibt für mich post Golgotha keinen Sinn.   

Gracchus

8. November 2024 00:33

@Fra Aimerich: Welche esoterische Wahrheiten des Christentums bringen Sie an den Rand der Häresie oder darüber hinaus? Sie deuteten das in Zusammenhang mit Hans Blüher an, wenn ich mich recht entsinne; da ich das Werk Blühers nicht kenne, blieb mir die Andeutung dunkel. Kann man derzeit überhaupt nichthäretisch sein? Wenn Häresie das Herausnehmen eines Teils der Wahrheit? Wer hätte denn die ganze Wahrheit als Ganzes? 
 

FraAimerich

8. November 2024 15:38

@Gracchus  -  Ich fürchte, wir reden aneinander vorbei. Ich habe von keinem satanischen Plan gesprochen. Aber hat nicht Gott selbst sich mit einem "Simile" als homöopathischer Heiler der irdischen Sündenkrankheiten versucht? Und welche Substanz mag zur Heilung der sog. Erbsünde wohl zum Einsatz gekommen sein? Theoretisch doch eine, die der "Schlange" vom Baum der Erkenntnis gleicht - in hoch vergeistigter Form?
Die Überlieferung von den zwei Messiasen empfahl ich lediglich mit ihren Ursprüngen und eschatologischen Konsequenzen zur Kenntnis zu nehmen. Nicht zuletzt auch zur Aufhellung gewisser blinder Flecken der christlichen Überlieferung.
Die Lektüre von Blühers "Arestie" kann ich weiterhin nur wärmstens empfehlen.

Gracchus

8. November 2024 20:39

@Fra Aimerich: "satanischer Plan": Ich habe einen der von Ihnen verlinkten Texte so verstanden. 
Gegen die Deutung, dass Gott homöopathisch heilt, verwehre ich mich nicht; das müsste ich nur eben durchdenken. 
Meine Frage ist doch, ob die Überlieferung von den zwei Messiasen christliche blinde Flecke aufzuhellen vermag. Dazu müsste man sie ja ... irgendwie bedeutsam, triftig, wahr(haftig), authentisch, glaubhaft oder wie immer man es nennen mag sein. 

FraAimerich

8. November 2024 23:08

Gracchus  -  Ziehen Sie beim Nachdenken gerne Fritsches Aufsätze zur "Homöopathia Divina" und zur "Christlichen Heilkunst" zurate!
Daß Sie die im AT sowie Midrasch/Talmud verschiedentlich durchaus "authentisch" aufscheinende Unterscheidung zwischen Ben Josef und Ben David offenbar sowohl theologisch als auch eschatologisch für irrelevant halten, nehme ich - einigermaßen überrascht - zur Kenntnis.

Gracchus

9. November 2024 02:20

@Fra Aimerich: Keineswegs. Das AT ist in der Hinsicht nicht eindeutig oder explizit (auch nicht die Stellen, die Gerloff zitiert). Ich nehme nur eben überrascht zur Kenntnis, dass Sie der Vorstellung zweier Messiase - anscheinend unabhängig von Fritsche - eine hohe Bedeutung beimessen, und möchte nur nachvollziehen, was Sie dazu bewegt. Die Überraschung rührt erstens daher, dass mir diese Vorstellung, obwohl nicht völlig unbelesen, bisher nicht bekannt war, zweitens überrascht mich, dass Sie Christen empfehlen, diese Vorstellung in ihren Glauben (oder Lehre oder Imagination oder Gnosis) zu integrieren, um blinde Flecken aufzuhellen - wenn Jesus Christus nach christlicher Lesart  der Messias für Juden und Heiden ist, der gekommene und kommende, der leidende und herrschende. Die Vorstellung von zwei Messiasen - passt da nur sehr schwer hinein und würde die christliche Vorstellungswelt nicht nur aufhellen, sondern umkrempeln. Da ich Sie nicht für leichtfertig halte, sondern für tiefgründig, habe ich angenommen, dass Sie tiefe Gründe hierfür haben. 

FraAimerich

9. November 2024 10:31

@Gracchus  -  Wie käme ich denn dazu, Ihnen oder gar "den Christen" einreden zu wollen, etwas in den eigenen Glauben "zu integrieren". Aber wer, wie christliche Theologen, einräumen muß, angesichts der beiden "Stammbäume" vor einem Rätsel zu stehen, das wohl nicht anders als mit unbedeutenden Irrtümern oder nachträglicher Zurichtung auf alttestamentliche Prophetien zu erklären sei und die rabbinische Auslegungstradition der "älteren Brüder" ignoriert, macht es sich wohl doch etwas zu leicht.
Im Zusammenhang mit Fritsche wollte ich darauf hingewiesen haben, daß dieser vor dem Hintergrund gnostischer u. kabbalistischer Überlieferungen mit der Unterscheidung des Ben Josef vom Ben David vertraut war. Sein Verständnis von "Allerweltsbegriffen" wie Christ, Christus, Messias oder Schlange entsprach ohnehin nicht gerade landläufigen Auffassungen. Wer Fritsche besser verstehen will, muß das wissen - zu eigen machen muß man es sich natürlich nicht.
 
 

FraAimerich

11. November 2024 07:43

Falls sich doch noch mal jemand in diesen Strang verirrt: Die von mir angedeutete "duale Struktur" von Schuldvergebung und Erlösung, die sich bei ernsthafter Betrachtung von Qumran bis Midrasch überzeugend nachweisen läßt, spiegelt sich natürlich auch im Opferdienst zu Jom Kippur (Vgl. Lev. 16,7-22). Das entsprechende Schlagwort vom "Sündenbock", "(es)scapegoat", geht auf  William Tyndale zurück, der 1530 die hebräische Bibel erstmalig ins Englische übersetzte und dafür mit seinem Leben bezahlte.
Tatsächlich geht es dabei um zwei Ziegenböcke - einer wird Gott geopfert, einer "zum Asasel" geführt, wo man ihn, beladen mit den Sünden des Volkes, an einer steilen, felsigen Schlucht zu Tode stürzte. Ein rätselhaftes, geheimnisbehaftetes Ritual. Nachmanides (1194–1270) erklärte, daß es sich bei Asasel um einen Dämon handelt, den er mit Samael identifizierte, mithin der "Schlange" des Sündenfalls, die am Paradiesbaum als "Spiegelbild" des leidenden "Erlösers" erscheint. (Daemon est Deus inversus).
 
 

FraAimerich

11. November 2024 07:47

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz verweist hierzu übrigens auf eine kryptische Andeutung von Ibn Esra, derzufolge "Asasel der Name eines Geistes oder Dämons war: einer der gefallenen Engel, auf die in Genesis 6:2 Bezug genommen wird, ähnlich dem in der griechischen Mythologie 'Pan' genannten Ziegengeist (latein. 'Faunus'). Ein problematischer Gedanke, weshalb Ibn Esra, hier wie in anderen Fällen auch, darauf in Form eines Rätsels anspielte, das nur die Eingeweihten entschlüsseln konnten. Er schreibt: 'Ich werde dir einen Teil des Geheimnisses durch einen Hinweis enthüllen: Im Alter von dreiunddreißig Jahren wirst du es wissen.'" - Diese symbolische Zahl wird in der christlichen Überlieferung als das Alter des Gekreuzigten auf der "Schädelhöhe" genannt.

Diogenes

11. November 2024 11:34

@FraAimerich
"Falls sich doch noch mal jemand in diesen Strang verirrt: Die von mir angedeutete "duale Struktur" von Schuldvergebung und Erlösung (...)" 
 
Die (ungewohnte) Kommentaraktivität in einem bedingt wiedereröffneten Strang ist mir schon aufgefallen, aber ich würde das nicht verirren sondern Neugierde nennen. Allerdings haben sich die Kommentare hier auch weit von der eigentlichen Thematik des Artikels in der Debatte entfernt.
 
Das Glaubensbekenntnis "Schuldvergebung und Erlösung" würde ich ohne den religiösen Zusatz "Erlösung" (ich glaube an die Form der Wiedergeburt der "Seele/Aspekts" des Allbewussten. Das Erlösungskonzept ist Spekulation der abrahamistischen Theologen) als natürlichen Vorgang in einem wie auch immer gearteten Gemeinschaftsverband - der in seiner Selbstorganisation auf seine Glieder angewiesen ist - angeben, wobei Schuld und Gewissen (Schuldhaftes Wissen/der Schuld bewusst sein) da nicht irgendeinem Religionskonformismus unterliegen müssen sondern dem aufgebauten Vertrauen innerhalb des Gemeindelebens entspringen. Das ist das was gerade vor unseren Augen in Europa und Deutschland zerstört wird. Das Vertrauen in die Institutionen wurde durch Einlass von in Art und Wesen uns widersprechenden Menschen zerstört. 

Nath56

11. November 2024 21:50

I.                 Zur Gnosis:
Ich wuerde vorschlagen, den Begriff in einen weiteren religionsgeschichtlichen Kontext zu stellen. Der engere Begriff – eine bestimmte auf die hellenistische Ideenwelt vor und nach der Zeitenwende beschraenkte Heilslehre – kann zwar in Geltung bleiben, sollte aber nicht von dem zuerst genannten Bedeutungsgehalt isoliert werden. Worum geht es also? Das Wort ist synonym mit dem indischen „gyana“ oder „pragyana“ (Erkenntnis) zu verwenden, sowohl etymologisch als auch von der Sache her. Erkenntnis (oder Wissen, sanskr., vidya) ist hier nicht etwa nur der genuine Zugang zum Absoluten, ohne welche Befreiung vom Leiden nicht zu erreichen ist, sie wird sogar in letzter Konsequenz als mit jenem identisch angesehen, etwa im zentralen Diktum einer der Upanishaden: Erkenntnis i s t  das Sein (pragyana brahma). Das indische Sich-Besinnen zielt prinzipiell ab auf Gnosis, es ist der Wesenskern nicht nur des Hinduismus, sondern auch des Buddhismus und des Jainismus. Demgegenueber ist fuer das orthodoxe Judentum, das Christentum und den Islam die g l a e u b i g e Hinnahme der soteriologisch relevanten Inhalte Anfang und Ende. Die Notwendigkeit von Evidenz-Erfahrung besteht hier nicht. Dafuer wird auf die Confessio bzw. das Credo desto unnachgiebiger insistiert - mit schlimmstmoeglichen Konsequenzen bei Zuwiderhandlung.
 
 

Diogenes

13. November 2024 12:37

"Ich wuerde vorschlagen, den Begriff in einen weiteren religionsgeschichtlichen Kontext zu stellen"
 
Nein.

Nath56

13. November 2024 20:12

 
(@Diogenes. Ihr kryptisches „Nein“ muss Ratlosigkeit auf meiner Seite hervorrufen. Die Gruende fuer Ihre Ablehnung moegen stichhaltig sein oder nicht, wenn Sie sie nicht nennen, kann man damit kaum etwas anfangen.)
II. Gnosis
Aus dem oben (I.) Beschiebenen ergibt sich der Befund, dass was im fernen Osten ein riesiges geistiges Stromsystem darstellt (Erkenntnis, Gnosis, Jnana, oder wie man es auch immer nennen will), im Westen faktisch kaum mehr als ein Rinnsal darstellt. Damit ist zunaechst, was den Wahrheitsgehalt desselben angeht, nichts zu seinen Gunsten oder Ungunsten prejudiziert. Es ist nur so, dass von abrahamitischer Seite oft das Argument vorgebracht wird, es handele sich bei „Gnosis“ lediglich um eine historische Randerscheinung, eine Art Sekten-Kuriositaet, gegen welche sich die wahre Glaubens-Lehre am Ende durchgesetzt habe. Der Hinweis darauf, dass sich in anderen Weltgegenden ein umgekehrtes Bild zeigt, soll mithin dazu dienen, jene einseitige Sichtweise zu relativieren. Tatsaechlich "gehoert" weder der ferne Osten allein den "Gnostikern", noch Europa und der Nahe Osten den „Fideisten“. Wenn das in Gnosis Genannte auf eine ihm korrespondierende Wahrheit verweist, dann kann es selbstverstaendlich auch im Christentum (wie jeder anderen Religion) sein Heimatrecht neu reklamieren und dieses von innen her beleben. Ob das geschehen wird, ist offen. Leute wie @FraAimerich, die eine christlich-gnostische Renaissance fuer moeglich zu halten scheinen, sind jedenfalls noch nicht widerlegt.  

FraAimerich

13. November 2024 20:52

Ich verstehe das lapidare "Nein" von @Diogenes auch nicht recht - mal davon abgesehen, daß ihm alles Abrahamitische wohl ohnehin nur als gefährliche Kinderei erscheint, die es zu überwinden gilt. Andererseits hat er angedeutet, durchaus über eine Vorstellung von den überwachsenen inneren/esoterischen Kernen und Ursprüngen der abrahamitschen Exoterik zu verfügen.

Diogenes

17. November 2024 10:50

Teil 1/4
@Nath56, FraAimerich
 
Ob der Betrachter Gnosis aus dem Innersten dogmatisch-fundamentierter Wirkmechaniken eines religionskonformistischen Tripoden namens Abraham-ismus* heraus als dessen Träger/Jünger/Anhänger meinen kann? Ja, denn dann ist der Betrachter darin im Meinen befangen. -Es ist der neurologischen Verknüpfung geschuldete Meinung die sich der kanonischen Dogmatik anpasst und darin bewegt und gar nicht anders als im Verklärten das Sehen/Erkennen vornehmen kann so das „Blinde Punkte“ im Wahrnehmen/Weltbeschauen entstehen. Wenn der Betrachter aber nicht wirklich den Gang geht aus der die Wurzel Ursache nimmt/zieht ist es keine Gnosis als Philosophie die den "Blinden Punkt" in der Bewusstseinsfindung (auch "Erleuchtung/Offenbarung") durch Betrachtung unterschiedlicher Perspektiven zu überwinden sucht und sich darin dem Erkennen der Wirklichkeit annähert. Das Loslassen von der neurologischen Indoktrinierung gestattet Zugang zu dem was Inder Nirwana nennen (der Punkt außerhalb des Linearen in dem unser im Endlichen wurzelndes Hirn in die Ichwerdung filtert/mündet, der Zugang zum Allbewussten).
 
*("Ismus" legt den Schwerpunkt auf die institutionell-ideologische Einbetonierung, nicht auf "Itisch"; also dem Zünden/Entspringen im Gemeinsamen der Entstehungsmythologie des (Jüdischen) Menschen in Abraham)

Diogenes

17. November 2024 10:51

Teil 2/4
 
Das Himmelskonzept der Christen ist in der t(h)eosophischen Perspektivenbeschau mit dem nordisch-germanischen Glauben der Walhalla vereinbar, wenn die Wahlhalle als Entscheid zum Allbewussten der Nornen (War/Ist/Werden irdischen Lebensrads) die das Gegenwärtige das immer durch das Vergangene wandert und widerhallend die Zukunft wandelt, begriffen wird. Also das "Kreuz" als "Anch", wenn Jenseits das Nirwana (aus dem Ichfilter des Gefäßes wachsen/überwinden(?)) der Wiedergeburt der Seele/Aspekts im Filter eines neuen Zusammenhanges Ichwerdnung aufnimmt, mit Fragmenten/Gaben aus dem vorherigen Zusammenhang in dem Seele/Aspekt bestand und sich darin verstand. Zeit als Bewegung in 3. Dimensionen aus dem "Ich"-Begreifen heraus, also dessen was das Hirn als im Endlichen wurzelt filtert und in Worten einzufangen sucht, ist nicht gleich mit dem "Punkt" des Allbewussten das sich außerhalb des linearen Zeit-Begriffes findet.

Diogenes

17. November 2024 10:51

Teil 3/4
 
Den immateriellen Äther als feinstofflicher Speicher/Buch des Lebens wohin die Bio-Photonen (Seele/Aspekt) nach Tod des irdischen Gefäßes (die Genetik als harmonische Melodien spielendes Klavier dieses Urspeichers) "gehen". Ich denke, es ist das was den alten Glauben von dem was religiöse Dogmatik daraus in neuen Gewandt umkleidete unterscheidet: Körper (das Feststoffliche, den Korpus) und Seele/Aspekt streng von einander zu unterscheiden ist nicht richtig. Geist und Körper (Materie) bilden eine Synchronizität - das eine getrennt von dem anderen ist als ob man die Wurzel aus ihrer Quelle ziehen wollte; sie brauchen einander um Ausdruck/Form/Erscheinung bilden zu können. Ein Lichtpunkt an der Wand leuchtet nicht aus sich selber heraus, er entsteht durch einen Scheinwerfer als Quelle.  

Diogenes

17. November 2024 10:53

Teil 4/4
 
Umwandeln von Energie (hier: Bio-Photonen) durch Frequenz (Information, vereinfacht "Melodie") und Vibration (Schall/Welle) in Quantenzustände (durch das was Schöpfung, was Materie im Universum erschafft/abbildet). Wie kann sich etwas was Unendlich ist selbst erkennen? Es wiederholt sich in seinem Aufbau/Struktur vom Kleinsten bis ins Größte (daher: Wir sind Teilhaber), es wandelt sich von dieser in jene Form aber die Energie geht nicht an ein "Nichts", an eine "Leere" verloren. Das Festhalten alleine an dem Materiebegriff des Oberflächlichen führt in solch wurzelloser Weltanschauung aus puren Materialismus zur Selbstvernichtung. Es ist nicht der Sinn von "Materie", wenn (belebte) Materie das Erkennen des Aufstiegs/Treppe des Allbewussten in sich selbst ist um sein* zu können (also um sich selbst wiederholen, wieder-gebieren, zu können).
 
*Giordano Bruno verwendete den Begriff "Lebendig", ich verwende die Metapher "Atmen" im Zusammenhang mit Universum (die "Wiederholung")